Mir scheint fast, die Geschichte von der Zerstörung von Dom und Domburg in Osnabrück ist Sondergut von Peter Schwenk. Möglicherweise hat er sich auch bei Spicker-Wendt bedient.
Gerade habe ich das Buch zur Hand. Bei Spicker-Wendt ist es so, wie ich vermutet hatte:
Einige Kirchen der Diözese seien durch Mordtaten befleckt (aliquantas [ecclesias] etiam homicidiis perpetratis infectas), das könnte man auf einen gewalttätigen Plünderungszug beziehen. Aber diesen müsste man voraussetzen, aus dem Text ergibt er sich nicht.
Bei Spicker-Wendt liest sich das so (S. 64):
"Die Mord- und Freveltaten, die die Kirchen besudelten, hatten sich wahrscheinlich während dieser verheerenden Normannenüberfälle ereignet, als etwa die Bewohner einer Ortschaft sich in die Kirche geflüchtet hatten und hier grausam niedergemacht worden waren."
Hierzu gibt es einige Literaturangaben, die einzige Quelle, die genannt wird, ist wieder mal das Einkünfteverzeichnis des Klosters Werden. Zum zitierten Satz lautet die Fußnote: "So auch Rothert, Westfälische Geschichte S. 147." (erschienen Gütersloh 1949), die angegebene Stelle lautet: "... zu Ausgang des neunten Jahrhunderts klagte der Osnabrücker Bischof Egilmar, daß viele Kirchen durch Freveltaten entweiht, viele Priester unwissend seien. Die Nöte der Normannenzeit mochten das verschulden."
Egilmar beklagt sich, dass er sein Bauprojekt mangels Finanzen nicht fortführen könne (nec claustra monasterii [...] emendare, quae nuperrime coepimus construere). Das ist alles.
Und dazu heißt es bei Spicker-Wendt (S. 117):
"In Wirklichkeit aber ist hier - wie bei 'Münster' -
monasterium mit Dom- oder Stiftskirche zu übersetzen;
claustra monasterii ist also die Umfriedung der (Osnabrücker) Domkirche, die offenbar auszubessern war (
emendare). Was liegt näher, als an die Zerstörung durch die Normannen zu denken?"
Auch das steht bereits bei Rothert S. 91: "Immerhin, das Münsterkloster in Osnabrück war vernichtet und die Armut so groß, daß der Bischof Egilmar ..."
Also kein "Sondergut von Peter Schwenk", auch kein "Fake", sondern ein Faktoid: Eine Vermutung, die unkritisch über viele Jahrzehnte immer wieder abgeschrieben wird und dabei zum vermeintlichen Fakt gerinnt. Wenn alle das schreiben, muss es ja stimmen...
Und so kann man hundertfach auf vermeintlich seriösen Seiten lesen:
hier steht - ohne Quellennachweis:
Der Siedlungskern um den Bischofssitz herum wurde mit Wällen und Wassergräben als
Domburg ausgebaut, innerhalb derer auch die heutigen Plätze
Domhof und
Große Domsfreiheit lagen. Trotz der Befestigung wurde Osnabrück
um 880, durch
Normannen überfallen und die Domburg samt Kirche zerstört. Um 900 wurde der Missionsstützpunkt wieder aufgebaut. Ungefähr zur gleichen Zeit erhielt das Bistum das
Marktrecht.
de.wikipedia.org
und hier:
In der Zeit von 880 bis 884 n. Chr. wird die Osnabrücker Domburg durch Überfälle der Normannen zerstört.
Historische Informationen über die Stadt Osnabrück bis zum Jahr 1800
www.galerie-schwarz-weiss.de
und hier:
Um das Jahr 800 erfolgte dann die Gründung des Bistums Osnabrück. Im 9. Jahrhundert zerstörten Normannen den ersten Dom, dieser wurde aber wieder aufgebaut.
Sehenswürdigkeiten in der Stadt
erleben.osnabrueck.de
und hier:
Karl der Große um 780 das Bistum Osnabrück, dessen erster Leiter Bischof Wiho wurde. 785 entstand die erste Kirche. Normannen zerstörten sie 100 Jahre später.
Seit der Entstehung Osnabrücks prägt der spätromanische Dom „St. Petrus“ mit seiner ungewöhnlichen Silhouette die Innenstadt. Schauen Sie doch einfach mal rein – hier gibt’s weitere Informationen.
bistum-osnabrueck.de
Aber nirgends ein Hinweis auf eine zeitgenössische Quelle.