Gestern gab es bei einer Debatte bei den US Primaries einen Schlagabtausch zwischen McCain, der wohl als Internationalist bezeichnet werden kann, und Ron Paul, der ein Nicht-Interventionist ist.
McCain meinte zu Paul, dass der Isolationismus der USA in der Zeit nach dem WW I für den WW II verantworlich sei (McCain sagte: "This kind of isolationism[...] CAUSED WW II ...").
Mir ist klar, dass das so Unsinn ist, aber was hätten die USA überhaupt tun können?
Ich könnte mir Vorstellen, mehr Engagement beim Versailler Vertrag hätte geholfen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob nicht ein Nicht-Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg auch letzlich Hitler verhindert hätte und daher eine konsistente nicht-interventionistische Politik, wie sie Ron Paul vorschlägt, auch Hitler&Co verhindert hätte. (Zugegeben, ich hoffe Paul wird nächster Präsident in den USA und ich suche Argumente für ihn)
1.
Haben sich die USA 1919 wirklich in eine Politik des Isolationismus zurückgezogen?
Die USA traten 1917 aus ihrer Sicht in einen Krieg ein, um durch einen chirurgischen Schnitt ein lebensbedrohendes Problem endgültig zu lösen. Als die Nachwirkungen dieser OP anders verliefen, als sie sich das vorgestellt hatten, zogen sie sich grollend aus Europa zurück: militärisch. Politisch gingen sie auf Distanz, um sich dann doch immer wieder zu Wort zu melden, und wirtschaftlich blieben sie durchgehend präsent.
Diese merkwürdige halb-isolationistische Politik führte zu einer unausgegorenen amerikanischen Politik. Beispiel: die Amerikaner rieten den Franzosen mit den Deutschen in der Reparationsfrage milde umzugehen. Sie selbst aber wollten ihre Kriegskredite nebst Zinsen bis auf den letzten Dollarcent genau zurück gezahlt bekommen, obwohl die Franzosen dies ohne hohe deutsche Reparationszahlungen gar nicht konnten.
Diese Art des Rückzugs hatte seine Auswirkungen auf das Verhältnis der Europäer untereinander, wobei letztlich die amerikanische Politik fehlte, die diese Wirkungen konzeptionell berücksichtigt hätte, geschweige denn, dass die amerikanischen Regierungen bereit gewesen wären, sich in Europa erneut militärisch zu engagieren, was in Europa wiederum jeder wusste.
Die USA mussten wohl erst einmal lernen, dass die Diplomatie Probleme nur vorläufig, nicht aber endgültig lösen kann und dass durch die Provisorien regelmäßig neue Probleme entstehen, an deren Lösung man wiederum nur mittels vorläufiger Lösungen herumdoktoren kann... - Man kann sich nicht zurückziehen; es gibt kein "Ende der Geschichte".
2.
Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn der amerikanische Senat 1919 den Versailler Vertrag ratifiziert hätte?
Das ist eine spekulative Frage, die nicht hinreichend sicher beantwortet werden kann. Aber ein paar richtungsweisende Hinweise aus der tatsächlich abgelaufenen Geschichte existieren doch:
Mit dem Versailler Vertrag wäre auch der Garantievertrag ratifiziert worden, durch den die USA und GB Frankreichs Existenz garantierten. Frankreich hätte sich in diesem Fall anders als tatsächlich geschehen im Umgang mit dem deutschen Nachbarn nicht auf sich allein gestellt gefühlt und diesem gegenüber weniger den Druck verspürt, das in Versailles Versäumte (die deutsche Teilung) nun rasch nachzuholen. Frankreichs Spielräume wären (schon mittelfristig) gegenüber Deutschland größer gewesen - in Richtung Revision der Verträge.
Aber auch bei diesem Szenario wäre der wirtschaftliche Neuanfang der Franzosen und der Deutschen davon abhängig geblieben, dass die Amerikaner von den Franzosen keine Kreditzurückzahlung fordern, die diese nur durch hohe deutsche Reparationsforderungen leisten konnten.
3.
Hitlers Aufstieg hatte viele Gründe. Der "Versailles"-Nationalismus war einer davon. Ein zwangsläufiger Ursachenzusammenhang zwischen Versailler Vertrag und Machtergreifung bestand nicht.