Napoleon III.

Rovere

Premiummitglied
Bei einer Tour durch die Antiquariate Wiens habe ich letzte Woche ein Biographie über Napoleon III. und das Zweite Kaiserreich entdeckt und erstanden.

Mich hat die Person dieses Herrschers eigentlich schon seit längerer Zeit interessiert, er kam aber in fast allen Büchern über diese Epoche immer nur als Randfigur vor - die aber in fast überall die Finger im Spiel hat.

Auch ein Internetresearch - abgesehen einer französischen Seite - ergab wenig zu dieser Person und seiner Epoche.

Warum glaubt Ihr ist das so? Ist er in Deutschland nur als Gegner im Krieg von 1870 in Erinnerung bzw. in Österreich als Gegner in der Schlacht von Solferino bzw. als Verursacher des mexikanischen Abenteuers?

Ich hab das Buch noch nicht ganz durch, finde aber die Person Napoleons unglaublich spannende und faszinierend modern - er ist einer der ersten Politiker die ihr Image pflegten und fast zeitgemäße PR betrieben haben.
 
Rovere schrieb:
Bei einer Tour durch die Antiquariate Wiens habe ich letzte Woche ein Biographie über Napoleon III. und das Zweite Kaiserreich entdeckt und erstanden.

Mich hat die Person dieses Herrschers eigentlich schon seit längerer Zeit interessiert, er kam aber in fast allen Büchern über diese Epoche immer nur als Randfigur vor - die aber in fast überall die Finger im Spiel hat.

Auch ein Internetresearch - abgesehen einer französischen Seite - ergab wenig zu dieser Person und seiner Epoche.

Warum glaubt Ihr ist das so? Ist er in Deutschland nur als Gegner im Krieg von 1870 in Erinnerung bzw. in Österreich als Gegner in der Schlacht von Solferino bzw. als Verursacher des mexikanischen Abenteuers?

Ich hab das Buch noch nicht ganz durch, finde aber die Person Napoleons unglaublich spannende und faszinierend modern - er ist einer der ersten Politiker die ihr Image pflegten und fast zeitgemäße PR betrieben haben.

Er ist eingentlich überall unbeliebt. Nicht nur in Deutschland und Österreich, auch und besonders in Frankreich selber. Historische Aufarbeitung war schon immer problematisch. Und im extrem korrupten System Napoleons III. haben viele der späteren "Republikaner" mitgemischt, was sie vielleicht später lieber vergessend gemacht haben wollten. Außerdem ist er doch - verwandschaftlich - ein unschöner Fleck auf dem strahlenden Napoleon I.
 
Ach ja, zur Entstehung des Kaisertums Napoleon III. kann ich empfehlen:
Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, ursprünglich erschienen in: Die Revolution. Eine Zeitschrift in zangslosen Heften. Herausgegeben von I. Weydemeyer, Erstes Heft, New York 1852, und dann 1869 in Hamburg als eigene Schrift.

Darin findet sich folgender schöner Einleitungssatz:
"Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal erreignen. Er hat vergessen hinzuzufugen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce." (MEW 8, 115)
 
Kann Napoleon III. in Frankreich wirklich nur unbeliebt sein? Das zweite Kaiserreich uns seine Gesellschaft waren doch ziemlich "glamouros", man denke nur an die Memoiren von Pauline Metternich (die ich aber nur aus Zitaten kenne) und Paris wäre ohne die Eingriffe von Louis Napoleons Präfekten Haussmann ja nicht denkbar....
 
Rovere schrieb:
Kann Napoleon III. in Frankreich wirklich nur unbeliebt sein? Das zweite Kaiserreich uns seine Gesellschaft waren doch ziemlich "glamouros", man denke nur an die Memoiren von Pauline Metternich (die ich aber nur aus Zitaten kenne) und Paris wäre ohne die Eingriffe von Louis Napoleons Präfekten Haussmann ja nicht denkbar....

Naopleon steht schon durch Name und Verwandschaft in stänigem Vergleich mit Napoleon I. Und da kann Louis Napoleon einfach nicht mithalten. Zum zweiten gibt es Leute, die sich über Intrigen nach oben brigen und mit Brot und Spielen sich eine treue Kamerilla schaffen. Diese Menschen werden gefürchtet und jeder ist bereit zu buckeln, um aufzusteigen. Aber diese Menschen werden nicht geliebt und wenn sie fallen, trauert niemand ihnen nach. Zu diesen Menschen gehörte Louis Napoleon.
Napoleons Macht basierte auf außenpolitischen Erfolgen, um die innenpolitischen Schwierigkeiten zu übertünchen. Und als die Erfolge seit Mitte der 1860er Jahre ausblieben, mußte Napoleon fallen. Denn daß er so unbeholfen und den Krieg mit Preußen-Deutschland schlitterte hat seine Ursache in einem innenpolitisch dringend benötigten außenpolitischen Erfolg.
 
Also ich stelle fest du magst ihn nicht ;)

Mir geht es ja nicht um einen Beliebtheitswettbewerb von Familienmitgliedern der Dynastie Bonabarte (ich werde auch keine Abstimmung lancieren a´la "wer ist die hübscheste Schwester Napoleons" - Pauline, ich weiß....).
Mich interessiert nur Person und Epoche - er ist einer der wesentlichen Akteure des 19. Jhdts - und ich muss eingestehen nach Lektüre der ersten Hälfte der Biographie kann ich eine gewisse Faszination/Sympathie/Neugier (ich kanns nicht beschreiben) an diesem politischen Gamblers nicht abstreiten.
Das Doppelbödige, zweideutige dieses Regimes interessiert mich - einerseits der napoleonische Mythos, das aufgesetzte revolutionäre Image - und gleichzeitig eine Allianz mit Legitimisten und Ultramontanen.

Ich möchte einfach mehr wissen und hoffe daher auch auf weitere Beiträge und eine lebhafte Diskussion.
 
Ich denke, Napoleon III. muss man nicht mögen, um zugestehen zu können, dass er eine große Bedeutung für die Geschichte Frankreichs und Europas im 19. Jahrhundert hatte. An den "Genius" seines Onkels reichte er mit Sicherheit nicht heran, dafür hatte er aber wohl andere Qualitäten (und auch Fehler!), die oben z.T. schon erwähnt sind.

Jedenfalls war dieser Mann immerhin fast 22 Jahre Herrscher über einen Staat, der nahezu eine Hegemonialstellung auf dem Kontinent einnahm. Dass er seine Möglichkeiten weder innen- noch außenpolitisch gewinnbringend nutzte, schmälert natürlich seine Beliebtheit und sein Andenken. Ich vermute, dass die Franzosen ihm insbesondere den Krieg 1870/71, den er zwar nicht gewollt aber begonnen und v.a. verloren hat, sowie seinen unrühmlichen Abgang nach der Schlacht von Sedan (ein französischer Kaiser, der von preußischen Truppen gefangengenommen wird!) übelgenommen haben.

Interessant ist nebenbei bemerkt außerdem, dass Frankreich, das seit der Revolution 1789 bis zum Ende der Herrschaft Napoleons III. des öfteren zwischen den Staatsformen Monarchie und Republik schwankte, nach 1870 fest zur Staatsform der Republik stand. Vielleicht haben die Franzosen auch diese Tatsache Napoleon III. zu "verdanken". :king:
 
Fischhof schrieb:
Ach ja, zur Entstehung des Kaisertums Napoleon III. kann ich empfehlen:
Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, ursprünglich erschienen in: Die Revolution. Eine Zeitschrift in zangslosen Heften. Herausgegeben von I. Weydemeyer, Erstes Heft, New York 1852, und dann 1869 in Hamburg als eigene Schrift.

Kann ich nur zustimmen! Gibts auch im Netz (allerdings nur auf Englisch):
http://csf.colorado.edu/psn/marx/Archive/1852-18brum/

Außerdem gibts ein Museum über/zu Napoleon III. in der Schweiz:
http://www.mediatime.ch/ausflug/napoleon.htm
 
Kirlon schrieb:
Interessant ist nebenbei bemerkt außerdem, dass Frankreich, das seit der Revolution 1789 bis zum Ende der Herrschaft Napoleons III. des öfteren zwischen den Staatsformen Monarchie und Republik schwankte, nach 1870 fest zur Staatsform der Republik stand. Vielleicht haben die Franzosen auch diese Tatsache Napoleon III. zu "verdanken". :king:

Das ist nicht ganz korrekt. Nach dem Sturz Napoleons und der Niederschalgung der Commune gab es in der Nationalversammlung eine royalistische Mehrheit. MacMahon, erster Präsident der Dritten Republik, sah sich als Vertreter bis zur Thronbesteigung des Grafen von Chambord. Aber wie schon 1849 gab es auch 1871 keine Einigung mit dem erzkonservativen, reaktionären letzten Bourbonen. Henri war nicht mal dazu bereit die Trikolore als Fahne anzuerkennen, er wollte die Uhr ins Ancien Regime vor 1789 zurückdrehen. Dies war selbst für die legitimistische Fraktion inakzeptabel, Frankreich blieb Republik, die Royalisten verloren in den nächsten Wahlen ihre Mehrheit.

Ich würde auch die Bilanz Napoleons III. nicht so negativ sehen. Einige seiner aussenpolitischen Ziele hat er sehr wohl erreicht, die endgültige Zerschmetterung der Heiligen Allianz, die Vernichtung der österreichsichen Hegemonie in Italien, sogar territoriale Zugewinne wie Savoyen und die Cote d´Azur bis Nizza konnte er verbuchen.

Die Weltausstellungen von 1855 und 1867 führten ganz Europa die kulturelle Vormachtstellung Frankreichs vor Augen, Paris wurde unter seine Herrschaft zur modernen Metropole.
 
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Rovere schrieb:
Also ich stelle fest du magst ihn nicht ;)

Mir geht es ja nicht um einen Beliebtheitswettbewerb von Familienmitgliedern der Dynastie Bonabarte (ich werde auch keine Abstimmung lancieren a´la "wer ist die hübscheste Schwester Napoleons" - Pauline, ich weiß....).
Mich interessiert nur Person und Epoche - er ist einer der wesentlichen Akteure des 19. Jhdts - und ich muss eingestehen nach Lektüre der ersten Hälfte der Biographie kann ich eine gewisse Faszination/Sympathie/Neugier (ich kanns nicht beschreiben) an diesem politischen Gamblers nicht abstreiten.
Das Doppelbödige, zweideutige dieses Regimes interessiert mich - einerseits der napoleonische Mythos, das aufgesetzte revolutionäre Image - und gleichzeitig eine Allianz mit Legitimisten und Ultramontanen.

Ich möchte einfach mehr wissen und hoffe daher auch auf weitere Beiträge und eine lebhafte Diskussion.

Geschichte ist keine Frage von mögen und nicht mögen. Du hattest die Frage gestellt, warum er von der Geschichtsforschung unter seiner Bedeutung gehandelt wird und ich habe versucht, das plausibel zu machen. Was ich über ihn denke, ist dabei unerheblich. Denn seine tatsächliche Bedeutung haben Kirlon und auch Du schon angeschnitten. Das steht außer Frage. Dennoch gibt es Gründe, besonders in Frankreich, ihn lieber totzuschweigen, als das ganze aufzuarbeiten.

Nicht zu der Zeit Napoleons III., aber der seines Vorgängers, des Bürgerkönigs Louis Philipp, hat Stendhal einen sehr guten Roman geschrieben Lucien Löwen. Und die Eliten blieben bei beiden dieselben.
 
Renaissance Napoleon III.

Wie diese Diskussion erlebt auch Charles-Louis-Napoléon Bonaparte, besser bekannt als Napoleon III. - seine Renaissance. Mag sein, das es sein 200. Geburtstag ist oder auch die Veröffentlichung des Buches "Napoleon III." von Johannes Willms ist, jedenfalls hat sich die letzten Jahre sehr viel in dieser Richtung positives über ihn ergeben. Zahlreiche Ausstellungen in Deutschland, Schweiz und auch - man staune - in Frankreich (z.B. Vichy) sind im gewidmet. Ebenfalls ist eine Diskussion über den Verbleib der leiblichen Überreste von ihm und seiner Familie entbrannt. Die Cendre Napoleon III. soll nach Frankreich überführt werden. So zumindest der Wunsch der Bonapartisten. Ich denke das in nächster Zeit ein anderes Bild von ihm geprägt wird - besonders in Frankreich. Wie ober schon erwähnt Eingliederung von Nizza und Savoyen, die Veränderung des Stadtbildes von Paris (Boulevards, etc.), die ersten Gewerkschaften (eine Abordnung von Arbeitern waren mit bei der Beerdigung), das erste Gütesiegel für Lebensmittel (war glaube ich Mineralwasser "Perrier") oder die Erfindung der Margarine waren ihm zu verdanken - nur um ein paar zu erwähnen. Auch war er verantwortlich für die Entstehung des IRK (Roten Kreuzes), denn ohne sein drängen auf Henry Dunant und Geldzuwendungen wäre dies heute vielleicht nie zustande gekommen.
Man findet heute auf der Suche im weltweiten Netz wesentlich mehr Seiten über ihn als noch vor 4 Jahren. So z. B. gibt es auch noch heute lebende Nachkommen seiner "Don Juan" Zeit in Konstanz am Bodensee.
 
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