Müssen Nazi-Verbrechen "unerklärlich" sein?

Arne

Premiummitglied
Mit einem Zitat aus Ulukais Beitrag vom 8.2.05 möchte ich einen neuen Thread eröffnen, da er inhaltlich stark vom bisherigen Titel (Gestapo) abweicht.

Ulukai schrieb:
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Aspekt hinweisen, der in einem Leitartikel der Wochenzeitung "Die Zeit" veranschaulicht wurde.
Der Autor sieht in der zunehmenden rationalen Auseinandersetzung mit dem Thema Ausschwitz im Rahmen historischer Forschungen (Erörterung von Gründen für das Undenkbare) eine Gefahr für das gesamtgesellschaftliche Gedenken.
Nur durch die Anschauung Ausschwitz ` als ein Ereignis partieller menschlicher Irrationalität und Unerklärbarkeit kann Ausschwitz seine nicht nur rein historische sondern auch politisch bedeutsame Dimension wahren und die Erinnerung ein demokratie- und freiheitsstiftendes Element sein.

Was mir hier in der Argumentation des ZEIT-Mitarbeiters sauer aufstösst ist die Argumentation, daß man nicht versuchen darf rational an die Nazi-Verbrechen heran zu gehen. Er scheint es lieber zu sehen, wenn man sie als "unerklärlich", "indiskutabel", quasi zum Mysterium erklärt, das alle Menschen schockieren, erschrecken soll damit sie so ihre größte Abschreckungswirkung erhalten. Wir sollen sie nicht versuchen objektiv zu behandeln, wir sollen die Hände zusammenschlagen und fassungslos, schockiert verharren? Nein, das kann nicht richtig sein.

Ich finde es sehr bedenklich, wenn man Hitler und Konsorten als "ex-human" hinstellt, sie mystifiziert als Wesen, mit denen wir unmöglich etwas gemein haben könnten. So mögen die Nazi-Größen als Schreckgespenster ganz gut wirken. Aber die Gefahr liegt doch darin, daß man den Bezug zum Geschehen verlieren kann. Wer hat Angst vor Ausser(Über-)Irdischen? Und dann die Folge: können wir die Taten, dieser bösen "Götter" überhaupt verhindern?

Nein, ich meine, man muß sehen, daß alle Täter Menschen waren. Von Müttern geboren, so wie wir und damit "Menschen, wie du und ich". Wir alle könnten von falschen Gedanken getrieben auch in diese "Klasse" absteigen. Wer könnte von sich sagen, daß er damals, z.B. in einer Polizeiunfinform, mit dem Wissen von damals, garantiert anders gehandelt hätte?

Sie waren vielleicht unmenschlich in ihren Taten, sie waren aber keine "Nicht-Menschen" und müssen historisch als Menschen behandelt und gerichtet werden.
 
Ich sehe es genau so wie du Arne.

Wer könnte von sich behaupten das man unter diesen Umständen anders gehandelt hätte?
Wer könnte sich sicher sein Wiederstand geleistet zu haben?

Ich denke niemand (außer denen die dabei waren und es dann auch taten).
Wobei ich einige Leute kenne die auf die Geschichte blicken und dann von solche dinge von sich geben wie "Also ich hätte mich auf jeden Fall gewehrt" und ähnliches.

In solchen Aussagen steckt in der Regel Naivität oder Arroganz.
Aber so sind die viele Menschen nun mal, sie schauen zurück und meinen das sie dann natülich alles besser gemacht hätten.
 
M.A. Hau-Schild schrieb:
Wobei ich einige Leute kenne die auf die Geschichte blicken und dann von solche dinge von sich geben wie "Also ich hätte mich auf jeden Fall gewehrt" und ähnliches.

In solchen Aussagen steckt in der Regel Naivität oder Arroganz.
Aber so sind die viele Menschen nun mal, sie schauen zurück und meinen das sie dann natülich alles besser gemacht hätten.

Es geht hier um zwei unterschiedliche Fragen, die zwar zusammenhängen, aber nicht miteinander verwechselt werden sollten:

Einmal darum, was damals geschehen ist. Das ist Geschichte, und da sind "was-wäre-wenn"-Fragen völlig sinnlos.

Und zum anderen darum, wie verhindert werden kann, daß sich Vergleichbares wiederholt. Das ist Politik, und da sind "was-wäre-wenn"-Fragen sehr wohl sinnvoll.
 
Arne schrieb:
Mit einem Zitat aus Ulukais Beitrag vom 8.2.05 möchte ich einen neuen Thread eröffnen, da er inhaltlich stark vom bisherigen Titel (Gestapo) abweicht.



Was mir hier in der Argumentation des ZEIT-Mitarbeiters sauer aufstösst ist die Argumentation, daß man nicht versuchen darf rational an die Nazi-Verbrechen heran zu gehen. Er scheint es lieber zu sehen, wenn man sie als "unerklärlich", "indiskutabel", quasi zum Mysterium erklärt, das alle Menschen schockieren, erschrecken soll damit sie so ihre größte Abschreckungswirkung erhalten. Wir sollen sie nicht versuchen objektiv zu behandeln, wir sollen die Hände zusammenschlagen und fassungslos, schockiert verharren? Nein, das kann nicht richtig sein.

Ich finde es sehr bedenklich, wenn man Hitler und Konsorten als "ex-human" hinstellt, sie mystifiziert als Wesen, mit denen wir unmöglich etwas gemein haben könnten. So mögen die Nazi-Größen als Schreckgespenster ganz gut wirken. Aber die Gefahr liegt doch darin, daß man den Bezug zum Geschehen verlieren kann. Wer hat Angst vor Ausser(Über-)Irdischen? Und dann die Folge: können wir die Taten, dieser bösen "Götter" überhaupt verhindern?

Nein, ich meine, man muß sehen, daß alle Täter Menschen waren. Von Müttern geboren, so wie wir und damit "Menschen, wie du und ich". Wir alle könnten von falschen Gedanken getrieben auch in diese "Klasse" absteigen. Wer könnte von sich sagen, daß er damals, z.B. in einer Polizeiunfinform, mit dem Wissen von damals, garantiert anders gehandelt hätte?

Sie waren vielleicht unmenschlich in ihren Taten, sie waren aber keine "Nicht-Menschen" und müssen historisch als Menschen behandelt und gerichtet werden.


Das Zeit-Zitat lese ich allerdings etwas anders. :grübel:
Gemeint ist aus meiner Sicht nicht die Empfehlung -sich nicht rational mit den Verbrechen
im Einzelnen und der handelnden Personen auseinanderzusetzen, sondern die Warnung vor der Gefahr einer nur empirischen Abarbeitung der Zeit zu stellen.
Auch nach genauester Kenntnis der verbrecherischen Einzelheiten in hist. Abfolge und Personen bleibt dieses im Zeitartikel "Irrationale" angesprochene Phänomen zurück, welches bedeutet, daß nicht die Summe der Verbrechen die Einmaligkeit des Holocaust darstellt,sondern das bereits die in der frühen Nazi -Ideologie angelegten Gedanken
zur rassischen Hygiene bei jedem einzelnen Fall von ersten Diskriminierungen der Gruppen, die zu Verfolgten geworden sind -diese Holocaust -Konsequenz angelegt ist.
Daraus folgt , daß die Gründe, die zu den singulären Verbrechen geführt haben in ihrer Anlage durchaus nicht aus der Welt sind, sondern immer wieder aufgedeckt werden müssen.
Das Irrationale der Ereignisse der Nazi-Zeit liegt schon in der Frage , die sich Menschen im
Krieg und vorallem danach gestellt haben und immer wieder stellen-“wie konnte das passieren“ „davon haben wir nichts gewußt“...etc.
Die Antworten darauf erschöpfen sich m.E. nicht darin alle handelnden Verbrecher namenlich dingfest zu machen, sondern das in diesen Fragen Irrationale ; hier
„nicht Erklärbare“ des Ausmaßes der Verbrechen zu ergründen und somit die Geistesgeschichte Deutschlands bis an den Anfang des 19.Jahrh. zu verfolgen,in der sich ein irrationales Element durch die deutsche Geschichte zieht.
 
Arcimboldo schrieb:
Das Zeit-Zitat lese ich allerdings etwas anders. :grübel:
(...)
Gemeint ist aus meiner Sicht nicht die Empfehlung -sich nicht rational mit den Verbrechen
im Einzelnen und der handelnden Personen auseinanderzusetzen, sondern die Warnung vor der Gefahr einer nur empirischen Abarbeitung der Zeit zu stellen.
Auch nach genauester Kenntnis der verbrecherischen Einzelheiten in hist. Abfolge und Personen bleibt dieses im Zeitartikel "Irrationale" angesprochene Phänomen zurück, welches bedeutet, daß nicht die Summe der Verbrechen die Einmaligkeit des Holocaust darstellt,sondern das bereits die in der frühen Nazi -Ideologie angelegten Gedanken
zur rassischen Hygiene bei jedem einzelnen Fall von ersten Diskriminierungen der Gruppen, die zu Verfolgten geworden sind -diese Holocaust -Konsequenz angelegt ist.
Daraus folgt , daß die Gründe, die zu den singulären Verbrechen geführt haben in ihrer Anlage durchaus nicht aus der Welt sind, sondern immer wieder aufgedeckt werden müssen.

Also wenn du damit meinst, daß die ideologische Vorbereitung, quasi als Grundlage der Taten aufgearbeitet und untersucht werden muß, stimme ich dir zu. Das gehört dazu. Ich lese aus dem Zeitartikel aber eine darüber hinausgehenden Intention, die ich nicht teile.

Man muß das alles als etwas sehen, was uns auch treffen kann. Wir werden ja auch in unserem Handeln von irrationalen Gedanken beeinflußt. Gefühle, Stimmungen, Prägung durch Eltern,Umwelt und auch Ideologien beeinflussen uns.

Vor einigen Jahren habe ich die (dir vermutlich) bekannte Posener Himmler-Rede vor seinen Gruppenführern gehört und ich habe mich gefragt, wie man zu solchem Weltbild kommen kann, wie Himmler erwarten konnte dort im Plenum zustimmende Untergebene zu finden? Ich mußte dazu recht lange "im Dreck wühlen", konnte aber schließlich "verstehen" oder für mich "erklären" - nicht billigen - wodurch manche Menschen so weit indoktriniert wurden, daß sie als KZ-Aufseher andere Menschen nur noch als Ungeziefer erkannten, das ausgerottet werden muß.

Solche Untersuchungen auch irrationaler Gründe gehören zum Geschichtsstudium dazu. Du hast Recht. Nur dürfen wir das nie als etwas sehen, was uns heute nicht mehr geschehen kann. Da ist nichts "Mystisches" oder "Unerklärliches". Es ist weltlich, es ist menschenverachtend und wir müssen es so analysieren und erklären, daß es uns nicht treffen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Solche Untersuchungen auch irrationaler Gründe gehören zum Geschichtsstudium dazu. Du hast Recht. Nur dürfen wir das nie als etwas sehen, was uns heute nicht mehr geschehen kann. Da ist nichts "Mystisches" oder "Unerklärliches". Es ist weltlich, es ist menschenverachtend und wir müssen es so analysieren und erklären, daß es uns nicht treffen kann.

Das uns das nicht mehr geschehen kann hab ich ja gemeint, nur denke ich sollte eine gründliche politisch-geistesgeschichtl. Aufarbeitung und Information zu diesem Themenkomplex wie er jetzt zu m.E. zu häufigen Thread -Eröffnungen hier führt -vorrausgehen.
In unseren Foren des 19.Jahrhunderts , ob politisch, geistes-oder kunstwissenschaftl. sind eingehende Pfade angelegt, die zu verfolgen und weiterzu entwickeln prädestiniert sind. Ich denke eine Inflation von Threads dieser Art ist der Übersichtlichkeit und der Bedeutung des Themenkomplexes abhold.
ich hoffe auf euer Verständnis... :)
 
Arcimboldo schrieb:
Das uns das nicht mehr geschehen kann hab ich ja gemeint, nur denke ich sollte eine gründliche politisch-geistesgeschichtl. Aufarbeitung und Information zu diesem Themenkomplex wie er jetzt zu m.E. zu häufigen Thread -Eröffnungen hier führt -vorrausgehen.

Ähh..also in der Sache scheinen wir uns einig zu sein.

Und dann meinst du, daß die Threaderöffnung übereilt, schlecht vorbereitet und überflüssig war? Soweit richtig? Sorry, wollte das nicht in dem anderen Thread diskutieren, da ich es dort für unpassend hielt.:confused:
 
Arne schrieb:
Ähh..also in der Sache scheinen wir uns einig zu sein.

Und dann meinst du, daß die Threaderöffnung übereilt, schlecht vorbereitet und überflüssig war? Soweit richtig? Sorry, wollte das nicht in dem anderen Thread diskutieren, da ich es dort für unpassend hielt.:confused:

Will nur sagen, daß es sich mehr lohnt auf vorhandene passende Threads aufzuspringen,die es zur Genüge in 19.+20 Jahrh.-Foren gibt. Schau mal rein ob Du da nicht was findest... :
Die Masse machts halt nicht . :winke:
 
Arcimboldo schrieb:
Abfolge und Personen bleibt dieses im Zeitartikel "Irrationale" angesprochene Phänomen zurück, welches bedeutet, daß nicht die Summe der Verbrechen die Einmaligkeit des Holocaust darstellt,sondern das bereits die in der frühen Nazi -Ideologie angelegten Gedanken zur rassischen Hygiene bei jedem einzelnen Fall von ersten Diskriminierungen der Gruppen, die zu Verfolgten geworden sind -diese Holocaust -Konsequenz angelegt ist.
Diese "frühe Nazi-Ideologie" zur rassischen Hygiene waren ja nicht auf Deutschland beschränkt. Ich erinnere mich schwach daran, dass die Rassengesetze der Nazis von Wissenschaftlern in Amerika, die sich mit Humangenetik beschäftigten, als besonders fortschrittlich begrüßt wurden! Endlich habe mal ein Staat gewagt, das Vernünftige auch in die Tat umzusetzen.

Ich glaube, dass es ein Artikel vom 15.07.1999 in der FAZ war "Die Ermordung von Geisteskranken und Behinderten Der Weltverband für Psychiatrie blickt auf ein Kapitel der "Euthanasie" / Von Claus-Einar Langen
Fingalo
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Sie waren vielleicht unmenschlich in ihren Taten, sie waren aber keine "Nicht-Menschen" und müssen historisch als Menschen behandelt und gerichtet werden.

Es waren unmenschliche Taten, aber was ist bei den Menschen schon unmenschlich? :confused: Es wird alles dann verständlicher, wenn man Hitlers "Mein Kampf" einmal gelesen hat. Die Scheinwelt, welche Hitler da aufbaut, wonach aller menschliche Fortschritt nur von den "Ariern" käme. Wobei er vergißt, dass Ägypter,Sumerer, Assyrer, Babylonier, Chinesen und Japaner keine sogenannten "Arier" waren und schon eine hochentwickelte Kultur hatten, bevor Hethiter, Griechen und Römer kamen. :(
 
heinz schrieb:
Die Scheinwelt, welche Hitler da aufbaut, wonach aller menschliche Fortschritt nur von den "Ariern" käme.

die "arier" im hitlerschen sinne gab es meines wissens überhaupt nicht und sind reine möchtegerne-phantasie.


ja, clemens - erst alles lesen, dann schreiben! steht bereits alles in hyokkoses link!:(
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu den Ursprüngen der Arierideologie empfehle ich den "arischen Mythos". Dort wird erklärt, dass man durch arische Vorfahren aus Indien versuchte "kulturell unabhängig" zu werden von den Personen des alten Testamentes (Juden).

Zur ursprungsfrage (so wie ich sie verstanden habe): Ich finde man sollte die Nazis schon als Menschen betrachten. Da sie (und ihre Ideologie) als solche viel gefährlicher wirken als wenn sie nicht menschlich wären und über übermenschliche Kräfte verfügten. Das fand ich auch am 2-Teiler "Hitler - der Aufstieg des Bösen" gut: Man sah den Menschen im Diktator und ich fühlte mich irgendwo gezwungen dass ganze etwas tiefer als sonst zu durchdenken(eine ähnliche Wirkung hat auch "Schrei nach Liebe").
 
Natürlich Themistokles,
war Hitler ein Mensch, der sich seine Halbbildung dadurch erwarb, indem er immer dass las, was seine eigenen Überzeugungen stützte. Er hat in Wien den Bürgermeister Lueger sehr bewundert. Vielleicht war sein Antisemitismus auf diese Person zurückzuführen. :(
 
heinz schrieb:
Natürlich Themistokles,
war Hitler ein Mensch, der sich seine Halbbildung dadurch erwarb, indem er immer dass las, was seine eigenen Überzeugungen stützte. Er hat in Wien den Bürgermeister Lueger sehr bewundert. Vielleicht war sein Antisemitismus auf diese Person zurückzuführen. :(

Diese Diskussion hatten wir schon, kannst du hier nachlesen:

http://212.227.62.226/geschichtsforum/showpost.php?p=75331&postcount=21

http://212.227.62.226/geschichtsforum/showthread.php?t=4447
 
heinz schrieb:
Natürlich Themistokles,
war Hitler ein Mensch, der sich seine Halbbildung dadurch erwarb, indem er immer dass las, was seine eigenen Überzeugungen stützte. Er hat in Wien den Bürgermeister Lueger sehr bewundert. Vielleicht war sein Antisemitismus auf diese Person zurückzuführen. :(
Der Ausgang der Diskussion war die Frage ob die Nazi-Verbrechen rational begrünbar sind und nach nur wenigen Beiträgen hat sich die Frage daruaf reduziert ob Hitler ein Mensche war, wieso er so war, wie er war, usw.. Ich denke wenn wir die Nazi-Verbrechen zu den Verbrechen des Hitlers machen und ihre Ursachen in seiner Psyche suchen, so können wir die Verbrechen sicherlich nicht erklärbar machen.
Hitler mag wahnsinnig gewesen sein und es mag eine Reihe von Gründen dafür gegeben haben und er mag der Geschichte auch eine persönliche Note verliehen haben. Entscheidend bleibt aber das Hitler nur der Ausdruck für eine geschichtliche Bewegung war, die wohl auch einen anderen Hitler gefunden hätte.

Nun zur Frage. Die Verbrechen der Nazis soweit es sich um Krieg, Vefolgung politisch anders Denkender usw. handelt sind natürlich rational begrünbar. Begrünbar mit wirttschafltichen, politischen und anderen Kalkulationen, wo es aber aufhört so einfach erklärbar zu sein ist die Shoa, der Industrielle Massenmord.
So besonders an ihr ist, dass sie völlig irrational und sinnlos erscheint. Die Ermordung von allein 6 Millionen Juden und Jüdinnen (=6 Millionen Arbeitskräften) diente keinem ökonomischen oder eigentlich politischem Zweck. Arbeitskräfte wurden vernichtet und die Züge in den Osten waren mit dem Transport der Juden und Jüdinnen beschäftigt, statt Truppen und Panzer an die Ostfront zu werfen. Auch politisch war die Shoa nicht sonderlich sinnvoll, denn während das Denunzieren und Ermorden politisch anders Denkender ein Klima der Angst schafft und somit System erhaltend wirkt, wird dieses Klima nicht dadurch erreicht wenn man eine relativ genau abgegrenzte Volksgruppe ermordet.

Das soll aber nicht bedeuten, dass die Shoa nur weil sie irrational war, nicht rational behandelt werden darf. Ich selbst wage es dennoch nicht sie zu erklären. Hier nur einige Gedanken. Der Faschismus ist die Masenbewegung des KleinbürgerInnentums, das nach Oben den Kampf gegen das Großkapital führt (welches mit dem Juden gleichgesetzt wird) und nach unter gegen die "Proleten" die in der Republik frech werden und selbst nach der Macht streben. Als Alternative scheint hier nur ein "Vorwärts nach Gestern", als alles noch "besser" war, idyllische Verhältnisse, Familie, Vaterland, ein Afbegehren gegen diese materialistische Zeit, eine Hinwendung zu esoterisch irrationalen Welterklärungen und eine Bejahung der eigenen "Rasse" und ein Hass besonders gegen die "Volkszersetzenden" Juden und Jüdinnen. Damit diese kleinbürgerliche Bewegung an die Macht kommen kann, muss sie das Bündnis mit dem Kapital und den alten Eliten suchen. Es handelt sich aber dabei eben nur um ein Bündnis (und nicht wie von MarxistInne-LeninistInnen behauptet um eine Kapitalherrschaft). Dieses Bündnis kann aber eben auch gelöst werden. Und genau das ist geschehen. Das hatte zur Foge das die irrationale Ideologie zum tatsächlichen Handlungsleitfaden wird und die letzte Konsequenz des Antisemitismus ist die Vernichtung der "jüdischen Rasse"
 
Linker schrieb:
Nun zur Frage. Die Verbrechen der Nazis soweit es sich um Krieg, Vefolgung politisch anders Denkender usw. handelt sind natürlich rational begrünbar. Begrünbar mit wirttschafltichen, politischen und anderen Kalkulationen, wo es aber aufhört so einfach erklärbar zu sein ist die Shoa, der Industrielle Massenmord.
So besonders an ihr ist, dass sie völlig irrational und sinnlos erscheint. Die Ermordung von allein 6 Millionen Juden und Jüdinnen (=6 Millionen Arbeitskräften) diente keinem ökonomischen oder eigentlich politischem Zweck. Arbeitskräfte wurden vernichtet und die Züge in den Osten waren mit dem Transport der Juden und Jüdinnen beschäftigt, statt Truppen und Panzer an die Ostfront zu werfen. Auch politisch war die Shoa nicht sonderlich sinnvoll, denn während das Denunzieren und Ermorden politisch anders Denkender ein Klima der Angst schafft und somit System erhaltend wirkt, wird dieses Klima nicht dadurch erreicht wenn man eine relativ genau abgegrenzte Volksgruppe ermordet.

Du versucht logisch, vernünftig, erfolgsorientiert an die Frage heranzugehen. Der Ansatz, der einen "Verstehen" lernt, ist aber meines Erachtens ein anderer.
Die Juden waren für die überzeugten Antisemiten eben kein "brauchbarer Mensch", sondern nur Ungeziefer, das schädlich ist, solange es lebt. Dieses Denken wurde in die Köpfe eingetrichtert. Schau die Filme wie "Der ewige Jude" an. Lies Kinderbücher, wie "Der Giftpilz", "Der Pudelmopsdackelpinscher" oder "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid´.." und du verstehst, was ich meine. In diesen Medien liegt für mich die Erklärung des Denkens der SS-Oberen. Rational, wenn man das im Sinne von Vernunft sieht, ist das nicht zu erklären.
 
hyokkose schrieb:
Ist der Artikel irgendwo online nachzulesen?

http://www.zeit.de/2005/05/01____1__Leiter

"Weniger auffällig ist die dritte Gefahr, die der Rationalisierung. Immer wieder gibt es – auch in der Wissenschaft – Versuche, das Grauen vollständig zu erklären. Doch bleibt es eine Illusion, dieses restlose Erklärenwollen. Nein, für die Beschäftigung mit Auschwitz gibt es eine Regel: Wenn sie nicht zutiefst verstört, immer wieder, zumindest immer mal wieder, dann ist etwas daran falsch."

Morgen nehme ich auch noch einmal Stellung
 
Arne schrieb:
Du versucht logisch, vernünftig, erfolgsorientiert an die Frage heranzugehen. Der Ansatz, der einen "Verstehen" lernt, ist aber meines Erachtens ein anderer.
Die Juden waren für die überzeugten Antisemiten eben kein "brauchbarer Mensch", sondern nur Ungeziefer, das schädlich ist, solange es lebt. Dieses Denken wurde in die Köpfe eingetrichtert. Schau die Filme wie "Der ewige Jude" an. Lies Kinderbücher, wie "Der Giftpilz", "Der Pudelmopsdackelpinscher" oder "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid´.." und du verstehst, was ich meine. In diesen Medien liegt für mich die Erklärung des Denkens der SS-Oberen. Rational, wenn man das im Sinne von Vernunft sieht, ist das nicht zu erklären.
Du hast mich glaube ich falsch verstanden.
1. Ich habe ja gar nicht bestritten, dass die Verbrechen irrational waren, ich wollte nur den irrationalen Charakter herausheben.
2. Ich denke allerdings nicht, dass der Antisemismus so leicht aus einigen Propaganda Werken zu erklären ist. Denn zum einen sind viele davon ja erst nach der Machtübernahme der Nazis erschienen und zweitens hat der Antisemitismus eine wesentlich längere Tradition. Er ist nicht auf einfache Volksverhetzung zurückzuführen, sondern eine soziale Funktion unserer Gesellschaft, die nicht so einfach zu beheben ist.
 
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