Menschen als Weiheopfer

Aulus

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Ich stoße immer wieder in Büchern auf Pläne oder Fotos mit in Fundamenten freigelegten geopferten Menschen. Oft kleine Mädchen. Sucht man gezielt findet man nichts, außer den geopferten griechischen und keltischen Paaren während des 2. punischen Krieges auf dem Rindermarkt. Waren die gefundenen Skeletten z.B. in den Fundamenten der Regia Opfer oder eher Bestattungen?
 
Mir geläufig sind folgende Nachrichten über Menschenopfer:
- auf dem Forum Boaricum 228 vChr, 1. Illyrischer Krieg, Livius 12.57.6
- dann wieder, wie du schreibst, 216 vChr ebenfalls dort, auf Geheiß der Sybillinischen Bücher
- dann zum letzten Mal beim Kimberneinfall 113 vChr, ebenfalls auf dem Forum Boaricum.
- Angeblich soll es auch Menschenopfer unter Domitian gegeben haben, dort soll eine Vestalin zu Tode gefoltert worden sei (Plinius, Epistulae 4,11):
Denn Domitian tobte und kochte vor Wut, alleingelassen in seinem gewaltigen Haß. Denn als er die oberste Vestalin Cornelia lebendig begraben lassen wollte, in der Überzeugung, er könne seiner Zeit durch derartige Beispiele Glanz verleihen [vgl. die Sybillinischen Bücher! Eumolp], rief er mit dem Recht des Oberpriesters oder vielmehr mit der Grausamkeit des Tyrannen und der Willkür des Herrschers die übrigen Priester nicht in die Regia, sondern in sein Albaner Landhaus." usw.
 
Vielen Dank für die Informationen. Es soll aber noch weiter zurückgehen bis in die Besiedlung des Palatins. Carandini verweist auf Opferungen im Fundament der Porta Mugonia und auf mindestens 2 in den ersten Phasen der Regia. Ich finde dazu nichts. Solche Gründungsopfer sind bei weiteren Kulturen Europas bekannt. Meist Kinder wie in Manching. Es ist aber auch Vorsicht geboten. Argiletum wird als Opfer eines Gottes bezeichnet heißt aber schlicht Tongrube. Und dann gibt es noch das jährliche Argaeropfer das später in Form von Strohbündeln dargestellt wurde die in den Tiber geworfen wurden.
 
Tja, darüber weiß ich nichts. Das einzige, was ich bei der Internetrecherche entdeckt habe, ist eine Diskussion von Carandini in Kathryn Lomas, The Rise of Rome From the Iron Age to the Punic Wars, an mehreren Stellen im Buch, etwa pp.35ff, p.43, p.93, pp.146f, p.335, p.344, aber auch in den Anmerkungen p.350 und p.369, wo auf die Diskussion seiner Thesen in der Literatur eingegangen wird. Von hier aus kommt man sicher weiter, vor allem, wenn man Italienisch kann. Hier ein Übersichtsartikel:
Carmine Ampolo, ‘Il problema delle origini di Roma rivisitato: concordismo, ipertradizionalismo acritico, contesti’, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Classe di Lettere e Filosofia 5.1 (2013)

Hoffe, das hilft weiter.
 
Ich stoße immer wieder in Büchern auf Pläne oder Fotos mit in Fundamenten freigelegten geopferten Menschen. Oft kleine Mädchen. Sucht man gezielt findet man nichts, außer den geopferten griechischen und keltischen Paaren während des 2. punischen Krieges auf dem Rindermarkt. Waren die gefundenen Skeletten z.B. in den Fundamenten der Regia Opfer oder eher Bestattungen?

Es handelte sich um sogenannte Bauopfer. Es war durchaus nicht unüblich, in Fundamente junge Hunde oder andere Tiere im Fundament eingemauert wurden. Ein heidnisches Zeremoniell, durch das Bauopfer sollte der Schutz einer Gottheit gesichert werden. Bauopfer waren noch sehr lange nach der Christianisierung üblich.

In der Erzählung "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts spielt, zieht sich der junge Deichgraf den Zorn der abergläubischen Dorfbevölkerung zu, als er verhindert, dass ein kleiner Hund als Bauopfer für den von Deichgrafen Hauke Haien konstruierten Deich verwendet wird. Nach dem Glauben der Dorfbewohner muss "etwas Lebiges" in das Fundament des Deiches, damit er halten kann. Eigentlich wollte man ein Zigeunerkind nehmen, das man dem Stamm abkaufen wollte. Die anderen Dorfbewohner stehen dem Deichgrafen kritisch gegenüber, der erkannt hat, dass die alten Deichmodelle nichts taugen bei einer schweren Flut und der daher mehr Geld und Arbeitskraft erfordert, es geht viel abergläubisches Gerede um, und mit der Verweigerung des traditionellen Bauopfers fordert der Deichgraf Hauke Haien endgültig den Widerstand seiner Nachbarn heraus.
 
Merci. Die Stellen habe ich auch gefunden. Allerdings finde ich zu den von Carandini erwähnten Orten nichts weiteres. Nichts bei Pallotino oder Mommsen. in anderen Kulturkreisen wurden die Opfer bei den feindlichen Nachbarn besorgt. Wie gesagt nur Carandini.
 
@Aulus:
Nun, wenn ich so querlese, dann werden Carandinis Thesen sehr skeptisch beurteilt. Er geht von den Gründungsmythen Roms aus und interpretiert damit archäologische Funde. So will er Romulus' Hütte gefunden haben:
On the basis of this, he argues passionately that the new evidence supports the ancient tradition that the foundation of Rome was a single act by a specific individual, some time in the mid-eighth century bc. However, the identification of some of the new finds is contentious, and the theory as a whole remains highly controversial. Most historians and archaeologists reject this approach in favour of an emphasis on just the archaeological evidence.
Auch die sog. Weiheopfer, um die es dir geht, könnten ganz "normale" Tote sein, die nur in der Nähe der Pforte begraben wurden:
Carandini argued that human remains found near the gateway were those of a sacrificial victim buried beneath the gate as a ritual act, and are evidence that the wall and gateway were indeed the ritual boundary of Rome. The custom of burying a human sacrifice beneath the walls or gate of a new settlement is known in early Italy, and could explain the human remains at the foot of the Palatine, but remains of several other burials were found in this area. The human remains on the Palatine may be a ritual sacrifice marking the gateway, but they may also be an ordinary burial which had been disturbed by the new structure.
Im Unterschied zu Scorpios Beitrag mit den Hunden und Katzen sind es hier allerdings Menschen. Es sieht eher so aus, als stehe Carandini mit seinen Thesen allein.
(Alle Zitate aus K. Lomas)

@Scorpio:
Dein Beitrag hat mich interessiert, weil ich gar keinen Zusammenhang mit diesen "Bauopfern" gesehen habe, zumal ich die Geschichte von Storm schon längst vergessen habe.

Allerdings kann man die 3 überlieferten Menschen-Opfer auf dem Rindermarkt in der Republikanischen Zeit nicht als Bauopfer interpretieren: bspw. wurden 228 vChr 2 Gallier und 2 Griechen lebendig unter dem Rindermarkt begraben. Wie die wiki schreibt, ähnelte diese Vorgehensweise der Bestrafung von Vestalinnen, die ihren Eid gebrochen hatten.
 
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