Ich finde deine Frage ehrlich gesagt etwas unglücklich gestellt, denn die moderne Vorstellung eines Nationalgedankens passt doch eher auf ganz Deutschland, denn auf ein einzelnes Territorium. Dieser Gedanke entwickelte sich erstmals im romantischen Patriotismus im 18. Jahrhundert, bezog sich aber auf die komplette deutschsprachige Kulturlandschaft (oder auf einzelne Heimatgebiete, die ich hier aber bewusst weglasse). Das hat mit Preußen als Nation nichts zu tun.
Da bin ich anderer Meinung und berufe mich hier exemplarisch auf Wolfgang Venohr, der den preußischen Soldaten im Siebenjährigen Krieg durchaus ein Nationalgefühl attestiert, kraft dessen sie sich sehr deutlich von der katholischen HRR-Hegemonialmacht Österreich abgrenzten.
Man könnte sogar mit einiger Berechtigung argumentieren, dass mit der Selbstkrönung Friedrichs III./I. Preußen als (vorerst nur politisch greifbare) Nation entstand, die dann unter seinem Sohn und seinem Enkel sukzessive zu einem eigenen Nationalgefühl fand.
Das HRR war ja spätestens seit dem 30-jährigen Krieg nicht viel mehr als eine äußere Überformung, deren Klammern fast nur aus ein paar Reichsrechten, Reichskammergericht und Immerwährendem Reichstag bestanden. Da war durchaus Raum für die Ausbildung einzelner Nationen. Hat IMHO Wehler zuletzt im Spiegel wieder sehr treffend beschrieben.
Beispiel: Friedrich Wilhelm richtete seinen Aufruf "An mein Volk" vom 17.03.1813, in dem er gegen Frankreich wetterte, an alle Deutschen, nicht nur an Preußen.
Die Bayern, Österreicher, Hannoveraner und andere werden sich ganz gewiss nicht als "sein Volk" verstanden haben.
Zechlin zeigt in seinem Buch über "Die deutsche Einheitsbewegung" (Frankfurt/M., 1967), sehr schön den preußisch-österreichischen Gegensatz auf, der - seit dem Überfall auf Schlesien schon immer schwelend - durch die Befreiungskriege so anwuchs, dass der Deutsche Bund ja bekanntlich an ihm zerbrach.
Bis zu diesem Bruch und der folgenden Kleindeutschen Lösung kann man IMHO durchaus noch von unterschiedlichen Landsmannschaften mit teilweise sehr ausgeprägtem eigenen Nationalgefühl sprechen.
Den Bayern, Hanseaten und Sachsen würde ich es zum Teil sogar heute noch unterstellen.
