Milde Inquisition?

Kassia

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Ich habe kürzlich Ratzinger gelesen "Salz der Erde" dort unterhält er sich mit seinem Interviewer auch über die Archive der Inquisition, in denen im Allgemeinen spektakuläre Fälle vermutet werden.... Jedenfalls sagt er, daß ein "liberaler italienischer Professor" nur auf gewöhnliche Kriminalität gestoßen sei. Allerdings hätte die Inquisition als vergleichsweise mildes Gericht gegolten, so daß sich viele, die vor einem Zivilgericht standen, selbst einen religiösen Faktor angedichtet, Wahrsagerei oder Hexerei, um vor die Inquisition zu kommen.
Ratzinger sagt auch, er hätte das nur aus zweiter Hand und nicht selbst in den Quellen studiert.

Ist an dieser These etwas (Wahres) dran? Hat das mal jemand genauer untersucht? Für welche Zeit galt das, schließlich hat sich die Inquisition lange gehalten?

Dazu fällt mir der Satz eines meiner Profs ein: Die Kirche will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er lebe und zahle!

(Wer das selber nachlesen will: Joseph Ratzinger, Salz der Erde, in der TB Ausgabe S. 110, München 2001(2))

LG Kassia
 
Ich kann nur sagen, dass Prof. Hubert Wolf, der Zugang zu den Vatikan-Archiven hat, zur Zeit die "Schrecken der Inquisition" (gemeint ist die Römische Inquisition) sehr stark relativiert, und er muss wohl als der deutsche Gelehrte betrachtet werden, der zur Zeit am Thema forscht.
 
El Quijote schrieb:
Ich kann nur sagen, dass Prof. Hubert Wolf, der Zugang zu den Vatikan-Archiven hat, zur Zeit die "Schrecken der Inquisition" (gemeint ist die Römische Inquisition) sehr stark relativiert, und er muss wohl als der deutsche Gelehrte betrachtet werden, der zur Zeit am Thema forscht.

Hubert Wolf durchforstet das Archiv der Indexkongregation und hat darüber publiziert:
Index - Der Vatikan und die verbotenen Bücher, München 2006.
Ich habe Schini gebeten, das Buch hier bei den Buchtipps vorzustellen.

Zur Klärung der Frage von Kassia hilft das aber nicht weiter.
 
neue Erkenntnisse

Die Archive des Vatikans sind ja seit einiger Zeit teilweise einsehbar.
Es heisst, bei den meisten Verurteilungen handelte es sich nur um Bu?e in Form von vorgeschrieben Gebeten usw. Todesurteile konnte die Inquisition angeblich nicht selber vergeben. Sie kamen zu Stande wenn das Vergehen (so z.B. die Hexerei aber auch eine Rebellion gegen die herrschende Gesellschaftsordnung, die oft ein Teil der Reformvorstellungen der Ketzer war) auch ein weltliches Vergehen darstellte, dann ging der Fall anschliessend an ein weltliches Gericht, welches gegebenfalls die Todesstrafe verhängte und ausführen liess.
Unser heutiges Bild der Inquisition ist angeblich weitestgehend von protestantischen Autoren der Reformation gestalltet worden und diese Angaben sind mit einer gewisser Vorsicht zu geniessen, pflegten sie denn lange Zeit als Prinzip die kath. Kirche als ein Werk des Teufels, den Papst als den Antichristen selber und alle ihre Institutionen, besonders aber die, welche das Vebreiten ihrer eigenen Lehren behinderten, im schlechtestem Licht darzustellen. Teilweise sind die heutigen Vorstellungen von der Inquisition auch ein Ergebniss redikal-antiklerikalen Propaganda der Jakobiner und Marxisten. Da muss die Wissenschaft doch erst mal Klarheit schaffen, denn das Thema ist bis vor Kurzem zu sehr aktuell-politisch und ideologisch belastet und verzerrt worden.

So zB. sind folgende Erkenntnisse doch eher unerwartet:

http://www.kirchensite.de/index.php?myELEMENT=32783
 
Zuletzt bearbeitet:
Es sollte vielleich gesagt werden, dass es mehrere Arten der Inquisition gab: die römische als "mild" zu bezeichnen wäre mumpitz, aber tatsächlich war die Spanische Inquisition noch um unzählige Greueltaten reicher.

s.d.caes.
 
Tiberius Caesar schrieb:
... die römische als "mild" zu bezeichnen wäre mumpitz, aber tatsächlich war die Spanische Inquisition noch um unzählige Greueltaten reicher.

Vorsicht mit solchen Verallgemeinerungen!
Zur Zeit ihres Beginns während des Hochmittelalters war die Inquisition alles andere als reaktionär und grausam.
Siehe dazu auch http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=4573 oder http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=3642 (etwa ab Beitrag #27)
 
Noch zur 1.Frage. Mitunter war die Inquisition sehr hart. Es galt ja Ketzer zu verfolgen und sie zur Vernunft zu bringen. Vielerorts klappte aber dieses nicht, weshalb man solche Leute hinrichtete (und damit will ich jetzt nicht auf die Hexenverfolgung hinweisen). Es ist mir nicht bekannt, dass dieses Gericht milder war als andere. Eher sogar noch härter. Weshalb sollten also Verbrecher ausgerechnet freiwillig sich solchem Prozeß unterziehen lassen?
 
Du solltest den Pfad mal genau lesen, Behauptungen werden durch Wiederholung nicht glaubwürdiger. :motz:
 
Liebe User,

es gibt in unserer Gesellschaft - ich betone, ich bin Agnostiker - leider den Trend zum hemmungslosen Kirchenbashing. Dass heißt, statt vernünftige Kritik zu äußern, pauschal mit Hassgefühlen und falschen, unsachlichen Informationen argumentiert wird.

Eine falsche Information ist dieses ständige Herumreiten auf die Inquisition. Natürlich war die Inquisition in vielen Fällen grausam, schrecklich, unbarmherzig.

Doch die Inquisation war eher ein - auf österreichsch - Lercherlschaß =), gegenüber dem "Volkszorn", wenn er einmal zu gegebener Zeit ausbrach.

Es gibt nicht wenige Fälle, wo etwa die Kirche (sogar der Papst persönlich!) für Verfolgte eintrat, die vom Volk wegen irgendwelchen dubiosen Gründen für irgendetwas beschuldigt worden sind. Vor kurzem vollendete ich meine erste wissenschaftiche Arbeit über die Judenverfolgung während der Pest. Und ich entdeckte zahlreiche Indizien, dass sich der Papst etwa in Avignon vor den Juden stellte und sie vor der Verbrennung bewahrte, während in vielen Teilen Europas das Volk nach dem Blut der Juden dürstete, zig tausende Juden verbrannte und viele in den Massenselbstmord trieb.

Ähnlich war es bei den Hexenverbrennungen, deren Höhepunkt man im der Frühen Neuzeit beobachten konnte.
Hier lief die Hexenverbrennung so außer Kontrolle, das es selbst der Kirche zuviel wurde und es sogar wesentliche Bestrebungen gab, das Volk zu beruhigen.

Vergeblich.

Aber es ist natürlich bequemer, immer alles der Kirche in die Schuhe zu schieben, anstatt manchmal die wahren Täter - also wir, das Volk - benennen zu müssen. :S

Mit freundlichen Grüßen
Plinius
 
Zuletzt bearbeitet:
Nunja, zumindest hat die Inquistion ungefähr zur Mitte des 13. Jahrhunderts ihre "erfolgreiche" Jagd auf die Katharer begonnen. Einige Dezennien später starb dann auch angeblich der letzte Vollendete auf einem Scheiterhaufen der Inquisition.
Ich denke aber nicht, dass es zur Zeit der Prozesse genauso viele Tote gegeben hat, wie zur Zeit des Albigenserkreuzzuges. Auch die Grausamkeit, die hemmungslose Grausamkeit kannte da wohl andere Dimensionen.
Zudem regt mich die Tatsache zum Denken an, dass ein überführter Ketzer doch die Möglichkeit hatte, in den Schoße der katholischen Kirche zurückzukehren, wenn er denn nur wollte, und für seine Sünden zu beichten bereit gewesen wäre. Lediglich "Wiederholungstätern" drohte der Scheiterhaufen.
Die Katharer taten sich bekanntlich schwer damit, Eide zu leisten, zu lügen, und ihrem Glauben abzuschwören. Somit konnten sie aus Perspektive der Inquisition auch nicht mehr gerettet werden, und so wurden diese dem Scheiterhaufen übergeben.
 
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