NT und Paulus

Pope

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Habe da eine Frage: Mit welcher Berechtigung ist eigentlich Paulus in den biblischen Kanon aufgenommen worden? Wieso hat man das Neue Testament nicht auf die vier Evangelien vom Leben Jesu begrenzt?

Und wäre das Christentum ohne Paulus friedlicher gewesen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Pope,

da ist bei Dir aber einges durcheinandergeraten. Also: es gibt vier Evangelien und eine Apostelgeschichte und die Johannesoffenbarung (gemeinhin als Apokalypse bezeichnet, Apokalypse eigentlich Griechisch für 'Offenbarung', ist in unserem heutigen Sprachgebrauch soweit umgedeutet, dass es gleichbedeutend mit 'Weltuntergang' ist (Apokalypse Now)) sowie eine Reihe von Briefen, die verschiedenen Personen zugeschrieben werden, nicht nur Paulus. Diese Briefe sind Antwortbriefe auf Anfragen aus den Gemeiden, die sich in Zweifelsfällen an eine der Autoritäten gewandt haben. Offensichtlich befanden die Kirchenväter, die den Kanon der Bibel bestimmt haben, dass diese Briefe nicht nur in einer konkreten lokalen und historischen Situation von Nutzen seien, sondern dass sie auch Zukunftsgültigkeit haben.

Warum meinst Du, das Christentum hätte ohne Paulus friedlicher sein können?
 
El Quijote schrieb:
Hallo Pope,

da ist bei Dir aber einges durcheinandergeraten.

Danke für den Hinweis. Habe natürlich die Evangelien gemeint.

El Quijote schrieb:
Warum meinst Du, das Christentum hätte ohne Paulus friedlicher sein können?

Erstmal will ich wissen, was Paulus so tolles gemacht hat. Ich möchte auch in die Bibel :)
 
Pope schrieb:
Habe da eine Frage: Mit welcher Berechtigung ist eigentlich Paulus in den biblischen Kanon aufgenommen worden? Wieso hat man das Neue Testament nicht auf die vier Apostelgeschichten vom Leben Jesu begrenzt?

Und wäre das Christentum ohne Paulus friedlicher gewesen?


Ich denke mal ja, viele Probleme und auch Irrtümer in dem Verständnis seiner Aussagen hätten das Christentum menschlicher gestaltet. Paulus zählt offenbar zu den außergewöhnlichen Menschen, die das Leben an sich nicht tangierte, sondern er wollte den direkten Weg zu Gott, sein Handeln und Wirken war darauf ausgerichtet. Aber das ist nicht das normale Leben, diese Menschen werden immer in der Minderheit sein, sagen wir mal die "Berufenen".
Das findet man aber oft, wenn aus einem Saulus ein Paulus wird. Diese Menschen neigen dann oft dazu, rigoros nur noch den neuen Weg zu beschreiten, ohne Erinnerung daran, dass sie vorher durchaus sehr menschlich auch Sünden begangen haben. Nur mal das Beispiel im normalen Leben, jeder wird das schon mal beobachtet haben. Ehemalige Raucher, wenn sie Nichtraucher werden, viele von ihnen sind zu keiner Toleranz mehr fähig, geradezu wütend verfolgen sie die noch in der "Sünde" des Rauches verharrenden Leute. :D Während Leute, die noch niemals geraucht haben, meist sehr viel Toleranz besitzen und mit gegenseitiger Rücksichtnahme sehr gut mit den Rauchern klarkommen.
Jesus aber sprach davon, Gott zu dienen und dem Kaiser was des Kaisers. Damit aber ist auch zu verstehen, man kann Gott dienen und sich vor Sünden bewahren, aber dennoch leben. Und darum geht es für die Menschen, sie wurden nicht um einer Religion willen geboren, die Religion wurde von Menschen erschaffen.
 
Wenn man der Apostelgeschichte glauben darf, dann ist Paulus vom größten Feind der frühen Christen zu einem ihrer eifrigsten Missionare geworden. Und die Apostegeschichte sieht da ein sehr direktes göttliches Einwirken:

Apg 9 schrieb:
Saulus wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. Er ging zum Hohepriester und erabt sich von ihm Briefe an die Synagogen in Damaskus, um die Anhänger des neuesn Weges, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen. Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn urplötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, warum verfolgst Du mich? Er antwortete: Wer bist Du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt. Dort wird Dir gesagt werden, was Du tun sollst. Seine Begleiter standen sprachlos da; sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand. Saulus erhob sich vom Boden. Als er aber die Augen öffnete, sah er nichts. Sie nahmen ihn bei der Hand und führten ihn nach Damskus hinein. Und er war drei Tage lang blind und er aß nicht und trank nicht.
In Damaskus lebte in Jünger namens Hananias. [...] Der Herr sagte zu ihm: Steh auf und geh [...] und frag im Haus des Judas nach einem Mann namens Saulus aus Tarsus. Er betet gerade und hat in einer Vision gesehen, wie ein Mann namens Hananias hereinkommt und ihm die Hände uaflegt, damit er wieder sieht. Hananias antwortete: Herr, ich habe von viele gehört, wieviel böses dieser Mann deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. [...] Der Herr aber sprach zu ihm: Geh nur! Denn dieser Mann ist mein ausgewähltes Werkzeug: Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen. [...] Da ging Hananias hin und tart in das Haus ein; er legte Saulus die Hände uaf und sagte: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Weg hierher erschienen ist; du sollst wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden. Sofort fiel es ihm wie Schuppen aus den Augen, und er sah wieder; er stand auf und ließ sich taufen.
Erst in 13, 9 heißt es: "Saulus, der auch Paulus hieß..." und ab diesem Zeitpunkt fällt der Name Saulus gänzlich zugunsten Paulus weg.
 
El Quijote schrieb:
Wenn man der Apostelgeschichte glauben darf, dann ist Paulus vom größten Feind der frühen Christen zu einem ihrer eifrigsten Missionare geworden. Und die Apostegeschichte sieht da ein sehr direktes göttliches Einwirken:

Erst in 13, 9 heißt es: "Saulus, der auch Paulus hieß..." und ab diesem Zeitpunkt fällt der Name Saulus gänzlich zugunsten Paulus weg.

Das hat den Kirchenvätern natürlich sehr gut gefallen ...
 
Ich meinte das nicht bewertend, dass er ein "Eiferer" geworden sei; ich meinte das eher so, dass er durch das halbe Imperium Romanum gereist ist, um möglichst viele Gemeinden zu besuchen und in ihre Glauben zu festigen. Dafür ist Paulus ja nachgerade berühmt, für seine vielen Reisen.

http://www.rs.moosburg.org/projekte/nt/reisen.jpg
http://www.passion-reisen-beratung.de/images/karte13.jpg
http://www.fortunecity.de/lindenpark/gaudi/522/paulus1.jpg
http://www.bibelwerk.de/typo3temp/d27c7c7eba.jpg
 
Also Du findest, er gehört in die Bibel? Was "er schrieb", war das Wort Gottes. Was andere schrieben, nicht.
 
Pope schrieb:
Also Du findest, er gehört in die Bibel? Was "er schrieb", war das Wort Gottes. Was andere schrieben, nicht.


Jesus hat das Wort Gottes verkündet. Paulus hat seine eigenen Maxime zur Erreichung des Himmelreiches verkündet. Und seine Verkündungen kamen der sich aufbauenden Instituion Kirche sehr gelegen. Ob Paulus in einer Diskussion mit Jesus stand gehalten hätte?
 
Wenn man nach dem Wikipedia-Artikel über Paulus geht, dann gehört er zwingend in die Bibel, denn er ist danach derjenige, der die Grundlagen für ein "heidnisches" Christentum geschaffen hat und damit dafür, dass das Christentum zu einer Weltreligion wurde. Ich persönlich sehe ihn da zwar nciht so alleine stehend, aber mir fehlt da auch die Kompetenz.
 
Wäre Stoff für eine neue verschwörungstheorie.
Paulus als in die Sekte eingeschmuggelter Agitator des Sanhedrin.
Um die neue jüdische Sekte in die Lächerlichkeit zu manövieren, fügte er zahlreiche heidnische Elemente ein: den Auferstehungsmythos des Adonis, Tammuz bzw Osiris; das Götteressen der eleusischen Mysterien mittels Wein und Brot als Symbole zur Teilhabe an der Gottheit; etc etc etc.

Schließlich überdeckte das Agitationselement die eigentliche Lehre und die Heidenchristen ( von den ursprünglichen christlichen Gemeinde in Jerusalem verachtet) gewannen das Spiel.
 
Paulus kam aus dem jüdisch-hellenistischen Kulturkreis, was im Klartext heißt, er war in beiden Kulturen zu Hause. Das Christentum selbst stammte, wenn man das so sagen will, aus dem Jerusalemer Judentum. Paulus hat zwischen diesen Welten vermittelt, denn ansonsten gab es wenig Anknüpfungspunkte, selbst für Paulus war es schwer genug.
Die Evangelien waren allein zu mißverständlich, wie man an den zahlreichen Kontroversen, um die es im paulinischen Corpus geht, sehen kann. Allerdings muß man die Briefe immer vor diesem Hintergurnd lesen. Das Evangelium macht sich in der heidnischen Welt breit, die in vielem anders dachte, als die artverwandte Synagoge, zu der die junge Kirche ursprünglich noch gehörte.
Keinesfalls kann man Paulus für seine Rezeptionsgeschichte verantwortlich machen.
Viele Kontroversen, besonders um Paulus und die Frauen, basieren auf schiefen Übersetzungen. Daß er selber keine hatte, ist bei seinem Lebensstil eigentlich naheliegend. Eine Long-Distance-Beziehung im ersten Jh. war dann doch was anderes als heute....:)
Daß die Ehe zu den Top-Ten der göttlichen Einfälle gehört, wird von ihm nicht in Frage gestellt. Ehelosigkeit meint insofern, daß es noch ein letztes, eschatologisches Höheres gibt. Insofern bilden die Priester etc. heute die Ausnahme von der Regel. Aber ich schweife ab. Ich wollte nur sagen, daß Paulus kein Frauenfeind ist. Er wurde nur dazu gemacht. Schließlich waren Frauen in sein Missionswerk einbezogen, im Rahmen, der im besagten Zeitraum üblich war.

Was deine (ich meine Pope) Ambitionen angeht, in die Bibel zu kommen: Da hast du schlechte Krten. Selbst wenn man heute im Wüstensand oder einem Sammlerschrank eine Originalschrift von Jesus fände, würde die nicht mehr aufgenommen, mangels entsprechender Rezeption. Um den Kanon wurde lange gestritten, aber nun soll es gut sein.
Was solltne auch Heerscharen von Hochzeitspaaren machen ohne das Hohelied der Liebe (1Kor13)? (Kleiner Scherz)
Man kann nicht alles rausstreichen, was mißbrauchsgefährdet ist. Sonst müßten wir die Schöpfungsberichte entfernen, weil die Kreationisten eine fragwürdige Lesart davon haben.

Kassia
 
Schöne Ausführung, Kassia. Nur war Paulus nicht Jesus. Jesus ist das Fundament. Paulus eine Interpretationsmöglichkeit. Daher finde ich es schon "erstaunlich", dass seine Interpretation des Wirken Jesu es zum Wort Gottes geschafft hat.
 
Pope schrieb:
Schöne Ausführung, Kassia. Nur war Paulus nicht Jesus. Jesus ist das Fundament. Paulus eine Interpretationsmöglichkeit. Daher finde ich es schon "erstaunlich", dass seine Interpretation des Wirken Jesu es zum Wort Gottes geschafft hat.


Aber das hat Kassia doch sehr schön in ihrem vorletzten Absatz formuliert. Die Entscheidungen treffen andere, selbst wenn sich Originalschriften von Jesus fänden, hätten diese keine Chance. Vielleicht hätte Jesus selbst nicht mal mehr eine Chance nach den Vorgaben in den Evangelien und den daraus abgeleiteten Regeln der Kirche als guter Christ angesehen zu werden.
 
Das Besondere an Paulus fand ich wieder in einem Heiligenlexikon. Es heißt dort:

"... Die kontrovers verlaufende Versammlung der konkurrierenden Parteien der jungen Kirche - wohl im Jahr 48 -, gewährte Paulus die Freiheit zu Missionsreisen zu nichtjüdischen Menschen; sein Gegenspieler war Petrus als Vertreter der Position, wonach das Christentum nicht die jüdischen Wurzeln verleugnen dürfe... Vor allem Paulus' Drängen brachte also die junge Kirche dazu, die geistigen und räumlichen Grenzen zu sprengen und das Wurzelland Israel, in dem die junge Kirche theologisch und mentalitätsmäßig zuhause war, zu verlassen und die Heidenmission voranzutreiben... "

Dadurch hat das junge Christentum begonnen, mehr zu sein als die lokale Religion eines einzigen Volkes.

(Gehört zwar nicht hierher, aber es erinnert mich doch ein wenig an den politischen Konflikt Lenin - Trotzki über die Verbreitung des Kommunismus...)


Jacobum
 
Er ging sogar weiter als Jesus selbst, schließlich sollte nichts verändert werden. Aber Paulus legte die meisten der religiösen Regeln und Tabus ad acta und sog fremde Kulte mit auf.
 
Vielleicht hatte Saulus auch nur den Mut den von Jesus gewiesenen Weg weiterzugehen? Immerhin hat Jesu auch einige Male mit den Geboten gebrochen bzw. diese umgedeutet.
 
El Quijote schrieb:
Vielleicht hatte Saulus auch nur den Mut den von Jesus gewiesenen Weg weiterzugehen? Immerhin hat Jesu auch einige Male mit den Geboten gebrochen bzw. diese umgedeutet.

ein interessanter Gedanke - nur stellt sich mir als Christin eine Frage. Jesus, der Sohn Gottes, berief sich auf den Vater und folgte dessen Geboten, dessen Auftrag. Wie kann dann ein Mensch - und Paulus war ja ohne Zweifel nur ein Mensch - über Jesus stehen und seine Empfehlungen und seine Vorstellungen mehr Raum in der neuen Lehre einnehmen, als Jesus selbst?
Jesus war der Mund des Vaters, inwiefern kommt man dann zu dem Schluß, er hätte Gebote gebrochen bzw. ungedeutet? Wissen wir mehr als Jesus wußte? Denn er sprach direkt mit dem Vater.

Mit solch einer Argumentation stellen wir Jesus selbst in Frage. Als hätte Paulus mehr von Gott und dessen Wünschen verstanden, als Jesus selbst. Jesus hat die bestehenden Gebote nach den Willen des Vaters interpretiert, nicht nach den Vorstellungen und Wünschen der Priester. Das war auch eines seiner Hauptanliegen, dass der Sinn in den Geboten Gottes erfaßt wird und mit dem Herzen danach gehandelt. Nicht die leere Worthülse sondern der Inhalt der Gebote sollte den Menschen wieder nahe gebracht und wichtig werden.
 
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