Mittelalterliche Mehrmaster

Laut Landström stammt die älteste Darstellung eines mittelalterlichen Schiffs mit Stevenruder auf einem Relief der Winchester-Kathedrale um 1180 und einer Ritzzeichnung im Putz einer Kirche auf Gotland aus dem frühen 13. Jh.. Wenn das stimmt waren die Normannen die Erfinder.
 
Laut Landström stammt die älteste Darstellung eines mittelalterlichen Schiffs mit Stevenruder auf einem Relief der Winchester-Kathedrale um 1180 und einer Ritzzeichnung im Putz einer Kirche auf Gotland aus dem frühen 13. Jh.. Wenn das stimmt waren die Normannen die Erfinder.

Ich denke, die Vermischung der beiden Schifffahrtsentwicklung des Nordmeeres und des Mittelmeeres wurde durch die Kreuzzüge begünstigt.
 
Ich denke, die Vermischung der beiden Schifffahrtsentwicklung des Nordmeeres und des Mittelmeeres wurde durch die Kreuzzüge begünstigt.
Kann ich mir nicht vorstellen da das Stevenruder eindeutig in Nordeuropa früher im Gebrauch war. Die Kreuzritter fuhren aber mit genuesischen und venezianischen Schiffen in den Orient.
Der Handel dürfte den Techniktransfer eher begünstigt haben. Venezianische Handelsschiffe fuhren bis nach England und Flandern. Dort sahen sie die Neuerung und übernahmen sie, mit Verspätung im Mittelmeerraum. Venezianische Händler waren auch häufig Spione im Dienst des Stadtstaates.
Ein Unterschied bestand noch lange in der Bedienart des Ruders. Im Norden wurde mit der Pinne gesteuert, im Mittelmeer über Seilzüge.
 
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Am schiefen Turm von Pisa befindet sich ein Relief, auf dem ein zweimatiges, lateingetakeltes Schiff aus dem 13. Jh. dargestellt ist. Es wird noch über Seitenruder gesteuert und führt am Bug einen schräggestellten Fockmast. Diese Maststellung findet man noch bis ins 19. Jh. auf Mittelmeerschiffen mit Lateinersegel, wie Schebecken, Feluken und Pinken.
Auf Bild 1 habe ich versucht den optischen Eindruck eines mittelalterlichen Zweimasters, auf Grundlage des Schiffes vom schiefen Turm zu vermitteln. Der Rumpf war aber vermutlich kürzer.
Bild zwei zeigt mein Modell einer französischen Schebecke ,Ende des 17. Jh. bei dem man recht gut die Schrägstellung des Fockmastes erkennen kann.
 

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Es scheint aber eine Unterschied in der Zahl der Masten zwischen Nord-und Südeuropa gegeben zu haben. Die Rahgetakelten Schiffe des Nordens waren wahrscheinlich prinzipiell nur einmastig. Bei der Lateinertakelage des Mittelmeerraums waren dagegen zwei Masten nicht unüblich.
 
Es scheint aber eine Unterschied in der Zahl der Masten zwischen Nord-und Südeuropa gegeben zu haben. Die Rahgetakelten Schiffe des Nordens waren wahrscheinlich prinzipiell nur einmastig. Bei der Lateinertakelage des Mittelmeerraums waren dagegen zwei Masten nicht unüblich.

Ja, so ist es. Ich bin später auch textuell noch fündig geworden:

There certainly were large ships, such as the fine one sailing up the Bosporus that reportedly incensed the Byzantine emperor Theophilos (d. 842) when he learned that its owner was his wife Theodora, or the three-masted “pirate” naus. Threemasted sailing ships certainly existed in the eleventh century, as is proved by a depiction on glazed Pisan bacini, which were glazed pottery bowls from the Muslim world placed on the facades of churches at Pisa and elsewhere to reflect sunlight and give the churches a glittering aspect. However, such large ships have left no trace in the documentary record before the thirteenth century.

The twelfth and thirteenth centuries saw no innovation in the technology or construction of Mediterranean sailing naves; however, the length and beam, number of masts, and number of decks and depth in hold of some increased dramatically. By the mid–twelfth century, iconography depicted as a matter of course two-masted naves with multiple-tiered sterncastles and substantial forecastles, such as the Genoese ship conveying Conrad of Montferrat to the Holy Land in the Paris manuscript of the Annals of Genoa [MS Paris, Bibliothèque nationale de France, suppl.lat.773]. By the thirteenth century, the mosaics of San Marco in Venice also showed three-masted ships. No documentary evidence for threemasted ships survives; however, it is available for twomasted ships provided by Genoa and Venice in 1246–1269 for the two crusades of Louis IX of France.

Quelle: John Pryor: "Ships" in: The Crusades. An Encyclopedia, 2006

Dreimaster existierten also nachweislich im 9. Jh. in der byzantinischen Schiffahrt und sogar unter "Piraten" und sind später auch bei Arabern und der lateinischen Seefahrt belegt. Den frühen Zeitpunkt sollte man meiner Ansicht nach so auslegen, daß der Mehrmaster im Mittelmeer nie außer Gebrauch geraten ist, sondern direkt aus der antiken Schiffahrt weitergeführt wurde.

Man liest gelegentlich die spöttische Bemerkung, daß die Karavellen von Kolumbus "Nußschalen" gewesen seien. Das Interessante ist, daß der dadurch erweckte Eindruck, daß die Europäer zu diesem Zeitpunkt keine größeren Schiffe bauen konnten, völlig falsch ist. In Wahrheit war nur der Schiffstyp der Karavelle der ersten Entdeckungsfahrten so klein ausgelegt (aber trotzdem mehrmastig und hochseetüchtig). Schon die Kapazitäten der Kreuzfahrerschiffe standen den größten antiken Schiffen in nichts nach:

With the amount of deck space legislated by Marseilles for each pilgrim or crusader, ships of the size of the average three-decked ship could carry around 500–550 passengers. One thirteenth century Genoese ship, the Oliva, is known to have had a capacity of 1,100 passengers.

Quelle: John Pryor: "Ships" in: The Crusades. An Encyclopedia, 2006
 
Kann ich mir nicht vorstellen da das Stevenruder eindeutig in Nordeuropa früher im Gebrauch war. Die Kreuzritter fuhren aber mit genuesischen und venezianischen Schiffen in den Orient.

Nicht nur. Teilnehmer des 2. Kreuzzuges fuhren über den Atlantik, eroberten auf dem Weg 1147 Lissabon und gelangten dann weiter ins Heilige Land via der Straße von Gibraltar. Es wird allgemein angenommen, daß das Heckruder durch solche nordeuropäischen Schiffe im Mittelmeerraum bekannt geworden ist.

In umgekehrter Richtung gilt allerdings der Handel als Hauptkontaktpunkt, was die nordische Übernahme der Kraweelbauweise und die Mischbetakelung mit Rah- und Lateinersegel nach 1450 angeht (Mehrmaster).
 
Schon die Kapazitäten der Kreuzfahrerschiffe standen den größten antiken Schiffen in nichts nach:
Das würde ich nicht so sehen. Venedig liefert mit seiner Bürokratie die Maße für die Transporter, die 1268 eigens für die Kreuzfahrer gebaut wurden und noch erhalten sind. Diese wurden vom Senat der Stadt festgelegt und zeigen keine beeindruckenden Abmessungen. Die Länge von 25,80 m Kiellänge 17,40 m, Breite 6,45 m ,Seitenhöhe 6,60 m entspricht eher den kleineren römischen Frachtseglern. Der große antike Getreidefrachter war mehr als doppelt so groß.
Laut Landström waren die Kreuzfahrerschiffe der Genuesen noch ein Stück kleiner.
Über die Dromonen der Byzantiner ist bedauerlicherweise nur sehr wenig bekannt und die Darstellungen sind derart stilisiert, dass man damit sehr wenig anfangen kann. 1191 musste sich Richard Löwenherz einer sehr großen sarazenischen Dromone, welche als Dreimaster beschrieben wurde erwehren. Byzantinische Handelsschiffe, des Mittelalters wiesen, nach bisherigen Wrackfunden keine beeindruckenden Maße auf.
Drei Masten für Lateinersegel konnte man auch auf relativ kleinen Schiffen aufstellen da sie sehr niedrig waren und der vordere durch die Neigung das Segel weiter nach vorn verlegte. Bei manchen Schiffen stand der dritte Mast schräg nach achtern. Die Rah war meist doppelt so lang wie der Mast. Ein Mast für ein großes quadratisches oder rechteckiges Rahsegel an einer waagerechten Rah, wie auf nordeuropäischen Schiffen, musste, für eine vergleichbare Segelfläche viel höher und dicker sein.
Die Rümpfe der Handelsschiffe des Mittelmeeres hatten sich nur wenig seit der Antike geändert, außer dass sie kleiner waren. Beeindruckender war die Segelfläche, die durch die beiden sehr großen Lateinersegel zur Verfügung stand. Jede der Lateinerruten war länger als das ganze Schiff. Auch war man damit nicht mehr auf ausschließlich achterlichen Wind angewiesen.
Dass die mittelalterlichen Segler eine große Anzahl an Menschen an Bord hatten sagt nicht so viel über ihre Größe als über die üblen Bedingungen an Bord aus. Man stopfte diese Pötte so voll wie möglich. Da sie von Hafen zu Hafen und von Insel zu Insel bis zu ihrem Endziel fuhren, konnte ständig Wasser und Proviant für die große Menschenmenge nachgefasst werden.
 
Das würde ich nicht so sehen. Venedig liefert mit seiner Bürokratie die Maße für die Transporter, die 1268 eigens für die Kreuzfahrer gebaut wurden und noch erhalten sind. Diese wurden vom Senat der Stadt festgelegt und zeigen keine beeindruckenden Abmessungen. Die Länge von 25,80 m Kiellänge 17,40 m, Breite 6,45 m ,Seitenhöhe 6,60 m entspricht eher den kleineren römischen Frachtseglern. Der große antike Getreidefrachter war mehr als doppelt so groß.
Laut Landström waren die Kreuzfahrerschiffe der Genuesen noch ein Stück kleiner.

Dieselbe venetianische Quelle zitiert auch John Pryor (S. 112). Mit 800 t Tragfähigkeit liegen die Dreidecker der Kreuzfahrer nicht sooo weit von den großen römischen Getreidefrachtern entfernt.

Primary dimensions of 2-decked and 3-decked Genoese and Venetian crusader naves, 1246–1269:
2-decked naves 3-decked naves
*Length of keel: 18.7 m. 22.6 m.
*Overall length 28.9 m. 35.2 m.
*Depth in hold 3.45 m. 4.11 m.
*Length of foremast (calculated for 3-decked naves) 29.3 m. 36.48 m.
*Length of midships mast (calculated for 3-decked naves) 26.8 m. 34.25 m.
*Deadweight tonnage (calculated) 323 tonnes 805 tonnes
 
Ich habe zwei wichtige, grundsätzliche Fragen:
1. Kann ein rahgetakelter Einmaster segeln, wenn der Mast sich genau in der Mitte des Schiffes oder sogar achtern, also im hinteren Teil des Schiffes befindet? Oder muß der Mast immer im vorderen Teil aufgestellt sein?
2. Kann ein rahgetakelter Zweimaster segeln, wenn der Hauptmast sich achtern und der Fockmast sich im vorderen Teil des Schiffs befindet? Oder muß auch hier der Hauptmast immer im vorderen Teil aufgestellt sein?
 
Damit ein Schiff Kursstabil segeln kann, muss der Segeldruckpunkt über dem Lateralschwerpunkt liegen. Bei Schiffen wie den Galeonen mit dem deutlich höherem Achterschiff muss der Aufbau auch in die Berechnung des Segeldruckpunktes einbezogen werden. Die entsprechende Zeichnung bei Tante Wiki ist stark überzeichnet.
Wenn der Mast bei einem einmastigen Rahsegler weit achtern steht muss das durch Segelfläche vorne ausgeglichen werden. Vorzugsweise durch Stagsegel, wie auch heute bei den Rahsegeln, oder der Blinde und falls noch mehr Segelfläche vorne benötigt wird, einer Oberblinde.

Eine frage zum Verständnis. Du segelst nicht? Beim segeln kommt es immer auf ein Gleichgewicht der Kräfte an.

Apvar

P.S. Guck Dir bitte mal die Wikingerschiffe an. Da steht der Mast ziemlich im Zentrum des Schiffes.
Zum 2-Master guck Dir bitte mal eine Brigg an.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im historischen Blick (Anfang 15. Jahrhundert), stand der Großmast bei Einzelmastschiffen und die ersten Masten der Zweimastschiffe etwas hinter der Mitte des Hauptdecks gestaffelt und daher vor der Kielmitte. Englische wie italienische Aufzeichnungen legen dar, daß der Großmast etwa 2/5 von der Kiellänge von vorn her stehen sollte bzw. stand und etwa auf 3/7 der Schiffslänge zwischen Vorsteven und Heckpfosten.
Die ersten Besanmasten standen ca. auf dem halben Weg vom Großmast zum hinteren Ende der Poop.Die ersten Segel an Fockmasten waren noch klein und dienten als Ausgleichskraft, nicht aber zum Antrieb.
Zusätzlicher Fock- oder Besanmast ergab bei den alten Schiffen, daß Sie besser in den Wind drehen oder abfallen konnten.
 
Zusätzlicher Fock- oder Besanmast ergab bei den alten Schiffen, daß Sie besser in den Wind drehen oder abfallen konnten.
Sehr richtig, man stellte bei größeren Schiffen bereits um 1500, wie am Beispiel der venez. Cocca einen vierten Mast, den Bonaventurabesan am äußersten Ende des Achterdecks auf. Dessen kleines Lateinersegel diente, gemeinsam mit dem Besansegel dazu, mittels Windkraft das Steuer zu unterstützen. Es drückte das Schiff achtern herum.
 

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Sehr richtig, man stellte bei größeren Schiffen bereits um 1500, wie am Beispiel der venez. Cocca einen vierten Mast, den Bonaventurabesan am äußersten Ende des Achterdecks auf. Dessen kleines Lateinersegel diente, gemeinsam mit dem Besansegel dazu, mittels Windkraft das Steuer zu unterstützen. Es drückte das Schiff achtern herum.

Er wirkte auch um Gegendruck für das gewaltige Bugkastell zu erzeugen, so wie bei den späteren galleonen mit hohen Achterkastell das Bugsprietsegel erforderlich wurde.
 
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