Marineluftschiff L59, technische Leistung bei Afrikafahrt

Rurik

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Bei bedecktem Himmel wurde das Marineluftschiff L59 am Morgen des 21. Novembers 1917 in Jamboli, Bulgarien, ausgehallt. An Bord befanden sich 9,1 Tonnen Ballast, 21 Tonnen Kraftstoff, 16,2 Tonnen Versorgungsgüter, 21 Besatzungsmitglieder und ein Verbindungsoffizier. Das Schiff maß in der Länge 226 Meter und hatte ein Gasvolumen von 68500 Kubikmeter. Es wurde von fünf Motoren (Maybach) mit je 250 PS angetrieben und konnte damit eine Höchstgeschwindigkeit von knapp über 100 Kilometer in der Stunde erreichen.
Um 8.30 Uhr lösten sich die Seile, mit denen das Luftschiff von der Bodenmannschaft gehalten wurde. Es drehte auf Richtung Süd und stieg zu seiner Fahrt nach Ostafrika auf.
Gegen 9.45 Uhr überquerte es Adrianopel, dann steuerte es das Marmarameer an. Als es bei Panderma Kleinasien erreichte, orientierte es sich an der Eisenbahnlinie nach Smyrna. Nach Sonnenuntergang wurde der Ort erreicht und bei hellem Mondlicht verließ der Zeppelin die türkische Küste und überquerte das Mittelmeer.
In der Höhe von Kreta kam das Schiff in eine Gewitterfront. Dabei kam es zu einer für die Mannschaft nicht unbekannten Erscheinung. Das ganze Schiff erleuchtete im weißbläulichen Elmsfeuer. Wenn man die Hand aus dem Fenster hielt, zuckten strahlenförmig kleine, helle Blitze von den Fingerspitzen.
Die Fahrt ging dann mit etwas bangen Gedanken weiter, da die Gefahr bestand, dass sich das Wasserstoffgas durch die Funken entzünden konnte, und schließlich erblickte man am Morgen die nordafrikanische Küste.
In der Zwischenzeit erreichten das Reichskolonialamt die Siegesmeldungen der Engländer, das Lettow-Vorbeck besiegt und das Makonde-Hochland besetzt sei. Nach Rückfragen bis zum Kaiser wurde entschieden, das Luftschiff zurückzurufen. Da wegen des Gewitters die Funkantennen eingefahren waren und diese auch erst einmal so belassen wurden, erreichte der Befehl zur Umkehr den Zeppelin nicht.
Kapitänleutnant Bockholt überfuhr gegen 5.15 die afrikanische Küste und bewegte sich nun über der Lybischen Wüste. Die Gegend war öde und eintönig. Die Sonne brannte auf die Hülle des Luftschiffes und erhitzte das Gas in den Zellen. Der Wasserstoff begann sich auszudehnen und eine nicht geringe Menge entwich durch die automatischen Ventile. Die Hülle begann auszutrocknen, was neben dem Kraftstoffverbrauch zu einem erheblichen Gewichtsverlust führte. Um nicht noch mehr Gas ablassen zu müssen, fuhr das Schiff nun mit der Nase nach unten. Heiße, aufsteigende Winde warfen das Schiff immer wieder aus seiner Balance. Das Auf und Ab ließen die gesamte Mannschaft luftkrank werden.
Die Oasen Farafrah und Dakhla, die als Wegmarken dienten, wurden überfahren. Das Schiff war auf Kurs. Darüber war man froh, denn das Schiff konnte nur nach den Sternen navigiert werden. Geschwindigkeit und Abdrift wurden durch die Beobachtung des Schattens des Schiffes bei Sonnen- und Mondlicht anhand einer Tabelle festgestellt. Diese Methode war sehr zuverlässig.
Um 16.20 Uhr riss das Gehäuse des vorderen Motors. Er ließ sich nicht mehr reparieren und da an ihm der Generator für die Funkanlage angeschlossen war, konnte diese nur noch mit Einschränkungen betrieben werden. Mit vier Motoren ging es weiter.
Das Landschaftsbild unter dem Luftschiff wandelte sich. Der Sand wurde von Felsformationen abgelöst. Man sah Flamingos fliegen. Das ließ vermuten, dass der Nil nicht mehr weit war. In der Dunkelheit, gegen 21.45 Uhr war der Fluss erreicht. Man hielt sich jedoch vom Flusslauf weit ab entfernt und fuhr weiter nach Süden.
Über Nacht wurde die Lage kompliziert. Durch den eintretenden Monsun sog die Hülle Feuchtigkeit auf und wurde schwerer. Das Absinken der Temperatur bewirkte zusätzlich ein komprimieren des Gases, was seine Auftriebskraft verringerte. Das Schiff wurde schwerer und musste mit aufgestellter Nase gefahren werden, um einen dynamischen Auftrieb zu erreichen. Zusätzlich wurden zwei Tonnen Ballast abgeworfen. Trotzdem fiel L59 von 950 auf 400 Meter. Fast wäre das Schiff mit einer Bergspitze kollidiert, wobei es seine große Funkantenne verlor. Bockholt ließ die Motoren stoppen und nochmals Ballast abwerfen. Das Schiff stieg wieder und die Fahr wurde fortgesetzt.
In dieser Nacht gelang es, die Empfangsfähigkeit des Funkgerätes herzustellen. Nun erreichte die Meldung, dass das Unternehmen abzubrechen ist, die Besatzung. Das war am 23. November um 00.45 Uhr. Um 2.30 Uhr änderte dann L59 seinen Kurs und kehrte um. Dabei befand es sich 200 Kilometer südlich von Khartum.
Am 25. November um 07.30 landete L59 wieder in Jamboli. Bei der Rückfahrt wurde wieder ein Gewitter passiert. Fast wäre es über dem Sudan zu einer Katastrophe gekommen, als das Schiff von böigen Winden erfasst und nach unten gerissen wurde. Kopfüber stürzte L59 auf die Berge zu. Hecktisch wurde Ballast abgeworfen und die Motoren gestoppt. Es gelang, das Schiff wieder in die Waagerechte zu bringen.
Am Ende seiner Reise hatte L59 bei 95 Stunden Fahrt 6700 Kilometer zurückgelegt. Es befanden sich noch gut 10 Tonnen Kraftstoff an Bord, was noch 64 Stunden Fahrt ermöglicht hätte.
Es wurde noch einmal ein Plan unterbreitet, L59 mit Waffen und Gold in den 3700 Kilometer entfernten Jemen zu schicken, um dort die belagerte Armee von Enver Pascha zu unterstützen. Der Plan wurde jedoch wegen der metrologischen Schwierigkeiten verworfen.

Die letzte Fahrt von L59 fand am 7. April 1918 statt. Es brach von Jamboli in Richtung Malta auf, um dort die britische Flottenbasis mit Bomben anzugreifen. Es überquerte den Balkan, wurde dann aber über der Adria, vermutlich von den Italienern, abgeschossen. Es gab keine Überlebenden. Beobachtet wurde dieser Vorgang von UB53 unter Oberleutnant zur See Robert Sprenger.

Quelle: „The Zeppelin in Combat – A History of the German Naval Airship Division 1912-1918“ Douglas H. Robinson
 
Dieser Text könnte hier, aber auch bei Kolonialgeschichte stehen.
Gut, daß du nicht dem weit verbreitetem Irrtum aufgesessen bist, daß die britische Abwehr einen gefälschten Funkspruch zur Umkehr übermittelt hatte (ich habe es selbst lange so geglaubt :pfeif: ). So steht es teils in Literatur aus der Zeit des 3.Reichs.

Was vielleicht noch anzufügen ist, wäre daß das Luftschiff Lettow durchaus noch erreicht hätte, wenn die Beamten in Berlin etwas mutiger und positiver gedacht hätten...

Zum Thema gibt es diverse Texte mit Bildern zu finden, die ich aber hier nicht verlinke.
 
Was vielleicht noch anzufügen ist, wäre daß das Luftschiff Lettow durchaus noch erreicht hätte, wenn die Beamten in Berlin etwas mutiger und positiver gedacht hätten...
Rein rechnerisch hätte es sogar für ein Fahrt zurück von Ostafrika gereicht, auch wenn es knapp geworden wäre. Allerdings sprechen die Probleme, die man durch die hohen Temperaturunterschiede (Tag/Nacht) und die Feuchtigkeitsschwankungen (Monsun/Wüste) bekam, dagegen. Das hatte man in diesem Extrem nicht vorhergesehen. Es wäre ja dadurch auch zweimal fast zur Havarie gekommen.
 
Ich möchte zu L 59 noch ein paar Bilder nachreichen.
luftschiff-59_01.jpg
luftschiff-59_02.jpg
luftschiff-59_03.jpg
luftschiff-59_04.jpg
luftschiff-59_05.jpg
 
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