Dieter hat natürlich Recht - die historischen und archäologischen Nachweise lassen eine Deutung von "Mattium" als Sakrallandschaft nicht zu.
Trotzdem vielleicht ein paar Überlegungen, wie man auf so eine - für die Geschichtsbetrachtung des späten 19./frühen 20. Jahrhunder typische - kommen kann:
Bereits erwähnt wird ja die Verbindung einiger Ortsnamen des Raumes mit Wodan, insbesondere der von Gudensberg. Leider habe ich selbst kein hessisches Ortsnamenlexikon, aber man sieht hier:
Etymologie, Étymologie, Etymology - Wortgeschichte & Wortgeschichten<br> In Planung 42
dass es noch eine andere etymologische Deutung für Gudensberg gibt. Vielleicht schaffe ich es in den nächsten Tagen mal, in der Literatur nachzuschauen.
Zweitens ist es natürlich die Story von der Donareiche, die zu solchen Spekulationen veranlasst. Aber auch hier ist vor Zirkelschlüssen zu warnen, die der Artikel betreibt, indem er nahegelegene Ortsnamen dem Donar zuordnet. Denn in Wahrheit spricht der Originaltext aus der Vita von einer "Jupitereiche"; auch wenn Jupiter häufig die latinisierte Variante für Donar darstellt, sollte man - zumindest für weitergehende etymologische Betrachtungen - bedenken, dass ein anderer, örtlicher Gott gemeint sein könnte.
Und allgemein: historisch gibt es keine Belege für die Religion der Chatten; sicherlich gab es eine, aber was Willibald in der Vita Bonifacii über die Religion der Hessen (als wahrscheinliche Chatten-Nachfolger) und die Gebräuche schreibt, unterscheidet sich nicht wesentlich von den sonstigen Charakterisierungen von Heiden in Schriften dieser Epoche. Es ist kein einziger originär auf die Chatten/Hessen zu beziehender Brauch erkennbar.
Archäologisch ist in dieser Region überhaupt noch nichts ausgegraben worden, was sich als germanisches Heiligtum interpretieren ließe. Die derart starke Fundlücke und auch Schilderungen lassen vermuten, dass in erster Linie Ahnenkult sowie die Verehrung markanter natürlicher Geländepunkte betrieben wurden.
Der Wikipedia-Artikel "Mattium" ist stark überarbeitungsbedürftig, weil er
- die Sakrallandschaft als Faktum konstatiert
- die Literaturquellen für diese Deutung völlig unklar sind. Einzelne Bestandteile der Theorie waren mir bekannt, aber die Interpretation Mattiums als geschlossener Sakrallandschaft auch vollkommen neu; so was behaupten nicht mal die gegenüber paganen Theorien aufgeschlosseneren Autoren wie Karl Demandt.