Napoleons "Diktatur"

Ein Bourbone hätte die Niederlagen von 1813/14 "überlebt", wahrscheinlich mit einem ungünstigen Frieden und innenpolitischen Zugeständnissen, aber er wäre auf dem Thron verblieben.

Das halte ich für ausgeschlossen:

Voraussetzung wäre gewesen, dass der Versuch Barras', die Republik für einen Herzogtitel an L.XVIII. zu verkaufen, gelungen wäre. Unterstellen wir dies und dass der Zeitpunkt eine Rückkehr ermöglichte, dann hätte L. denselben Versuch unternommen, in der salisischen Tradition den Thron zu besteigen, wie er es 1814 getan hat. Selbst ungünstige Bedingungen zugrunde gelegt, kann man als Zugeständnis L. an die Opposition die Einnahme der Rheingrenze verstehen, spätestens dann aber wäre Schluss gewesen.

Unterstellen wir aber dieselbe Handlungsweise wie die von N., dann wäre der Bourbone genauso behandelt worden wie N., als Störer des europäischen Gleichgewichtes und die Tradition hätte nicht die geringste Rolle gespielt.

Erinnert sei im Zusammenhang mit der Nachfolge N. daran, dass es sowohl im Vorfeld der 1. mehr noch zur 2. Restauration große Diskussionen gab, ob die Bourbonen überhaupt tragfähig wären. Erinnert sei auch daran, dass die Legitimität auf dem Wiener Kongress nur als "Zauberwort" verwendet wurde, was sich am Beispiel Sachsens deutlich zeigt.

Grüße
excideuil
 
Bekanntlich war Napoleon die Bourbonenkrone zuwenig - übrigens sehr zum Leidwesen seines Außenministers - sein Anspruch war der eines Kaisers. Aber auch er war sich der Wirkmächtigkeit der Traditionen bewußt, nicht umsonst wurde dem Titel Kaiser der Franzosen die Formel "von Gottes Gnaden" hinzugefügt.
Nun, die Bourbonenkrone wäre vielleicht zuviel der Demaskierung gewesen. Vielleicht hätte der Griff nach derselben auch allzusehr zugleich bei Roten Mützen und Royalisten für Wirbel gesorgt.

Mir scheint zumindest der Griff nach einer neuen Ceasarenkrone oder sowas ähnliches, die bemühten Traditionen der kaiserlichen Selbstdarstellung waren ja facettenreich, entsprach zumindest der Mode nach der Antike.
König - Republik (und Konsulat) - Kaisertum
Erinnert doch irgendwie an ein bestimmtes Vorbild, nicht wahr? ;)
Erinnert sei im Zusammenhang mit der Nachfolge N. daran, dass es sowohl im Vorfeld der 1. mehr noch zur 2. Restauration große Diskussionen gab, ob die Bourbonen überhaupt tragfähig wären. Erinnert sei auch daran, dass die Legitimität auf dem Wiener Kongress nur als "Zauberwort" verwendet wurde, was sich am Beispiel Sachsens deutlich zeigt.
Die Alternativen schienen mir aber auch fragwürdig. Man darf nicht vergessen, dass die Bourbonen über 2 Jahrzehnte in Deutschland und anderswo für die Restauration geworben hatten.

Alexanders Bedenken bezüglich der Akzeptanz durch die Franzosen unterschätzten meines Erachtens ohnehin die Abstumpfung der Franzosen. Natürlich war es für manchen Altjakobiner eine Schmach die Rückkehr derselben zu erleben, die man vertrieben glaubte. Andererseits hatte das Empire ja schon sehr gut an die Monarchie wieder herangeführt.

Zumindest konnten doch die Bourbonen mit den unterdrückten Royalisten in Frankreich und den Rückkehrern rechnen. Meines Erachtens war das noch lange eine stabilere Grundlage als sich irgendwie zerstreitende republikanische Lösungen.
Und ein anderes Herrscherhaus war meines Wissens nicht in Sicht.
 
Nun, die Bourbonenkrone wäre vielleicht zuviel der Demaskierung gewesen. Vielleicht hätte der Griff nach derselben auch allzusehr zugleich bei Roten Mützen und Royalisten für Wirbel gesorgt.

Mir scheint zumindest der Griff nach einer neuen Ceasarenkrone oder sowas ähnliches, die bemühten Traditionen der kaiserlichen Selbstdarstellung waren ja facettenreich, entsprach zumindest der Mode nach der Antike.
König - Republik (und Konsulat) - Kaisertum
Erinnert doch irgendwie an ein bestimmtes Vorbild, nicht wahr? ;)

Gut möglich, dass der Königstitel schwieriger zu etablieren gewesen wäre. Der Kaisertitel ist aus napoleonischer Sicht auch logisch, und sicherlich auch der Grund, warum sein Außenminister dagegen war, weil er ahnte, dass dem Cäsaren-Anspruch auch Taten folgen würden.
Die Alternativen schienen mir aber auch fragwürdig. Man darf nicht vergessen, dass die Bourbonen über 2 Jahrzehnte in Deutschland und anderswo für die Restauration geworben hatten.

Alexanders Bedenken bezüglich der Akzeptanz durch die Franzosen unterschätzten meines Erachtens ohnehin die Abstumpfung der Franzosen. Natürlich war es für manchen Altjakobiner eine Schmach die Rückkehr derselben zu erleben, die man vertrieben glaubte. Andererseits hatte das Empire ja schon sehr gut an die Monarchie wieder herangeführt.

Zumindest konnten doch die Bourbonen mit den unterdrückten Royalisten in Frankreich und den Rückkehrern rechnen. Meines Erachtens war das noch lange eine stabilere Grundlage als sich irgendwie zerstreitende republikanische Lösungen.
Und ein anderes Herrscherhaus war meines Wissens nicht in Sicht.

Das ist alles richtig. Auch bin ich der Meinung, dass die Bourbonen die einzige Möglichkeit der Nachfolge N. 1814 darstellten, nur war die mein Einwand auf die Frage gerichtet, ob ein Bourbone die Niederlage von 1814 politisch überlebt hätte. Ich meine nein.
Hätte ein Bourbone 1814 am "Abgrund" gestanden, hätte er sich vorher genau der gleichen Mittel bedienen müssen, wie es N. getan hat. Unweigerlich wären dann - ob gewollt oder nicht - modernes Gedankengut, moderne Strukturen ... über Europa gekommen ... und der Bourbone wäre damit identifiziert worden. Er wäre in den Augen der anderen Fürsten ein Abtrünniger geworden. Und das hätte ihm den Thron gekostet. Die Diskussion über eine Nachfolge ist in meinen Augen müßig, da der Ansatz nur theoretisch spekulativ ist.

Grüße
excideuil
 
Das ist alles richtig. Auch bin ich der Meinung, dass die Bourbonen die einzige Möglichkeit der Nachfolge N. 1814 darstellten, nur war die mein Einwand auf die Frage gerichtet, ob ein Bourbone die Niederlage von 1814 politisch überlebt hätte. Ich meine nein.
Hätte ein Bourbone 1814 am "Abgrund" gestanden, hätte er sich vorher genau der gleichen Mittel bedienen müssen, wie es N. getan hat.
Das ist alles sehr hypothetisch.

Wenn man sich die späteren Vorgehensweisen anschaut, dann wäre ein Thronverzicht zugunsten eines evtl. jüngeren Nachfolgers, der auch für etwas andere Werte stand, denkbar.

Letztlich stand Napoléon als Ergebnis seiner auf ihn selbst zugeschnittenen Politik am Abgrund. Ich denke, dass dies ein sehr individuelles Ereignis war. Vielleicht hätten die Bourbonen auch garnicht soviel riskiert, weil sie sich eben mit ihrer Nation, wenn man zumindest an einen Louis XVI denkt, in einem ganz anderen Maß verbunden fühlten.
Selbst Louis XIV, der sich sicherlich im Spanischen Erbfolgekrieg einer extremen Bedrohung Frankreichs gegenüber stand, war doch nicht in Gefahr tatsächlich ureigene französische Gebiete oder gar seine Krone zu verlieren.
 
Das ist alles sehr hypothetisch.

Wenn man sich die späteren Vorgehensweisen anschaut, dann wäre ein Thronverzicht zugunsten eines evtl. jüngeren Nachfolgers, der auch für etwas andere Werte stand, denkbar.

Letztlich stand Napoléon als Ergebnis seiner auf ihn selbst zugeschnittenen Politik am Abgrund. Ich denke, dass dies ein sehr individuelles Ereignis war. Vielleicht hätten die Bourbonen auch garnicht soviel riskiert, weil sie sich eben mit ihrer Nation, wenn man zumindest an einen Louis XVI denkt, in einem ganz anderen Maß verbunden fühlten.
Selbst Louis XIV, der sich sicherlich im Spanischen Erbfolgekrieg einer extremen Bedrohung Frankreichs gegenüber stand, war doch nicht in Gefahr tatsächlich ureigene französische Gebiete oder gar seine Krone zu verlieren.

Natürlich sind meine Ausführungen hypothetisch. Im Grunde ist schon die Annahme, ein Bourbone könnte eine Niederlage wie 1814 herbeiführen auszuschließen. Ich wollte lediglich aufzeigen, dass vom Ausland in diesem Extremfall keine Rücksicht auf Tradition oder Legitimität genommen worden wäre. Z.B. die Briten waren immer sehr pragmatisch.

Und du hast natürlich recht, dass ein Bourbone seine Herrschaft nicht durch ein Übermaß an Aggression riskieren würde.

Grüße
excideuil
 
Oberflächlich betrachtet mag eine Legitimation auf Bajonetten oder die Berufung auf salisische "zweifelhafte Traditionen" gleichwertig sein, dienen doch beide dem Machterhalt/der Machtentfaltung. Näher betrachtet muss man wohl konstatieren, dass das Stützen auf die Bajonette einen unverhohlenen Gewaltfaktor in sich trägt, während die salisische Tradition gesammtgesellschaftlich akzeptiert war. Ein kleiner aber sehr feiner Unterschied.
Die salisische Tradition schließt nicht nur die Thronfolge eine Dynastie ein sondern auch die Verantwortung des Fürsten für sein Volk. Sehr gut beschrieben in Talleyrands Memoiren am Beispiel seiner Urgroßmutter, der Fürstin von Chalais.
Diese Verantwortung mag mit der Zeit ins Hintertreffen geraten sein, deutlich wird sie z.B. daran, dass L.XVI. eben nicht auf sein Volk schießen ließ, während ein Machtpolitiker wie Bonaparte gnadenlos Franzosen niederkartätschte.

L. XVI. hat auch schießen lassen bzw. trug er die Verantwortung dafür.

Aber Du hast es m.E. auf den Punkt gebracht. Die Machtausübunmg der jeweiligen Fürsten wurde von der Gesellschaft als legitim akzeptiert. Daher käme niemand auf die Idee, weder heute noch seinerzeit, einen regierenden Fürsten als Diktator zu bezeichnen.

Jenseits antiker Geschichte und den totalitären Diktaturen des 20. Jh. wird m.E. die Kategorie "Diktator" immer dann verwendet, wenn die Machtanmaßung als illegitim von der Gesellschaft bzw. auch dem Herrschenden empfunden wurde.

Damit rückt die Legitimität von Machtausübung in den Fokus.

@Mods

Damit wären wir weit weg vom eigentlichen Thema des Threads. Vllt. wäre eine "Verschiebung" in das UF "Geschichtsphilosophie" angezeigt?

Insbesonder wenn die Mitdiskutanten damit einverstanden wären.


M.
 
Die Machtausübunmg der jeweiligen Fürsten wurde von der Gesellschaft als legitim akzeptiert.

Widerspruch. Bis zur "Aufklärung" wurde der Mechanismus akzeptiert, danach nicht mehr.

Und die Herleitung einer legitimen Herrschaft und die damit zusammenhängende politische Macht, ökonomischen Vorrechte und die soziale Position aufgrund von Traditionsbeständen mit einer finalen religiösen Sanktionierung im wesentlichen durch das aufsteigende Bürgertum zurückgewiesen.

Wie es in dem Gleichnis von Saint-Simon deutlich zum Ausdruck kommt, indem er dem herrschenden, müßiggehenden Adel, als Parasit an der Gesellschaft, keine Legitimation mehr zur Herrschaft zusprach.

Henri de Saint-Simon ? Wikipedia

Daher käme niemand auf die Idee, weder heute noch seinerzeit, einen regierenden Fürsten als Diktator zu bezeichnen.
Es gehen in der bisherigen Diskussion die umgangssprachliche Ebene, die Bildung von historischen Begriffen und die Konstruktbildung im Rahmen der Politologie bzw. politischen Soziologie durcheinander, so zumindest mein Eindruck.

Einen absolutistisch regierenden König wird man umgangssprachlich nicht als Diktator bezeichnen, sondern ihn eher als Despoten beschreiben. Dem kann ich soweit zustimmen.

Auch unter der Perspektive der Begriffbildung im Rahmen der Historiographie wird man nicht zum Begriff des Diktators greifen, da dieser Begriff als Kategorie eher der Epoche der totalitären Regimes zugeordnet ist. Auch um die Begriffsbildung historisch für die einzelnen Epochen eindeutig zu machen bietet sich somit eine derartige Begriffswahl nicht an.

Das ficht die Politologie bzw. politische Soziologie dennoch nicht an, da sie - qua Disziplin - "den Auftrag" für eine Systematisierung hat, um dem Anspruch einer "Theoriebildung" gerecht zu werden. Damit führt sie - idealtypisch und auch im Sinne einer akademischen Arbeitsteilung - die Deskription der Historiker fort und systematisiert deren Vorarbeiten. Im Falle z.B. von Wehler liegt jedoch der günstige Fall vor, dass ein Historiker systematisch, nicht selten in Anlehnung an Weber, Begriffe bzw. Konstrukte im historischen Kontext systematisch anwendet und somit bereits eine politikwissenschaftliche Analyse bzw. Systematisierung seiner Deskription vornimmt.

In diesem Sinne ist die strukturelle Analyse des Herrschaftssystems des Absolutismus, m.E. durchaus im Rahmen politikwissenschaftlicher Kategorien (und Stammer war Politologe! mit einem starken Zug zur Empirie) als Diktatur zu klassifizieren.

Und das es notwendig ist, nach strukturellen Ähnlichketen und auch den Unterschieden zu fragen, macht m.E. folgende Liste mehr als deutlich.

Liste der Herrschaftsformen ? Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gehen in der bisherigen Diskussion die umgangssprachliche Ebene, die Bildung von historischen Begriffen und die Konstruktbildung im Rahmen der Politologie bzw. politischen Soziologie durcheinander, so zumindest mein Eindruck.

Einen absolutistisch regierenden König wird man umgangssprachlich nicht als Diktator bezeichnen, sondern ihn eher als Despoten beschreiben. Dem kann ich soweit zustimmen.

Auch unter der Perspektive der Begriffbildung im Rahmen der Historiographie wird man nicht zum Begriff des Diktators greifen, da dieser Begriff als Kategorie eher der Epoche der totalitären Regimes zugeordnet ist. Auch um die Begriffsbildung historisch für die einzelnen Epochen eindeutig zu machen bietet sich somit eine derartige Begriffswahl nicht an.

Das ficht die Politologie bzw. politische Soziologie dennoch nicht an, da sie - qua Disziplin - "den Auftrag" für eine Systematisierung hat, um dem Anspruch einer "Theoriebildung" gerecht zu werden. Damit führt sie - idealtypisch und auch im Sinne einer akademischen Arbeitsteilung - die Deskription der Historiker fort und systematisiert deren Vorarbeiten. Im Falle z.B. von Wehler liegt jedoch der günstige Fall vor, dass ein Historiker systematisch, nicht selten in Anlehnung an Weber, Begriffe bzw. Konstrukte im historischen Kontext systematisch anwendet und somit bereits eine politikwissenschaftliche Analyse bzw. Systematisierung seiner Deskription vornimmt.

In diesem Sinne ist die strukturelle Analyse des Herrschaftssystems des Absolutismus, m.E. durchaus im Rahmen politikwissenschaftlicher Kategorien (und Stammer war Politologe! mit einem starken Zug zur Empirie) als Diktatur zu klassifizieren.

Und das es notwendig ist, nach strukturellen Ähnlichketen und auch den Unterschieden zu fragen, macht m.E. folgende Liste mehr als deutlich.

Liste der Herrschaftsformen ? Wikipedia

Ich bekomme immer so meine Probleme, wenn Geschichte systematisiert wird.

Nehmen wir aus der Liste die Monarchie:
Herrschaft durch: "eine – oft angeblich von Gott autorisierte – Einzelperson"
Anmerkungen: "wörtlich „Alleinherrschaft“, durch Erbfolge oder durch Wahlen
(Absolute Monarchie: König kann ohne ständische Vertretung, ohne Parlament und Verfassung regieren; Konstitutionelle Monarchie: König ist einer Verfassung unterworfen; Parlamentarische Monarchie: König ist nur Chef der Exekutive, Parlament ist Legislative)"

Für die Monarchie der Ancien régime finden sich zwei Begriffe: Alleinherrschaft und Absolute M. Beide Begriffe rechtfertigen die Einschätzung, dass der Monarch despotisch oder diktatorisch geherrscht hätte.
Das System wird fragwürdig, wenn man den Begriff Absolutismus hinterfragt:
Absolutismus ? Wikipedia

Da findet sich: "Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts wird der Begriff als Beschreibung eines Zeitalters in Frage gestellt und von der neutraleren Bezeichnung „Zeitalter des Barock“ abgelöst."
und:
"Inzwischen wird sogar vom Mythos "Absolutismus" gesprochen.Hauptthese ist, dass auch im Frankreich eines Ludwigs XIV. ohne Klientelwirtschaft und traditionelle Eliten und ohne dezentrale regionale und lokale Strukturen politische Macht niemals durchsetzbar gewesen wäre."

Die Allmacht des Königs wird zurecht in Frage gestellt. Wenn der König aber nicht absolut war, dann verbieten sich im Grunde Begriffe wie Despotismus oder Diktatur.

Aber nicht nur das. Die Systematisierung betrachtet auch nicht die einzelnen Herrscher, die Personengeschichte rückt damit - sehr zu meinem Leidwesen - in den Hintergrund. Anders geagt, ein L.XIV. ist wohl anders zu betrachten als ein L.XVI. Damit wäre wohl eine genauere Analyse der Monarchie angezeigt.

Und noch etwas vermisse ich in der Systematisierung: Traditionen und Überzeugungen, die noch wirkten, als die Monarchie des Ancien régime längst zu Grabe getragen war.

Grüße
excideuil
 
Ich bekomme immer so meine Probleme, wenn Geschichte systematisiert wird.

Ich trete zur Seite und überlasse Dir die Argumentation, dass die bisherigen Darstellungen zur Systematisierung durch M. Weber und andere verkehrt ist. Zu Elias habe ich selber hier im GF schon einiges geschrieben.

Herrschaft ? Wikipedia

"Inzwischen wird sogar vom Mythos "Absolutismus" gesprochen.Hauptthese ist, dass auch im Frankreich eines Ludwigs XIV. ohne Klientelwirtschaft und traditionelle Eliten und ohne dezentrale regionale und lokale Strukturen politische Macht niemals durchsetzbar gewesen wäre."

Die Allmacht des Königs wird zurecht in Frage gestellt. Wenn der König aber nicht absolut war, dann verbieten sich im Grunde Begriffe wie Despotismus oder Diktatur.l

Nicht verwunderlich, da "Revisionismus" das "Lebenselixier" der Historiographie ist. Und nicht selten interessante Thesen formuliert. Es bleibt aber abzuwarten, wie eine vorläufige weitere Bewertung des "Absolutismus" als Ergebnis eines Dikurses aussieht.

Dennoch: Ich vermute, dass hier eine Konstruktion erzeugt wird, dass Absolutismus die alleinige Herrschaft im Sinne eines alleinigen Machtzentrums darstellt Aber auch der Absolutismus wie jede andere Form von autoritärer Herrschaft ist auf ein komplexes Geflecht an unterstützenden nachgeordneten Machtzentren angewiesen. Im Falle Frankreichs ist beispielsweise die Kirche eine wesentliche Instanz für eine, teils auch eigenständige, Machtposition. Dennoch ist keine Gewaltenteilung vorhanden, die für Entscheidungen des Staates konstitutiv gewesen wären. Und das ist der entscheidende Punkt.

Dieses gilt umsomehr in einem Land, in dem zeitbedingt eine totale Kontrolle rein technisch und administrativ gar nicht möglich war, trotz der starken Zentralisierung Frankreich.

Und selbst im Bereich des totalitären NS-Systems kann man neben der Position des Führers, der die Ultima Ratio bildete bei Entscheidungen, eine Reihe von rivalisierenden, teilweise auch eigenständig agierenden Machtzentren erkennen.

Und nicht zuletzt ist sicherlich bei allen - auch den revisionistischen - Argumentationen kritisch zu hinterfragen, vor welchem erkenntnistheoretischen Hintergrund eine Argumentation erfolgt. Deswegen ist es natürlich auch spannend den Ross und Reiter kennenzulernen, der uns über den Absolutismus neue Erkenntnisse mitteilt.


Die Systematisierung betrachtet auch nicht die einzelnen Herrscher, die Personengeschichte rückt damit - sehr zu meinem Leidwesen - in den Hintergrund. Anders gesagt, ein L.XIV. ist wohl anders zu betrachten als ein L.XVI. Damit wäre wohl eine genauere Analyse der Monarchie angezeigt.

Zumindest im Fall von Elias werden die Veränderungen durchaus zur Kenntnis genommen.

Ansonsten handelt es sich bei der Organisation von Gesellschaft immer um eine Reihe von Leistungen, die erbracht und verknüft werden müssen, damit eine Organisation entsteht, die man Gesellschaft (Stamm etc.) nennen kann und durch unterschiedliche Formen von Macht, im Sinne unterschiedlicher Formen von Kapital, gekennzeichnet ist.

Und weil dieses eine anthropologische Konstante ist, ohne die der Kampf jeder gegen jeden ausbrechen würde, ist es gerechtfertigt, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen und zu systematisieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich trete zur Seite und überlasse Dir die Argumentation, dass die bisherigen Darstellungen zur Systematisierung durch M. Weber und andere verkehrt ist.

Langsam. Ich habe lediglich gesagt, dass ich mit Systematisierungen meine Probleme habe. Das stellt M. Weber nicht in Frage, macht nur deutlich, dass ich mir als Hobby-Historiker das Recht herausnehme, zu hinterfragen. Täte ich das nicht, bräuchte ich nur zu lesen, zu verinnerlichen und vllt. bei Verständnisfragen ein Forum in Anspruch nehmen.
Nicht verwunderlich, da "Revisionismus" das "Lebenselixier" der Historiographie ist. Und nicht selten interessante Thesen formuliert. Es bleibt aber abzuwarten, wie eine vorläufige weitere Bewertung des "Absolutismus" als Ergebnis eines Dikurses aussieht.

Dennoch: Ich vermute, dass hier eine Konstruktion erzeugt wird, dass Absolutismus die alleinige Herrschaft im Sinne eines alleinigen Machtzentrums darstellt. Aber auch der Absolutismus wie jede andere Form von autoritärer Herrschaft ist auf ein komplexes Geflecht an unterstützenden nachgeordneten Machtzentren angewiesen. Im Falle Frankreichs ist beispielsweise die Kirche eine wesentliche Instanz für eine, teils auch eigenständige, Machtposition. Dennoch ist keine Gewaltenteilung vorhanden, die für Entscheidungen des Staates konstitutiv gewesen wären. Und das ist der entscheidende Punkt.

Dieses gilt umsomehr in einem Land, in dem zeitbedingt eine totale Kontrolle rein technisch und administrativ gar nicht möglich war, trotz der starken Zentralisierung Frankreich.

Und nicht zuletzt ist sicherlich bei allen - auch den revisionistischen - Argumentationen kritisch zu hinterfragen, vor welchem erkenntnistheoretischen Hintergrund eine Argumentation erfolgt. Deswegen ist es natürlich auch spannend den Ross und Reiter kennenzulernen, der uns über den Absolutismus neue Erkenntnisse mitteilt.
In der Tat, es bleibt spannend, und ich sehe mich ganz bescheiden auch als Vertreter, der den Absolutismus in Frage stellt.
Und selbst deine Argumente sprechen dafür. Du führst aus, dass der Monarch in ein komplexes System von Abhängigkeiten eingebunden war, z.B. die Kirche, und verweist auf die Tatsache, dass eine absolute Machtentfaltung auf Grund z.B. der Größe des Landes nicht möglich war.
Dein Ko-Argument ist das Fehlen der Gewaltenteilung.
Sicherlich, eine Verfassung und eine z.B. Pairskammer oder Deputiertenkammer gab es nicht. Konnte es auch gar nicht. (Daher ist das Ko-Argument in meinen Augen auch fragwürdig) Dennoch, betrachtet man das 18. Jhrd. in Frankreich und den Verschleiß an Generalkontrolleuren der Finanzen, dann wird der "absolute" König fragwürdig, weil er nicht in der Lage war, die notwendigen Reformen - auch unter dem Anspruch, erster Diener des Staates zu sein - gegen die
anderen bestehenden Interessen und Machtzentren durchzusetzen.

Übertragen wir dein Ko-Argument auf das Kaisertum Napoleons, dann müssen wir dem Empire Napoleons unterstellen, dass seine Herrschaft auf der Grundlage einer Verfassung und dem Bestehen von Kammern wie Senat ... bestand. Systematisch betrachtet läßt dies das Ancien régime natürlich reaktionär, überkommen, wie auch immer aussehen. Hinterfragt man die Gewaltenteilung des Empire, kommt Ernüchterung auf: z.B. der Senat als Erfüllungsgehilfe des Diktators.
Selbst die Kirche, jetzt Staatskirche ist von der Gnade des Kaisers abhängig.

Daher habe ich mit Systemen so meine Probleme.

Grüße
excideuil
 
Das ist ein großes Thema, und derartig große geschichtsphilosophische Themen kann man in einem Forum durchaus augenzwinkernd angehen.

Seit Hegel seinen "Weltgeist" in die Welt entließ, haben die Historiker ein Problem. Dieses Problem ist die Epocheneinordnung. Ranke hat das kurz, knapp und m.E. gut gemacht: "Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott ...". Allerdings haben wir nach den Erfahrungen des 20. Jh. ein Problem damit. Marx hat das Problem ökonomistisch zu lösen versucht, mit seinen Kategorien der PV/PW. Auch nicht schlecht, aber wirklich bei der historischen Analyse nicht hilfreich. M. Weber hat es mit der Methodik des Herrschaftsmechanismuses versucht. Da paßt auch Elias und Bourdieu etc. rein, bei Aries löst sich der philosophische Epochenbegriff schon auf.

Ein hier bereits eingeführtes Beispiel: "Aufgeklärter Absolutismus". Kann Polen, Rußland, das Osmanische Reich einerseits, die NL, England andererseits, Dänemark, Spanien, Portugal, Preußen dritterseits und der Vatikanstaat vierterseits irgendwie unter dieser Kategorie subsumiert werden im 18.Jh.? Teils, teils. So man die Kategorie überhaupt akzeptiert.

O.k. damit "rutsche" ich als Historiker in eine gewisse "epochalische" Beliebigkeit; aber benötigt die Geschichte überhaupt "Epochenbegriffe"?

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
O.k. damit "rutsche" ich als Historiker in eine gewisse "epochalische" Beliebigkeit; aber benötigt die Geschichte überhaupt "Epochenbegriffe"?
Für die Vermittlung von Geschichte, sind sie vielleicht sinnvoll. Wenn ich in einem Museum sage, dass wir Szenen aus dem 18. Jahrhundert darstellen, dann ist die Reaktion unterschiedlich. Wer das chronologisch nicht verorten kann, kommt auf Mittelalter, wobei dann natürlich die nächste Frage nach den Rittern sich anschlösse (sowas kommt durchaus auch von Erwachsenen). Bei einem eher gebildeten Publikum, wo der Zeitschnitt sehr präsent ist, gibt es aber bei dem Hinweis auf das Jahrhundert dann auch schon sogleich richtige Assoziationen.
Gerade bei Darstellungen in Schlossmuseen wird bei der zeitlichen Verortung aber noch sehr gern der Epochenbegriff des Barock verwendet. Der "Absolutismus" wird eigentlich nicht verwendet, wohl zu Recht, da er sich auf viele Fürstentümer in Dtl. ohnehin nicht anwenden lässt und für manche Besucher auch zu wenig griffig ist.

thanepower hat ganz richtig die Probleme der Legitimation mit der Aufklärung angeführt. Wobei man hier einschränkend sagen sollte, dass diese Probleme doch überwiegend Frankreich betrafen.
In Preußen, Kursachsen oder Österreich richteten sich die Unmutsbekundungen der Bevölkerung und Unruhen nicht gegen das absolutistische Regime, sondern regionale Probleme. Selbst im Falle von Österreich ging es in Tirol im Zuge des Josephinismus bspw. um die Befürchtung oder real existierende Zurückdrängung besonderer Behandlung durch das Kaiserhaus.

In Frankreich nahm die Aufklärung besonders die sakrale Seite des Königtums aufs Korn. Man denke an die Frötzeleien von Voltaire über die Krönung von Louis XVI in seinem Briefverkehr mit Friedrich II.. Der Autoritätsverfall setzte bereits unter Louis XV ein und intensivierte sich dann in dessen letzten Jahren, als die vertriebenen Parlamentsmitglieder mit einer Schlammschlacht aus Louis XV den mal-aimé machten. Die Relevanz der Schmähungen wird unterschiedlich betrachtet. Schon in den ersten Jahren der Herrschaft von Louis XVI schienen aber selbst für Zeitgenossen schon unbekannte Zustände erkennbar gewesen zu sein, wie die Umstellung von Paris mit Truppen oder die Kornrevolte.

Ich hatte schon mehrfach betont, dass die Könige der letzten 20 Jahre des Ancien Régime offenbar nicht vermocht hatten, den Kampf um die öffentliche Meinung zu gewinnen (was aber ihrem Zeitgenossen Joseph II. trotz seiner Bemühungen auch nicht geglückt war).
Saint-Simon wäre ein frühes Beispiel der Kritik an der Legitimation der Adelsgesellschaft. Wobei man die von thanepower angeführte Kritik auch nur als eingeschränkte Kritik betrachten kann. Denn die Missbilligung verschwenderischen Adels war ja nun keine Neuheit (ich hatte dazu schon viel hier im Forum geschrieben, aber leider auf Anhieb den Thread nicht gefunden).
 
...thanepower hat ganz richtig die Probleme der Legitimation mit der Aufklärung angeführt. Wobei man hier einschränkend sagen sollte, dass diese Probleme doch überwiegend Frankreich betrafen.
....

Korrekt. Die Bourbonen hatten während der Aufklärung Legitimationsprbleme, nicht die Wettiner, die Hohenzollern und auch nicht die Habsburger, bei letzteren möchte ich Joseph II. ausklammern.

Bei den Wettinern scheiden sakrale Argumente bei der Herrschaftslegitimation aus, bei den Hohenzollern auch (F.II. - undenkbar), bei den Habsburgern nicht, insbesondere w./des Kaisertitels bis 1806 im HRR.

Wäre demnach Aufklärung nicht ein westeuropäisches kontinentales Phänomen, insbesondere ein französisches, eventuell mit Ausstrahlung auf Preußen (F.II.) und Ö-U unter J.II. - mit einigem Widerstand seitens des Klerus, des Adels und des Volkes?

Ich möchte bei dieser Diskussion gerne die Rolle des advocatus diaboli spielen, um den philosophisch initiierten Epochenbegriff "aufzuweichen".

M. :friends:
 
1.
Bei den Wettinern scheiden sakrale Argumente bei der Herrschaftslegitimation aus, bei den Hohenzollern auch (F.II. - undenkbar), bei den Habsburgern nicht, insbesondere w./des Kaisertitels bis 1806 im HRR.

2.
Wäre demnach Aufklärung nicht ein westeuropäisches kontinentales Phänomen, insbesondere ein französisches, eventuell mit Ausstrahlung auf Preußen (F.II.) und Ö-U unter J.II. - mit einigem Widerstand seitens des Klerus, des Adels und des Volkes?

3.
Ich möchte bei dieser Diskussion gerne die Rolle des advocatus diaboli spielen, um den philosophisch initiierten Epochenbegriff "aufzuweichen".
1.
Der Duc de Croy betonte beispielsweise, dass die Krönung im HRR sehr viel wichtiger war als in Frankreich, weil in Frankreich der König bereits König durch Geburt wurde, während der Kaiser erst durch die Salbung und die Krönung zum Kaiser erhoben wurde. Andererseits lehnte zumindest der Herzog den Gedanken ab, die Krönung aus Spargründen in Frankreich abzuschaffen, wenn ich mich recht entsinne.

Bei den Hohenzollern ist es wohl so, dass geschickt eine Transformation gelang. Die Beamten und Untertanen sollten aus Pflichtbewusstsein gehorchen.
Meines Erachtens wollte Joseph II. mehr oder minder Österreich auch auf diese Bahn führen.

2.
Da müsste man sämtliche Staaten auseinander nehmen. Ich denke, dass man in Frankreich wohl die agressivste Form der Aufklärung hat. Anders als in Deutschland hockten obendrein die Aufklärer zentral in Paris zusammen. Nehmen wir mal den Herrn in Genf aus. :cool:
Obendrein gaben die Könige von Frankreich, vor allem wohl Louis XV mit seiner Mätressenwirtschaft eine gute Angriffsfläche für den Spott. Ich würde sagen, dass der fromme Louis XVI mit seiner Hoffnung auf einen religiösen Neuanfang und eine Rückbesinnung auf ehemalige Werte zu spät kam.
In Deutschland scheinen sich die Aufklärer durch die oben genannten Gründe nicht auf einen Hof "eingeschossen" zu haben. Ja, wenn man sich die Reaktion auf Joseph II. anschaut, dann hatten sogar einige Aufklärer viel für den Monarchen übrig. Das schlug dann erst um, als er sich aus Knausrigkeit und anderen Gründen als wenig förderlich für die Literaten zeigte.

"In der Tat wurden nämlich Dichter und Schriftsteller vom Kaiser weitgehend verachtet und an seinem Hof kaum zugelassen, obwohl diese Kreise sich gerade von ihm die Entwicklung Wiens zu einer Kulturmetropole des Reiches erwartet hatten. Hinter dieser Kunst- und Literaturverachtung des Kaisers standen ökonomische Absichten, die darauf abzielten, die Geldmittel, die für die Förderung von Kunst und Wissenschaft notwendig gewesen wären, in den Staatskassen zurückzubehalten, wie auch viele Reformen vorwiegend der Abdeckung finanzieller Bedürfnisse des Staates dienten."
*

Selbst der ein wenig von Voltaire oder Trenck gegeißelte preußische Despotismus wurde doch andererseits auch wiederum von Aufklärern bejaht. Man denke an Lessings Haltung, welche beispielsweise durch "Minna von Barnhelm" zum Ausdruck kommt und den Preußenkönig trotz aller Greuel seiner Kriege als großen Herrscher darstellt.

Jedenfalls träfe für mich der Begriff Despot ebenso auf Maria Theresia, Joseph II., Friedrich II. wie auch Louis XV vor, wenn man schon so einen Begriff benutzen möchte. Freilich sind die Ausprägungen unterschiedlich.

3.
Um welchen Epochenbegriff geht es Dir?
 
Ein hier bereits eingeführtes Beispiel: "Aufgeklärter Absolutismus". Kann Polen, Rußland, das Osmanische Reich einerseits, die NL, England andererseits, Dänemark, Spanien, Portugal, Preußen dritterseits und der Vatikanstaat vierterseits irgendwie unter dieser Kategorie subsumiert werden im 18.Jh.? Teils, teils. So man die Kategorie überhaupt akzeptiert.

O.k. damit "rutsche" ich als Historiker in eine gewisse "epochalische" Beliebigkeit; aber benötigt die Geschichte überhaupt "Epochenbegriffe"?

Nach meinem Dafürhalten, um eine bestimmte Zeit oder einen Zeitraum zu definieren eindeutig ja. Der Begriff Ancien régime z.B. beschreibt eindeutig die Zeit vor der Französischen Revolution, das geht völlig in Ordnung.

Von der Begrifflichkeit Absolutismus bin ich wenig begeistert, da bin ich auch dafür, den Begriff "Zeitalter des Barock" zu benutzen, um die Epoche zu definieren.

In meinen Augen irreführend ist der Begriff "Aufgeklärter Absolutismus". Bezogen auf die Aufklärung und ihrer Kritk an der Monarchie bedeutet dies doch im Grunde, dass der Monarch sich mit Reformen irgendwann selbst wegreformiert. Was soll da noch der Begriff Absolutismus?

Grüße
excideuil
 
In meinen Augen irreführend ist der Begriff "Aufgeklärter Absolutismus". Bezogen auf die Aufklärung und ihrer Kritk an der Monarchie bedeutet dies doch im Grunde, dass der Monarch sich mit Reformen irgendwann selbst wegreformiert. Was soll da noch der Begriff Absolutismus?
Aufklärung bedeutete ja nicht das Gegenteil von Monarchie. Die meisten Aufklärer befürworteten sogar eine Monarchie. Von daher sehe ich zumindest für Deine Argumentation keine Grundlage.

Das Problem mit der Bezeichnung "Zeitalter des Barock" ist eben, dass Barock eine Kunstepoche war. Diese Umfasste ungefähr die Zeit von um 1600 bis zum späten 18.Jh. und schließt auch das Rokoko ein. Mit barocken Herrschern sind in der Regel August der Starke oder Louis XIV gemeint.

Ich benutze auch gern die Bezeichnung Ancien Régime, welche allerdings fast ausschließlich auf Frankreich angewendet wird. Die Zeit des Ancien Régime wird allerdings auch bisweilen relativ weit gefasst. Ich selbst meine damit allerdings das vorrevolutionäre Frankreich des 18.Jahrhunderts, vielleicht ab dem Ende der Régence.
Hier Ancien Régime ? Wikipedia heißt es, dass das Ancien Régime die gesamte Herrschaftsdauer der Bourbonen umfasste; also dauerte diese Epoche vom späten 16. Jh. bis 1789/92.
 
Aufklärung bedeutete ja nicht das Gegenteil von Monarchie. Die meisten Aufklärer befürworteten sogar eine Monarchie. Von daher sehe ich zumindest für Deine Argumentation keine Grundlage.

Gut, falsch ausgedrückt. Aufklärung bedeutet wohl aber das Gegenteil von Absolutismus. Und das sehe ich im Begriff aufgeklärter Absolutismus als irreführend an. Wenn der Monarch Reformen etc. im Sinne der Aufklärung zuläßt, dann kann von Absolutismus kaum noch gesprochen werden. Die dann mit den Reformen getätigte Rücksichtnahme auf andere (allgemeine) Interessen kann doch dann kaum noch als "absolute Macht" definiert werden. Und zur konstitutionellen Monarchie ist es dann doch nicht mehr weit. Oder?

Grüße
excideuil
 
Von der Begrifflichkeit Absolutismus bin ich wenig begeistert, da bin ich auch dafür, den Begriff "Zeitalter des Barock" zu benutzen, um die Epoche zu definieren.l

Man kann Geschichte / Epochen sinnvoll unter dem Gesichtspunkt der Ideengeschichte und ihrer Auswirkungen auf das politische, ökonomische und soziale System beschreiben und auch definieren. In diesem Sinne ist der Begriff des "Absolutismus absolut zielführend, da er eine klare Abgrenzung zu vorherigen feudalen Epochen ermöglicht und die neue Qualität des Herrschaftssystem indiziert.

Und das ist die relevante Kategorie für die Beschreibung von Epochen.

Oder man beschreibt das politische System als ein Anhängsel kultureller Strömungen und deutet es als kulturelle Epoche im Rahmen des "Barock".

Wikipedia:
"Der oder auch das Barock ist eine Strömung der europäischen Architektur und Kunst, die von etwa 1575 bis 1770 währte. Dem Barock voraus ging die kulturgeschichtliche Epoche der Renaissance, ihm folgte der Klassizismus.
In der Kunstgeschichte wird zwischen Frühbarock (ca. 1600–1650), Hochbarock (ca. 1650–1720) und Spätbarock oder Rokoko (ca. 1720–1770) unterschieden.
Als Kunstform des Absolutismus und der Gegenreformation ist der Barock durch üppige Prachtentfaltung gekennzeichnet."

Eine Vorgehensweise, die mir wenig plausibel erscheint, da z.B. die konkrete Architektur / Prachtentfaltung / Parkanlagen etc. des Barocks durch das politische Verständnis seiner Herrscher auch beeinflußt wurde, aber das Selbstverständnis der Herrscher wohl weniger von der Architektur bzw. Kunst im allgemeinen bleibend verändert wurde.

Zudem ist das Pressen einer Epoche in die Kategorien der Kunstgeschichte wenig sinnvoll im Hinblick auf den z.B. gleichzeitig stattfindenden "Merkantilismus", sprich die einsetzende embryonale Industriealisierierung.

Und genauso wenig hilfreich für die sozialen Umwälzung und den Aufstieg des Bürgertums. Ähnliches gilt für das Steuersystem und die Veränderung der Administration.

Der absolutistische Staat (Frankreich) folgte Hobbes und forderte Gehorsam und Legitimität ein auf der Basis der Gewährleistung der äußeren Sicherheit, die immer größere Dimensionen annahm.

Zumindest ich werde weiterhin über Absolutismus sprechen, wenn ich die Epoche meine, zu der gleichzeitig der Barock seine kulturelle Ausformung fand. Und auch bei Duchhardt habe ich eher Argumente pro Absolutismus als Epochenbezeichnung und weniger pro Barock gefunden, obwohl er sich vehement für den Barockbegriff ausspricht. Und als Begründung primär die unvollständige Ausformung absolutistischer Institutionen anführt und dennoch die qualitative Veränderung im Herrschaftsystem des Absolutismus sehr gut beschreibt.

Barock und Aufklärung - Heinz Duchhardt - Google Bücher
 
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Eben nicht. Es ist nicht das Gegenteil von Absolutismus. Es gab auch Aufklärer, welche die Besserung der Welt im aufklärerischen Sinne gerade durch einen absoluten Herrscher erwarteten.
Aber das ist ein alter Irrglaube.:winke:
Ich müsste nochmal suchen, in welchem Buch es stand, dass sich der übrwiegende Teil der Aufklärer nicht gegen die Monarchie richtete.

Hier habe ich zumindest etwas gefunden, das in die Richtung geht:
"Innerhalb ein und desselben Landes konnten die politischen Positionen der Aufklärer durchaus auseinandergehen: Was der eine als despotische Willkür empfand, begrüßte der andere als Herrschaft der Vernunft. Auf jeden Fall aber ist es falsch, einen prinzipiellen Gegensatz zwischen Aufklärung und Absolutismus (oder besser: Steigerung der Staatsgewalt) anzunehmen, so als hätten die Aufklärer von vornherein den Umsturz der hergebrachten monarichischenVerfassungsverhältnisse im Auge gehabt. "
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Viele Aufklärer wirkten selber im Rahmen des Beamtentums in den "absolutistischen" Staatskörpern mit. Gerade von einem "absoluten" Herrscher wurde erhofft, dass er die aufklärerischen Reformen, durchaus mit den Mitteln eines Despotismus wie im Falle von Joseph II., der bspw. durch seine Reformen eine große Unbeliebtheit in seinem Volk Ende der 80er verspüren musste, durchzusetzen vermochte. Mal als Bild (bitte nicht hauen :D) - hätten die "Österreicher", Ungarn usw. bei den Reformen des Kirchenwesens mitgemacht, wenn sie hätten darüber befinden dürfen?

Ja, auch der große Lästerer Voltaire, der wohl die französische Gesellschaft am stärksten prägte, wollte bei aller Kritik in seinen Werken an derselben, doch damit nicht Schluss machen. Dafür liebte er sie letztlich doch zu sehr, profitierte ja als königlicher Kammerherr selber von dem System.

Ich glaube, ich habe das in der Schule so gelernt, dass der Unterschied zwischen Diktatur und Absolutismus, damals war der Begriff noch üblich, derjenige sei, dass der Herrscher Gott unterstünde und zumindest diesem rechenschaftspflichtig gewesen sei.
Zumindest im Falle der französischen Könige scheint mir das durchaus glaubhaft. Selbst Louis XV zeigte doch, bei all seiner angeblichen moralischen Verderbtheit, dass ihm seine Religion durchaus wichtig und ernst war.

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Barbara Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung" Reclam, Stuttgart, 2006
S. 195
 
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