Nur ein (paar Tausend) einkalkulierte(s) Bauernopfer?

El Quijote

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Eines vorneweg: Ich habe schon häufiger mal Probleme mit den Positionen von Walther Bernecker gehabt, gleichzeitig ist Bernecker aber jemand, an dem man im deutschsprachigen Raum kaum vorbeikommt, wenn man sich mit der spanischen Geschichte der letzten 500 Jahre befasst (zumindest, wenn man auf deutschsprachige Publikationen angewiesen ist).
Basierend auf Publikationen von Benzion Netanyahu (das war der Vater von Benjamin Netanyahu) schreibt Bernecker folgendes:

Mit dieser These revidierte Netanyahu die lange Zeit vertretene These, die „Katholischen Könige“ hätten die Inquisition eingesetzt, da sie die jüdische Häresie bekämpfen und die religiöse Einheit herbeiführen wollten. Netanyahu ging es demgegenüber um den Nachweis, dass die „Katholischen Könige“ mit der Gründung der Inquisition dem Drängen einer gewaltigen, fanatischen Volksbewegung nachgaben, die aus sozialen und ökonomischen Gründen harte Maßnahmen gegen die conversos forderte, nachdem diese wichtige und einflußreiche Positionen in der Gesellschaft erreicht hatten. Um sicherzustellen, dass die Inquisition mit aller Härte gegen die conversos vorgehen und auf diese Weise eine soziale Beruhigung im Volk eintreten würde, ernannten die Könige solche Christen zu Inquisitoren, die einen besonderen Hass auf die conversos hatten: die Dominikaner.​
Zugleich war Ferdinand und Isabella klar, dass die Inquisition nur relativ wenige conversos - insgesamt einige Tausend - verurteilen konnte, da die Prozesse sehr langwierig würden. Auf diese Weise könnten Sie erreichen, dass die Volkswut besänftigt wurde und die große Masse der conversos im Land blieb - wenn auch einige geopfert werden mussten.
[…]
Die Einrichtung der Inquisition sollte vielmehr eine Art Ventil darstellen, um die radikale Gegnerschaft großer Bevölkerungsteile gegen die conversos zu kanalisieren....​
Bernecker, Walther L.: Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute. Darmstadt 2002, S. 17.

Ich kann mich der Logik dieser These nicht vollkommen entziehen, halte das ganze aber für starken Tobak. 1492 wurden die Juden per königlichem Dekret aus Spanien vertrieben, bleiben durften solche, die sich taufen ließen, gleichzeitig aber hegte man gegenüber diesen Konvertiten ein gewisses Misstrauen, da man annahm, dass sie im Verborgenen ihre alten religiösen Praktiken weiter vollführten (Kryptojuden), ihre Konversion nur vorgetäuscht sei. In der Tat waren im 15., 16. und 17. Jhdt. conversos wohl die am Stärksten von der Spanischen Inquisition verfolgte Gruppe (aber nicht die einzige).
Des Weiteren wäre mir noch nicht aufgefallen - wobei ich mich allerdings auch nicht so intensiv mit der spanischen Inquisition befasse - dass diese These Netanyahus eine breitere Rezeption erfahren hätte.

Auch wenn dies durch die Überschrift womöglich gehighlighted wird: um den Zynismus in der Formulierung geht es mir hier nicht.
 
Mir fällt es etwas schwer nachzuvollziehen, warum die gleichen Herrscher, die sich im Bezug auf die Vertreibung der Juden einer Politik befleißigten, die nicht nur - selbst nach mittelalterlichen Maßsstäben ziemlich extrtem und inhuman - und obendrein ökonomisch vollkommen unvernünftig war, in Sachen "Conversos" auf einmal primär ökonomische Erwägungen hätten in denn Vordergrund stellen sollen.

Man sollte ja eigentlich meinen, wenn ökonomische Erwägungen so bestimmend gewsen wären, wäre von vorn herein Auf Vertreibungen verzichtet worden.
 
@El Quijote (& @Shinigami, zu Deinem Einwand hinsichtlich der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit)

Gab es denn 1492 überhaupt eine nennenswerte Zahl politisch und finanziell potenter Juden in den christlich kontrollierten Territorien? Wikipedia nennt z.B. eine Zahl von 25.000 Conversos – bei einer Gesamtbevölkerung der iberischen Halbinsel von ca. 7 Mio. im Jahr 1500, wie mir mein 'Historischer Atlas' verrät. Diese 0,36% der Bevölkerung werden schwerlich alle überdurchschnittlich wohlhabend und einflussreich gewesen sein.

Freilich lässt sich Netanjahus These auch vertreten, wenn man auf die bloße Wahrnehmung der Christen abstellt. Und selbstredend bildete sich im Zuge der Reconquista eine verbreitete Radikalität im Glauben heraus, die durch den Sieg (als "Beweis" göttlicher Gunst) noch verstärkt wurde.

Dass sich aber das Monarchenpaar auf die Langsamkeit der Inquisition verlassen habe, um sowohl die Fanatiker zu befrieden als auch möglichst viele Nicht-Christen im Land zu halten, scheint mir eine gewagte These zu sein, da zuvor argumentiert wird, man habe die Inquisition bewusst den Dominikanern wegen ihres Fanatismus übertragen. Was hätte die Fanatiker daran hindern sollen, die Verfahren zu beschleunigen, um die Zahl der Verurteilungen zu erhöhen, und die Verfolgung auf alle Conversos auszuweiten? Diese Dynamik konnte man doch nicht kontrollieren.

Insgesamt scheint mir die Annahme plausibler, dass ein religiös homogenes Spanien geschaffen werden sollte. Das Kanalisieren-Wollen des Hasses der Fanatiker steht dem nicht entgegen. Auch die Herrschaft der Katholischen Könige war nämlich nicht unangefochten, wie der Kastilische Erbfolgekrieg und der Aufstand der Remences zeigten. Die Vereinigung aller iberischen Königtümer in einer Hand hatte auch im allgemeinen Siegestaumel nicht bloß Befürworter, drohte sie doch, die alten lokalen Eliten zu marginalisieren und althergebrachte Privilegien zu gefährden.

Der Wegfall eines gemeinsamen Feindes, einer sinnstiftenden Feindschaft, kann sich in einer solchen Situation destabilisierend auswirken. Das hatte bspw. das benachbarte Frankreich gezeigt, welches bald nach Ende des Hundertjährigen Krieges in einen Fürstenaufstand geschlittert war.

Und zweifellos wird sowohl bei den Vertreibungen als auch den späteren Verfolgungswellen ein zentrales Motiv gewesen sein, sich am Besitz der Betroffenen schadlos zu halten. In allem, was ich dazu gelesen habe, fiel mir auf, dass die Inquisition anscheinend "nur" ein paar tausend Todesurteile verhängt hat, und vorrangig gegen Reiche. Ebenfalls auffällig ist die sehr hohe Zahl der Geldbußen und die rigoros eingetriebenen Verwaltungskosten. Der spanische Volksmund scheint es als Tatsache betrachtet zu haben, dass die Inquisition bloß der Geldbeschaffung diente.

Ich würde wirklich nicht ausschließen, dass Isabella und Ferdinand ganz einfach keine Juden und Muslime mehr im Land haben wollten. Aus damaliger Sicht war dies auch machtpolitisch verständlich. Bei interreligiösen Konflikten zwischen Christen und integrierten Juden bzw. Muslimen hätte sich die Obrigkeit, wollte sie auf die Wahrung ihrer Gesetze beharren, mitunter auf die Seite der Minderheit stellen und damit ihr Ansehen gefährden müssen. Und gewaltsame Ausschreitungen gegen die Minderheit hätten immer auch die Autorität der Obrigkeit als Ordnungsmacht infrage gestellt. Warum sich einen solchen Klotz ans Bein binden, solange man auch ohne die Minderheit regieren konnte?

Insgesamt ein trauriges Thema. Die bittere Ironie des Schicksals der Conversos und Morisken besteht darin, dass sie Opfer eines theologischen Prinzips wurden, das Zwangstaufen eigentlich ausschließt. Denn die Lehrmeinung des Christentums als Offenbarungsreligion lautete stets, dass Zwangstaufen unstatthaft seien und Gott beleidigten. Die Lehre Jesu musste aus freien Stücken angenommen werden, oder sein Opfer wäre umsonst gewesen. Weil jedoch das Alhambra-Edikt und der Bruch des Vertrags von Grenada ganz offensichtlich eine Konversion aller verlangten, die Spanien nicht verlassen mochten, drängte sich der Verdacht geradezu auf, dass der Übertritt nicht aus Überzeugung erfolgte.
 
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Gab es denn 1492 überhaupt eine nennenswerte Zahl politisch und finanziell potenter Juden in den christlich kontrollierten Territorien? Wikipedia nennt z.B. eine Zahl von 25.000 Conversos – bei einer Gesamtbevölkerung der iberischen Halbinsel von ca. 7 Mio. im Jahr 1500, wie mir mein 'Historischer Atlas' verrät. Diese 0,36% der Bevölkerung werden schwerlich alle überdurchschnittlich wohlhabend und einflussreich gewesen sein.

Wie wichtig die Gruppe der Conversos wirtschaftlich insgsamt gewsen ist, dürfte eher davon abhängen, welche Wirtschaftszweige zuvor die Juden in welchem Maße kontrollierten.
Die religiös motivierten Schranken/Verbote (ich weiß nicht genau wie die auf der iberischen Halbinsel aussahen, aber es wird sie, wie im übrigen Europa sicherlich gegeben haben) die Juden über Jahrhunderte lang verboten hatten Landbesitz zu erwerben oder bestimmte Handwerke zu betreiben, sorgte ja in seiner Entwicklungskonsequenz dafür, dass die Juden als Funktionsgruppe in den Handel, den Geldverlei und einige verbleibene Handwerkszweige abgdrängt wurden und hier eine relativ starke Stellung entwickeln konnten.

Wenn man annimmt, dass in Konsequenz religiös motivierter Verbote eine solche Konzentration der Juden auf bestimmte Wirtschaftszweige erfolgte und einige Bereiche dadurch sehr stark jüdisch dominiert oder weit überproportional (gemessen am jüdischen Bevölkerungsanteil) durch Juden wahrgenommen wurden, musste die wirtschaftliche Konsequenz der Vertreibung der Juden unweigerlich der Kollaps der entsprechenden Bereiche sein, weil es möglicherweise nicht gennug Christen gab, die diese Berufe ausübten und weil das mit ihnen verbundene negative Sozialprestige auch erstmal ein Hindernis sein musste in die entsprechenden Lücken nachzurücken.

Hier könnten die "Conversos" durchaus, im Besonderen als Träger von Handelskontakten oder technischem know-how durchaus eine herausragende Bedeutung gehabt haben.

Ohne die Vertreibung derer, die sich weigerten zu konvertieren, wäre das möglicherweise zu vernachlässigen gewesen.
Vor dem Hintergrund der Vertreibungen hätte es bis zu einem gewissen Maße durchaus Sinn machen können, die "Conversos" schützen zu wollen um den vollständigen Zusammenbruch bestimmter Wirtschaftszweige zu vermeiden)



Auch die sozialen Spannungen haben möglicherweise eine andere Dimension, wenn man das vor Hintergund der er wegfallenden religiösen Schranken durch die Zwangskonversion sieht.

Möglicherweise gab es nicht so viele besonders wohlhabende ehemalige Juden, die konvertierten, aber für diejengen, die das taten, fielen dann (und zwar orchestriert über einen kurzen Zeitraum) die Schranken für den Umgang mit den vorhandenen Mitteln.
Wenn im Besonderen im Handel und im Geldwesen, sich Vermögen angesammelt hatten, die aber nicht etwa für den Besitz von Landgüter oder Handwerksbetrieben verausgabt werden konnten (weil religiös motivierte Beschränkungen vorhanden), dies durch Konversion aber auf einmal einer Gruppe entsprechend wohlhabender Personen möglich war, könnte das durchaus unter den wohlhabenden Conversos zu einem Run auf Landbesitz oder Besitz an Handwerksbetrieben und entsprechenden Preisteigerungen geführt haben.
Das könnte von anderen durchaus als wirtschaftliche Verdrängung betrachtet worden sein, wenn die Mittel einer (wenn auch kleinen Gruppe) von Konvertiten in kurzer Zeit konzentriert in bestimmte Sektoren geströmt wären.

Auf der Ebene darunter, sofern Juden bestimmte Handwerke verboten waren und durch die erzwungene Konversion aber auf einmal ungewöhnlich viele Konvertiten vorhanden waren, für die entsprechende Verbote möglicherweise nicht mehr galten, mag es sein, dass diese Handwerksbereiche auf einmal massive Konkurrenz (so nicht zünftig) oder zumindest die schon immer christlichen Aufnahmekandidaten (so zünftiges Handwerk) Konkurrenz bekamen, die durchaus real war.


Trotz relativ geringer Gesamtzahl der Conversos, können die Auswirkungen durchaus erheblich gewesen sein, wenn mit der Verteibung der Juden einmal das Wirtschaftssystem insgesamt einen Umbruch erlebte und viele Konversionen in kurzer Zeit zu kurzfristigem Andranng in bestimmten Bereichen führten.
 
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Falls in diesen Thread die Juden eine Rolle spielen – ich lese da etwas – kommt man nicht umhin, etwas zu den Juden in Erfurt zu Zeiten des Mittelters zu sagen.
Selbst bei Wikipedia steht im Beitrag „Jüdische Gemeinden in Erfurt“:
Erfurt war die bedeutendste jüdische Ansiedlung Thüringens im Mittelalter.“

Da gab es durch den Mainzer Erzbischof Konrad I. (* etwa um 1120/1125 - † 1200/Riedfeld den Judeneid mit dem Stadtsiegel von Erfurt.

Erfurter Judeneid -> Erfurter Judeneid – Wikipedia

Wie mir bekannt ist gabs ein erstes Pogrom im Jahre 1221. Das war wohl am 16.06.1221. Es wurden 21-26 Juden ermordet bzw. es gab wohl auch Suizid unter den Juden.
Der Anlass -> „Ritualmordlegende“ -> siehe Ritualmordlegende – Wikipedia

1349 war dann in Erfurt das Jahr einer „großen Judenverfolgung“.
Man beschuldigte die Juden für die Pest mittels der Vergiftung der Brunnen verantwortlich zu sein.
Diese Pest wütete ja in ganz Europa von 1348 – 1351/1359.
Anmerkung: In Erfurt wütete ja auch diese Pest. Es gab Tausende Tote.
Judenverfolgung siehe auch hier -> Wikipedia: „Judenverfolgung während der Zeit des Schwarzen Todes (Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes – Wikipedia ).
Nachdem die Juden aus Erfurt vertrieben waren, entstand erst im Jahr 1354 wieder jüdisches Leben in Erfurt. Man spricht da von der 2. mittelalterlichen Gemeinde.

Und wie ich bei Wikipedia lese, „die Gemeinde entwickelte sich zeitweise zu einer der größten im deutschsprachigen Raum. Dies ist auch vielen jüdischen Zuwanderern aus Böhmen, Mähren und Schlesien zu verdanken“.

Ergo, Erstes Pogrom 1221 wo man sagen könnte, hier hat die katholische Kirche mit gemischt. Danach war die Ursache die Pest.

Die vorerst Auflösung ab 1440 der jüdischen Gemeinde in Erfurt und Thüringen hat auch m.E. auch nicht primär mit der Kirche zu tun.
In den 1430er Jahren führten wirtschaftliche Krisen, aber auch mehrfache Steuerforderungen vom Reich zu einer allmählichen wirtschaftlichen Schlechterstellung der jüdischen Familien.
Die Kirche mischte sich dann so um/ab 1452 ein.
Nach einem Besuch Erzbischof (Dietrich Schenk von Erbach/ Erzbischof von Mainz von 1434 – 1459) forderte der Rat der Stadt die Juden auf gelbe Ringe an ihren Kleidern zur Kennzeichnung zu tragen und man entzog den Juden den Schutz.
Die Juden wanderten alle ab und erst zu Beginn des 19.Jahrhundert – Erfurt war da preußisch geworden – siedelten sie sich wieder an.
 
In der Tat waren im 15., 16. und 17. Jhdt. conversos wohl die am Stärksten von der Spanischen Inquisition verfolgte Gruppe (aber nicht die einzige).
In der Tat: Die spanische Inquisition ging gegen alle Abweichler vor, die das Primat der katholischen Kirche in Frage stellten. Vor Jahren habe ich im Spiegel, Zeit oder Süddeutschen die Äußerung eines spanischen Bischoffs gelesen, dass die spanische Inquisition auch Gutes an sich hatte: Sie verhinderte die Ausbreitung des Protestantismus nach Spanien: Im Vergleich zu der Zahl der Opfer des 30-jährigen Krieges, wäre die Zahl der Inquisitionsopfer minimal gewesen.

Insgesamt scheint mir die Annahme plausibler, dass ein religiös homogenes Spanien geschaffen werden sollte.
Das gelang, wie oben gezeigt, auch in Bezug auf Konfession: Spanien wurde ein Hort des Katholizismus.

Ich würde wirklich nicht ausschließen, dass Isabella und Ferdinand ganz einfach keine Juden und Muslime mehr im Land haben wollten.
Das denke ich auch; bei sog. ethnischen Säuberungen wird auch heute entlang religiösen Grenzen vertrieben - siehe z.B. Bosnien, Kroatien und Kosovo (alles 1990er) und auch Israel/Palästina (1948 bis heute).

Die bittere Ironie des Schicksals der Conversos und Morisken besteht darin, dass sie Opfer eines theologischen Prinzips wurden, das Zwangstaufen eigentlich ausschließt.
Damals dachte man über Zwangstaufen wohl anders: Isabella und Ferdinand wurden für ihre Rigorosität vom Papst mit dem Titel "Katholische Könige" (Reyes Católicos) belohnt. Den Titel tragen sie bis heute.
 
Damals dachte man über Zwangstaufen wohl anders: Isabella und Ferdinand wurden für ihre Rigorosität vom Papst mit dem Titel "Katholische Könige" (Reyes Católicos) belohnt. Den Titel tragen sie bis heute.
Das klingt mal wieder wie ein Vorwurf. Katholische Könige < Reyes Católicos > RRCC ist heute einfach ein hist. Fachbegriff, den man schnell verwenden kann und sofort weiß jeder, wer gemeint ist, ohne Isabella (Isabel) und Ferdinand (Fernando) namentlich nennen zu müssen. Das ist wie Karl der Große, Richard Löwenherz oder Suleyman der Prächtige, es ist sofort klar, wer gemeint ist und über welchen Zeitraum geredet wird, zumal Fernandos in der iberischen Geschichte mehrere vorkommen (so an die 30 mit Königstitel) und Ordnungszahlen nur bedingt hilfreich sind, da sie sich auf mindestens vier verschiedene Königreiche verteilen (León, Navarra, Kastilien, Aragón, Portugal)
die Hochzeit der RRCC war Grundlage für den weiteren Verlauf der spanischen Geschichte, bis zur Katalonienproblematik von heute. Unter ihrer Herrschaft wurden wichtige Weichenstellungen der spanischen Geschichte vollzogen, von denen sich einige auf das Jahr 1492 (deshalb auch das Spanienjahr 1992 mit Olympia (Barcelona) und Weltausstellung (Sevilla)) konzentrieren: Abschluss der Reconquista (eigentlich bereits 1491, aber formelle Schlüsselübergabe von Boabdil an die RRCC am 2. Januar 1492), Alhambra-Edikt (Vertreibung der Juden), Veröffentlichung der ersten spanischen Grammatik von Antonio de Nebrija und Entdeckung Amerikas am 12. Oktober, in Spanien Nationalfeiertag, in den meisten lateinamerikanischen Ländern lange als Día de Hispanidad zelebriert, heute meist umstritten, teilweise auch umgedeutet zum Tag des indigenen Widerstands.
Weitere unter den RRCC vorgenommene Weichenstellungen, welche Spanien lange prägten, waren etwa die Einrichtung der Spanischen Inquisition (bis ins 19. Jhdt. existent) oder die Hochzeit der beiden ältesten Kinder mit den Kindern des Kaisers Maximilian, welches letztlich zum dynastischen Wechsel in den Königreichen führte, die zu Spanien wurden, nämlich von Trastámara, welches im Mannesstamm ausstarb über Johanna der Wahnisinnigen und Philipp dem Schönen von Habsburg (nicht zu verwechseln mit Phillip dem Schönen von Capet) zu Habsburg
 
Freilich lässt sich Netanjahus These auch vertreten, wenn man auf die bloße Wahrnehmung der Christen abstellt. Und selbstredend bildete sich im Zuge der Reconquista eine verbreitete Radikalität im Glauben heraus, die durch den Sieg (als "Beweis" göttlicher Gunst) noch verstärkt wurde.
Radikalität und Fanatismus, hervorgerufen durch die "Reconquista" wird man für die iberische Halbinsel geltend machen können.

Mindestens Wiki schreibt zum Alhambra-Edikt allerdings, dass dieses sich auf sämtliche Länder der kastilischen und der aragonesischen Krone bezog, ebenso scheint der Aktionsbereich der "Spanischen Inquisition" sich auch auf sämtliche Territorien der aragonesischen Krone erstreckt zu haben..
Das bedeutet auch auf die Balearen und noch gewichtiger, auch auf die zur aragonesischen Krone gehörenden Königreiche Sizilien und Sardinien.
In diesem Sinne wäre die Bezeichnung "Spanische Inquisition", die eine Limitation auf die iberische Halbinsel suggeriert, irreführend.

Diese Länder hatten zwar auch einige religiöse Auseinandersetzungen oder Auseinandersetzungenn mit religiösem Anstrich hinter sich und sicherlich auch immer mal wieder Probleme, im Besonderen mit muslimischen Seeräubern, aber sie hatten eigentlich keine vergleichbare Geschichte wie die iberische Halbinsel mit einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten, in denen in einiger Regelmäßigkeit immer wieder religiös motivierte oder verbrämte Kriege vorkamen.

Für die Bevölkerung der iberischen Halbinsel, mag man einen gewissen, daraus resultierenden Fanatismus für überzeugend halten, für Sizilien und Sardinien sehe ich das für meinen Teil nicht.
Wenn es tatsächlich so ist, dass das Alhambra Edikt und die Spanische Inquisition auch in den italienischen Teilen der aragonesischen Krone auftaten, spricht das für mich dagegen, dass das Königspaar einfach nur den Sentiments einer fanatisierten Bevölkerung auf der iberischen Halbinsel gefolgt wäre.
Denn wäre dem so gewesen und die "Spanische Inquisition" wäre von königlicher Seite her lediglich als notweniges Übel betrachtet worden, weil man der Meinung war, der lokalen Bevölkerung irgendwas zum Abreagieren ihres Fanatismus und Sozialneids geben zu müssen, hätte wahrscheinlich keine Notwendigkeit bestanden, dass auch auf den Mittelmeerinseln zu praktizieren, wo die Verhältnisse anders lagen, als auf dem iberischen Festland.
 
Der Fairness halber muss ich hinzufügen, dass Bernecker auch schreibt:

Gegen Netanyahus Thesen sind viele Einwände vorgetragen worden.​
(S. 18)​
 
Auf den Kanarischen Inseln gab es eine Unmenge an flämischen, irischen, englischen, deutschen und nordfranzösischen Geschäftsleuten, die zum einen protestantisch waren, zum anderen auch Konvertiten. Sie besaßen Grund und Boden, sie wurden reich in der Zuckerrohrproduktion oder im Tuchhandel, und bald auch im Handel mit Amerika.
Z.B. Jakob Grünenberg aus Köln, als Jakob Groenenberch in Antwerpen und dann als Jácome Monteverde (ist das nicht eher portugiesisch?) auf La Palma zu großem Reichtum gekommen, heute noch gibt es seine Herrenhäuser.
Gegen sie richtete sich die Inquisition, weil sie erpressbar waren, oder einfach nur erfolgreiche Geschäftsleute und gute Beute.

Zugleich beschuldigte die Inquisition auch z.B. die gesamte Einwohnerschaft Gomeras, Geschäfte mit den Engländern und Flamen zu machen.

Trotzdem war die Inquisition auf den Kanaren nicht gerade erfolgreich, man hielt ihre Vertreter für Verbrecher und machte trotzdem was man wollte. Es waren Inseln der gelehrten Freidenker sowohl in der Kirche als auch im international geprägten Bürgertum.

Noch ein Nachsatz: Wird "Reyes Católicos" nicht eher als rechtmäßige und rechtgläubige Herrscher verstanden?
 
Gegen sie richtete sich die Inquisition, weil sie erpressbar waren, oder einfach nur erfolgreiche Geschäftsleute und gute Beute.
Das kann nicht alles sein.
1559 kam die Spanische Inquisition Lutheranern auf die Spur. Bei deren Verhören fiel häufiger der Name von Bartolomé Carranza, dem beim Volk beliebten Erzbischof von Toledo. Der Primas der Kath. Kirche auf der PI. Die Inquisition lockte ihn vom Hof weg und steckte ihn ins Gefängnis. Es wird kolportiert, dass Philipp II. nichts tat, um seinen Primas zu unterstützen, weil so die Einkünfte des Primas in seine Schatulle flossen. Die nächsten 16 Jahre verbrachte Carranza in Haft zunächst in Valladolid und später in der Engelsburg, weil der Papst den Prozess an sich zog. Schließlich wurde Carranza zwar freigesprochen, hatte aber keine Gelegenheit mehr auf seinen Bischofsstuhl zurückzukehren, er starb noch 1576, kurz nach seinem Freispruch in Rom.
 
Trotz relativ geringer Gesamtzahl der Conversos, können die Auswirkungen durchaus erheblich gewesen sein, wenn mit der Verteibung der Juden einmal das Wirtschaftssystem insgesamt einen Umbruch erlebte und viele Konversionen in kurzer Zeit zu kurzfristigem Andranng in bestimmten Bereichen führten.
Das ist natürlich ein berechtigter Einwand. Gibt es denn Studien zur sozioökonomischen Struktur der Vertriebenen? Wer verließ Spanien, wer blieb zurück?
Im Vergleich zu der Zahl der Opfer des 30-jährigen Krieges, wäre die Zahl der Inquisitionsopfer minimal gewesen.
Der Gedanke ist nicht leicht von der Hand zu weisen.
Damals dachte man über Zwangstaufen wohl anders: Isabella und Ferdinand wurden für ihre Rigorosität vom Papst mit dem Titel "Katholische Könige" (Reyes Católicos) belohnt. Den Titel tragen sie bis heute.
Damals dachte man durchaus nicht anders über Zwangstaufen. Alexander VI. verbot 1493 explizit die gewaltsame Konvertierung der Untertanen des vormaligen Emirats Grenada; Königin Isabella maßregelte Kolumbus wegen unter dessen Ägide geschehener Zwangstaufen und stellte zeitweise ihre Unterstützung ein.

Der zumindest implizite Verstoß gegen die päpstlichen Bullen, der mit dem Alhambra-Edikt einherging, ist einfach ein Fall von might makes right. Die Verleihung des Titels "Katholischer König" – der übrigens weder vom gegenwärtigen König noch dem König Emeritus geführt wird bzw. wurde – bezieht sich auf den Abschluss der Reconquista.

Übrigens zeigt die Bulle Inter caetera, die die Verleihung beinhaltete, wieder einmal die Marginalisierung des Papsttums im Spätmittelalter. Denn sowohl die frisch ausgezeichneten Katholischen Könige als auch der König von Portugal pfiffen auf die territorialen Bestimmungen der Bulle und teilten die Welt in separaten Verhandlungen unter sich auf. Der Papst durfte das Ganze im Vertrag von Tordesillas nur noch absegnen.
Gegen Netanyahus Thesen sind viele Einwände vorgetragen worden.(S. 18)
Erwähnt er, welche genau?
 
Erwähnt er, welche genau?
a.a.O.:
José Antonio Escudero [López] etwa, der Leiter des Inquisitionsinstituts, bezweifelt, dass ein König, wie Ferdinand, der nachgewiesenermaßen antirassistisch eingestellt und Freund von conversos war, eine rassistische Inquisition begründet haben könnte. Wieso sollte außerdem eine gegen Juden eingestellt rassistische Inquisition auch die moriscos verfolgt haben, später dann die Protestanten, die alten Christen, selbst Kleriker Bischöfe und sogar einen Toledaner Kardinal? [gemeint ist wohl Carranza, der aber nie Kardinal war]
[…]
Auch Antonio Domínguez Ortíz hat sich gegen die Interpretation Netanyahus ausgesprochen. Insbesondere bezweifelt er, dass die conversos überzeugte Christen gewesen seien; in der Tradition der spanischen Geschichtsschreibung unterstellte er vielmehr einer beachtlichen Minderheit, dass sie insgeheim ihrem Glauben weiterhin anhingen und daher ein Element der Glaubensspaltung darstellten. Wären alle conversos tatsächlich überzeugte Christen gewesen, dann ließe sich die Inquisition nur als „Farce“ interpretieren, die mit rassistischer Zielsetzung organisiert wurde, um eine soziale Klasse zu eliminieren […] Davon könne aber keine Rede sein. Das Königspaar empfand ehrliche Verantwortung für die Einheit der Religion, da politische und religiöse Institutionen im frühneuzeitlichen Spanien sich nicht trennen ließen. Der Nachweis der Existenz ‚judaisierender‘ conversos habe zur Einrichtung der Inquisition und später zur Vertreibung der Juden geführt. Rassistische Motive spielten keine Rolle, da die „Katholischen Könige“ in ihrer unmittelbaren Umgebung weiterhin conversos in hohen Positionen behielten.auch könne von einem popularitätsheischenden Entgegenkommen dem niederen Volk gegenüber keine Rede sein, da dieses […] sich stets in ängstlicher Entfernung von der Inquisition aufhielt.​
 
José Antonio Escudero [López] etwa, der Leiter des Inquisitionsinstituts, bezweifelt, dass ein König, wie Ferdinand, der nachgewiesenermaßen antirassistisch eingestellt und Freund von conversos war, eine rassistische Inquisition begründet haben könnte. Wieso sollte außerdem eine gegen Juden eingestellt rassistische Inquisition auch die moriscos verfolgt haben, später dann die Protestanten, die alten Christen, selbst Kleriker Bischöfe und sogar einen Toledaner Kardinal?
Ehrlich gesagt, ich halte das für einen schwachen Einwand. Abgesehen davon, dass wir Ende des 15. Jahrhunderts erst in die Phase eintreten, in der uns allmählich nach modernem Verständnis rassistische Denk- und Verhaltensmuster begegnen*, sind Antijudaismus und Rassismus nicht deckungsgleich. Es spricht auch nicht gegen die von Netanyahu unterstellte Ausrichtung der Inquisition als Instrument gegen die Conversos, dass sich die Organisation später anderen Zielen zuwandte. Sie könnte dies beispielsweise getan haben, um ihren Fortbestand zu rechtfertigen.

*) Es macht in meinen Augen wenig Sinn, vor der neuzeitlichen Rassenlehre von Rassismus zu sprechen, und ich gehe davon aus, dass Religion und Standeszugehörigkeit im Mittelalter wichtiger für das Selbst- und Fremdbild der Menschen waren als die Ethnie. Selbstverständlich gab es eine weit verbreitete Fremdenfeindlichkeit im Wortsinn, die aber nicht auf Wert und Unwert einer Ethnie abstellte, sondern von einer Lebenswirklichkeit geprägt war, in der Fremde nicht selten als Feinde kamen. Dementsprechend konnten sich auch Nachbarstädte inbrünstig hassen.
Auch Antonio Domínguez Ortíz hat sich gegen die Interpretation Netanyahus ausgesprochen. Insbesondere bezweifelt er, dass die conversos überzeugte Christen gewesen seien; in der Tradition der spanischen Geschichtsschreibung unterstellte er vielmehr einer beachtlichen Minderheit, dass sie insgeheim ihrem Glauben weiterhin anhingen und daher ein Element der Glaubensspaltung darstellten.
Der Spinoza-Experte Yirmiyahu Yovel ging ebenfalls davon aus, dass die Vorwürfe gegen die Conversos nicht aus der Luft gegriffen waren, aber mir stellt sich die Frage, inwieweit ein im Verborgenen ausgeübtes Judentum spalterisch wirken konnte? Bei anderen "Untergrundsekten" wie den Protestanten, die ja auch subversiv tätig waren, kann ich eine gewisse Paranoia nachvollziehen; aber inwieweit stellte der "Kryptojude" dadurch ein Problem dar, dass er sonntags in der Messe nur die Lippen bewegte? Das ist mir nicht ganz klar.
Das Königspaar empfand ehrliche Verantwortung für die Einheit der Religion, da politische und religiöse Institutionen im frühneuzeitlichen Spanien sich nicht trennen ließen.
Das ist freilich ein guter Einwand. Aus demselben Grund unterstützte der weltliche Arm (meistens) auch die Verfolgung reformatorischer Bestrebungen: Sie stellten zwangsläufig die herrschende Ordnung insgesamt infrage. Daher auch die wohl recht verbreitete Annahme, Luther habe deshalb Erfolg gehabt, weil er seine Reformation im Sinne von Mt 22:21 den Fürsten andiente, den taktischen Fehler von Hus vermeidend.
auch könne von einem popularitätsheischenden Entgegenkommen dem niederen Volk gegenüber keine Rede sein, da dieses […] sich stets in ängstlicher Entfernung von der Inquisition aufhielt.
Das wiederum überzeugt mich nun nicht. Dass man die Inquisitoren fürchtete und auch verachtete, heißt noch nicht, die Institution an sich habe nicht das Zeug dazu gehabt, den Fanatismus der Massen zu befriedigen. Ohne beide Organisationen vergleichen zu wollen; es brachten auch viele Deutsche den inneren Spagat zustande, die SA einerseits als Horde stumpfsinniger Barbaren zu verabscheuen und trotzdem zu applaudieren, wenn die Braunhemden mal wieder einen Kommunisten verprügelt oder ein jüdisches Geschäft demoliert hatten.
 
Ich halte die Formulierung, sei sie nun von Escudero oder von Bernecker, Ferdinand sei „nachgewiesenermaßen antirassistisch eingestellt gewesen“ für schräg. Dass er offenbar Conversos als Vertraute (oder gar Freunde) hatte, könnte ein Beleg dafür sein, dass es den RRCC tatsächlich um Kryptojuden ging und nicht um vom Glauben überzeugte Neuchristen.
Was stimmt ist, dass die RRCC versuchten die Indigenen zu schützen (aber sie waren eben weit weg und das Encomienda-System ließ sich nur allzu leicht dazu nutzen, die Indigenen als billige Arbeitskräfte auszubeuten, was ja auch aller Orten geschah), auf der anderen Seite wurde ein Kastensystem eingeführt (wenn wir vom Kastensystem in Indien sprechen, dann ist diese zwar Jahrtausende alt, der Begriff Kaste an sich aber aus dem Portugiesischen entlehnt), das rassistisch hierarchisierte. Spanier wurden unterteilt in Peninsulares und Criollos (in Europa oder innAmerika geborene) und die Peninsulares standen eine Nuance über die Criollos, selbst wenn sie Volllgeschwister waren. Dann gab es Indios und Afrikaner bzw. die Vermischung der Gruppen untereinander. Mestize, Mulatte, Castizo (Kind von Mestize mit Spanierin, der Castizo konnte, wenn er sich mit einer Spanierin vermischte, wiederum Kinder haben, welche den sozialen Status „Spanier“ hatten). Mulatte mit Spanierin ergab Morisco (die amerikanischen Morisken haben mit den amerikanischen Morisken nur die Wortherkunft gemeinsam), Moriske mit Spanierin ergab Chino („Chinese“). Verband der Chino sich nun mit einer Indianerin war das der „Rücksprung“ (Salto atras). Kinder von Salto atras mit Mulattin wurde Lobos genannt (Wölfe)...

Es gibt da ein Bild aus Mexiko, aus dem 18. Jhdt., welches 16 Kasten darstellt, es wird oft als glaubwürdige Quelle für das Kastensystem angesehen, ich würde es für eine Karikatur halten. Denn da kommen dann auch castas wie tente en medioaire (‘halte dich in Mittelluft”) oder Noteentiendo > no te entiendo[/i ] ‚ich verstehe dich nicht‘ vor.
 
10-241348.jpg
 
Der Gedanke ist nicht leicht von der Hand zu weisen.
Natürlich nicht, aber wenn man sich vergegenwärtig, was das bedeutet, nämlich dass es am besten wäre*, wenn Völker in Staaten lebten, die entlang der religiösen oder konfessionellen Grenzen getrennt würden, dann weiß du, warum ich gegen Religionen/Ideologien bin: Weil diese die Menschen zwar einen, aber indem sie das tun, andere ausgrenzen; und nichts grenzt mehr aus als der Glaube. Das zieht sich durch die ganze Historie bis heute: Der Grund für das lange Bestehen des Römischen Reiches sehe ich in seiner Toleranz fremden Göttern gegenüber; man ließ den Unterworfenen ihren Glauben und assimilierte sie dennoch nach der Devise: Wandel durch Annäherung.

Der zumindest implizite Verstoß gegen die päpstlichen Bullen, der mit dem Alhambra-Edikt einherging, ist einfach ein Fall von might makes right. Die Verleihung des Titels "Katholischer König" – der übrigens weder vom gegenwärtigen König noch dem König Emeritus geführt wird bzw. wurde – bezieht sich auf den Abschluss der Reconquista.
Was ist denn Reconquista samt folgender Vertreibung der Araber und Juden anderes als Schaffung eines Staates, in dem es ab da nur eine Religion gab? Dafür zeigte sich der Papst dankbar – und Spanien wiederum wurde dadurch zu einer der Stützen des Katholizismus. Oder anders gesagt: Sie unterstützten sich gegenseitig bis ins 20. Jahrhundert hinein – siehe Francos Spanien.

* Diese Grenzen herzustellen ist das Ziel derer, die sog. ethnische Säuberungen betreiben - Beispiel: der Unterschied zwischen Serben und Kroaten liegt nur in der Religion: Die einen wurden vom Byzanz aus christianisiert, die anderen vom Rom. Und wenn man weiß, wie die beiden christlichen Zentren sich beim Missionieren bekämpften – indem sie z.B. die jeweils anderen Antichristen nannten –, dann wundert es einen nicht, dass sich dieser jahrhundertelange Kampf auf ihre Gläubigen übertrug und zuletzt in der Vertreibung der Serben aus Kroatien im Jahr 1995 endete. Damit will ich keinesfalls die Schuld für die Vertreibung den Kroaten zuschieben, denn zuvor wurden Kroaten durch die Serben vertrieben, etc.
 
Das ist mal wieder zu unterkomplex. Das katholische Spanien hatte oft genug Konflikte mit anderen Katholischen Nationen (etwa Frankreich), das katholische Frankreich stand zeitweise auf der Seite der Osmanen.
Die Reconquista ist auch nicht einfach ein christlich-muslimischer Konflikt, als der er in der Rückschau oft erscheint. Schon die Bezeichnung Reconquista ist ja eine vom Ende her gedachte historische Interpretation. Die politisch-militärische Wirklichkeit sah oft ganz anders aus. 'Abd ar-Rahman Sandjul (< Sanchuelo) war ein Enkel des Königs von Navarra, Sancho, weshalb er Sandjul hieß: kleiner Sancho.
Im Krieg der drei Sanchos (Sancho von Kastilien gegen Sancho von Navarra und Sancho von Aragón) mischten auf beiden Seiten Muslime mit. Einen religiösen Impetus bekamen die Kriege erst im ausgehenden 11. Jhdt. als die Almoraviden auf die iberische Halbinsel kamen und in 12. und 13. Jhdt. als die Kriege auf der iberischen Halbinsel als Kreuzzüge geführt wurden. Aber selbst da noch sind Freundschaften und Bündnisse oft interreligiös.
Nehmen wir den Cid-Epos: Als der Cid Kastilien verlassen muss, begibt er sich zu Abengalbón (Ibn Galbūn, vermutlich eine literarische, ahistorische Figur, was hier umso mehr wiegt; der historische Cid, stand aber zeitweise um Dienst der Banū Hūd)
Pedro von Aragón (der Sohn eines der obigen Sanchos im Krieg der drei Sanchos) unterschrieb seine Urkunden aus Arabisch und Alfonso VIII. ließ Münzen auf arabisch prägen (freilich christlich umgedeutet), die nach seinem Tod mit dem Namen seines Sohnes weitergeprägt wurden (da dieser mit neun Jahren König wurde und mit 13 Jahren tödlich verunfallte, wird das kaum seine Idee und Entscheidung gewesen sein).
Alfonso VI., der Vorfahr von Alfons VIII. und jüngere Bruder des kastilischen Sancho aus dem Krieg der drei Sanchos war in Toledo exiliert, nachdem sein Bruder ihn und den gemeinsamen jüngeren Bruder García aus ihren Königreichen vertrieben hatte. Als er später - nach dem Tod seines Bruders übernahm er sämtliche Ländereien, als auch die von García - Toledo 1085 eroberte, gab er dem muslimischen König von Toledo Valencia zur Herrschaft. Seit 1079 nannte er sich Imperator totius Hispaniae, also Imperator aller spanischen Reiche, in arabischen Quellen wird das mit Imbaraṭūr dī-l-millatayn (Imperator der zwei Religionen = Christentum und Islam) wiedergegeben, natürlich als Anmaßung empfunden, aber durchaus in dem Eingeständnis, dass es die realen Machtverhältnisse auf der PI im späten 11. Jhdt. darstellte.
Das Grab von Ferdinand dem Heiligen hat vier Grabinschriften: Spanisch, Latein, Arabisch und Hebräisch.
 

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Natürlich nicht, aber wenn man sich vergegenwärtig, was das bedeutet, nämlich dass es am besten wäre*, wenn Völker in Staaten lebten, die entlang der religiösen oder konfessionellen Grenzen getrennt würden, dann weiß du, warum ich gegen Religionen/Ideologien bin: Weil diese die Menschen zwar einen, aber indem sie das tun, andere ausgrenzen; und nichts grenzt mehr aus als der Glaube. Das zieht sich durch die ganze Historie bis heute: Der Grund für das lange Bestehen des Römischen Reiches sehe ich in seiner Toleranz fremden Göttern gegenüber; man ließ den Unterworfenen ihren Glauben und assimilierte sie dennoch nach der Devise: Wandel durch Annäherung.
Ich wollte dazu eigentlich nichts mehr schreiben, aber in diesen wenigen Sätzen steckt so viel an ideologischer Überzeugung, ein Mix an historischen Halbrichtigkeiten, ahistorischem (Rom war nur dann tolerant, wenn sich fremde Religionen integrieren oder vereinbaren ließen (interpretatio romana), frag mal die Bewohner Iudaeas, wie römische Kaiser, Statthalter und römische Soldaten - obwohl ihre Religion als licita eingestuft war - diese respektierten. Warum war Jerusalem ein Pulverfass? Rom war dort tolerant, wo lokale Götter sich mit den eigenen verschmelzen ließen oder in ihr Pantheon integrieren ließen, manchmal auch dort, wo es vielleicht pragmatisch war, aber das war nur bedingt von Dauer - siehe Iudaea! Vor allem aber hat Rom dank einer brutalen Militärmaschinerie das Reich erobert und zusammengehalten. Bis zu Genoziden an Lusitaniern, Galliern und Iudaeern. Neue Religionen, wie das Christentum wurden verfolgt. So viel zur gepriesenen römischen Toleranz.

Abgesehen davon bist du nicht gegen Ideologien, du bist vielmehr einer der dezidiertesten Vertreter hier im Forum einer solchen und du missbrauchst Geschichte regelmäßig als Vehikel, um Deines Ideologie unters Volk zu bringen, so auch hier.
 
Für dich als Spanienkenner mag das unterkomplex sein, aber der aktuelle Bezug war eben Reconquista wie sie sich uns heute darstellt – samt Vertreibung der Araber und der Juden. Und wegen dieser Vertreibungen ist z.B. dein Hinweis auf den Ferdinand dem Heiligen, der ja vor dem Jahr 1492 lebte und auf dessen Grab vier Grabinschriften stehen (Spanisch, Latein, Arabisch und Hebräisch), dem Thema nicht dienlich, weil zu diesem Zeitpunkt schon lange tot.

PS:
Vor allem aber hat Rom dank einer brutalen Militärmaschinerie das Reich erobert und zusammengehalten. Bis zu Genoziden an Lusitaniern, Galliern und Iudaeern. Neue Religionen, wie das Christentum wurden verfolgt. So viel zur gepriesenen römischen Toleranz.
Natürlich war nicht alles nur Glanz und Gloria in der 700 Jahre dauernden Geschichte Roms, aber sie war schon etwas Besonderes, wenn man andere Regionen und/oder Zeiten betrachtet.
 
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