Münzen identifizieren - Hilfe gesucht

flavius-sterius

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Wenn ich mich nicht irre, gehört die Numismatik zu den historischen Hilfswissenschaften. Falls ich mit dem Unterforum daneben liege, bitte diesen Faden verschieben.

Zu meinem Anliegen. Eine Gruppe Kinder/Jugendlicher hat im Sommer 1945 oder Sommer 1946 im Umland von Nordhausen einen Behälter mit Münzen gefunden. Fundort war das Ufer eines kleinen Fließgewässers. Das Behältnis wurde wohl nicht lange zuvor dort verloren. Nordhausen gehört heute zum Bundesland Thüringen. Dieses Behältnis enthielt eine Anzahl antiker (?) Münzen. Die Gruppe hat diese Münzen aufgeteilt. Mein Schwiegervater (damals 10 oder 11 Jahre) erhielt drei dieser Münzen.

Es handelte sich wohl um eine Blechdose oder -kiste. Also nicht das zu erwartende Gefäß für antike Münzen. Da erwartet man eher eher etwas hochwertigeres, üblicherweise mit Stoff ausgeschlagen. Der Sommer 1945 bzw. 1946 war eine Übergangszeit. Das Aufsuchen eines Fundbüros in Zeiten von Plünderungen und aufgelöster staatlicher Ordnung kann man da nicht erwarten.

Mein Schwiegervater hat viele Jahre später sich ein Buch über römische Münzen zugelegt. Damit hat er dann diese Münzen bestimmt.
Ich habe mich mit diesen drei Münzen auch beschäftigt. Interessanterweise finde ich die Zuschreibungen meines Schwiegervaters allesamt falsch. Das hat damit zu tun, dass heute im Internet ganz andere Recherchemöglichkeiten bestehen als zu Zeiten ohne dieses Hilfsmittel. Einig geworden sind wir in der Zuschreibung nicht. Ich will mit der einfachsten Münze anfangen. Diese werden wohl alle an der provinzialrömischen Geschichte im Nordwesten Europas Interessierten bekannt sein. Trotzdem gibt es auch bei dieser Münze keine Einigung mit meinem Schwiegervater. Ich sehe hier einen anderen Kaiser als er.
 

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Hier eine zugegebene nicht wirklich zufriedenstellende Aufnahme des Potraits.

Aus welchem Material die Münze ist, weiß ich nicht. Ich habe auch keine Feinwaage, um das Gewicht zu bestimmen. Der Durchmesser ist ca. 2,5 cm.
 

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Eindeutig zweite Lyoner Altarserie (Lugdunum As II), welche im Avers den bereits designierten Tiberius als Nachfolger des Augustus zeigt. In der Legende (Avers) ist das TICA noch deutlich zu sehen, das TICAESAR (Tiberius Caesar) noch zu erahnen. In der Gänze lautet die Umschrift TI CAESAR AVGVSTI F IMPERAT VII - Tiberius Caesar Augusti filii Imperator VII, letzteres dient der Datierung der Münze. Es ist eine Münze des Augustus, die aber Tiberius darstellt. Mit ROMETAUC (Roma et Augustus) ist der Altar in Lyon zu Ehren der Göttin Roma und des Augustus (Kaiserkult!) gemeint, der ja auch dargestellt ist.
 
Danke, EQ.
:)
Die Buchstaben TICA sind mir gar nicht aufgefallen. Aber die Gesichtszüge sahen mir doch arg nach Tiberius aus. Da kommen wir beide auf das selbe Ergebnis.
;)

Und schon kommt die Nummer 2:

Material: unbekannt
Gewicht: unbekannt
Durchmesser: 1,6 cm

Meine Frau hat die Fotos gemacht. Meine Versuche hatten noch ein deutlich miserableres Ergebnis. Im Original ist die Schrift besser. Aber ich kann auch auf dem Original nichts entziffern.

Im übrigen ist morgen Valentinstag. Wenn man die Frauen nicht hätte.
 

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Sieht mir vom Avers her spätantik aus (das ist aber mehr ein Gefühl und von spätantiken Kaiserköpfen die ich so im Hinterkopf habe her abgeleitet, kann also absolut falsch sein). 3. - 4. Jhdt., heidnisch. Auf dem Revers eine mutmaßliche Victoria? Könnte auch eine andere Göttin/Allegorie sein.
Kannst du die Münze mit einem weichen Bleistift abpausen und die Pause scannen oder fotografieren?
 
Der Kopf erinnert mich an Gratian, aber die Legende will irgendwie nicht stimmen. Sein Bruder Valentian? Da könnte die Legende vielleicht passen. Dann wäre allerdings die Münze nicht mehr oder gerade noch heidnisch.
 
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Auf deinen Revers ist von SECURITAS REI PVBLICAE noch ECUR zu lesen, auf dem Avers
D N VALEN. Laut Fundort zu ergänzen in D N VALENS P F AVG
Valens
Wenn man eine Idee hat, dann geht's mit der Recherche plötzlich schnell. Gratian fiel mir ein, sein Bruder Valens wars, die Victoria hat sich freilich als Securitas herausgestellt, wohl eher als Allegorie denn als Göttin zu verstehen. Wobei die Attribute (Flügel, Sigerkranz) eigentlich Victoria-Attribute sind.
 
Pingeligkeit am Rande: Valens war der Onkel Gratians: Valens war der jüngere Bruder von Valentinianus I., Gratianus der ältere Sohn von Valentinianus I. (Valentinianus II. der jüngere).
 
Ist ja richtig, diese "Pingeligkeit". Dynastien waren noch nie so meins. Und dann noch diese eh schon unübersichtliche Spätantike. ;)
 
Chapeau. Vielen Dank für Deine Hilfe. Valens hatte ich nicht auf der Rechnung. Wir hatten eine Münze eines Soldatenkaisers aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts als Kandidaten. Jedoch streckte dort die Victoria - den Siegerkranz haltend -den Arm durch. Mein Schwiegervater war aber der Meinung, dass man nach über 1.7o0 Jahren der Victoria zugestehen könne, dass sie mal den Arm vor Anstrengung beugt.

Eine hätte ich noch. Eine frühere Zeitstellung wird es wohl auch nicht sein. Verdammte Spätantike.

Wenn die auch noch jemand löst, dann wende ich mich an die Thüringer Allgemeine. Die sollen einen Aufruf starten. Alle - die ein Teil der Fundmünzen von 1945 / 1946 besitzen - sollen sich hier melden. Vielleicht finden sich dann nach über 70 Jahren alle Münzen aus dem Blechbehälter wieder zusammen. Wenn auch nur virtuell.
:p

Wir lassen jedoch zur Abschreckung den Stunden"lohn" eines Historikers andrucken. Dann bleibt der Run überschaubar.
:D
 

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Ein follis. Zu erkennen auf dem Avers ist ein M TIB. Das führt zu einem der byzantinischen "Tiberiusse", typologisch enstpricht das Portät* Tiberius II (Tiberius Constantinus, also zweite Hälfte des 6. Jhdt.). Die Inschrift dürfte lauten: DM TIB CONS + TANT PP AVG. Das PP ist auch auf dem Bild rechts (Betrachtersicht, linke Seite aus Sicht des Kaiserporträts) unter dem "Ohrring" (eigentlich eine Pendilie der Krone) zu erkennen. Der Revers dürfte die Prägestätte darstellen, die kann ich aber nicht identifizieren. Dabei müsstest du die Münze eine Siebteldrehung nach link drehen, da das Kreuz + nicht das große sondern das kleine Symbol ist. Das große Symbol ist ein X.

*Da mag man jetzt zu recht sagen, dass das Porträt doch überhaupt nicht individualisiert sei und daher keinen Menschen erkennen lasse. Das ist zunächst einmal richtig. Allerdings unterscheiden sich die byzantinischen Kaiserporträts erheblich voneinander und dieses Bildnis findet sich auf verschiedenen Münzen von Tiberius Constantinus wieder, es ist gewissermaßen speziell für diesen Kaiser redundant.
 
Also ich bin El Quijote sehr zu Dank verpflichtet.
Hätten wir noch den Smiley für Anbetung, würde ich den jetzt verwenden !

Bei der dritten Münze sehe ich nun auch deutlich das TIB. Vorher waren es für mich nur undefinierbare Zeichen. Ich muss halt immer erst erleuchtet werden. Das es eine byzantinische Münze ist, hat schon mein Schwiegervater vermutet und ich ihm hier auch zugestimmt. Aber wir hatten keine konkrete Zuordnung zu einem Herrscher.

Das Revers ist schon merkwürdig gestaltet. Denkt man sich eine Linie senkrecht durch das Kaiserpotrait, ist auf der Rückseite das Kreuz oder X etwas wirr angebracht. Es stellt sich für mich als Kreuz dar, welches unten aus der Sicht des Betrachters leicht nach rechts geneigt ist. Konsequenterweise endet es oben dann leicht links von der Mittellinie. Das kleine Kreuz befindet sich links unten für den Betrachter - also auf 7 bzw. 8 Uhr.

Tiberius Constantinus sieht schon etwas schräg aus. Ein Kaiser mit Glubschaugen und Ohrgehänge ist für mitteleuropäische Betrachter gewöhnungsbedürftig.

Danke für diesen Faden. Ich hatte die letzten drei Tage sehr viel Vergnügen damit. Jeweils einen Tiberius aus der Anfangszeit des Imperiums und einen, welcher als erster griechischer Kaiser Ostroms gilt. Und dazwischen einen Valens zum Valentinstag. Mehr kann man nicht erwarten.
 
Ich fühle mich geehrt, aber so große Kunst war das nun nicht. Ich hoffe viel mehr, lieber Flavius, dass es euch gelingt, die Nordhausener Freunde von 1945/46 alle wieder zu vereinen. Die dürften ja mittlerweile auch alle Mitte 80 sein.
 
Ein Zusammenführen der Münzen hätte keine wissenschaftliche Relevanz. Hermundure kann sie in seiner Fundmünzenspur nicht verwenden.

Es gibt viele vorstellbare Varianten, wie die Münzen den Weg an dieses Ufer gefunden haben.

Möglichkeit 1:
Flüchtlinge aus östlicher Richtung haben dort gerastet. Beim Aufbruch blieb der Blechbehälter dort zurück

Möglichkeit 2:
Jemand wollte die Münzen gegen etwas essbares umtauschen. Wir befinden uns hier in der Goldenen Aue - eine landwirtschaftlich begünstigten Region mit besonders guter Bodenqualität. Entsprechend konnte man dort bei Bauern auf Lebensmittel hoffen. Bevor man einen potenziellen Tauschpartner fand, gingen die Münzen am Bachlauf verloren

Möglichkeit 3:
ein US-Soldat war auf seinem Feldzug von Frankreich bis nach Nordhausen ein fleißiger Sammler von antiken Münzen. Als man nun nach Kriegsende das Leben wieder genießen konnte, ging seine in mehreren Städten Europas zusammengekaufte Sammlung bei einem Picknick am Wasser verloren
https://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Mittelbau-Dora
Die Gegend wurde im April 1945 von US-Truppen erobert.

Möglichkeit 4:
Ein russischer Soldat hatte auf seinem Siegeszug durch Ostdeutschland irgendwo eine Sammlung antiker Münzen "gefunden". Diese fand nun den Weg an das Ufer. Hier ging die Beute bei einer Rast wieder verlustig. Wie gewonnen, so zerronnen.
https://books.google.de/books?id=My...Nordhausen Übergabe Amerikaner Russen&f=false
 
Guten Morgen,

@ flavius-sterius

es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Der letzte Krieg spielt da eine wesentliche Rolle. Im FMRD Abt. V Hessen Bd. 3 Kassel gibt es z.B. ein ähnliches Beispiel aus Fulda. Dort fand man beim Tieferlegen der Kellersohle ein Münzdepot von 80 römischen Münzen aus der Zeit der Republik bis in die Spätantike (153 v. Chr. - 353 n. Chr.). Ritterling und Willers sahen in der Zusammensetzung des Münzdepots eine in neuerer Zeit versteckte Sammlung.

Mir ist des öfteren schon aufgefallen, dass die meisten neuzeitlichen Münzdepot fast ausschließlich nur Bronze-bzw. Kupferprägungen der Antike beinhalten. Edelmetallprägungen kommen hingegen so gut wie gar nicht darin vor - so auch beim Münzdepot von Fulda. Das hat einen Grund - antike Gold und Silberprägungen konnte man auf Grund ihres Materialwertes in Notzeiten gegen was Essbares/Zigaretten/Schokolade etc. eintauschen, Kupferprägungen hingegen waren als Tauschmittel uninteressant - außer man trifft auf einen Sammler. Nach Kriegsende verschwanden aus dem Landesmuseum in Halle sehr viele antike Edelmetallprägungen - das Kupfergeld hingegen ist bis auf einzelne Stücke noch da. Das die Münzen einen langen Weg durch Deutschland gemacht haben, will ich ebenfalls nicht so Recht glauben - warum? Nicht wenige aufgefundene antike Münzen aus neuzeitlichen Sammlungen stammen aus ihrer näheren Umgebung/Region. Aber gewiss - ohne genauere Informationen hat es wenig Sinn darüber zu spekulieren.

Grüße
 
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