Muße im Deutsche Kaiserreichs

Anarion, Muße ist ein Wort, das man m Deutschen heute (so gut wie) nicht mehr verwendet. Freizeitbeschäftigungen.
Du benötigst Informationen über Freizeitbeschäftigungen wie Besuche von Ausstellungen und Museen oder Musikabenden in der Kaiserzeit für deine Abschlussarbeit. Ich würde da mal in der Literatur schauen (also nicht wissenschaftliche Fachliteratur, sondern in der zeitgenössischen Belletristik), z.B. im Roman Die Buddenbrooks von Thomas Mann. Oder, von demselben Autor: Der Zauberberg. (Dieses Buch ist aber selbst für deutsche Muttersprachler eine Qual...)
 
Folgende Website ist eigentlich für Kinder, aber sie liefert einige Stichworte:

Sport und Freizeit | Alltag | Kaiserzeit | Zeitklicks

Freizeitvergnügen | Sport und Freizeit | Alltag | Kaiserzeit | Zeitklicks

Wir haben das Thema auch schon hier im Forum angerissen:

Gesellschaft-Alltag-Freizeit und Tagesablauf
Freizeit im Kaiserreich

EDIT:
Es gibt speziell zu den Arbeitern eine Hausarbeit:

Gogol, Sebastian: Das Herausbilden von Freizeit für die Arbeiter im Deutschen Kaiserreich. Entwicklung und Gestaltungsformen
 
Musuemsbesuche sind natürlich Freizeitbeschäftigungen einer bürgerlichen Elite, die Freizeitbeschäftigung eines Arbeiters werden anders ausgesehen haben. Man müsste sich dazu wohl vor allem in die Lokalgeschichte einarbeiten. Da gibt es zu den Großstädten (Berlin, Hamburg, Ruhrgebiet) sicher einiges auch an fachwissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Literatur.
 
Ich kann hier das Buch "Leben im Kaiserreich - Deutschland um 1900" empfehlen. Dort gibt es ein ganzes Kapitel bzgl. der Freizeitgestaltung im Kaiserreich, gestaffelt nach sozialen Schichten.

Kurz zusammengefasst:
- Freizeit war am Anfang des Kaiserreichs etwas für den Adel und das Großbürgertum; Kleinbürger hatten nur wenig Freizeit, Bauern & Arbeiter so gut wie keine, weil die Arbeitszeiten extrem lang waren und es keinen bezahlten Urlaub für sie gab
- Diese Situation verbesserte sich bis 1914 langsam
- Urlaub in der Ferne war nur für besitzende Schichten möglich
- Besuche von Ausstellungen, Museen und Musikabende waren etwas für Adel & Großbürgertum; Kleinbürger, Arbeiter und Bauern fand man eher bei Sportveranstaltungen oder Festen
 
Auch bei Heinrich Mann (der Bruder von Thomas Mann) in Der Untertan wird ausgiebig die Freizeitgestaltung des Protagonisten Diederich Heßling berührt, sowohl während seines Studiums in Berlin als auch zurück in der Heimat, dem fiktiven Netzig.
 
Im deutschen Kaiserreich...

Es würde sich dann um die Zeit der Epochen:
· So ab Mitte 19. Jahrhundert „Historismus“ und
· So bis fast Ende 19. Jahrhundert/anfang 20. Jahrhundert „Jugendstil“
handeln.
Üblicherweise redet man da von 4 Schichten:
· Oberschicht mit:
+ Hof, Adel und höhere Beamte und Unternehmer.
· Mittelschicht:
+ Beamte und Handel, sowie Angestellte und Bauern.
· Unterschicht:
+ Arbeiter in der Industrie, Handwerk und Handel, sowie Landarbeiter und Dienstboden.
· Dann hatte man noch die Schicht der Deklassierten.

Wäre zu klären ob die Bachelorarbeit sich mit der Mußen aller Schichten beschäftigen soll oder ob Abgrenzungen denkbar wären.
Und wenn das klar ist, wäre die allgemein gültige Definition für den Begriff –Muße- von Interesse. Hier würde ich mich an die Begriffsdefinition bei Wikipedia anlehnen. Weil, der Begriff Muße ist ja stark von der Schicht geprägt/abhängig zu der man zählte.

Wenn ich mal an die Muße meiner Großeltern väter-und mütterlicherseits denke.
Sie gehörten nach obiger Eiteilung zur Unterschicht.
Ich kann mich da an wenige Mußen erinnern.
Vorherrschend waren da wohl Feiern in der die Familien Zusammengehörigkeit gepflegt wurde.
Die Großeltern stammten ja alle 4 bei mir aus recht Kinderreichen Familien (waren so zwischen 8 - 12 Geschwister).
Bei den Großeltern väterlicherseits kam dann in den 20igern ein Garten dazu, Anfang der 30iger eine Teilhaberschaft an einem Freizeitgrundstück an einer Talsperre und sie hatten auch ein Grammophon mit den damals üblichen Schellackplatten.
Das Lieblingsstück meines Großvaters war dann ende der 30iger „Die Post im Walde“.
An Urlaubsreisen (Schiff, Zug) erinnere ich mich nicht. Einmal allerdings fuhren sie von ihrem Heimatort (Mittelsachsen) nach Wien zur Arbeiterolympiade im Juli 1931.

Abschließend...
Da was auf einen Nenner zu bringen wird sicher schwierig. Die Mußen bei den Personen und in den Familien sind ja recht unterschiedlich.
 
Man sagt den Deutschen, durchaus zu Recht nach, sie seien "Vereinsmeier", und die deutsche Vereinskultur wurde und wird oft belächelt. Im Großen und Ganzen aber ist die Arbeit der Vereine durchaus positiv zu bewerten. Im 19. Jahrhundert war eigentlich für jede politische Couleur und jedes Hobby etwas dabei: Es gab Sport- und Arbeiterbildungsvereine, Christliche und Nationalistische Vereine. Tauben- und Kleintierzüchter, Schachspieler, Fußballer und Angler schlossen sich zusammen, fachsimpelten, pflegten Traditionen und manchmal Feindschaften.

Bald auch wurde Bedarf für Freizeitaktivitäten auch zu einem Wirtschaftszweig. Vorbild war in vielem Großbritannien. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Sportfischer noch als fragwürdige Zeitgenossen belächelt. Angeln fertigte man sich selbst aus Haselgerten an, Rollen und Angelruten wurden fast ausschließlich in Großbritannien hergestellt, auch die ersten Fachbücher über den Fischfang mit der Angel stammten aus Großbritannien. Um die Jahrhundertwende gab es dann auch eine reiche deutschsprachige Fachliteratur, und manche Firmen spezialisierten sich ausschließlich auf Angelgeräte. Zu erwähnen ist hier der Berliner Fritz Ziegenspeck, der die Anglermanufaktur Ziegenspeck gründete. Daraus ging DAM, die Deutsche Anglermanufaktur hervor, eine Firma, die es immer noch gibt. Zu den "Rennern" unter den Patenten von Fritz Ziegenspeck gehörte ein bestimmter Bootaußenbordmotor, die Wenderolle und der Effzett-Blinker. Die Wenderolle war ein simples aber effektives Patent. Die Rolle war am Rollenhalter drehbar, so dass man die Angel auswerfen konnte, ohne dass man wie bei den alten Grundrollen oder modernen Fliegenrollen erst die Schnur für die gewünschte Wurfweite abpsulen musste. Durch die Erfindung der Stationärrolle um die Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich dieses Modell durch.

In Herman Hesses Erzählung "Unterm Rad" ist der Schüler Hans Giebenrath ein begeisterter Angler, die Angelei wurde ihm allerdings verboten, um am "Landexamen" teilzunehmen. Ein Freund Giebenraths verachtet die Angelgeräte prinzipiell und schwört auf Ruten Marke Eigenbau. Natürlich können gute Angler auch mit primitivem Angelgerät Erfolg haben- damals wie heute. Die rudimentäre Sportangelei mit der selbst geschnittenen Haselrute hatte aber ausgedient.

Es kamen mehrteilige Angelruten auf den Markt, die erschwinglich waren, Rollen, mit Bremsen ausgestattet, bespult mit Angelschnüren aus Seide oder Rosshaar, mit denen ein geübter Angler 20 m weit und weiter werfen konnte. Um die Jahrhundertwende hatte sich auch in Deutschland ein Markt für Bedarf, einzig für die Angelei entwickelt. Klassiker wie der Heintz-Blinker, benannt nach einem renommierten Fachautor oder der Effzett-Blinker sind längst Klassiker und werden noch 100 Jahre nach ihrer Entwicklung erfolgreich benutzt. Hardy, D.A.M., Norris u. a. klangvolle Namen gibt es teilweise heute noch. Ich habe einmal eine alte D. A. M- Rolle geschenkt bekommen. Das Ding ist ein reines Museumsstück, aber von unglaublicher Qualität. Das Ding dürfte inzwischen gut 100 Jahre alt sein.

Ich bin mit Stationärrollen aufgewachsen und musste mich anfangs daran gewöhnen und fragte mich, wie die Kollegen früher das anstellten, mit so einem Ding Würfe von 25-30 m hinzubekommen. Eine Rolle ohne Übersetzung wie eine moderne Stationär- oder Multirolle macht dem Angler im Drill eines Kapitalen mehr Schwierigkeit, ist aber viel intensiver. Es ist vergleichbar dem Reiz, statt mit modernem Gewehr mit Bogen, Armbrust oder Vorderlader zu jagen.
 
Thanks so much! Have you got any information about the dances of the nobles or workers of the 19th century?

Nur ein wenig kann man in diesem Artikel des Tagesspiegels nachlesen:
Tanzstunde und Tangowelle im Berlin der Kaiserzeit

Demnach standen gegen Ende der Kaiserreich die züchtigen Tänue Polka, Menuett und Walzer mit den neuen, oft aus Amerika importierten Tänzen wie Cake-Walk, Ragtime, Charleston und der Boston Valse sowie dem Tango in Konkurrenz.

In dem Artikel wird aber auch eine Zeitschrift aus dem Kaiserreich erwähnt. Berliner Leben : Zeitschrift für Schönheit und Kunst erschien von 1898 - 1928. Sie ist digitalisiert und kann für dich interessant sein:

Berliner Leben

EDIT:
Das bezog sich jetzt auf Berlin. In den ländlichen Gegenden wird wohl traditioneller Volkstanz eine Rolle gespielt haben. Volkslied und Volkstanz waren auf jeden Fall Teil der Wandervogel-Bewegung:
Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Kapitel: Weimarer Republik
 
Mir fällt dazu noch ein...

Eine >Muße< in der "Wilhelminischen Zeit" war unter den Frauen das „Kaffee-Kränzchen“.

Das war eine Muße in allen 3 Schichten.

Man traf sich entweder in der Wohnung einer Kränzchen Teilnehmerin oder im Kaffeehaus. Und da auch vornehme in einem Kaffeehaus in „Jugendstil“ bei passender Musik (Franz Lehár, Strauß Vater und/oder Sohn, Johannes Brahms, Pablo de Sarasate, Niccolò Paganini oder auch andere Komponisten.

Und in solchen Kaffeehäusern natürlich: „aber Torte bitte mit Sahne“.
 
Vieles zum Alltag und Freizeit 1800-1918 findet man in
Th. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, Beck 1983, Kap. II.
Th. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866-1918, Band I, Beck 1990, dort Kap. III.
 
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