Nachfrage zur typischen Zitierweise antiker Quellen/Grundsätzliches Verständnisproblem

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DankbarerGast01

Gast
Liebe Gemeinde, eine Nachfrage zur typischen Zitierweise antiker Quellen:

Meinem Verständnis nach (bitte korrigiert mich, falls ich falsch liege), erfolgt ein Nachweis referierter antiker Quellen im Text in der Fußnote in der Form "Plat. Alk. 1". Klar, referiert wird damit auf Platons Alkibiades, 1. Buch. Ein Abkürzungsverzeichnis am Anfang der Arbeit könnte "Plat. Alk. 1" noch aufschlüsseln nach "Platon, Alkibiades 1". Im Literaturverzeichnis bzw. Quellenverzeichnis wird dann das Werk bspw. wie folgt wiedergeben: "Platon, Sämtliche Werke in zehn Bänden, Griechisch und Deutsch, übers. v. Franz Susemihl, hrsg. v. Karlheinz Hülser, Bonn: 1991.

Nun mein grundsätzliches Unbehagen bzw. mein Verständnisproblem mit einer solchen Zitierweise antiker Quellen:
Wie kann ich sicherstellen, dass der Leser von dem Quellennachweis im Text ("Plat. Alk. 1") und gestützt durch das Abkürzungsverzeichnis zum korrekten Quelleneintrag im Quellenverzeichnis findet? Während es noch zwischen dem Quellennachweis im Text und dem entsprechenden Eintrag im Abkürzungsverzeichnis einen zwingenden Zusammenhang gibt ("Plat. Alk. 1"), besteht doch kein wörtlicher Zusammenhang mehr mit dem Eintrag im Quellenverzeichnis? Der Leser kann doch allein nur vermuten, dass "Platon, Sämtliche Werke in zehn Bänden ..." das referierte Werk "Platon, Alkibiades 1" beinhaltet und Quelle ist. Und woher weiß der Leser, ob ich mich bei zweisprachigen Ausgaben mit meinen inhaltlichen Überlegungen auf die "Originalversion" oder seine Übersetzung stütze? (Nur bei wörtlichen Wiedergaben der Übersetzung wird ja beim Quellennachweis die Ergänzung "übers. v. XYZ" vorgenommen.) Noch schwieriger wird es für den Leser, wenn es eine unterschiedliche Schreibweise des antiken "Autors" zwischen dem Quellennachweis und dem Quellenverzeichnis gibt (bsp. "Ovidius" und "Ovid").

Gesetzt den Fall, ich habe es richtig verstanden, wie antike Quellen zitiert werden, wie lässt sich also für den Leser ein zwingender Zusammenhang zwischen der Angabe im Quellennachweis und dem Eintrag im Quellenverzeichnis herstellen? Bei der Zitierung nicht antiker Quellen wird ja der Zusammenhang zwischen Quellennachweis und Literaturverzeichnis aus der wörtlichen, eineindeutigen Übereinstimmung zwischen Autor/Titel/Jahr hergestellt. Eine solche fehlt schlicht bei der Zitierung antiker Quellen. Wie handhabt ihr das? Erstellt ihr ein zusätzliches Verzeichnis, welches einem Quellenachweis seine konkrete Quelle zuordnet? Irgendwie fehlt mir hier ein Puzzlestück. Wird schlicht vorausgesetzt, dass der Leser die Verbindung herstellt? Macht man sich nicht angreifbar für einen Plagiatsvorwurf?

An alle, die bis hier gelesen haben - vielen Dank! Ich freue mich über jede Rückmeldung, die meinem Verständnisproblem Abhilfe verschafft.
 
Gesetzt den Fall, ich habe es richtig verstanden, wie antike Quellen zitiert werden, wie lässt sich also für den Leser ein zwingender Zusammenhang zwischen der Angabe im Quellennachweis und dem Eintrag im Quellenverzeichnis herstellen? Bei der Zitierung nicht antiker Quellen wird ja der Zusammenhang zwischen Quellennachweis und Literaturverzeichnis aus der wörtlichen, eineindeutigen Übereinstimmung zwischen Autor/Titel/Jahr hergestellt. Eine solche fehlt schlicht bei der Zitierung antiker Quellen. Wie handhabt ihr das? Erstellt ihr ein zusätzliches Verzeichnis, welches einem Quellenachweis seine konkrete Quelle zuordnet? Irgendwie fehlt mir hier ein Puzzlestück. Wird schlicht vorausgesetzt, dass der Leser die Verbindung herstellt? Macht man sich nicht angreifbar für einen Plagiatsvorwurf?
Warum solltest du dich angreifbar machen für einen Plagiatsvorwurf, wenn du aus einer antiken Quelle zitierst?

Grundsätzlich musst du davon ausgehen, dass der Leser Plat. Alk. 1 erkennt. Du musst kenntlich machen, wenn du die Übersetzung verwendest - traduttore = traditore* - , aber du darfst unterstellen, dass der Leser den Zusammenhang zwischen Quellenstelle und Quellenausgabe selber herstellen kann. Sofern möglich, solltest du in einer historischen Arbeit immer mit den originalsprachlichen Quellen operieren. Aber Studierenden gegenüber ist man da häufig nachsichtig.


*Der Übersetzer ist ein Verräter am Text, da es - in der Theorie - nie zu 100 % möglich ist, einen Text von der Originalsprache in die Zielsprache zu übertragen, da viele Worte in Sprachen mehr als eine Nuance haben, aber die Nuancen des Wortes in der Originalsprache sich mit denen in der Zielsprache nicht zu 100 % decken müssen.
 
Natürlich kann, wer dem Leser Hilfestellung geben möchte, im Quellenverzeichnis einen Hinweis wie den folgenden anbringen:

"Platon: benutzt wurde ..."

Oder ein allgemeiner Hinweis zu Beginn von Quellen- und/oder Literaturverzeichnis:

"Altgriechische Werke wurden in Übersetzung herangezogen."
 
Vielen Dank für die bisherigen Antworten! Nun fühle ich mich schon etwas sicherer, was die grundsätzliche Herangehensweise zur Zitierung antiker Quellen angeht (ich selbst komme aus einer anderen Fachrichtung und greife nun erstmalig auf antike Quellen im Zuge meiner Abschlussarbeit zurück). Die Angst, sich möglicherweise einem Plagiatsvorwurf auszusetzen, resultiert aus meinem Gefühl, die verwendete Quellenausgabe für die zu belegende Textstelle nicht eindeutig und konkret genug im Fußnotenbeleg auszuweisen.
Da es sich bei meinen verwendeten Quellen auch um altgriechische handelt (dessen ich leider nicht mächtig bin), bin ich gezwungen, auf (zweisprachige) Übersetzungen zurückzugreifen. Und da in der Tat eine Übersetzung auf mich wie ein selbstständiges Werk wirkt, tue ich mich vlt. einfach (ungewollt) schwer damit, auf originalsprachliche Stellen bspw. bei Platon zu referieren, obwohl meine Quelle eigentlich eine Übersetzung ist. Doch zumindest kann ich ja durch einen Hinweis auf die Verwendung einer Übersetzung und den Übersetzer im Vorwort oder an entsprechender Stelle im Text eine kleine Brücke schlagen zwischen verwendeter Quelle und dem Fußnotenbeleg.

Gibt es einen Grund, warum gefühlt so wenige Autor*innen heutzutage die Kurzformen wie "Plat. Alk. 1", "Ov. med. 3" über ein Siglenverzeichnis eindeutig auflösen und die verwendete Quellenausgabe dazuschreiben? Oftmals werden allein die Abkürzungen aufgeschlüsselt (Stichwort: Abkürzungsverzeichnis), ohne Nennung der Quellenausgabe. Ein anderes Phänomen ist, so scheint es mir, die Nennung allein moderner Werke in einem Siglenverzeichnis bei gleichzeitiger (gewollter?) Nichtlistung verwendeter antiker Quellen.

Vielen Dank!
Ein Gast - der seit einigen Tagen nun schon daran sitzt, sich schnellstmöglich das Handwerkszeug zu einer korrekten und leserfreundlichen Zitierung antiker Quellen anzueignen und an der schieren Anzahl von Möglichkeiten und einhergehender Unsicherheit fast verzweifelt.
 
Doch zumindest kann ich ja durch einen Hinweis auf die Verwendung einer Übersetzung und den Übersetzer im Vorwort oder an entsprechender Stelle im Text eine kleine Brücke schlagen zwischen verwendeter Quelle und dem Fußnotenbeleg.

Warum denn so kompliziert? Gib doch einfach die ÜS im Quellenteil der Bibliographie an.

Plat. Alk.
Otto Apelt: Platon: Alkibiades I/II. In: Otto Apelt (Hrsg.): Platon: Sämtliche Dialoge, Bd. 3, Hamburg 2004, Nachdruck der 3. Auflage, Leipzig 1937.

Gibt es einen Grund, warum gefühlt so wenige Autor*innen heutzutage die Kurzformen wie "Plat. Alk. 1", "Ov. med. 3" über ein Siglenverzeichnis eindeutig auflösen und die verwendete Quellenausgabe dazuschreiben? Oftmals werden allein die Abkürzungen aufgeschlüsselt (Stichwort: Abkürzungsverzeichnis), ohne Nennung der Quellenausgabe. Ein anderes Phänomen ist, so scheint es mir, die Nennung allein moderner Werke in einem Siglenverzeichnis bei gleichzeitiger (gewollter?) Nichtlistung verwendeter antiker Quellen.
Das liegt daran, dass die antiken Autoren als bekannt vorausgesetzt werden.
 
Vielen Dank für eure bisherigen Inputs. Nun bin ich noch auf der Suche nach einem konkreten Belegstil für meine Arbeit. Wäre aus eurer Sicht die folgende Systematik mit zwei Beispielwerken in Ordnung?

1) Am Anfang ein unterteiltes Abkürzungsverzeichnis mit bspw. folgenden Einträgen:
Quellen
"Plat. Alk. -> Platon Alkibiades" (Ohne Nennung der konkreten Quellenausgabe … warum auch immer das gängige Praxis ist.)
...

Quelleneditionen
"FGrH -> Jacoby, F. (Hrsg.): Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin 1923/Leiden 1939" (Mit Nennung bibliographischer Informationen. Statt, analog zu oben, hier nur nach "Die Fragmente der griechischen Historiker aufzulösen", werden in der gängigen Literatur hier häufig alle Informationen ergänzt.)


2) Im Text in einer Fußnote als Beleg:
"Plat. Alk. I 123a."
"FGrH 97 F 1"

3) Im "Quellen- und Literaturverzeichnis":
Jacoby, F. (Hrsg.): Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin 1923/Leiden 1939 [zit. als FGrH]

Platon, Sämtliche Werke in zehn Bänden, Griechisch und Deutsch, übers. v. Franz Susemihl, hrsg. v. Karlheinz Hülser, Frankfurt/M.: 1991. [zit. als Plat. Alk.] (<-wird in der gängigen Literatur fast nie gemacht)

Zunächst Danke an @El Quijote für den anderen konkreten Zitiervorschlag, doch habe ich das Gefühl, dass sich "[zit. als Plat. Alk.]" besser in meine Arbeit einfügen würde. Die Frage ist: Wäre das so in Ordnung? Ich finde in Büchern den Zusatz "[zit. als xyz]" fast nur bei ganzen Quelleneditionen und selten bei den konkret verwendeten Quellenausgaben. Und das ist der Punkt, der mich nach wie vor irritiert. Auch wenn davon ausgegangen werden darf, dass der Leser mit Hilfe der Stephanuszählung in jeder vernünftigen Quellenausgabe von Platons Alk. die entsprechende Stelle findet, so beziehe ich mich ja in meiner Arbeit auf einen übersetzten Text von Platons Alk. Sollte da nicht stärker ein Zusammenhang zwischen verwendeter (übersetzter) Ausgabe und der zu belegenden Textstelle hergestellt werden, wie er jetzt mit "[zit. als XYZ]" erfolgt? Mich verwundert nur, dass das so selten in der gegenwärtigen Literatur praktiziert wird, weshalb ich denke, nach wie vor etwas zu übersehen ...
 
V
3) Im "Quellen- und Literaturverzeichnis":
Jacoby, F. (Hrsg.): Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin 1923/Leiden 1939 [zit. als FGrH]

Platon, Sämtliche Werke in zehn Bänden, Griechisch und Deutsch, übers. v. Franz Susemihl, hrsg. v. Karlheinz Hülser, Frankfurt/M.: 1991. [zit. als Plat. Alk.] (<-wird in der gängigen Literatur fast nie gemacht)
Weil das unnotwendig ist.

doch habe ich das Gefühl, dass sich "[zit. als Plat. Alk.]" besser in meine Arbeit einfügen würde.
Wie gesagt: Unnotwendig. Aber wenn du dich damit besser fühlst.

Ich finde in Büchern den Zusatz "[zit. als xyz]" fast nur bei ganzen Quelleneditionen und selten bei den konkret verwendeten Quellenausgaben.
Normalerweise findet man "Zitiert nach", wenn nicht die Quelle direkt zitiert wird, sondern die Quelle aus einem Mittelsmann zitiert wird. Das sollte man tunlichst vermeiden, wenn es geht.

Und das ist der Punkt, der mich nach wie vor irritiert. Auch wenn davon ausgegangen werden darf, dass der Leser mit Hilfe der Stephanuszählung in jeder vernünftigen Quellenausgabe von Platons Alk. die entsprechende Stelle findet, so beziehe ich mich ja in meiner Arbeit auf einen übersetzten Text von Platons Alk.
Sind darin die Sätze gezählt? Dann ist das garantiert die Stephanuszählung.
 
eine Möglichkeit des Zitierens wäre auch "Plat. Alk. I, Übers. F. Susemihl" Ausschlaggebend ist, daß die Zitierweise innerhalb der Arbeit geschlossen bleibt.
 
Besten Dank für die Infos und Anregungen, das hat mich weitergebracht! :)
 
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