Wieso sollte ich nicht hohe Maßstäbe ansetzen? Hier wurde nach
historischem Fechten gefragt, nicht nach erdachtem oder modernem.
Lernt jemand die modernen Kampfsportarten um derer selbst Willen oder um eine eigene Form daraus zu entwickeln ("Thai Bo und Co.") steht dies jedem frei. Aber belegt man dies mit Begrifflichkeiten, Prädikaten oder will es gar pädagogisch einsetzen, ist dies etwas anderes.
Wenn ich nach japanischen Autos frage, wäre es wohl unangemessen mir ein deutsches Motorrad hinzustellen, nur weil dort vielleicht Bauteile drin sind, welche die Japaner auch in ihren Autos verbauen (nur ein hinkendes Beispiel zur Verdeutlichung).
Es muß dann zur unbedingten Einschränkung kommen, dem Hinweis auf die Herleitung.
Gerade folgender Absatz hier:
Im alten Rom ist Vegetius eine mögliche Textquelle. Die Vor- und Nachteile der Schrift haben wir ja schon angerissen. Ältere Kriegsdarstellungen findet man bei Polybios oder bei Caesar. Letzterer hat in seinem Werk über den Gallischen Krieg Belagerungstechniken vorgestellt. Als materielle Quellen können Monumente wie die Trajanssäule dienen.
verdeutlicht genau was ich meinte. Ich fürchte du fühlst dich wieder gelehrmeistert, was dieser Absatz nicht sein soll.
Aber: nur eine Quellensichtung kann nicht ausreichen um sich hinterher etwas herzuleiten und dies als historisch zu bennen. Selbst gestandene Historiker und Archäologen sind bei ihren PRäsentationen so vorsichtig und teilen mit, dass die Demonstrationen nur mögliche Rekonstruktionen. Ein gutes Beispiel läßt sich im Interview mit "Scorpio", dem Retiarius der junkelmannschen Truppe anhören und sehen, der Klipp und Klarr seinen subjektiven Eindruck in seiner Kampfweise erklärt, also den Gesamteindruck relativiert.
Die Kämpfe dieser Gladiatoren sind dagegen eben gut zur Demonstration der Vor- und Nachteile der jeweiligen Gattungen und ihrer Waffen geeignet.
Nimmt man sich die Quellen schlicht nur vor und hält sich an die Vorgaben wird man zu irrsinnigen und absolut falschen Ergebnissen kommen.
Vegetius hatten wir zwar schon angesprochen, aber auch hier nochmal der Hinweis dass sich bei seinen Beschreibungen einige Jahrhunderte Waffen- und Heeresentwicklung mischen, auch bei Polybios finden sich schwer interpretierbare oder fehlerhafte Stellen (s. etwa die Diskussionen um scuta oder, in Bezug auf Caesar u.a. um antesignani).
Es reicht eben nicht aus, sich eine oder die betreffenden Quellen zu besorgen, anzusehen und nachzuverfolgen.
Um das hinkende Beispiel aufzugreifen: man würde ja auch keinen Sekretär bitten ein Auto zu bauen. Ein anderes Beispiel: ist das mischen von Scoth und Cola zum Zwecke des Konsums ein chemischer Versuch?
Es klingt nach hohen Maßstäben, aber will man etwas mit einem wissenschaftlichen prädikat, wie historisch, versehen, dann muß dort auch die entsprechende Arbeit hineingesteckt werden.
Wenn du die Standtechnik ansprichst, so schaue mal in das Werk Miyamoto Musashis ("Das Buch der fünf Ringe"). Er stellt da viele mögliche Techniken vor und entscheidet sich dann für die natürlichste, das normale Laufen.
Mir ging es in der Aussage lediglich darum, dass die jeweiligen Methoden nicht unbedingt dazu angehalten werden können, eine
historisch-korrekte Darstellung zu
rekonstruieren.
Sie sind absolut hilfreich wenn es darum geht Körperbeherrschung, Disziplin, Methodik des Erlernens und auch Waffengefühl zu vermitteln, aber irgend ein Kamae dazu zu nutzen eine Grundhaltung bspw. im richterlichen Fechten des Mittelalters oder des Linienkampfes in der Antike heranzuziehen ist extrem gewagt und spekulativ, da sich zumeist nicht nur die Waffentechnik, sondern eben auch der soziale Hintergrund wie die physikalische Konditionierung deutlich unterscheiden können.