[Mentalitätsgeschichte] Linke Mentalität der 50ziger?

K

König

Gast
Immer wieder ist von den konservativ-prüden 50ziger Jahren die Rede. Und, alles, was ich zu diesen Thema kenne, gibt dem Recht: Ein Buch aus den 50ziger, das sich wohl an Jugendliche richtete, war sehr konservativ in seinen Wertungen. Auch wurden Jesuiten von Adenauer bei der Frage nach der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen als "moralische Fachmänner" in den Bundestag geladen.
Diese Reaktion scheint mir absolut verständlich: Nach dem Erlebnissen des Krieges ist das politische Feld psychologisch sicherlich etwas belastet und man zieht sich lieber ins Private zurück, um seine Ruhe zu haben. Auch sind damals viele Leute bereits nicht mehr in einer Atmosphäre aufgewachsen, die kritischen Geist und Diskussion fördert (Diktatur). Hinzu kommt dann die Rückbesinnung auf die (republikanische) Vorkriegszeit, an die man politisch (lose) anknüpfen will. Da versprechen konservative Institutionen und Haltungen sicher Orientierung.

Dann wieder habe ich gehört, war damals der Kommunismus enorm populär. Viele Künstler waren Kommunisten, auch Satre und so weiter liebäugelten damit.
Auch das kann ich verstehen: Vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus ganz Europas wieso der Umwandlung der ganzen Welt müssen natürlich die ungleichen Besitzverhältnisse als ein besonders dringendes Übel erschienen sein. Zudem hat die Sowjetunion die Nazis besiegt, was ihrgegenüber natürlich eine Haltung der Dankbarkeit bedingt. Die Propaganda der InterKom wird ihres getan haben.

Zeitgleich dazu kam es in den USA zur "Kommunistenhatz":
McCarthy-Ära ? Wikipedia

Meine Frage lautet daher:
Wie passen diese Eindrücke zusammen? Handelte es sich damit um eine Geografische Sache (in Frankreich und Italien war der Kommunismus populär, in D eher der Konservatismus und in den USA eine Art "kämpferischer (rechts-)Liberalismus") oder fanden diese Strömungen dann doch mehr oder weniger Parallel statt und konnten so 68 mitbeeinflussen (denn die Studentenbewegung entstand ja auch nicht im Luftleeren Raum)?
 
Ich habe mir auf die hier fomulierten Fragen einmal folgende Antwort gegeben:
Zum einen würde ich auf jeden Fall von unterschiedlichen nationalen Entwicklungen ausgehen; allerdings kann ich nur etwas zu den Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich etwas sagen:
So wie ich das aus der Biographie Sartres, den du ja auch erwähnst, verstanden habe, war die Linke in Frankreich tonagebend, mindestens was die politisch intellektuelle Szene anbetrifft. Bezeichnend ist etwa die Gründung der Zeitschrift Les Temps Modernes. Viele Aktive der Résistance bekannten sich zum kommunistischen Gedankengut. Vielleicht kann man sogar von einer Wiederentdeckung Marxens sprechen. Was allerdings die "reine" Politik (Pateien der Nationalversammlung beispielsweise) betrifft, kenne ich mich nicht aus, aber die Tagespolitik war tendentiell vielleicht auch zunächst eher konservativ, wenn man etwa an Charles de Gaulles denkt. Trotzdem bleibt aber der Unterschied, daß meines Wissens in Frankreich ein Antikommunismus nicht verbreitet war; ganz anders in Deutschland nach dem Krieg: freilich hat die Diktatur ihren Einfluß insofern nachwirken lassen, als daß die radikalen Linke vollständig zerschlagen worden war, eine wichtige philosophische Strömung, die sog. Frankfurter Schule, etwa war im Exil; hier könnte man also eher von einer Verdrängung marxistischer Ideen sprechen. Der Konservativismus erklärt sich in Deutschland meines Erachtens dadurch, daß eine konsequente Entnazifizierung beim Wiederaufbau nicht durchführbar war bzw. im Zuge der Blockbildung daran aus politischen Gründen sehr rasch Abstriche gemacht werden mußten.
 
So wie ich das aus der Biographie Sartres, den du ja auch erwähnst, verstanden habe, war die Linke in Frankreich tonagebend, mindestens was die politisch intellektuelle Szene anbetrifft.

Das ist natürlich richtig. Vielleicht ist das eine Sache der Nation. In Deutschland war die Linke eben stark und erfolgreich bekämpft worden, während in Frankreich die Rechten eher noch unter den Verdacht der Kollaboration stehen konnten...
Für Systeme in denen die politische Auseinandersetzung aber weiterhin im kultivierten Rahmen stattfand wie den USA oder England kann das nicht gelten!

Hier gab es eben die politische Kampagne gegen die Kommunisten. Das liegt natürlich auch daran, dass mit den "New Deal"-Maßnahmen tatsächlich sowas wie eine sozialdemokratische Politik betrieben wurde. Kann man daher sagen, dass der erstarkende Konservativismus eher eine Reaktion auf diese Maßnahmen und damit indirekt auch die der Wirtschaftskrise in der Innen- und der Bedrohung durch die Sowjetunion in der Aussenpolitik war?

Bezeichnend ist etwa die Gründung der Zeitschrift Les Temps Modernes. Viele Aktive der Résistance bekannten sich zum kommunistischen Gedankengut. Vielleicht kann man sogar von einer Wiederentdeckung Marxens sprechen. Was allerdings die "reine" Politik (Pateien der Nationalversammlung beispielsweise) betrifft, kenne ich mich nicht aus, aber die Tagespolitik war tendentiell vielleicht auch zunächst eher konservativ, wenn man etwa an Charles de Gaulles denkt.

In England war es ähnlich gespalten: Erstmal massive Verstaatlichungen und die Entkolonialisierung unter einer Labour-Führung, dann die Rückkehr des Konservativen Churchill.

Trotzdem bleibt aber der Unterschied, daß meines Wissens in Frankreich ein Antikommunismus nicht verbreitet war; ganz anders in Deutschland nach dem Krieg: freilich hat die Diktatur ihren Einfluß insofern nachwirken lassen, als daß die radikalen Linke vollständig zerschlagen worden war, eine wichtige philosophische Strömung, die sog. Frankfurter Schule, etwa war im Exil; hier könnte man also eher von einer Verdrängung marxistischer Ideen sprechen. Der Konservativismus erklärt sich in Deutschland meines Erachtens dadurch, daß eine konsequente Entnazifizierung beim Wiederaufbau nicht durchführbar war bzw. im Zuge der Blockbildung daran aus politischen Gründen sehr rasch Abstriche gemacht werden mußten.

Der Gedanke macht in Deutschland natürlich Sinn. Dennoch muss man sagen, dass der Konservativismus, von dem ich hauptsächlich gelesen habe, offenbar noch weit vom Rechtsextremismus entfernt war, was eher zu vermuten wäre. Selbst die "Deutsche Partei" schien in Summa eher konservativ als nationalistisch (falls ich jetzt keinen massiven Irrtum aufsitze).
Man darf ja nicht vergessen, dass erst Adenauer ("der Alte") bei Beginn seiner ersten Amtszeit die Soziale Marktwirtschaft gegen weitreichende Pläne von Enteignung gegen einige Teile der CDU durchsetze! Das liegt natürlich daran, dass die Großindustrie sich nicht grade in der Verteidigung der Demokratie hervorgetan hatte, dennoch schien das Programm der CDU antikapitalistisch zu sein, was dann doch nicht zu einer (gemäßigt) rechten Partei passen will. Auf der anderen Seite, sich über einen Verzicht auf Wehrdienst an der Waffe aus Gewissensgründen so anzustellen passt dann doch eher zu einer Diktatur (wie man in der DDR sieht ;)) als zu einer neuen, geläuterten Republik.

Wie sah es eigentlich mit Frauenrechten aus? Die waren doch anfangs auch etwas unter denen der Weimarer Republik.
 
Hallo König, ich würde mir wünschen, daß hier noch von kompetenterer Seite als der meinigen eine Meinung geäußert würde; so erwähnst du interessante Details, die mir freilich neu sind und ich damit eher wenig sagen kann. Mein Beitrag, das hätte ich vielleicht noch klarstellen sollen, bezog sich hauptsächlich auf die implizite These einer schwachen Linken; als ich meinen Beitrag, war mir das nicht so bewußt; in gewisser Weise relativiert sie ja deine Behauptung:

Diese Reaktion scheint mir absolut verständlich: Nach dem Erlebnissen des Krieges ist das politische Feld psychologisch sicherlich etwas belastet und man zieht sich lieber ins Private zurück, um seine Ruhe zu haben. Auch sind damals viele Leute bereits nicht mehr in einer Atmosphäre aufgewachsen, die kritischen Geist und Diskussion fördert (Diktatur). Hinzu kommt dann die Rückbesinnung auf die (republikanische) Vorkriegszeit, an die man politisch (lose) anknüpfen will. Da versprechen konservative Institutionen und Haltungen sicher Orientierung.

Durch Zitation wäre mir das aufgefallen, daß ich mit meiner Behauptung der Zerschlagung einer (radikalen) Linken einen ganz anderen Aspekt einbringen und betone. Daß es in der Ostzone zum Erstarken der Linken kam, hängt ja auch mit mit der Blockbildung zusammen; ich denke, daß die nicht zu unterschätzen ist; aber ich gebe zu, daß ich mich nicht gut auskenne. Wie gesagt, wünschenwert wären kompente Einmischungen anderer User zum Thema!

Was die "Frauenfrage" angeht: Aus Diskursen über die frühkindliche Erziehung ist mir bekannt, daß die herrschende, der Emanzipation nicht förderliche Ideologie (wie ich das einmal zu benennen wage) in der Bundesrepublik - hier im Gegensatz zur DDR - diejenige war, daß Kinder unter drei Jahren zu Hause zu erziehen seien - dies wurde in den 1970ern festgestellt; ich erinnere mich aus Erzählungen, daß in meinem Ort auf dem Lande überhaupt erst mein Vater dieser Zeit sich auch für eine Einrichtung für Vorschulkinder einsetzte, und vielleicht liege ich nicht ganz falsch mit der Behauptung, daß in den vorhergehenden Jahrzehnten durchaus noch Common sense war, seine Kinder bis zur Einschulung zu Hause zu behalten. Inwieweit diese mit dem Bild einer bürgerlichen Familie assoziierte Vorstellung vielleicht auch in nationalsozialistischer Tradition stehe könnte, entzieht sich aber doch meiner Kenntnis, obwohl es halt meine Vermutung ist und ich müßte das durchaus noch genauer recherchieren.
 
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