Namensgebung des Vormittelalters

Nietzsche

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Oft fangen Standardwerke, Sachbücher zum Thema Mittelalter, mit Karl dem Großen, also der Zeit um 800, an. Bücher über die Antike enden meist mit dem Fall Roms und der Völkerwanderung, also ca. 500 n. Chr.
Doch ich interessiere mich gerade für diese Zeit dazwischen, ca. 450-750 n. Chr., von denen die meisten Sachbücher nicht viel und bisweilen gar nichts zu erzählen wissen. Wegen dieses Informationsmangels wurde gar die Theorie aufgestellt, die Jahre 600 bis 900 n. Chr. hätte es nie gegeben, sie wären nur durch eine Verrechnung zwischen einer Zeitumstellung "dazwischengerutscht". Dabei hat doch dieses Zeitalter, das "dunkle" Zeitalter, wichtige Grundlagen für das Mittelalter geschaffen, indem es die Antike und die Völkerwanderung "verarbeitet" hat.
Da viele Wissenschaftler diese Zeit weder Antike, noch Mittelalter bezeichnen, und das meiner Ansicht nach auch korrekt ist, suche ich nun einen passenden Namen für diese Zeit. Das "dunkle" Zeitalter ist, glaube ich mich zu erinnern, schon ein Begriff für die vormykenische Zeit, zudem nicht sehr vielsagend.

Könnt ihr mir helfen? :confused:
 
Du findest keine Klare Klassifizierung, da die Problematik der Namensgebung und Kategorisierung weiter diskutiert wird.
Man kann nicht klar abgrenzen, wann die Antike genau zu Ende geht (man rückt ohnehin von konkreten Jahreszahlen ab), wann die Völkerwanderungszeit beginnt oder wann das frühe Mittelalter beginnt.
Eine große Zahl vertritt die Meinung, dass die Kaiserkrönung Karls erst das Mittelalter einläutet, andere sehen dies schon u das Jahr 500 als gg.

Heiß diskutiert und möglicherweise wirst du auch in diesme Thema dazu eine Menge Meinungen zu lesen bekommen.
 
Ich versuch's mal... :winke:

Meines Wissens gibt es durchaus nicht wenige Historiker, die - zumindest für das westliche Europa - den Untergang des Weströmischen Reiches (476/93) als Ende der Spätantike und den Beginn des Frühmittelalters ansetzen, welches sie dann wiederum entweder mit dem Untergang der Karolinger (911) oder aber dem Ende der Ottonen (1024) enden und das Hochmittelalter beginnen lassen.
Andere wiederum (z.B. auch im dtv Atlas Weltgeschichte Band 1) setzen gar den Beginn mit dem Hunnensturm als Auslöser der Völkerwanderung (375) als Beginn des Frühmittelalters.
Anm.: es gibt hier unter "Sonstiges im Mittelalter" ein Parallelthema, welches Dir teilweise helfen könnte; es heißt "Zeitliche Abgrenzung Früh-, Hoch- und Spätmittelalter" (obgleich ich ja ungern Eigenwerbung mache) :fs:

Von daher ist für mich aber 6. - 9. Jh. eben Frühmittelalter :cool:

EDIT @Tib: Sorry - überschnitten...
 
@ Nietzsche: nur zur Ergänzung: die Jahre, die Illig als "Erfundenes Mittelalter" deklarierte, gelten just für eine Zeit, in der wir langsam wieder mehr Informationen bekommen (8./9. Jahrhundert). Meiner Meinung nach spielt bei ihm eine starke Ablehnung der Persons Karl des Großen eine Rolle, weniger eine Quellenarmut, die er für die entsprechende Zeit im Prinzip nur behauptet. Im Register belegt er ihn mit ca. 100 Beinamen (Karl der Architekt, der Eroberer etc.), die er im Buch alle versucht zu widerlegen.
 
Das Ende der Antike und der Beginn des Mittelalters werden unterschiedlich angesetzt, wobei sich die Historiker darin einig sind, dass es keinen festen Zeitpunkt hierfür gibt, sondern "Grenzsäume" und Übergangszonen zwischen den Epochen anzusetzen sind. Es wäre auch absurd, wenn Romulus Augustulus am Tag seiner Absetzung zur Kammerzofe sagt: "Mädel, heute beginnt das Mittelalter!"

Für das Ende der Antike werden im allgemeinen mehrere bedeutsame Orientierungsdaten vorgeschlagen. So z.B. das Epochenjahr 524 n. Chr. (Beginn der Alleinherrschaft Konstantins d. Gr., endgültiger Sieg des Christentums); dann das Jahr 395 (Tod Theodosius I., Ende der Einheit des Römischen Reichs); ferner das bekannte Datum 476 mit der Absetzung des Romulus, die das Ende des Weströmischen Reichs markiert. - Da Justinian I. sich noch einmal um die Wiederherstellung der Reichseinheit des Imperium Romanum bemühte und Italien von der Herrschaft der Ostgoten befreien konnte, wird sein Todesjahr ebenfalls als Epochenjahr angesehen.

Es wird aber auch - wie in der Kunstgeschichte - das Ende der Antike mit dem Einbruch der Araber des Kalifenreichs im 7. Jh. angenommen: Die Kultureinheit der antiken Mittelmeerwelt zerbrach und auf ihren Trümmern entstanden neue Reiche und neue ideellle Konzepte.

All diese Epochendaten ergeben zusammen die Übergangszone von der Antike zum Mittelalter, für die keine eigene Bezeichnung existiert. Gebraucht wird die Bezeichnung "Spätantike", die den Schwerpunkt mehr in Richtung Römisches Reich lenkt, und "Frühmittelalter", was eher in die Zeit des frühen Frankenreichs und zeitgleiche historische Phänomene weist.

Besonders spannend finde ich in diesem Zusammenhang die Epoche zwischen dem untergehenden Westrom und dem Frankenreich der Merowinger. Hier ist besonders die Frage interessant, wie die frühmittelalterliche Staatenwelt allmählich aus den Trümmern des antiken Imperium Romanum herauswächst und wie sich der Wandel des antiken Weltbildes im Einzelnen vollzieht.
 
So z.B. das Epochenjahr 524 n. Chr. (Beginn der Alleinherrschaft Konstantins d. Gr., endgültiger Sieg des Christentums)

(Tipp)fehler: 324 n. Chr. Der endgültige Sieg war es sicherlich nicht, da das Christentum lediglich von Konstantin anerkannt und nicht zur Staatsreligion oder dergleichen wurde.

Ich verstehe nicht, dass euch die Bezeichnung Frühmittelalter bzw. Spätantike befriedigt. Ich dachte eigentlich, dass ihr Vorschläge und Ideen für die Bezeichnung dieser Epoche, die ihr eventuell gelesen, gehört oder gar selbst erdacht habt, vorbringt.
 
Weil es sich hier um eine Übergangsphase und keine eigenständige Epoche handelt, haben Historiker stets eine eigenständige Bezeichnung vermieden und sprechen somit von Spätantike bzw. vom frühen Mittelalter. Die Übergänge in jede Richtung sind derart fließend, dass ein selbstständiger Begriff überaus schillernd und wenig fassbar wäre. Ich wüsste auch kaum zu sagen, wie ich diesen wenig greifbaren und überaus dehnbaren Zeitraum benennen sollte, ohne dass man in Erklärungsnöte gerät.
 
Ich persönlich mag ja den Begriff Völkerwanderungszeit, weil in dieser Zeit zahlreiche germanische, slawische und Turkvölker nach Westen zogen, sich dort ansiedelten und Staaten gründeten. In der Forschung hält man von dem Begriff Völkerwanderung aber nicht mehr so viel, habe ich gelesen.
 
keine Ahnung wo genau das Problem liegt.
Die hier beschriebene Zeit ist in der herrschenden Meinung klar als "Frühmittelalter" klassifiziert.
Dazu gehören das, was wir als Merowingerzeit und Karolingerzeit bezeichnen.
Manche mögen noch die Zeit der Ottonen (911 - 1024 wenn man so will) hinzu rechnen.

Die Übergänge zwischen Antike und Mittelalter sowie deren Abstufungen eine Ebene tiefer mögen fließend sein, die Zeit vor Karl dem Großen rückschreitend bis etwa 476 (um einmal eine fixe Jahreszahl in den Raum zu werfen) ist aber mehr als gut in der Forschungslektüre zum Mittelalter beachtet.

Welche "Standardwerke" widmen ihr denn keine Aufmerksamkeit?
 
Hier einige Literaturhinweise, um obige Aussage kurz & knapp zu belegen:

  • Lexikon des Mittelalters, (LMA = LexMA)
  • Realencyklopädie der germanischen Altertumskunde (RGA)

in beiden Standardnachschlagewerken sind haufenweise Beiträge zu Themen der angefragten Zeit zu finden. Zumeist findet sich sogar noch eine Dopplung mit Beiträgen in Paulys Realencyclopädie der classischen Alterumswissenschaften (RE)

Dazu kommen für den besprochenen Zeitrum folgende (eigentlich grundlegende Handbücher etc.):

  • Kaiser, Reinhold: Das römische Erbe und das Merowingerreich (Enzyklopädie deutscher Geschichte (EDG) Bd. 26), 4. Auflage, München 2004.
  • Schneider, Reinhard: Das Frankenreich (Oldenbourg-Grundriss der Geschichte (OGG) Bd. 5) 4. überarb. und erw. Auflage, München 2001.

Anmk.: Zum Übergangscharakter Antike – Mittelalter – dies zeigt sich beim OGG Bd. 4

  • Martin, Jochen: Spätantike und Völkerwanderung (= OGG Bd. 4), 3., überarb. und erw. Auflage, München 1995.

schon etwas vertiefender:
  • Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich, 4. Auflage, Stuttgart 2001.
  • Wood, Ian N.: The Merovingian kingdoms, 450 – 751, London u.a. 1994.
  • Geary, Patrick J.: Die Merowinger : Europa vor Karl dem Großen, aus dem Engl. von Ursula Scholz, München 1996.
  • Hartmann, Martina: Aufbruch ins Mittelalter : die Zeit der Merowinger, Darmstadt 2003.

Ansonsten kann man noch die Zahlreichen Publikationen zu den Germanen heranziehen, die oft (sehr oft) von Frühmittelalterhistorikern abgefaßt sind.

Man sieht zwar, wie oben besprochen, daß es keine klaren Grenze Antike – Mittelalter gibt, dennoch kann man kaum behaupten, die Mediävistik betrachte das Mittelalter erst ab Karl d. Großen.
 
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