NS - Sozialismus - Sowjetunion 1923/39

Grundsätzlich gilt aber, was El Quijote in einem anderen Thread gepostet hat:

"Derjenige, der eine Behauptung aufstellt, ist i.d.R. auch in der Belegpflicht."
 
Gefragt wurde mE nach Belegen :grübel:.

Bisher war es in diesem Forum nicht unbedingt Usus, lediglich Quellen bzw fachwissenschaftliche Literatur anzuerkennen, sondern es wurden auch immer Artikel aus Zeitschriften akzeptiert. Deshalb ist fraglich, warum gerade in diesem Fall der Korb derart hoch gehängt wird.

Als ich noch Moderatorin war - und meines Wissens hat dies seitdem keine Änderung erfahren -, war das Forum immer bestrebt, alle Geschichtsinteressierten, unabhängig von Geschlecht, Alter und Bildungsgrad anzusprechen und ihnen eine aktive Beteiligung zu ermöglichen.
 
Wobei ich meinen Mitdiskutierenden nicht unbedingt abnehme, für jede ihrer Äußerungen sogleich eine wissenschaftlichen Erfordernissen gerecht werdende Quelle aus dem Hut zaubern zu können - es sei denn, man hat beruflich oder im Studium ohnehin mit der historischen Wissenschaft zu tun.


Hier kommt eigentlich jeder seiner Nachweispflicht nach.
Kannst Du getrost davon ausgehen.

Nix mit: ich habe mal gelesen, ich weiß nicht wo.
 
Damit kann ich mich anfreunden, wenn man das so weich formuliert.
Oben hatte ich bereits geschrieben, dass die Wirtschaftsgespräche "klimatisch" Bedeutung hatten, und insofern kann man das natürlich als "Vorstufe" bezeichnen. Daran hatte die Botschaft Moskau beachtlichen Anteil, die die Frostperiode beendet sehen wollte. Hitler schlachtete diese Vorstufe aus, und wendete sich brieflich an Stalinmit dem Angebot, über "alles" reden zu können. In dieser weiten Fassung könnte man aber auch die brit.-franz.-russ. Gespräche mit "" als Treiber sehen, was aber sonderbar wirken dürfte.

Diese Frostperiode wird meiner Einschätzung nach auch damit zu tun gehabt haben, das Hitler nach Abschluss des Flottenabkommens 1934 mit GB auf ein Bündnis mit GB hoffte.

Da sehe ich nicht, wie man eine außenpolitische Zielsetzung der Liquidierung vermuten könnte. Blomberg wird - was sonst - die Erledigung der SA-Konkurrenz als 2. bewaffnete Macht im Staate verlangt haben. Die außenpolitischen Rückwirkungen hatten wir wir im Forum mal unter anderem Aspekt diskutiert: Hitler hatte im Frühjahr 1934 über die Aufrüstung diplomatische Gespräche, die dabei avisierte Obergrenze konkurrierte quantitativ mit den Vorstellungen von Röhm.

Nein, da reden wir aneinander vorbei. Ich meinte nicht, dass die Ausschaltung der SA eine außenpolitische Zielsetzung gehabt hat. Sondern ein Freundschaftsvertrag mit der SU bzw. die Fortsetzung des Berliner Vertrages wäre möglicherweise Wasser auf die Mühlen der "Gegner" Hitlers in der NSDAP gewesen, die am früheren Kurs der DAP bzw. NSDAP der Freundschaft zur SU und einer "deutschen Revolution" gegen den Kapitalismus inkl. "Brechung der Zinsknechtschaft" festhalten wollten. Der Vertrag hätte also meiner Meinung nach auch eine innenpolitische Wirkung entfaltet, wenn das Nazireich ihn verlängert hätte. Das er darüber hinaus noch einer Einigung mit GB gegen den Rest der Welt im Wege stand, will ich nicht bestreiten.
 
Falls du damit dem neuen Forenfreund unterstellen willst, er sei Stalinist, liegst du mE aber schon seeehr falsch. Im übrigen sieht sich die Zeitschrift in der Tradition der Weltbühne, konkreter in der von Ossietzky und Tucholsky, denen du ebenfalls keine Sympathien für den Stalinismus unterstellen kannst. Ein simplifiziertes Weltbild nebst Schubladen erleichtert allerdings nur vordergründig das Leben.


Nein Ingeborg,
ich will lediglich Dir unterstellen, dass Du seeeeehr unterschiedliche Brillen trägst.
Aber das hatten wir schon. Unterstelle ich als bekannt.

Unter dem Deckmantel "Weltbühne" von "Hoffnungen nach dem Mauerbau" zu schreiben, halte ich übrigens für eine Infamie.
Ossietzky und auch Tucholsky werden im Grabe rotieren.
Dafür kann zugegeben der Verlinker nichts. Aber der Wert der Quelle sinkt dramatisch zur Wertlosigkeit.

OT: Ach ja, ein damals 20jähriger Bruder meiner Frau kam im Oktober 1961 an der Mauer ums Leben. Er wollte zu seiner Mutter......
 
Was jetzt Nationalsozialismus <> Stalinismus mit dem spanischen Bürgekrig direkt zu tun haben, erschließt sich mir nicht.
Was ich auch nicht verstehe, warum ist das gesprochene Wort/eigene , belegbare Erfahrung als Quelle so viel weniger Wert als die gedruckten Irrtümer anerkannter Professoren?
Ein 2010 erschienenes Buch ist in meinen Augen erstmal nicht besser oder schlechter als ein Wikipedia- Artikel. Und ganz sicher keine bessere zitierfähige Quelle für historische Ereignisse als eben ein Zeitungsartikel. Es zeigt nur die Sicht des Autors auf Ereignisse, nicht die Ereignisse aus der Sicht eines Beteiligten.( Im Normalfall)

Wenn Steno-protokolle/Wortprotokolle in Urschrift die primärquellen sind, sind die Zusammenfassungen schon Sekundärquellen.

Eine Auswertung dieser Protokolle ist nun schon weit weg vom Geschehen
Und über den dann folgenden Rest ist jedes Reden als zitierfähig nur eine weitere sinnlose Erhöhung der Enthalpie.
 
Was jetzt Nationalsozialismus <> Stalinismus mit dem spanischen Bürgekrig direkt zu tun haben, erschließt sich mir nicht.
Was ich auch nicht verstehe, warum ist das gesprochene Wort/eigene , belegbare Erfahrung als Quelle so viel weniger Wert als die gedruckten Irrtümer anerkannter Professoren?

Das hat hier - soweit ich das sehe - keiner problematisiert.

Das Thema gerät auch etwas aus den Fugen. Ich werde das mal etwas sortieren.
 
Was ich auch nicht verstehe, warum ist das gesprochene Wort/eigene , belegbare Erfahrung als Quelle so viel weniger Wert als die gedruckten Irrtümer anerkannter Professoren?

Ein 2010 erschienenes Buch ist in meinen Augen erstmal nicht besser oder schlechter als ein Wikipedia- Artikel. Und ganz sicher keine bessere zitierfähige Quelle für historische Ereignisse als eben ein Zeitungsartikel.

Das ist zwar eine Metadiskussion, dennoch einen sehr deutlichen Widerspruch zur Relativierung von "Erkenntnis". Es ist nicht wichig, ob jemand als Professor argumentiert, sondern es ist wichtig, dass seine Äußerungen im Rahmen eines Begutachtungsprozesses durch die "Scientic Community" bzw. entsprechender "Peer Groups" qualitativ bewertet wurde.

Offensichtlich unterschätzt Du die harten Ansprüche an Beiträge, sofern man in den renomierten Zeitschriften publizieren möchte und den mittlerweile weltweit organiserten Begutachtungsprozess der Beiträge.

Aus diesem Grund ist der Darstellung von Professoren, die sich intensiv im Rahmen dieser Bewertungsprozesse bewegen, ein deutlich höherer Wert in Bezug auf die Glaubwürdigkeit zuzuschreiben.

Dass es dabei zu unterschiedlichen Auslegungen im Rahmen der Schulenbildung kommen kann, belegt bestensfalls den Pluralismus bei der Deutung bzw. Rekonstruktion von Quellen.

In diesem Sinne können Deutung von diesem Personenkreis für sich in der Regel in Anspruch nehmen, auf einer breiteren und fundierteren Quellensichtung zu beruhen.

Und deswegen ist ein Wikiartikel in der Regel eine problematischere Quelle oder irgendein Zeitungsartikel. Es ist nicht egal wer etwas wo schreibt und hat auch nicht den gleichen Geltungsanspruch.

Zwei Quellen dazu:

Karl Poppers kritischer Rationalismus - Google Bücher

Auf den Schultern von Riesen. - Google Bücher


Was nciht heißt, dass andere Sichtweisen, wie im Positivismusstreit geäußert, nicht auch Anspruch auf Wissenschaftlichkeit haben.
 
Das hat allerdings mit dem Kern, nämlich der Aufstellung der Brigaden, und der Werbe- und Propagandaaktion in einigen Ländern, wenig zu tun. Diese lief - wie oben am Beispiel Kanada dargestellt, man kann das auch auf die USA etc. ausdehnen - ausschließlich unter dem Stichwort "antifaschistisch".

Unbestritten ist, das die Mehrheit der Mitglieder der KPD Gegner des Nationalsozialismus waren, der sich mit dem Faschismus in Italien verbündete. Unbestritten ist aber auch, das es zwischen dem Faschismus italienischer Prägung und dem Nationalsozialismus und seinem ausgeprägten Antisemitismus deutliche ideologische Unterschiede gab; dagegen war der Faschismus in Japan eher deutsch als italienisch geprägt; der japanische "Führer" war mehrfach Gast des deutschen "Führers" Adolf Hitler.

Für Stalin ging es jedoch nicht um den Kampf gegen den Faschismus, sondern darum, die imperialen Mächte daran zu hindern, die Sowjetunion unter sich aufzuteilen. Die Komitern diente weniger den Interessen der Arbeiterklasse des jeweiligen Landes sondern vielmehr den Sicherheitsinteressen der SU, im Zeitalter des Imperialismus nicht Opfer dieser imperialen Interessen zu werden.

Der Versuch Stalins, die Nationalsozialisten der DAP bzw. NSDAP als Rivalen der KPD für einen gemeinsamen Kampf gegen die "Juden-Kapitalisten" zu gewinnen, endete 1933 mit dem Verbot der KPD in Nazideutschland. Der Versuch, den deutschen Imperialismus durch eine Revolution unter Führung der KPD auszuschalten, war damit gescheitert.

Gleichzeitig lief der Vertrag mit der Sowjetunion aus, der es Deutschland ermöglicht hatte, Panzerverbände und eine Luftwaffe - getarnt als Einheiten der Roten Armee - in der Sowjetunion aufzubauen und auszubilden, die 1935 den Grundstock der wieder gegründeten Luftwaffe der Reichswehr und der Legion Condor bildeten. Dieser Vertrag hatte Deutschland bis 1934 zur Neutralität verpflichtet, sollte die Sowjetunion mit einer anderen Nation wie z.B. Polen im Krieg stehen. Frankreich war so nicht in der Lage, Polen zur Hilfe zu kommen, da Deutschland verpflichtet war, einen Durchmarsch französischer Truppen nach Polen zu untersagen.

Es war klar, das Moskau aus eigenen sicherheitspolitischen Erwägungen an einer weiteren Verpflichtung Deutschlands zur Neutralität interessiert war, sollte es z.B. mit Polen oder Finnland zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen. Eine Waffenbrüderschaft zwischen Finnen und Deutschen wie 1917 - als im Lockstedter Lager nahe Itzehoe die finnische Freiheitslegion militärisch ausgebildet wurde - konnte nicht im Interesse Moskaus sein.

Mit Sorge betrachtete Moskau den Wunsch Hitlers, durch den Vertrag mit Polen 1934 und den Vertrag mit GB zur Verhinderung eines maretimen Wettrüstens sich Großbritanien anzunähern, um die Welt zwischen GB und Deutschland aufzuteilen. Der Versuch, die Revolution nach sowjetischen Vorbild zu exportieren und so die imperialen Vorstösse der europäischen Mächte zu unterbinden, mußte als gescheitert angesehen werden. Weder in Deutschland 1919 und 1923 noch in Britisch-Indien waren die Kommunisten stark genug, um durch revolutionäre Aufstände die imperialen Mächte zu destabilisieren und an ihrer Politik gegen die SU zu hindern. In dieser Zeit entstand das sowjetische Konzept der Pufferstaaten unter sowjetischer Kontrolle, die die SU möglichst vollständig umschließen und einen direkten Angriff auf die SU unterbinden sollten.

Ein Brückenkopf der SU in Spanien hätte - ähnlich wie Kuba nach 1959 vor den Toren der USA - das Mutterland des britischen Weltreiches, Frankreich und auch Nazideutschland bedroht und wäre als sowjetisch kontrollierter Staat ein strategischer Jocker der SU geworden, die imperialen Gegner der SU in Europa im Schach zu halten. Dazu war es im Sinne Stalins lediglich notwendig, innenpolitisch in Spanien die Anarchisten und Trotzkisten auszuschalten und Franco mit seinen italienischen und deutschen Hilfstruppen so rasch wie möglich zu besiegen.
 
Insgesamt scheinst Du die von Stalin antizipierte Bedrohung der SU und seinen Willen zum Machterhalt zu unterschätzen als Motivation für die Intervention in Spanien.

Dass Stalin sich durchaus in einer latenten Bedrohung durch das 3. Reich und Polen, bereits während des Spanischen Bürgerkriegs, befand, macht das Buch von Müller deutlich.

Das Buch von Müller focusiert zu stark auf den Europäischen Raum. Die Sowjetunion wurde geostrategisch durch Polen, das 3. Reich, Japan und Großbritanien in Zentralasien bedroht. Deshalb war ein sowjetischer Satellitenstaat in Spanien für die SU von strategischem Wert, wenn man Franco militärisch sowie die innenpolitischen Gegner - Anarchisten, Sozialisten und Trotzkisten - hätte ausschalten können. Dieser hätte - wie 1960 Kuba im Verhältnis zur USA - sowohl als Bedrohung des britischen Mutterlandes, als Bedrohung Frankreichs, als Hemmschuh einer imperialen Ausweitung und auch als Drohung eines Zweifrontenkrieges in Europa gegen das 3. Reich eingesetzt werden können.

Damit standen aber nicht der Kampf gegen den Faschismus oder Nationalsozialismus, sondern in Wirklichkeit lediglich die Durchsetzung der geostrategischen Interessen der Sowjetunion in Spanien 1936 auf der Tagesordnung. An einem freiheitlichen Sozialismus/Kommunismus unter Führung der Anarchisten, Trotzkisten und Sozialisten, der möglicherweise heller geleuchtet hätte als der Bolchewismus der SU sowie als Alternative zu diesem hatten die Stalinisten verständlicherweise kein Interesse.:)
 
@Niglaes

Die Rundumbetrachtung des deutsch-sowjetischen Verhältnisses über den gesamten Zeitraum und die Verweise auf die Einstellungen bestimmter Personen macht die Bewertung unübersichtlich.

Wir sollten zunächst darin übereinstimmen, dass Äußerungen Görings nach 1945 und Goebbels Frühzitate vor 1925 sehr kritisch zu betrachten sind, wenn es um die Bewertung des Zeitraumes 1933/36 im Verhältnis DR-SU gehen soll.

Die SU/Stalin/Litvinow standen mit der Machtübernahme in der Verlegenheit, die inneren Zustände im DR schwer einschätzen zu können. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es hier (von außen) zu schweren Fehleinschätzungen kam: so wurde von Papen als Hauptproblem und Hauptgegner gesehen. Im DR fanden neben den KP-Verfolgungen zudem schwere Ausschreitungen gegen SU-Einrichtungen und SU-Beteiligungen statt, gegen die stoisch protestiert wurde.

Dennoch tauschte man am 5.5.1933 in Berlin die Ratifizierungsurkunden betr. Berliner Vertrag aus, obwohl zB Mussolinis Linie eines Viermächtevertrages GB/FRA/ITA/DR (-> gegen SU, März 1933) verfolgt wurde. Die neue Linie der Polenpolitik des DR konnte ebenfalls nicht überschaut werden, hier war eine Auseinandersetzung zwischen AA und Hitler sichtbar. Die SU warf auch Fühler in Richtung Polen und Frankreich aus.

Zur militärischen Zusammenarbeit Reichswehr/Rote Armee:
Im RWM rechnete man noch im April 1933 mit einer weiteren Zusammenarbeit. Ende April 1933 meldete aber Dirksen, dass die SU die Auflösung eines Standortes wünsche (das war ein von der SU eingestreutes Druckmittel zur Verlängerung des Berliner Vertrages). Insofern ist Deine Darstellung oben zu ergänzen: zwischen dem 9.5. und dem 26.5.1933 traf die SU die Entscheidung, die Zusammenarbeit zu beenden. Das wurde dann der deutschen Botschaft in Moskau mitgeteilt. Dafür gab es 3 Gründe:
- die ab Mai 1933 sichtbaren Zeichen einer Umstellung der dt. Polenpolitik
- die Reise Rosenbergs nach London
- neue Ausschreitungen gegen SU-Bürger und Einrichtungen nach Ratifizierung der Verlängerung des Berliner Vertrages.

Die pro-forma-Fortführung der "neutralen" SU-Politik Hitlers ab FEb1933 kann nur vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es
- noch keine Klärung im Schwenk gegenüber Polen gab,
- der SU-Import 1933 und der DR-Export in die SU dringend benötigt wurden

Gerade diese Fortführung der SU-Politik (sowie ebenso der schleichende Schwenk in der Polenpolitik) verursachten Hitler innenpolitische Schwierigkeiten: Wehrmacht, Auswärtiges Amt, SA mit fortdauernden antisowjetischen Ausschreitungen

Zusammenfassend:
Es ist nicht bestreitbar, dass die Initiative zur Beendigung der militärischen Zusammenarbeit SU/DR von der sowjetischen Seite kam. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Hitler durch die neue Polenpolitik und die Rosenberg-Reise nach London hierzu den Anlass gab. In dem Sinne ist der Befehl Hitlers um den 1.7.1933 zu verstehen, alle militärischen Verbindungen zur SU zu liquidieren, was den Vorteil hatte, sich nicht offen gegen die SU stellen zu müssen. Hitler nutzte hier eine Gelegenheit aus, die er selbst nicht geschaffen hatte, sondern nur "annehmen" musste.

Damit ist damit zu widersprechen:
Sondern ein Freundschaftsvertrag mit der SU bzw. die Fortsetzung des Berliner Vertrages wäre möglicherweise Wasser auf die Mühlen der "Gegner" Hitlers in der NSDAP gewesen, die am früheren Kurs der DAP bzw. NSDAP der Freundschaft zur SU und einer "deutschen Revolution" gegen den Kapitalismus inkl. "Brechung der Zinsknechtschaft" festhalten wollten. Der Vertrag hätte also meiner Meinung nach auch eine innenpolitische Wirkung entfaltet, wenn das Nazireich ihn verlängert hätte.
Der Vertrag wurde zunächst verlängert, eben ohne Rücksicht auf die Innenpolitik! Er wurde sodann liquidiert durch das Auslaufen im Juni 1934, mit dem Schwenk zu Polen. Diese konträren Vorgänge vor der SA-Ausschaltung zeigen, dass diese diplomatische entwicklung nichts mit der Innenpolitik zu tun hatte, insbesondere nichts mit Rücksichtnahmen auf NS-Fraktionen. Die Schaltstellen lagen bei Hitler, dem AA (mit dem Schwenk der positiven Rußland-Politik im Nov33 nach den Annäherungen zu Polen und Frankreich) und bei der Wehrmacht. Die SA war dabei nur Störfaktor, insbesondere durch die fortlaufenden Ausschreitungen (die nur gestoppt wurden, soweit Wirtschaftsinteressen konträr lagen, zB Benzinversorgung).
 
Wir sollten zunächst darin übereinstimmen, dass Äußerungen Görings nach 1945 und Goebbels Frühzitate vor 1925 sehr kritisch zu betrachten sind, wenn es um die Bewertung des Zeitraumes 1933/36 im Verhältnis DR-SU gehen soll.

Ja, hier hat mit dem Rückgang der revolutionären Stimmung im DR nach 1920 eine Umorientierung der DAP/NSDAP fort von einer nationalbolchewistischen Einstellung eingesetzt. Im Zuge dieser Entwicklung gewann der konservative, pro-kapitalistische Flügel der NSDAP, dem sich Hitler zurechnete, immer mehr Bedeutung.

Die SU/Stalin/Litvinow standen mit der Machtübernahme in der Verlegenheit, die inneren Zustände im DR schwer einschätzen zu können. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es hier (von außen) zu schweren Fehleinschätzungen kam: so wurde von Papen als Hauptproblem und Hauptgegner gesehen. Im DR fanden neben den KP-Verfolgungen zudem schwere Ausschreitungen gegen SU-Einrichtungen und SU-Beteiligungen statt, gegen die stoisch protestiert wurde.

Könnte die Fehleinschätzung mit den Berichten der KPD in Zusammenhang stehen, die diese an die Kointern noch 1932 gegeben haben?

Dennoch tauschte man am 5.5.1933 in Berlin die Ratifizierungsurkunden betr. Berliner Vertrag aus, obwohl zB Mussolinis Linie eines Viermächtevertrages GB/FRA/ITA/DR (-> gegen SU, März 1933) verfolgt wurde. Die neue Linie der Polenpolitik des DR konnte ebenfalls nicht überschaut werden, hier war eine Auseinandersetzung zwischen AA und Hitler sichtbar. Die SU warf auch Fühler in Richtung Polen und Frankreich aus.

Da der Berliner Vertrag das DR an eine Neutralität gegenüber der SU bis 1934 band, egal, in welchem Verhältnis das DR zu GB/FRA/ITA stand.

Zur militärischen Zusammenarbeit Reichswehr/Rote Armee: Im RWM rechnete man noch im April 1933 mit einer weiteren Zusammenarbeit. Ende April 1933 meldete aber Dirksen, dass die SU die Auflösung eines Standortes wünsche (das war ein von der SU eingestreutes Druckmittel zur Verlängerung des Berliner Vertrages). Insofern ist Deine Darstellung oben zu ergänzen: zwischen dem 9.5. und dem 26.5.1933 traf die SU die Entscheidung, die Zusammenarbeit zu beenden. Das wurde dann der deutschen Botschaft in Moskau mitgeteilt. Dafür gab es 3 Gründe:
- die ab Mai 1933 sichtbaren Zeichen einer Umstellung der dt. Polenpolitik
- die Reise Rosenbergs nach London
- neue Ausschreitungen gegen SU-Bürger und Einrichtungen nach Ratifizierung der Verlängerung des Berliner Vertrages.

Sowie die Unzufriedenheit der SU, das das DR seiner Verpflichtung, auch Angehörige der Roten Armee an den deutschen Standorten der Reichswehr in der SU auszubilden, nur zögerlich nachgekommen ist.

Die pro-forma-Fortführung der "neutralen" SU-Politik Hitlers ab FEb1933 kann nur vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es
- noch keine Klärung im Schwenk gegenüber Polen gab,
- der SU-Import 1933 und der DR-Export in die SU dringend benötigt wurden

Gerade diese Fortführung der SU-Politik (sowie ebenso der schleichende Schwenk in der Polenpolitik) verursachten Hitler innenpolitische Schwierigkeiten: Wehrmacht, Auswärtiges Amt, SA mit fortdauernden antisowjetischen Ausschreitungen

Zusammenfassend:
Es ist nicht bestreitbar, dass die Initiative zur Beendigung der militärischen Zusammenarbeit SU/DR von der sowjetischen Seite kam. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Hitler durch die neue Polenpolitik und die Rosenberg-Reise nach London hierzu den Anlass gab. In dem Sinne ist der Befehl Hitlers um den 1.7.1933 zu verstehen, alle militärischen Verbindungen zur SU zu liquidieren, was den Vorteil hatte, sich nicht offen gegen die SU stellen zu müssen. Hitler nutzte hier eine Gelegenheit aus, die er selbst nicht geschaffen hatte, sondern nur "annehmen" musste.

Womit ich also einem von einem Professor in den Reihen der Deutschen Freidenker verbreiteten Märchen aufgesessen bin, der SU wäre es darum gegangen, das DR auch in den kommenden Jahren nach 1934 an die im Berliner Vertrag vereinbarte Neutralität zu binden.


Der Vertrag wurde zunächst verlängert, eben ohne Rücksicht auf die Innenpolitik! Er wurde sodann liquidiert durch das Auslaufen im Juni 1934, mit dem Schwenk zu Polen. Diese konträren Vorgänge vor der SA-Ausschaltung zeigen, dass diese diplomatische entwicklung nichts mit der Innenpolitik zu tun hatte, insbesondere nichts mit Rücksichtnahmen auf NS-Fraktionen. Die Schaltstellen lagen bei Hitler, dem AA (mit dem Schwenk der positiven Rußland-Politik im Nov33 nach den Annäherungen zu Polen und Frankreich) und bei der Wehrmacht. Die SA war dabei nur Störfaktor, insbesondere durch die fortlaufenden Ausschreitungen (die nur gestoppt wurden, soweit Wirtschaftsinteressen konträr lagen, zB Benzinversorgung).

Danke für Deine Ausführungen. Bliebe also nur die Dimension einer möglichen psychologischen Rücksicht auf die Innenpolitik infolge der Gefährdung der Machtergreifung durch Hitler durch einen SA-Putsch, eine Einigung der Konservativen unter von Papen gegen Hitler etc.
 
Womit ich also einem von einem Professor in den Reihen der Deutschen Freidenker verbreiteten Märchen aufgesessen bin, der SU wäre es darum gegangen, das DR auch in den kommenden Jahren nach 1934 an die im Berliner Vertrag vereinbarte Neutralität zu binden.

Ich glaube nicht, dass sich das schwarz-weiß trennen läßt.

Die von der SU eingeleitete Aufkündigung der militärischen Zusammenarbeit ist nicht mit der Konsequenz gleichzusetzen, dass das Interesse an der Neutralität bzw. ein Arrangement mit dem DR erloschen wäre. Vielmehr kamen aus der SU - insbesondere während der Abwesenheitszeiten von Litvinov - laufend Fühler in der Richtung.

Litvinov war von der Konfrontation überzeugt, von ihm stammt auch eine Analyse von "Mein Kampf", die er in Pressegesprächen zitierte. Andere suchten - auch unter Aufbau der Alternative Frankreich/Polen - den Kontakt. Deutscherseits war das im Jahreswechsel 33/34 erledigt, als die Befürworter einer prorussischen Politik im Auswärtigen Amt unter Neurath einen Richtungswechsel vollzogen.

Und bei allem sind die ökonomischen Interessen der SU, insbesondere Nahrungsmittelexporte und Maschinenimporte in Folge der massiven Industrialisierungspolitik Stalins, nicht zu unterschätzen. In dieser Hinsicht "brauchte" Stalin das DR.
 
Einschub: deutsch-sowjetische Wirtschaftsbeziehungen 1932-37

1932 war - bedingt durch die sowjetische Industrialisierungspolitik - der Höhepunkt der Wirtschaftsbeziehungen. 43% der deutschen Maschinenexporte, 75% der ausgeführten Werkzeugmaschinen gingen Richtung SU. Die SU bezahlte ihrerseits mit Rohstoff- und Nahrungsmittelausfuhren. Daneben wurden gewährte Kredite zu einem bedeutenden Instrument, da die SU-Einfuhrwünsche die Finanzkraft überstiegen.

Mit der Regierung Hitler brachen diese Beziehungen ein, und auch das 1935 geschlossene Wirtschafts- und Kreditabkommen sorgte nicht für die Erneuerung des 1932 erreichten Zustandes. Der deutsche Anteil am sowjetischen Gesamtexport sank von 47% auf 7%, auch der deutsche Anteil an den Importen ging leicht zurück (wobei der Einbruch insgesamt hierdurch nicht gespiegelt wird, da er i.W. Durch sowjetische Zahlungsprobleme bestimmt war und insgesamt starke Rückgänge auftraten).

Das behinderte die sowjetischen Industrialisierungsbemühungen erheblich, finanziell wie durch Ausfall der Maschinenbezüge.

Die Maschinenexporte des DR sanken so von 270 Mio. RM 1932 auf unter 30 Mio. in 1934 ab, trotz sowjetischer Bemühungen, den Trend zu stoppen. Immerhin erholte sich das Niveau wieder bis 1936/37 auf rd. 70 Mio. p.a. Anderseits blieben die sowjetischen Einfuhren für das Reich, trotz diverser Umorientierungen, in gewissen Engpassbereichen bedeutend, insbesondere bei der Stahlherstellungen. So lieferte die SU in diesen auch für die Aufrüstung wichtigen Sektor zahlreiche Rohstoffe, etwa 50% des Bedarfs an Mangan usw.
 
Die von der SU eingeleitete Aufkündigung der militärischen Zusammenarbeit ist nicht mit der Konsequenz gleichzusetzen, dass das Interesse an der Neutralität bzw. ein Arrangement mit dem DR erloschen wäre. Vielmehr kamen aus der SU - insbesondere während der Abwesenheitszeiten von Litvinov - laufend Fühler in der Richtung.

Konsens. :yes:

Litvinov war von der Konfrontation überzeugt, von ihm stammt auch eine Analyse von "Mein Kampf", die er in Pressegesprächen zitierte. Andere suchten - auch unter Aufbau der Alternative Frankreich/Polen - den Kontakt. Deutscherseits war das im Jahreswechsel 33/34 erledigt, als die Befürworter einer prorussischen Politik im Auswärtigen Amt unter Neurath einen Richtungswechsel vollzogen.

Die Verärgerung Hitlers über "den Juden Litvinow" im AA der SU - mit dem Nazideutschland unmöglich verhandeln könne - hatte also einen realen Hintergrund darin, das dieser sich als Gegner des NS-Regimes in seinen Pressekoferenzen outete.

Mag sein, das dieser Ärger im AA der deutschen Seite keine Rolle spielte. Für Hitler und andere NS-Größen jedoch wird es zumindest psychologisch eine Rolle gespielt haben. Neurath schließlich wollte seinen Posten behalten und nicht mit den verbliebenen heimlichen Freunden der SU in der NSDAP untergehen, die zwischen dem Bolschewismus als Verkörperung des russischen Nationalismus und seiner "jüdischen marxistischen Entartung" unterschieden - und daher Gegner einer Eroberung der SU durch das DR waren, die Hitler schon 4 Tage nach seiner Berufung zum Kanzler den versammelten Größen aus Wirtschaft, Militär und Politik in Aussicht gestellt hatte.

Die SU unter Litvinov schloss 1932 einen Vertrag mit Frankreich, dem ein Nichtangriffspakt 1935 folgte; 1933 schließlich wurde die Sowjetunion defacto von den USA anerkannt und man vereinbarte eine gegenseitige Nichteinmischung in die jeweilige Innenpolitik. Die USA unterstützten seinerzeit die SU als Gegengewicht zum DR und Japan. Um diese Anerkennung durch die USA nicht zu gefährden, mit welcher der Beitritt zum Völkerbund verbunden war, war eine militärische Zusammenarbeit mit dem DR nicht mehr zeitgemäß - insbesondere auch, weil diese Kooperation der Militärs internationale Verträge mit dem DR verletzte, die schon 1926 von einer englischen Zeitung aufgedeckt worden war.

Und bei allem sind die ökonomischen Interessen der SU, insbesondere Nahrungsmittelexporte und Maschinenimporte in Folge der massiven Industrialisierungspolitik Stalins, nicht zu unterschätzen. In dieser Hinsicht "brauchte" Stalin das DR.

Erst 1938/39 erkannte Stalin, was einer lukrativen Einigung mit dem DR im Wege stand: Litvinow und die jüdischstämmigen Mitglieder im AA der SU. Er beauftragte Molotow, "die Synagoge" im AA der SU "auszumisten". Molotow setzte nicht nur Litvinow ab, sondern zwang auch alle Mitarbeiter im AA der SU, die jüdischer Abstammung waren oder verdächtigt wurden, jüdischer Herkunft zu sein, ihren Posten zu räumen.
 
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