Napoleon wollte Kaiser des HRRDN werden?

gnlwth

Mitglied
Guten Abend,

an diesem Wochenende sah ich mich leider gezwungen, viel und vor allem sehr lange Bahn zu fahren, und dabei aus nicht weiter Wert zu erläuternden Gründen das Heft "Geo Epoche - Die Macht der Habsburger" zu kaufen. Und mich erstaunte Folgendes:

Da gibt es einen Artikel über Andreas Hofer. Und da, auf Seite 108, heißt es:

Wien muss sogar befürchten, dass Napoleon sich bald selbst zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählen lassen könnte. Das aber, beschwören die Minister der Wiener Staatskanzlei ihren Herrscher, dürfe keinesfalls geschehen. Und der einzige Weg, dies zu verhindern, ist die Auflösung des Reiches.

Echt? Das ist das erste Mal, dass ich das lese. Hatte Napoleon wirklich vor, sich irgendwie zum Kaiser des HRR wählen zu lassen? Oder - wenn er das tatsächlich niemals erwog - dachten die Österreicher das wirklich?

Viele Grüße,
Gnlwth
 
Ja natürlich befürchtete der Wiener Hof die Usurpation der Reichskrone durch Napoleon, natürlich nicht in Form einer 1:1 Fortsetzung des HRR. Napoleon stellte jedenfalls Bezüge zum HRR her, so verwendete er bei seiner Krönung eine "Krone Chalremagnes" und nannte seinen Sohn König von Rom ("römischer König" war der Titel der präsumptiven Nachfolger der Kaiser). Von den Umbrüchen nach Luneville und Reichsdeputationshauptschluss ganz zu Schweigen. Ich möchte Dir aber dazu ein Buch empfehlen, denn eine gute Darstellung dazu findet sich im Band: Österreich und das Reich 1804 - 1806 Ende und Vollendung: Amazon.de: Gottfried Mraz: Bücher
 
Das Thema hatten wir schonmal.

Durch die Niederlegung der Reichskrone durch Franz II. und der Auflösung des Reiches, wollte der Kaiser angeblich verhindern, dass sich, wie es wohl bei einer Abdankung eher möglich gewesen wäre, der Kaiser Frankreichs der deutschen Reichskrone bemächtigte.
 
Guten Morgen,

ja, das stimmt natuerlich - ich glaube, was mich so unglaublich verwirrt hat an dem Satz, war "dass Napoleon sich bald selbst zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählen lassen könnte" - er haette sich doch nie im Leben waehlen lassen, er waere einmaschiert und haette sich selbst zum Kaiser erklaert. Oder?

Viele Gruesse,
Gnlwth
 

Mir ist das mit der Wahl auch nie untergekommen.

Mir scheint, dass Napoleon das Reich und all das sowieso eher fremd war. Hätte er sich wählen lassen, dann hätte er das Reich als solches ja anerkannt. Ich frage mich im Übrigen, wo sich die Kurfürsten dazu gefunden hätten. Kurböhmen, Kursachsen, Kurbrandenburg und Kur-Braunschweig-Lüneburg hätten wohl 1805 Napi nicht gewählt. Bei den späteren Rheinbundstaaten bin ich mir nicht ganz sicher.
 
Letztens habe ich in in irgend so einem deutschtümelnden Propagandablatt gelesen, dass Napoleon ein "nimmersattes Reptil" und ein "Menschenfresser" gewesen sei.Ich hab dann bei den Reptilien und den Menschenfressern weiter recherchiert, aber dort nichts über den Kaiser gefunden.Wird wohl wieder nur so eine Parole gewesen sein!
ja, das stimmt natuerlich - ich glaube, was mich so unglaublich verwirrt hat an dem Satz, war "dass Napoleon sich bald selbst zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählen lassen könnte" - er haette sich doch nie im Leben waehlen lassen, er waere einmaschiert und haette sich selbst zum Kaiser erklaert. Oder?

Viele Gruesse,
Gnlwth

Natürlich hätte Napoleon sich nicht von den Deutschen wählen lassen, wie er z.B. die Franzosen abstimmen ließ, über die Einrichtung / Ausrufung einer kaiserlichen Monarchie. Denn wer möchte schon einen Toten wiederbeleben!
 
Schade, dass ich gerade fuer meinen Beitrag eine negative Bewertung bekommen habe, in dem mir "Geschichtsklittierung" vorgeworfen wird. Das verstehe ich nicht so recht, denn eigentlich habe ich nur gefragt, wie der Artikel in dem Geo-Epoche Heft zu bewerten ist - denn dass Napoleon sich waehlen lassen wollte, erscheint mir wirklich fraglich. Aber ich kann mir schon vorstellen, von wem ich mir das rote Sternchen gefangen habe, und so bewerte ich es dann auch fuer mich.


Gnlwth
 
Schade, dass ich gerade fuer meinen Beitrag eine negative Bewertung bekommen habe, in dem mir "Geschichtsklittierung" vorgeworfen wird. Das verstehe ich nicht so recht, denn eigentlich habe ich nur gefragt, wie der Artikel in dem Geo-Epoche Heft zu bewerten ist - denn dass Napoleon sich waehlen lassen wollte, erscheint mir wirklich fraglich. Aber ich kann mir schon vorstellen, von wem ich mir das rote Sternchen gefangen habe, und so bewerte ich es dann auch fuer mich.
Ich würde das mal unter Missverständnis durchgehen lassen. Man kann auch ganz dick und fett deutlich machen, dass man jemanden zitiert, aber dennoch wird das Zitat gerne als die Meinung des Beitragserstellers gewertet.

Leider kann ich ansonsten nicht viel dazu sagen.
Meine Vermutung wäre nur, dass man vielleicht im "Geo Epoche" eine falsche Schlussfolgerung zog.
Möglicherweise machte man aus der "Rettung der Kaiserkrone" vor Napoleon dann den Wunsch Napoleons, sich wie die alten Kaiser wählen zu lassen. So würde ich das mal vermuten.

Ich beziehe mich mit meinem Hinweis auf den etwaigen Wunsch Napoleons nach der Kaiserkrone auf diesen Beitrag von mir: http://www.geschichtsforum.de/378422-post11.html
 
Am 12. und 16. Juli 1806 wurde die Rheinbundakte von 16 deutschen Staaten unterzeichnet, die gleichzeitig ihren Austritt aus dem Reich ankündigten, der formell am 1. August 1806 erfolgte. Damit war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation de facto aufgelöst und das war die unmittelbare Ursache für Franz II., die Kaiserkrone am 6. August 1806 niederzulegen und die Reichsstände von ihren Pflichten gegenüber dem Reich zu entbinden.


Ob Napoleon wirklich die Absicht hatte, sich zum Kaiser des HRR auszurufen, sei dahingestellt. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass er - ein finaler militärischer Sieg vorausgesetzt - nach einer europäischen Kaiserwürde in der Tradition von Charlemagne gestrebt hätte, wie immer die auch ausgesehen hätte.
 
Am 12. und 16. Juli 1806 wurde die Rheinbundakte von 16 deutschen Staaten unterzeichnet, die gleichzeitig ihren Austritt aus dem Reich ankündigten, der formell am 1. August 1806 erfolgte.
Eigentlich beantwortet das doch die Frage.
Denn dieser gleichzeitige Austritt war natürlich mit Napoleon abgestimmt (wahrscheinlich von ihm angeordnet).
Wenn Napoleon irgendwelche Absichten gehabt hätte, sich das alte Reich als Rechtstitel bzw. den Kaisertitel unter den Nagel zu reißen - dann wäre es für ihn doch wichtig gewesen, daß gerade seine engsten Verbündeten im Reich bleiben und ihn dort unterstützen (z. B. ihn wählen).
 
Wenn Napoleon irgendwelche Absichten gehabt hätte, sich das alte Reich als Rechtstitel bzw. den Kaisertitel unter den Nagel zu reißen - dann wäre es für ihn doch wichtig gewesen, daß gerade seine engsten Verbündeten im Reich bleiben und ihn dort unterstützen (z. B. ihn wählen).

Eine logische Folgerung! War mir gar nicht so klar geworden, als ich oben den Exkurs zum Rheinbund schrieb. :winke:
 
Ja natürlich befürchtete der Wiener Hof die Usurpation der Reichskrone durch Napoleon, natürlich nicht in Form einer 1:1 Fortsetzung des HRR. Napoleon stellte jedenfalls Bezüge zum HRR her, so verwendete er bei seiner Krönung eine "Krone Chalremagnes" und nannte seinen Sohn König von Rom ("römischer König" war der Titel der präsumptiven Nachfolger der Kaiser). Von den Umbrüchen nach Luneville und Reichsdeputationshauptschluss ganz zu Schweigen. Ich möchte Dir aber dazu ein Buch empfehlen, denn eine gute Darstellung dazu findet sich im Band: Österreich und das Reich 1804 - 1806 Ende und Vollendung: Amazon.de: Gottfried Mraz: Bücher


Von der vielleicht missglückten/verrutschten Wortwahl im GEO-Artikel („wählen lassen“) mal abgesehen, glaube ich auch, dass das Geltungsstreben bzw. -sucht Napoleons mit dem künstlichen Titel „Kaiser der Franzosen“ nicht befriedigt war; und die Österreicher dies auch ahnten.

Wie an anderer Stelle bereits zitiert (Kimminich, Dt. VerfG., 1970, S. 286):
"Verschiedene Aussprüche Napoleons..., er sei Karl der Große, das Schwert der Kirche und ihr Kaiser, ließen vermuten, daß Napoleon mit dem Titel Kaiser der Franzosen nicht zufrieden war, sondern nach dem echten, von Karl dem Großen begründeten Kaisertum strebte."

In diese Richtung geht auch eine Beschreibung im Buch v. Gustav Faber, Das erste Reich der Deutschen, Heyne-TB, 1983, S. 45 (im Zusamenhang mit der Frage nach dem Schlachtfeld von Zülpich i. J. 496):
„In der Krypta fällt unser Blick auf eine Marmortafel, die Napoleon I. im Jahre 1811 hat anfertigen lassen... Der Kaiser der Franzosen wollte mit diesem Hinweis auf eine angebliche Zülpicher Taufe die Einverleibung des linksrheinischen Landes in sein Imperium mit der einstigen fränkischen
Gemeinsamkeit motivieren. Mit den im Text genannten 'Germanen' sind die Alemannen gemeint.
Ob Bonaparte nicht wusste oder nicht wissen wollte, daß es sich auch bei Chlodwig um einen Germanen gehandelt hat ?“

Die Frage des Autors am Ende ist wohl sicher rhetorisch gemeint; vielmehr geht es um den Versuch Napoleons, durch einen (historisch unhaltbaren) Vergleich mit den Merowingern seine eigene Politik zu legitimieren bzw. eine Art Ahnenreihe von Chlodwig über Karl dem Gr. zu sich selbst zu konstruieren.
Er wäre nicht der erste und auch mit Sicherheit nicht der letzte „autoritäre“ Herrscher (um den Begriff „Diktator“ zu vermeiden), der solche eine Geschichtsklitterung betreibt.
Wobei es eine ganz andere Frage ist, ob Mitteleuropa nicht Einiges erspart geblieben wäre, hätte sich Napoleon insoweit durchgesetzt; seinen Code Napoleon haben bekanntlich viele Rheinbundstaaten erfolgreich übernommen – um nur ein Beispiel zu nennen.
Noch einen schönen Sonnabend und Götz zum Gruß.
 
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