Numismatik in Geschichtswissenschaft und Archäologie

El Quijote

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Für viele ist Münzen zu sammeln nur ein Fetisch, die naivste Form davon (der ich als Kind selber mit Leidenschaft gefrönt habe) ist das Sammeln von Münzen, die man aus dem Urlaub mitgebracht hat.

Etwas anspruchsvoller ist das Sammeln wertvoller Münzen oder historischer Münzen, z.B. einer speziellen Epoche. So bin ich vor Jahren auf dem Blog einer Reisebloggerin gelandet, die vom Sammeln von Münzen des Kaisers Hadrian ausgehend schließlich Kaiser Hadrian nachgereist ist, also den Ehrgeiz hatte, Orte, die Hadrian nachweislich besucht hatte, ebenfalls zu besuchen.

Darüber hinaus kann man sich wissenschaftlich mit Münzen beschäftigen. Also z.B. kunstwissenschaftlich/kunsthistorisch, historisch oder archäologisch. Wobei es zwischen allen drei Disziplinen natürlich Überschneidungen gibt. Ich habe beim folgenden vor allem antike, vor allem römische Münzen im Kopf, das meiste gilt aber mehr oder weniger auch für Münzen anderer Zeitstellungen und/oder Kulturkreise.

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Einfache Echtheitsprüfung

Für Sammler wie für Wissenschaftler ist natürlich immer interessant, zu wissen, ob eine Münze überhaupt echt ist (wobei es freilich auch zeitgenöss. Fälschungen geben kann, die natürlich historisch genauso interessant sind, wie die echte Münze).

Da man nicht ständig Geräte vorhalten und mit sich führen kann, gibt es eine relativ einfache Methode, die Echtheit einer Münze zerstörungsfrei herauszufinden: die metrische Methode. Die besteht in der Messung des Diameters/Umfangs, der Dicke der Münze und schließlich in der Gewichtsmessung. Passen Größe und Gewicht zum spezifischen Gewicht des Materials/der Materialien?


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Nicht zerstörungsfrei aber bereits in der Antike angewendet, wurde etwa bei Gold die Probe mit Lydit.

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(Prüfstein aus dem 11. Jahrhundert von der Burg Altenberg bei Füllinsdorf BL / Bild: Archäologie Baselland)

Waage und Messegerät bleiben aber bis heute wichtige Instrumente zur Echtheitsbestimmung einer Münze:

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Kunsthistorische Herangehensweise

Eine kunsthistorische Fragestellung an eine Münze könnte z.B. sein, warum ein Münzbild so komponiert wurde, wie es komponiert wurde oder, wie sich im Laufe der Zeit auf einem Münztypus eine Darstellung veränderte. (Gut, an meinem Bsp. merkt man, dass ich kein Kunsthistoriker bin)



Auswahl an ephesischen Münzen.jpg




Historische Herangehensweise

Ein Historiker könnte z.B. fragen, mit welcher Absicht ein römischer Politiker oder Kaiser eine bestimmte Darstellung wählte und welches propagandistische Programm er damit verfolgte (das ist auch eine Frage, die ein Kunsthistoriker ebenso an die Münze stellen könnte).

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Außer polithistorischen Fragestellungen lassen sich natürlich auch andere Fragen an eine Münze stellen, naheliegend sind etwa wirtschafts- und sozialhistorische Datierungen.



Münzdatierung

Je nach Fragestellung ist natürlich immer auch die Frage nach der Datierung von Bedeutung. Bei neuzeitlichen Münzen müssen wir einfach nur das Prägejahr ablesen. Nichts ist einfacher.

Maria-Theresien-Taler 1780 Thugra Mahmud.jpg


Bei antiken Münzen können wir manchmal das Prägejahr gar nicht bestimmen. Bei republikanischen Münzen hilft es manchmal den Münzmeister zu kennen und zu wissen, in welchem Jahr er sein Amt im Dreimännerkollegium ausübte.

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Auf dieser Münze präsentiert sich Antoninus Pius als Sieger über die Briten und Ausrichter von Wagenrennen - auf dem Revers ist der Zirkus Maximus dargestellt.

Die berühmte EID MAR-Münze des Brutus (s.o.), auf der dieser die Wiederherstellung der Republik nach der Ermordung Caesars propagierte, können wir z.B. auf den Zeitraum zwischen dem Mord an Caesar im März 44 und Brutus‘ Freitod im Oktober 42 datieren.


Die berühmten Gaius-Lucius-Münzen (Denare und Aurei), auf denen Augustus seine Nachfolgepolitik propagierte, wurden nach 2. n Chr. nicht mehr geprägt, nachdem Lucius Caesar verstorben war.


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Die meisten Kaisermünzen kann man aufgrund der Titulatur der Kaiser eingrenzen. Mit Hilfe der berühmten Kaisertabelle von Kienast ("der Kienast"), muss man dann im Prinzip nur noch nachschlagen.

Kienast - DAS Standardwerk für die römische Kaiserzeit - aber alles andere als ein ~Lesebuch~.jpg


Es gibt aber aus der römischen Zeit auch vereinzelte Münzen, die wir einen bestimmten Datum zuweisen können.



Münzen als Datierungsmittel bei archäologischen Befunden

Ob Münzen für die Datierung eines archäologischen Fundplatzes hilfreich sind, ist eine Frage der Statistik.

Der Fund einer einzelnen Münze hat für die Datierung eines Fundplatzes nur eine sehr bedingte Aussagekraft. Wir können, wenn wir ihren Prägezeitraum kennen, den terminus post quem bestimmen: Den Zeitpunkt nach dem die Münze verloren oder verborgen wurde. Wenn wir beispielsweise die obige EID MAR-Münze finden, wissen wir, dass sie nicht vor 44 v. Chr. geprägt worden sein kann. Dies ist also unser terminus post quem. Also der Zeitpunkt nach dem die Münze in den Boden (oder wohin auch immer) gelangt sein muss. Einen terminus ante quem können wir anhand einer einzelnen Münze numismatisch überhaupt nicht festlegen (allenfalls können wir anhand des Abnutzungsgrades unterstellen, dass sie wenig gelaufen ist – wenn sie denn echt ist!). Es ist immer problematisch aus dem Schweigen der Quellen Wissen zu generieren (wobei Schweigen manchmal durchaus beredt sein kann). Wenn aber die Anzahl der Münzen z.B. eines Münzhorts sehr hoch ist und dann pendeln sich die Prägedaten der Münzen i.d.R. nahe des Prägedatums der Schlussmünze ein. Nehmen wir an, die Münzen eines Horts umfassen einen Zeitraum von 200 Jahren, dann ist es wahrscheinlich, dass das Durchschnittsalter der Münzen eher aus dem jüngeren bis jüngsten Bereich der Prägezeitraums stammt, wohingegen ältere Exemplare eher seltener auftreten. In einem Münzhort sind also statistische Ausreißer eher nach hinten (älter) als nach vorne (jünger) zu erwarten. Also, ein Münzhort, dessen älteste Münze aus dem Jahr 100 und dessen jüngste Münze aus dem Jahr 300 stammt, hat einen Median von 200. Das durchschnittliche Prägejahr sollte aber erwartbar nahe bei 300 liegen. (Statistiker würden von links-schief sprechen.)

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Wenn dann jüngere Münzen völlig fehlen, dann kann man hier vorsichtig neben dem terminius post quem auch einen terminus ante quem festlegen. (Meist sind ja Münzen eh nur eine Möglichkeit der Datierung, das Leitfossil der Archäologen ist die Keramik.)

So weit so gut. Leider ist es damit nicht ganz getan, denn leider wurde ja nicht jede Münze gleich häufig geprägt. Von manchen Münzen sind mehrere hunderttausend Exemplare auf uns gekommen, von anderen nur zwei. Das Fehlen einer Münze in einem Horizont, von der insgesamt nur wenige Exemplare auf uns gekommen sind, sagt also gar nichts aus. Erst dann, wenn diese Münze auch in einer statistisch signifikanten Größe überhaupt vorkommt, kann ihr Fehlen in einem archäologischen Befund als auffällig bewertet und somit für einen terminus ante quem herangezogen werden.

Es gibt ja den berühmten Spruch, dass man keiner Statistik vertrauen solle, die man nicht selber gefälscht habe. Diesen Spruch sollten wir – auch wenn er gerne missbraucht wird, um die Ergebnisse von Statistiken a priori zu diskreditieren - durchaus ernst nehmen.

Wenn wir Bronze- und Goldmünzen miteinander vergleichen, so können wir davon ausgehen, dass Bronzemünzen a) viel häufiger geprägt wurden als Goldmünzen und b) man aufgrund des viel höheren Werts (400:1 Aureus:Ass in der augusteischen Zeit) auf eine Goldmünze viel eher Acht gab, als auf ein Ass, den Aureus besser wegsteckte und sorgfältiger verwahrte. D.h. niedrigerwertige Münzen sind eher zu erwarten als solche aus edlen Metallen, die seltener waren, besser aufbewahrt wurden und eher auch wieder eingeschmolzen und der Verwertungskette neu zugeführt wurden. Daher kann man verschiedene Nominale nicht miteinander vergleichen, sondern muss Asse mit Assen, Dupondien mit Dupondien, Sesterzen mit Sesterzen und Aurei mit Aurei vergleichen, um hier nicht die Statistik in Schieflage geraten zu lassen. Erst die Ergebnisse kann man wieder zusammenführen.
 
Leider ist es bei der von Dir gezeigten Münze nicht so, es gibt hier Originale und die neuzeitlichen Prägungen, die sich tatsächlich nur bei gründlicher Untersuchung auseinander halten lassen, auch ein Gegenstempel kann hier gefälscht sein.
(der österreichische Thaler)
Auch sind hiervon moderne und alte! Fälschungen im Umlauf.

Waage, Messgerät und Dichtebestimmung!
 
Leider ist es bei der von Dir gezeigten Münze nicht so,
Welche meinst du? Den Maria-Theresien-Thaler?

es gibt hier Originale und die neuzeitlichen Prägungen, die sich tatsächlich nur bei gründlicher Untersuchung auseinander halten lassen, auch ein Gegenstempel kann hier gefälscht sein.
Auch sind hiervon moderne und alte! Fälschungen im Umlauf.
Richtig.

Waage, Messgerät und Dichtebestimmung!
Dazu kannst du gerne etwas ergänzen. Der Einstiegsbeitrag ist weit entfernt davon, vollständig zu sein.
 
Ja, der Theresien-Thaler, der ist leider weder der vielen Fälschungen und der Neuprägungen nur wegen der häufigen
Gegenstempel interessant.
Auch bei den Münzen aus Deutsch-Ostafrika (ist halt neuzeitlich) ist mittlerweile kaum noch eine vernünftige Forschung möglich.

Wegen der Messgeräte, bei den Münzen aus Edelmetall ist das zwingend erforderlich, da hier mittlerweile alles so gut gefälscht wird, das es teilweise sogar nötig ist, das Metall einer genauen Herkunftsanalyse zu unterziehen, deshalb, Münzbild, Größe, Dicke, Gewicht, Dichte, so in etwa.
Als Beispiel, vom Ostafrikaelefanten dürfte es bestimmt 30-40% Fälschungen geben, da hier der Preis bei etwa 5000-7000 Euro pro Stück liegt.

Dies aber nur um Euch einen Einblick in den "Wirtschaftsfaktor Münzsammlung" zu geben, also immer Obacht!
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, die Fälschungsrate ist zu hoch angesetzt, der Preis für Stücke in normaler Erhaltung liegt bei etwa 4500, nur sehr schöne bringen mehr.
 
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