Napoleon in Deutschland und die deutsche Einigung

silvery

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ich soll über napoleons wirken in deutschland recherchieren (maßnahmen und wie sie aufgenommen wurden) und überlegen, inwiefern es die deutsche einigung gefördert hat.

bisher habe ich zu seinem wirken eine reihe von modernisierungen gefunden (verwaltungsreformen, code napoleon, säkularisierung, mediatisierung, arrondierung von gebieten). dabei verstehe ich nicht, warum die reichsunmittelbarkeit und die gebiete im besitz der kirche so wichtig für die kaiserliche zentrlagewalt des hl röm reiches waren, dass der kaiser nach ihrer aufhebung die krone niederlegte. was waren die "säulen" der kaiserlichen macht?
zu der aufnahme dieser neuerungen habe ich sehr wenig gefunden. die staaten haben wohl durch den eintritt in den rheinbund an souveränität eingebußt, wurden im inneren aber freier, was besonders die bürgerlichen schichten erfreut haben müsste. aber wie standen fürsten und bauern dazu? und wann kam die wende zum franzosen-hass, der sich in den befreiungskriegen zeigte? oder entstand der hass in norddtl und im süden war man mit napoleon zufrieden?
was die auswirkungen auf die deutsche eingung betrifft, ist es klar, dass napoleons aufräumen mit dem deutschen flickenteppich eine voraussetzung bildete. aber nur das kann es nicht gewesen sein.

weiß jemand ein bisschen besser bescheid bei dem thema oder kann mir literatur empfehlen?

vielen dank!
 
Zu dem Thema gibt es eigentlich schon einige Aussagen hier im Forum:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=13496&highlight=Napoleon+Deutschland

Eigentlich stellte der Rheinbund anfangs ein Gegenprogramm zum Reich dar und bewirkte wohl die Haltung letztlich auch des Kaisers Franz II., welche ihn auch zur Auflösung des Reiches mitunter veranlasste, siehe seine eigenen Formulierung(!). Zum anderen ersetzte der Rheinbund den Zusammenhalt, welchem der Reichsverband ehedem als Klammer gedient hatte. Natürlich hatte der Ausschluss vor allem Österreichs aus diesem Verbund eine gewisse Qualität, welche man nicht zu hoch einschätzen kann. D.h. eine Gruppe von Mittel- bis Kleinstaaten (wie Frankfurt) wurden unter dem Protektorat des Kaisers der Franzosen zusammengefasst, auch um für diesen besser verwaltbar zu werden.
Die Souveränität haben diese Staaten allerdings nur bedingt eingebüßt. Gerade die Staaten des Rheinbundes hatten schon zuvor teilweise den Status von Satelitenstaaten Frankreichs oder Österreichs erdulden müssen bzw. unter der Führung der Mittelmacht stehen müssen, welche im jeweiligen Reichskreis das Sagen hatte (Württemberg im Schwäbischen Kreis z. Bsp.).

Die Säulen der Kaiserlichen Macht
waren durchaus die geistlichen Kurfürsten aus mehreren Gründen. Das Haus Österreich behielt ja bis auf eine Ausnahme jeweils im 17. u. 18. Jh., also im relevanten Zeitraum vor der Auflösung des Reiches, die Kaiserwürde. Dass der Kaiser kath. Konfession war, erscheint ganz natürlich, wenn man auch daran denkt, dass doch immerhin noch eine gewisse Funktion und nochmehr ein Anspruch des Kaisers gegenüber dem Papst bestand. Die Krönung etc. wurde recht traditionell also kath. zelebriert. Diese enge Beziehung zum Papst erläutert wohl auch, weshalb die geistlichen Fürsten dem Kaiser sehr verpflichtet waren, nicht nur weil sie als militärisch eher schwächere Fürsten den weltlichen Fürsten ausgeliefert waren und somit einen Friedensbewahrer des Reiches, als welcher auch der Kaiser aufgefasst wurde (siehe Landfrieden, Reichsexekution gegen Friedensbrecher etc.), sondern auch wegen der Möglichkeiten des Hinwirkens auf eine Vergabe der Posten. Dadurch bildete sich ein kaisernahes Klientel heraus, welches, soweit es finanziell tragbar für dieses war, auch in Persona bspw. bei den Krönungen erschien, worauf die weltlichen Kurfürsten verzichteten, bzw. diese demonstrativ nicht taten. Dieses Verhältnis war gegenseitig, was bedeutet, dass die geistlichen Fürsten dafür ihre bescheidenen Streitmächte in den Dienst der Reichsarmee stellten, welche immer im Sinne des Kaiserhauses agierte, zumindest nie gegen dieses. Auch warfen die geistlichen Fürsten ihre territoriale Macht somit in den, in vielen Fällen, nicht einmal geringen Einfluss auf die Gegenden um ihre eigenen Gebiete in die Waagschale.

Zum Thema Franzosenhass sind verschiedene Dinge möglich zu erwähnen. Im Großen und Ganzen müssen wir darauf reduzieren, wer denn überhaupt durch Information und Bildung Anteil an den politischen Geschehnissen nahm. Wen trafen hingegen die direkten Auswirkungen napoleonischer Expansions- und Hegemonialpolitik wie Konskription (zusehends in den Satelitenstaaten nach franz. Vorbild: Großhzm. Jülich-Berg unter Murat, Kgr. Westphalen unter König Jérome (Bonaparte)), Einquartierungen etc.. Hier war der Süden - Württemberg und Bayern während der ganzen ersten beiden Koalitionskriege, sowie 1805/06 und 1809 extrem betroffen, während in Norddeutschland wohl die Verschiebungen der Ländergrenzen und die Einschränkungen des Handels für die Hafenstädte durch die Kolonialsperre etc. tiefe Wunden schlugen... Das nur mal als Anhaltspunkte.
 
ich soll über napoleons wirken in deutschland recherchieren (maßnahmen und wie sie aufgenommen wurden) und überlegen, inwiefern es die deutsche einigung gefördert hat.

Da dürfen m.E. neben den territorial-politischen Auswirkungen auch geistesgeschichtlich-territoriale Konsequenzen nicht fehlen. :)

Die dt. Nationenbildung vollzieht sich in einem Wechselspiel von franz. Expansionspolitik und der daraus resultierenden Ohnmachtserfahrung.
Hatten sich mehrheitlich deutscher Geist und Fürsten noch gegen die nach 1789 eingetretene Frustration der franz. Revolution, aufgrund ihrer Brutalisierung noch in Frontstellung zu Ideen der Revolution befunden, sah man sich kollektiv in Deutschland unter dem Eindruck der franz. Druck -und
Ausbeutungspolitik allmählich in einer gemeinsamen National-Idee imstande.
Die kommende dt. Nation gärte gleichsam zwischen 1806 ( Jena+Auerstädt) bis 1813 (Völkerschlacht) zu einem nationalen Sud. Was daraus geworden ist, geht jetzt hier zuweit, aber zu beobachten ist doch, daß zwei Ziehväter der dt.Nationen-Idee , Rousseau und Herder , für einen kosmopolitisch, menschheitlich angelegten Volksbegriff standen,im Verlauf der Erfahrungen mit franz. Rev. und Napoleon die ganze Sache zunehmend "exklusiv-hermetische,
xenophobisch-aggresive und missionarisch-fanatische Tendenzen " der nationalen Idee kontra Frankreich wirksam wurden.
Die national-patriot. Publizistik eines E. M. Arndt, oder des Turnvaters Jahn sprechen da , neben anderen,eine entsprechende Sprache.
Die methaphysische Überhöhung von Volk, Staat und Nation durch den dt. Idealismus, (Fichte : Rede an die dt. Nation ) oder Hegels, der im Volksgeist den Vollstrecker des Weltgeistes erblickte, wirkt sich im Verlauf des 19.+20. Jahrh. bekanntlich fatal aus.
Napoleon hat also durch den letztlich negativen Druck etwas mit ausgelöst,
was ursprünglich auf seinen Fahnen stand , Freiheit, Gleichheit..etc. , und hat durch seinen eigenen Verrat daran die dt. Einigung gerade dadurch beschleunigt.
 
@ Arcimboldo
Darauf wollte ich mich eigentlich nicht beziehen, weil es schon mehrfach Gegenstand der Diskussion, gerade von meiner Seite her war.
Nationalbewusstsein und Napoleon bringe ich oft miteinander in Verbindung. Man denke an Schriften wie "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung": http://www.epoche-napoleon.net/170.html !
Fast direkt aufeinanderfolgend erlebte Deutschland einen altmodischen Reichspatriotismus, der zumindest in Flugblättern und begleitend die Erhebungen in Süd- und Westdeutschland 1796 und 1798 (letzteres der Klöppelkrieg) unerwartet heftig Verbreitung findet (-> Stichwort: Brandbriefe), dann eine Zerschlagung des Reiches und schon recht direkt zeitlich einhergehend eine Neudefenierung schon 1806/07 und das Aufkommen von Werken wie "Des Knaben Wunderhorn" http://www.epoche-napoleon.net/447.html .
Teilweise von mir schon hier angesprochen: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=15140
 
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