Es heißt "Emanzipation" und nicht "Emazipitation", wie du mehrmals und daher wohl nicht als Ergebnis eines Tippfehlers schreibst. Der Begriff besagt ursprünglich die Freilassung aus der Gewalt eines römischen Familienhauptes (der die Familienangehörigen, darunter die Haussklaven, juristisch "besaß") oder aus der Gewalt eines professionellen Sklavenbesitzers.
In deiner Frage bezieht sich der Begriff wahrscheinlich, wie auch Tannhaeuser schon mutmaßt, auf die Befreiung der Bürger einer Stadt aus der Kontrolle des jeweiligen Stadtherrn. Ein Stadtherr war entweder der Kaiser, wenn es um Reichsstädte geht, oder ein Fürst, Graf oder Bischof, auf dessen Territorium eine Stadt lag. Städte entstanden dadurch, dass der Territorialherr einem Ort das "Stadtrecht" verlieh, weil er sich ökonomische Vorteile davon versprach. Für die Bewohner bedeutete das einen erheblichen Zuwachs an Freiheit, da sie anders als die Landbevölkerung keine Leibeigenen bzw. Hörigen des Stadtherrn waren. Die Souveränität der Stadt ging so weit, dass ein Höriger, der vor dem Stadtherrn in die Stadt floh, von deren Bürgern dem Herrn - meistens - auch dann nicht übergeben wurde, wenn dieser es verlangte. EQ hat dazu schon einiges geschrieben. Wer in der Stadt lebte, war also ein "Freier".
Zu weiteren Emanzipationsbestrebungen kam es erstmals ab dem 12. Jahrhundert in Städten, deren Bürger aufgrund des Wachstums der städtischen Wirtschaft so viel Selbstbewusstsein entwickelten, dass in ihnen das Bedürfnis nach völliger Unabhängigkeit von der Kontrolle des fürstlichen oder gräflichen Stadtherrn entstand. Der nach Autarkie strebende Teil der Bürgerschaft war zunächst der Stadtadel (das Patriziertum), dem später die Zünfte das alleinige Recht an der Erstellung der Stadtverfassung streitig machten und ein Mitspracherecht forderten. In diesem Zusammenhang kam es ab Beginn des 14. Jahrhunderts oft zu heftigen Auseinandersetzungen, die die Form von blutigen Aufständen annahmen.
Der Kampf der Bürger um Freiheit vom Stadtherrn konnte durchaus militärisch entschieden werden. So erlangte die Stadt Köln im Jahr 1288 in der Schlacht von Worringen im Kampf gegen die Truppen des zuständigen Stadtherrn, des Erzbischofs Siegried von Westerburg, ihre Unabhängigkeit. Beide Seiten waren mit mehreren Grafen verbündet, die ihre Truppen bereitstellten. Der Ausgang der Schlacht hatte sogar eine erhebliche überregionale Bedeutung. Nürnberg verschaffte sich seine Unabhängigkeit letztlich im "Ersten Markgrafenkrieg" 1449, als seine Truppen die des markgräflichen Stadtherrn entscheidend besiegten.
Auseinandersetzungen fanden also einerseits intern statt (Zünfte vs. Stadtadel) und andererseits extern (Stadt vs. Stadtherr), wobei in beiden Fällen oft Blut floss. Die Autarkiebestrebungen einer Stadt konnten aber auch ein Stück weit gewaltfrei durchgesetzt werden, indem sie dem Stadtherrn die einzelnen Stadtrechte abkaufte. Ab Mitte des 15. Jahrhunderte verlief die Entwicklung dann tendenziell wieder rückläufig, die Stadtherren gewannen also einen Teil ihrer eingebüßten Rechte wieder zurück.
Emazipitation andere Städte, außerhalb Europas nicht geschafft haben
Ich interpretiere das als Anfrage, warum in der Zeit des europäischen Mittelalters den Städten in außereuropäischen Kulturen, z.B. Arabien und dem Mittleren und Fernen Osten, vergleichbare Emanzipationsbestrebungen nicht gelungen sind. Dazu wäre zunächst zu sagen, dass die islamische Kultur kein Bürgertum hervorgebracht hat, das von machtpolitischer Relevanz wäre, was mit der (noch) viel stärkeren Abhängigkeit von den religiösen Institutionen zusammenhängt, als sie im europäischen Mittelalter bestand, trotz des erheblichen Einflusses des katholischen Klerus auf die Gesellschaft. Man bedenke nur die Konflikte zwischen weltlicher und klerikaler Macht (Kaiser vs. Papst), wie sie für das europäische Mittelalter typisch waren, im Bereich des theokratischen Islam aber undenkbar wären.
Ich lasse aber lieber Max Weber selbst zu Wort kommen, der sich über gewisse Autonomiebestrebungen der Städte (Sippen vs. Fürsten) so äußert:
Weber, Max, Grundriß der Soziologie, Wirtschaft und Gesellschaft, Zweiter Teil. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte, Kapitel IX. Soziologie der Herrschaft, 7. Abschnitt. Die nichtlegitime Herrschaft (Typologie der Städte, § 1. Begriff und Kategorien der Stadt
Es herrschte offenbar auch in den Städten der arabischen Küste zur Zeit Muhammeds und blieb in den islâmischen Städten bestehen, wo nicht, wie in den eigentlichen Großstaaten, die Autonomie der Städte und ihr Patriziat völlig vernichtet wurde. Sehr vielfach scheint freilich unter islâmischer Herrschaft der antik-orientalische Zustand fortbestanden zu haben. Es findet sich dann ein labiles Autonomieverhältnis der Stadtgeschlechter gegenüber den fürstlichen Beamten. Der auf Teilnahme an den städtischen Erwerbschancen ruhende, meist in Grundbesitz und Sklaven angelegte Reichtum der stadtsässigen Geschlechter war dabei Träger ihrer Machtstellung, mit welcher die Fürsten und ihre Beamten auch ohne alle formalrechtliche Anerkennung hier für die Durchführbarkeit ihrer Anordnungen oft ebenso rechnen mußten, wie der chinesische Taotai mit der Obstruktion der Sippenältesten der Dörfer und der Kaufmannskorporationen und anderer Berufsverbände der Städte. Die »Stadt« aber war dabei im allgemeinen keineswegs notwendig zu einem in irgendeinem Sinn selbständigen Verband zusammengeschlossen. Oft das Gegenteil. Nehmen wir ein Beispiel. Die arabischen Städte, etwa Mekka, zeigen noch im Mittelalter und bis an die Schwelle der Gegenwart das typische Bild einer Geschlechtersiedlung. Die Stadt Mekka war, wie Snouck Hurgronjes anschauliche Darstellung zeigt, umgeben von den »Bilâd«: grundherrlichem, von Bauern, Klienten und im Schutzverhältnis stehenden Beduinen besetztem Bodenbesitz der einzelnen »Dèwî's«, der von 'Alî abstammenden ḥasanidischen und anderen adligen Sippen. Die Bilâd lagen im Gemenge. »Dèwî« war jede Sippe, von der ein Ahn einmal »Scherîf« war. Der Scherîf seinerseits gehörte seit 1200 durchweg der 'alîdischen Familie Katâdas an, sollte nach dem offiziellen Recht vom Statthalter des Khalifen (der oft ein Unfreier, unter Hârûn ar- Raschîd einmal ein Berbersklave war) eingesetzt werden, wurde aber tatsächlich aus der qualifizierten Familie durch Wahl der in Mekka ansässigen Häupter der »Dèwî's« bestimmt. Deshalb und weil der Wohnsitz in Mekka Gelegenheit zur Teilnahme an der Ausbeutung der Pilger bot, wohnten die Sippenhäupter (Emîre) in der Stadt. Zwischen ihnen bestanden jeweils »Verbindungen«, d.h. Einverständnisse über die Wahrung des Friedens und den Teilungsschlüssel für jene Gewinnchancen. Aber diese Verbindungen[739] waren jederzeit kündbar, und ihre Aufsagung bedeutete den Beginn der Fehde außerhalb wie innerhalb der Stadt, zu welcher sie sich ihrer Sklaventruppen bedienten (...)