Nürnberger Prozesse- Siegerjustiz oder Sieg der Gerechtigkeit?

Historiker und Juristen sind sich eigentlich recht ähnlich. Sie versuchen, den Wahrheitsgehalt ihrer "Zeugenaussagen" zu ermitteln. Insofern ist ein gewisses Naiv-Tun bzgl. des Quellenwerts einer (ja eigentlich, wenn man die Nebendiskussiom zum ersten Weltkrieg miteinbezieht mehrerer) Quelle(n) auch für einen historisch völlig unbeleckten Juristen (generisches Maskulin) erstaunlich. Klar, nicht jeder Jurist ist im Strafrecht tätig, aber ein gewisse Vertrautheit mit allen Formen Wahrheitsbeugung sollte man doch bei Juristen unterstellen können, oder? Insofern könnte man sogar unterstellen (nicht, dass ich das tue), dass die Empfehlung parteischer Quellen als Einführungsliteratur ganz andere Ziele als die der Schülerhilfe verfolgt.

Darf ich daruf verweisen, El Quichote, daß von Juristen der Zeugenbeweis gerade in geschichtlich-politischen Prozessen als der zumeist schwächste Beweis angesehen wird und das zu Recht?

Klären Sie mich darüber auf, was Sie hier mit den ganz anderen Zielen meinen?

Halten Sie es für untunlich, wenn ich angesichts obigen Zitates zunächst hier nicht weiter eigene Ansichten vortrage, sondern im Interesse von Miame versuche, 3 Fliegen mit einer Klappe zu schlagen?

Ist es Recht, wenn ich für einige Zeit aus dem Buch von der Lippes alle Elemente chronologisch und wörtlich zitiere, die sich kritisierend, lobend und neutral zur Prozeßführung von Anklage und Gericht, kritisierend, lobend und neutral zur Verteidigung, kritisierend, lobend und neutral zu den Angeklagten und sonstigen Prozeßbeteiligten verhalten?

Kann sich dann nicht jeder Nutzer ein eigenes Bild machen und Miame hat Quelleninformationen, findet hoffentlich Anregungen für die Gliederung ihrer Arbeit?

Kann etwas passieren, wenn der Hohe Rat sein Auge der Weisheit auf das Geschehen wirft? Wissen wir dann am Ende nicht historialverbindlich, ob v.d.Lippe Tacitus wirklich vergleichbar ist?
 
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Darf ich daruf verweisen, El Quichote, daß von Juristen der Zeugenbeweis gerade in geschichtlich-politischen Prozessen als der zumeist schwächste Beweis angesehen wird und das zu Recht?
Ich sage ja, Historiker und Juristen sind sich im Prinzip recht ähnlich. Nicht umsonst heißt es, der größte Feind des Zeitzeugen sei der Historiker. (Und umgekehrt.)

Klären Sie mich darüber auf, was Sie hier mit den ganz anderen Zielen meinen?
Du hast mich schon richtig verstanden. Du wirst selber wissen, ob du dir den Schuh anziehen musst oder nicht.

Ist es Recht, wenn ich für einige Zeit aus dem Buch von der Lippes alle Elemente chronologisch und wörtlich zitiere, die sich kritisierend, lobend und neutral zur Prozeßführung von Anklage und Gericht, kritisierend, lobend und neutral zur Verteidigung, kritisierend, lobend und neutral zu den Angeklagten und sonstigen Prozeßbeteiligten verhalten?
Ich bitte sogar ganz ausdrücklich darum!
 
Das soll kein Krieg Juristen gegen Historiker sein, ich versuche meine instinktiven Bedenken so zu formulieren: Rechtsstaatlich ist wie schwanger, bisschen oder grundsätzlich oder versucht gibts nicht.^^
 
Das soll kein Krieg Juristen gegen Historiker sein, ich versuche meine instinktiven Bedenken so zu formulieren: Rechtsstaatlich ist wie schwanger, bisschen oder grundsätzlich oder versucht gibts nicht.^^

Das ist natürlich nicht richtig und wird auch so von führenden Juristen nicht so gesehen und eine kritische Bewertung sollte auch immanent erfolgen.

So schreibt beispielsweise Schabas (Unimaginable Atrocities, S. 73), dass es zwar Defizite bei der Führung der Prozesse nach heutigem Standard gab, aber so fährt er fort:

"It is wrong to asses trials in 1945 and 1946 to human right standards that prevail five or six decades later. On balance, the proceedings certainly met the standards of the time."

Es werden laufend Urteile über ein Verfahren gefällt, bei dem über ein Jahr versucht wurde den Anspruch eines rechtsstaatlichen Verfahrens, nämlich der Versucht einer "Wahrheitsfindung" vorzunehmen und ein Strafmaß zu finden, das der Schuld der Täter und dem Anspruch der Millionen von Opfern gerecht wird.

Und diesem Versuch einer Wahrheitsfindung hat das IMT bzw. das NMT entsprochen und es wurden den Angeklagten relativ umfangreiche Rechte zur Verteidigung eingeräumt. Einschließlich einer beispielslosen Aufbereitung von Dokumenten und einer bisher nicht gekannten Öffentlichkeit des Verfahrens.

Und sämtlich Ergebnisse seriöser historischer Forschung belegen, dass diese Wahrheitsfindung zu der Periode des 3. Reichs angemessen war. Die Schuldsprüche der damaligen Zeit zwar nicht im einzelnen aber im Prinzip der realen Schuld der einzelnen Akteure angemessen war. Inklusive der Entlastung bei einzelnen Angeklagten, wie bei Dönitz und Raeder, bei denen das Gericht den Argumenten der Verteidigung durchaus gefolgt ist.

Diese Wahrheitsfindung und dann die Bestimmung des Strafmaßes nach deutschem NS-Recht, wie Adolina vorschlägt, in die Hände von durch das NS-System belasteten deutschen Richtern nach 1945 zu legen, wirkt eher wie ein Aprilscherz.

Und es wird deutlich, dass Adolina absolut kein Wissen über die Dimension der Straftaten des NS-Systems hat und offensichtlich auch nicht versteht, dass das europäische Ausland einen Anspruch formuliert hatte, die Täter angesichts millionenfachen Mords und Verbrechen angemessen zu bestrafen.

Das war keine deutsche Angelegenheit, da Straftaten nach dem 1.9.1939 in die Verfahren im Rahmen des IMT einbezogen waren. Und das war der Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Nachbarn Deutschlands.

Und es wird nicht weniger dubios in der ideologiekritischen Beurteilung der Position von Adolina, wenn Hess in seinem letzten Statement vor dem IMT ebenfalls die Zuständigkeit der Alliierten verneint und die Zuständigkeit deutscher Gerichte betont.

Aber das ist sicherlich reiner Zufall, dass es eine deckungsgleiche Position von Hess und Adolina gibt und das ist dann auch sicherlich kein Versuch einer apologetischen NS-Sicht.


Noch als Ergänzung zu den Dokumenten :

Die Blue Series, die die Dokumente gegen die Hauptangeklagten enthalten
https://www.loc.gov/rr/frd/Military_Law/NT_major-war-criminals.html

The Green Series, die die Dokumente im Rahmen der NMT-Prozesse gegen ca. 200 wichtige Funktionsträger im NS-System aufbereiten
https://www.loc.gov/rr/frd/Military_Law/NTs_war-criminals.html

Abschlußbericht von Taylor 1949
https://www.loc.gov/rr/frd/Military_Law/pdf/NT_Vol-I.pdf
 
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"Aber das ist sicherlich reiner Zufall, dass es eine deckungsgleiche Position von Hess und Adolina gibt und das ist dann auch sicherlich kein Versuch einer apologetischen NS-Sicht."

Klapp, klapp, und schon ist die NS - Schublade mit Adolinchen drin zugeschubst, thanepower. Herzlichen Glückwunsch! Sie hätten Schnellrichter beim IMT werden sollen, vielleicht mit dem nn Freisler.
 
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Sie hätten Schnellrichter beim IMT werden sollen, vielleicht mit dem nn Freisler.
Gab es Schnellrichter beim IMT? Würdest Du die Richter des IMT mit Roland Freisler gleichsetzen?

Wahrscheinlich ist das alles nur "flapsig" formuliert. Dennoch sind es, gerade bei diesen Themen, solche "Flapsigkeiten", die verdächtig wirken. Das Forum hier reagiert nach einigen Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit ausgesprochen sensibel auf derlei "Flapsigkeiten".
 
Ginge das Rechtsverständnis des Herrn thanepower über readers digest Niveau hinaus würde er verstehen dass

positives Recht das einzig anwendbare Recht ist und überpositives "Recht" nicht Grundlage eines Verfahrens sein kann.
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Ich bin kein Jurist, aber folgt nicht daraus, dass ein Richter, der geltendes Unrecht anwendet, nicht wegen Rechtsbeugung belangt werden kann? Der Ministerpräsident von Baden- Württemberg und ehemalige Marinerichter Hans Filbinger, der noch ganz zum Ende des Krieges junge Matrosen zum Tode verurteilte, sagte: "Was damals geltendes Recht war, kann heute nicht Unrecht sein."

Genau mit dieser Frage Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht" hat sich auch der Rechtshistoriker Gustav Radbruch beschäftigt. Er kam 1946 zu diesem Schluss:

"Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, dass das positive Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn dass der Widerspruch des positiven Rechts zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als unrichtiges Recht der Gerechtigkeit zu weichen hat. Wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit vor dem Gesetz bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wird, da ist das Gesetz nicht nur unrichtiges Recht, vielmehr entbehrt es jeder Rechtsnatur, denn man kann Recht, auch positives Recht gar nicht anders definieren, als eine Ordnung und Satzung, die ihrem Sinn nach dazu dient, Gerechtigkeit zu schaffen."
 
Wieso Entschuldigung, El Quijote? Es ging doch nur darum, dass Rechtsstaatlichkeit zumindest bisher nur ein Ideal ist.

Hier ergibt sich dann die Frage, wie man in Nürnberg die Problematik anging, dass einige Werte, die in einem Staat damaligen hätten, nicht gelten sollten. Und es war ja auch kein Staat, der Urteilte. Auch das ein Problem.
 
Gab es Schnellrichter beim IMT? Würdest Du die Richter des IMT mit Roland Freisler gleichsetzen?

Wahrscheinlich ist das alles nur "flapsig" formuliert. Dennoch sind es, gerade bei diesen Themen, solche "Flapsigkeiten", die verdächtig wirken. Das Forum hier reagiert nach einigen Vorfällen in der jüngeren Vergangenheit ausgesprochen sensibel auf derlei "Flapsigkeiten".

Alfirin,
mit Verlaub, wie bewerten Sie denn die Anwürfe thanepowers gegen mich? Ich versichere, ab sofort solche Unflätigkeiten unbeachtet zu lassen, denn zum "Verdächtigen" möchte ich nicht werden.
 
.....
Und diesem Versuch einer Wahrheitsfindung hat das IMT bzw. das NMT entsprochen und es wurden den Angeklagten relativ umfangreiche Rechte zur Verteidigung eingeräumt....

Hat nicht gerade Göring diese Bühne ausgiebig genutzt ? Man stelle sich mal vor, was ein Richter wie Freisler als Vorsitzender da schon im Ansatz gemacht hätte.
 

Alfirin,
mit Verlaub, wie bewerten Sie denn die Anwürfe thanepowers gegen mich?
Spielt das denn eine Rolle? Mich würde nach wie vor interessieren, wie man nach einem Prozess mit 218 Verhandlungstagen auf den Begriff "Schnellrichter" kommt und welche Parallelen zwischen IMT und Freislers Volksgerichtshof gezogen werden. Beides sind ja nun keine Anwürfe in Richtung der Person thanepower im Sinne einer Replik auf seinen wie auch immer zu beurteilenden Vorwurf.
 
Hat nicht gerade Göring diese Bühne ausgiebig genutzt ? Man stelle sich mal vor, was ein Richter wie Freisler als Vorsitzender da schon im Ansatz gemacht hätte.

Hierzu gem. Beiträgen Nr. 61+62 aus v.d.Lippe, S.173:

Nachmittags (13.3.1946, Adolina) Göring im Zeugenstand. Er wird, obwohl Angeklagter, dem angelsächsischen Recht folgend, so wie ein Zeuge vereidigt. In gleicher Weise werden alle anderen Angeklagten vereidigt werden. Auf die Fragen seines Verteidigers gibt er in zusammenhängender Rede eine kurze Autobiographie: Jugend, erster Weltkrieg, Pour le me´rite, dann die allgemeine Entwicklung im Nachkriegsdeutschland bis zu Hitlers Reichskanzlerschaft...die NSDAP hätte bei Anwendung des amerikanischen oder des englischen Wahlsystems 1932 in ihrer Eigenschaft als stärkste Partei in allen Wahlbezirken sämtliche Mandate besetzt. Die Kommunisten hätten im Fall eines kommunistischen Sieges die anderen Parteien nicht geduldet. Die Revolution des Nationalsozialismus sei nicht blutig gewesen wie die französische Revolution. Reichspräsident und Reichskanzler seien nach Hindenburgs Tod in ein Amt vereinigt worden, wobei Hitler ihm, Göring gegenüber ausdrücklich auf das Vorbild des Präsidenten der USA verwiesen habe, der ebenfalls Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber in einer Person sei. Als er, Göring, gehört habe, Thälmann sei 1933 (dann S. 174) ins Konzentrationslager geschlagen worden, habe er ihn zu sich kommen lassen und ihm gesagt: Im umgekehrten Fall hättet Ihr mich nicht nur geschlagen, sondern mich erschlagen, was Thälmann bejahte....
"14.3.1946: Den ganzen Tag über Göring im Zeugenstand."
 
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... Als er, Göring, gehört habe, Thälmann sei 1933 (dann S. 174) ins Konzentrationslager geschlagen worden, habe er ihn zu sich kommen lassen und ihm gesagt: Im umgekehrten Fall hättet Ihr mich nicht nur geschlagen, sondern mich erschlagen, was Thälmann bejahte....
"14.3.1946: Den ganzen Tag über Göring im Zeugenstand."

Demonstriert das Verständnis der Nationalsozialisten, die im Recht nur eine Formalisierung der Machtverhältnisse sahen. So war Göring sicher selber tatsächlich davon überzeugt, dass sein Verschulden lediglich darin lag dass Deutschland den Krieg verloren habe.
Und so einer bekommt Gelegenheit, sich vor Gericht derart ausgiebig auszulassen. Das ist mehr als jeder Eierdieb erwarten kann.
 
Demonstriert das Verständnis der Nationalsozialisten, die im Recht nur eine Formalisierung der Machtverhältnisse sahen. So war Göring sicher selber tatsächlich davon überzeugt, dass sein Verschulden lediglich darin lag dass Deutschland den Krieg verloren habe.
Und so einer bekommt Gelegenheit, sich vor Gericht derart ausgiebig auszulassen. Das ist mehr als jeder Eierdieb erwarten kann.
Und was ein Beklagter im nationalsozialistischen Deutschland auch nicht erwarten durfte. Die wurden nicht befragt oder bekamen die Gelegenheit zur Verteidigung sondern wurden systematisch niedergebrüllt.
 
So gesehen war es natürlich kein Strafprozess wie jeder andere, das hatte alles eine politische Dimension. Durch die Rechtfertigungen der Nazibonzen werden sich etliche andere Zeitgenossen entlastet gesehen haben. Wurde nicht gerade das Stichwort "Siegerjustiz" auf der Anklagebank formuliert ?
 
Und was ein Beklagter im nationalsozialistischen Deutschland auch nicht erwarten durfte. Die wurden nicht befragt oder bekamen die Gelegenheit zur Verteidigung sondern wurden systematisch niedergebrüllt.

Gilt das für die gesamte Zeit von 1933-1945 oder nur für die Spätzeit und für die Ziviljustiz sowie Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, da Sie, El Quijote, vom "Beklagten" = Zivilprozeß, nicht vom "Angeklagten"= Strafprozeß, sprechen?
 
So gesehen war es natürlich kein Strafprozess wie jeder andere, das hatte alles eine politische Dimension. Durch die Rechtfertigungen der Nazibonzen werden sich etliche andere Zeitgenossen entlastet gesehen haben. Wurde nicht gerade das Stichwort "Siegerjustiz" auf der Anklagebank formuliert ?

Matze 007, spricht bei dem Begriff "Siegerjustiz" nicht schon der Anschein dagegen?
 
Für Juristen mag die Differenzierung in Beklagte, Angeklagte, Beschuldigte, da täglich Brot, in Fleisch und Blut übergegangen sein.
Für Nicht-Juristen ist die Differenzierung in Beklagte, Angeklagte, Beschuldigte etc. semantisch nicht nachvollziehbar.
Der Kontext dürfte klar sein!
 
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