merkwürdiger "Dachschmuck" (Obelisken etc.)

Water

Aktives Mitglied
Hi :winke:

Immer wenn ich durch die Stadt laufe, wundere ich mich über diesen Dachschmuck wie hier am Bundesverwaltungsgericht:

mit Bild wird klarer, was ich meine ^^

Da sind an der Kuppel ja z.B. solche Obelisken und sonst am Dachrand auch diese "Urnen". Weiß jemand, ob das nur Deko ist oder irgendeine Bedeutung hat? Ist an vielen Häusern zu sehen und ich frag mich immer, was das eigentlich sein soll. :grübel:
 
Ist nur Deko. Diese Urnen sind ursprünglich Prunkkratere, spätestens seit dem Barock ein beliebter Aufsatz auf Attikageschossen. Prunkgefäße als Akrotere, also als Eckschmuck auf Tempelgiebel zu stellen, war schon in der Antike nicht selten. Ohne daß ich es genau weiß, würde ich da eine Vorbildwirkung sehen, die in der Renaissance/Frühbarock durch wiederentdeckte Reliefs oder Wandmalereien angestoßen wurde.
Die Obelisken sind dann natürlich eine "ägyptisierende" Variante davon.
 
Die Dinger haben diverse Ursprünge und alle den gleichen Sinn: das Schmücken und das Aufbrechen großer Flächen und Linien, sodass diese weniger geometrisch wirken. Hierdurch erscheinen allzu geometrische Formen ‘organischer’, und unfreundlichen Ecken wird die Schärfe genommen.

Bereits die Griechen und die Römer hatten ihre Akroteria und Antefixe (ähnliche Stilelemente gab es allerdings auch in anderen Kulturen). Danach wurde es ruhiger auf den Dächern, bis sich dann die Gotik umso mehr gegen eine nüchterne Geometrie wandte, und ihre Dächer mit Fialen verzierte, auf denen wiederum zahlreiche Krabben saßen.

Die Renaissance klärte zwar wieder die Dachlinien, war aber so sehr mit Gartenbau beschäftigt, dass Vasen und Skulpturen auch auf die Dächer mussten, auf dass alles wie ein einziger Garten wirke. Das war den pompgewohnten Franzosen nur recht, sodass sie Vesailles derart mit Prunkkrateren und Skulpturen bespickten, dass ihnen der importierte Klassizismus erträglich wurde. Und erst jetzt gefiel auch den restlichen Europäern der Stil, sodass sie gleich zum Barock erweitert wurde, und vortan es keine Ecken und schon gar keine Dächer mehr ohne solche Verzierungen gab.

Bis schließlich der Kapitalist mit seinem Rotstift auftauchte, ermuntert von der “Neuen Sachlichkeit”, die ihm die Künstler vor die Füße legten.
 
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Bis schließlich der Kapitalist mit seinem Rotstift auftauchte, ermuntert von der “Neuen Sachlichkeit”, die ihm die Künstler vor die Füße legten.

Sehr schön formuliert!

Der Schlachtruf dabei lautete "Ornament ist Verbrechen" und stammte von ...einem Österreicher (wieder einmal).
 
Ich habe es immer so verstanden...
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Es rückte eine Zeit heran in der diese kunstvollen Verzierungen, die teilweise auch in recht aufwendiger Handarbeit (Fertigkeit und Zeit) hergestellte wurden, man nicht mehr haben wollte.

Ein wichtiger Vertreter dieser neuen Linie war da wohl Walter Gropius.
In diese Zeit passten seine Vorstellungen zur Industrialisierung und Normierung des Bauens.
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Wobei die Ansätze zur Industrialisierung schon im 19. Jh. lagen, ich erinnere da nur an Schinkels Bauakademie oder auch das Neue Museum in Berlin.

Und viele Dekorelemente waren da auch nicht mehr aufwendig in Handarbeit hergestellt, sondern in Serienproduktion geschaffen.
 
Danke euch allen. :) Also ist das nur Deko... hmm naja ich finds ganz schön kitschig irgendwie. ^^
 
Wobei die Ansätze zur Industrialisierung schon im 19. Jh. lagen, ich erinnere da nur an Schinkels Bauakademie oder auch das Neue Museum in Berlin.
Gewiss! Hatte ja auch sehr vereinfachend zusammengefasst. Höchst interessant in der Baugeschichte richtung Moderne ist die Eisenarchitektur der Belle Époque, wie die einzelnen Architekten zwischen heftiger Ornamentik und z.T. recht asketischem Simplizismus hin- und herschwankten, als käme ihre Suche nach Ästhetik nicht von innen heraus.(kenne kaum einen Architekten jener Zeit, der nicht mal Dinge schuf, die eher pfui als hui waren)

Irgendwie war der Jugendstil sowas wie ein letztes Aufbäumen barocker Ästhetik, die mehr Natürlichkeit bei der Gestaltung forderte, während der Klassizismus noch etwas länger im Art Déco überlebte, nur um dann endgültig in Monumentalismus zu verpuffen.(wozu auch der NS beitrug)

Wie sehr der Verlust des Formenreichtums schmerzt, zeigt die große Bewunderung für Querdenker der Architektur, wie Imre Makovecz, Hundertwasser, die aber andererseits schnell mal als ein bisschen anthroposoph beiseitesortiert werden.


Und viele Dekorelemente waren da auch nicht mehr aufwendig in Handarbeit hergestellt, sondern in Serienproduktion geschaffen.
Dass Ornamentik nur dann als gut eingestuft werden kann, wenn sie viel Schweiß erfordert hatte, halte ich persönlich für recht streng. ;) Tatsache ist, dass bereits der Barockmensch sehr schnell baute, oft sogar pfuschte.
 
Irgendwie war der Jugendstil sowas wie ein letztes Aufbäumen barocker Ästhetik, die mehr Natürlichkeit bei der Gestaltung forderte, während der Klassizismus noch etwas länger im Art Déco überlebte, nur um dann endgültig in Monumentalismus zu verpuffen.(wozu auch der NS beitrug)
obwohl es nicht zum Thema gehört, aber das macht mich neugierig: in welcher Weise siehst du barocke Ästhetik im Jugendstil? Bei den Präraffaeliten würde mich das nicht wundern, aber das betrifft ja eher die Malerei als die Architektur. Meinst du das im Sinne überschäumender Ornamentalistik?
Was das Gebäude der Anfangsfrage und seine Verzierungen betrifft: ist das kein Historismus?
 
obwohl es nicht zum Thema gehört, aber das macht mich neugierig: in welcher Weise siehst du barocke Ästhetik im Jugendstil? Bei den Präraffaeliten würde mich das nicht wundern, aber das betrifft ja eher die Malerei als die Architektur. Meinst du das im Sinne überschäumender Ornamentalistik?
Was das Gebäude der Anfangsfrage und seine Verzierungen betrifft: ist das kein Historismus?
Historismus insofern, falls man Neubarock dazuzählt. Persönlich bin ich dazu eher abgeneigt, da der Barock eigentlich durch den ganzen 19. Jh. weitergezogen wurde, ja, bis ins Art Nouveau hinein.(hierbei muss man natürlich zwischen Sezession und franz. Art Nouveau scharfe Grenzen ziehen... Bsp.: die pariser Weltaustellung von 1900 schwelgte förmlich in exzessivem Rokoko, schön mit Art Nouveau aufbereitet, sodass beide kaum zu trennen sind). Klar könnte man von Historizismus, gar von Eklektizismus reden, aber gerade in der Architektur ist eine Kontinuität des Barock feststellbar, sodass ich die schweren Neubarock-Bauten um 1880 kaum als Historismus auffasse.(meine natürlich reinen, einfachen Neubarock, und nicht die häufige Mischungen mit anderen, z.B. gotischen Elementen)

Beim oben gezeigten schönen Gebäude würde ich also höchstens von ‘Post-Barock‘ reden, viel-viel lieber aber von Deutscher Belle Époque, da der Ausdruck all diesen Fragen elegant aus dem Weg geht.
 
Zuletzt bearbeitet:
=)=)=) ok, wir einigen uns auf Belle Epoque :yes:
Werde Dir mal was zusammenstellen (wenn ich mehr ausgeschlafen bin :D ), um zu zeigen, dass der Barock eigentlich erst anfangs des 20. Jhs. sein Ende fand, und wie sehr der barocke Geist im Jugendstil wieder aufloderte. ;) In einem neuen Thread natürlich...
 
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