Objektivität im Geschichtsdenken

Medizinische und biologische Studien bringen ein-eindeutige Ergebnisse, die man nur dann subjektiv interpretieren kann, wenn man die Auswertungen bzw. Dokumentationen zuvor fälscht, sprich manipuliert.
Zumindest die Biologie ist aber nicht immer so objektiv wie Du es hier darstellst. Gerade der Bereich Evolutionsbiologie ist geisteswissenschaftlicher, als man glaubt. Man hat Fossilien und verschiedene molekular- und verhaltnsbiologische Erkenntnisse, die dann interpretiert werden müssen. Experimente sind hier nicht wirklich möglich.
Am Ende steht immer nur ein "so ist es am plausibelsten", aber kein "so muss es gewesen sein".
 
Vielen Dank für die vielen sehr interessanten Einträge.

Ich habe selbst noch ein kleines praktisches Experiment zur Frage Originaler Quellen und Augenzeugenberichte gemacht:

Ich zeigte Bekannten von mir einen Film und fragte sie dann wieviele Statisten in einer bestimmten Szene zu sehen sind. Zum einen kamen dabei sehr sehr unterschiedliche Ergebnisse heraus.

Dann bat ich einen Freund vehement eine bestimmte Meinung zu vertreten wenn ich Frage und befragte wiederum 3 Leute zusammen und sie schlossen sich dieser Meinung an obwohl sie offenkundig falsch sein musste.

Wenn hier einige schreiben, daß Originalquellen oft Auszüge sind die etwas gewünschtes darstellen, die Ansichten des Schreibers darlegen oder auf eine bestimmte Wirkung hin beim Empfänger ausgerichtet sind ist die Frage noch über diese Faktoren weit hinaus, wie weit der Mensch überhaupt ein Geschehen das vor ihm abläuft wirklich objektiv erfahren und wiedergeben kann.

Selbst wenn er sich nach bestem Wissen und gewissen bemüht objektiv die Wahrheit wie er sie in Erinnerung hat niederzuschreiben kann das was er schreibt völlig falsch sein. Wenn dem so ist, daß die menschliche Wahrnehmung aber insbesondere die menschliche Erinnerung dermaßen fehlerhaft und beeinflußbar sind, welchen Wert hat dann menschliche Erinnerung die heute als Originalquelle als Beweis für einen bestimmten Ablauf hingestellt wird?

Persönlich hat es mich eben so bedenklich gestimmt, als ich in eigener Anschauung erfahren habe, wie enorm phantasiereich und aus dem Blauen heraus Archäologen Behauptungen aufgestellt haben.

Meiner Ansicht kann man im Bereich der Erforschung der Geschichte aber durchaus wissenschaftlich arbeiten. Ich hätte daher wohl besser statt Geschichtswissenschaft von Geschichtserforschung schreiben sollen.

Man kann wissenschaftlich arbeiten und in einigen Bereichen findet das auch statt, aber mein persönlicher Eindruck ist, daß in der Geschichtsforschung in einigen Bereichen nicht wissenschaftlich gearbeitet wird.

Genau genommen müsste man einfach große Teile der menschlichen Geschichte mit einem Fragezeichen versehen leer und unbeantwortet lassen.

Meiner Meinung nach werden in der Geschichtsforschung zu viele weiße Flecken auf dem Puzzle mit viel Phantasie und Pseudwissenschaft vollgemalt wo eigentlich nichts zu malen wäre weil man nichts weiß.

Es geht mir also nicht darum ob man wissenschaftlich arbeiten kann bei der Erforschung der Geschichte sondern ob dies ausreichend stattfindet. Sehr viele bemühen sich, viele arbeiten sicher auch wissenschaftlich, aber es bleibt mein Eindruck aus den extrem vielen Widersprüchen die sich überall auftun das auch die heutige Methodik der Forschung und Darstellung in einigen Bereichen nicht dem Standard genügt der postuliert wird.
 
Wenn du wissenschaftlich im Sinne von exakter Wissenschaft wie in der Naturwissenschaft definierst, dann ist Geschichtswissenschaft natürlich keine Wissenschaft, weil sie eben nicht exakt ist, nicht exakt wie Naturwissenschaft sein kann.

Vorsicht: die Biologie ist auch eine Naturwissenschaft, aber keinesfalls eine exakte!
 
Genau genommen müsste man einfach große Teile der menschlichen Geschichte mit einem Fragezeichen versehen leer und unbeantwortet lassen.

Meiner Meinung nach werden in der Geschichtsforschung zu viele weiße Flecken auf dem Puzzle mit viel Phantasie und Pseudwissenschaft vollgemalt wo eigentlich nichts zu malen wäre weil man nichts weiß.

Aber wie soll man deiner Meinung nach die weißen Flecken zu einem Bild werden lassen, wenn man Für und Wider nicht gegeneinander abwägen, wozu auch Rede und Gegenrede stehen, darf?
 
Selbst wenn er sich nach bestem Wissen und gewissen bemüht objektiv die Wahrheit wie er sie in Erinnerung hat niederzuschreiben kann das was er schreibt völlig falsch sein. Wenn dem so ist, daß die menschliche Wahrnehmung aber insbesondere die menschliche Erinnerung dermaßen fehlerhaft und beeinflußbar sind, welchen Wert hat dann menschliche Erinnerung die heute als Originalquelle als Beweis für einen bestimmten Ablauf hingestellt wird?

Eine Originalquelle wird aber doch nicht sofort als Beweis angesehen; Stichwort: Quellenkritik.

Persönlich hat es mich eben so bedenklich gestimmt, als ich in eigener Anschauung erfahren habe, wie enorm phantasiereich und aus dem Blauen heraus Archäologen Behauptungen aufgestellt haben.

Bei den Archäologen kenn ich mich nicht so gut aus, doch auch sie haben wissenschaftliche Methoden, mit denen sie arbeiten - habe mal eine Ringvorlesung zur Archäologie besucht ;). Es kann schon sein, dass oft sehr viel interpretiert wird, weil das Gefundene nicht eindeutig ist; doch auch Interpretationen sollten einer kritischen Prüfung stand halten, auch wenn sie sich durch z.B. neue Funde im Endeffekt als falsch herausstellen werden. Und es wird ja nicht nur rein phantasievoll interpretiert bei den Archäologen. Durch ihre Ergebnisse und Diskussionen, durch neue Funde und den Abgleich mit schriftlicher Überlieferung können sie hoffentlich ein immer genaueres Bild rekonstruieren.


Meiner Ansicht kann man im Bereich der Erforschung der Geschichte aber durchaus wissenschaftlich arbeiten. Ich hätte daher wohl besser statt Geschichtswissenschaft von Geschichtserforschung schreiben sollen.

Man kann wissenschaftlich arbeiten und in einigen Bereichen findet das auch statt, aber mein persönlicher Eindruck ist, daß in der Geschichtsforschung in einigen Bereichen nicht wissenschaftlich gearbeitet wird.

Welchen Teil der Geschichtsforschung meinst Du denn genau? Die Archäologie?

Genau genommen müsste man einfach große Teile der menschlichen Geschichte mit einem Fragezeichen versehen leer und unbeantwortet lassen.

Meiner Meinung nach werden in der Geschichtsforschung zu viele weiße Flecken auf dem Puzzle mit viel Phantasie und Pseudwissenschaft vollgemalt wo eigentlich nichts zu malen wäre weil man nichts weiß.

Hier kann ich dich teilweise verstehen. Wie Hamburger schon meinte, muss man manchmal einwenig malen, doch dies sollte auch aufgrund der Quellen plausibel sein. Andererseits frage auch ich mich, was es bringt über die Farben von Dinosauriern oder von Detailfragen wie Geschlechterbilder in der Steinzeit zu sprechen. Ich glaube, darüber kann man tatsächlich nicht wirklich etwas sagen.

Es geht mir also nicht darum ob man wissenschaftlich arbeiten kann bei der Erforschung der Geschichte sondern ob dies ausreichend stattfindet. Sehr viele bemühen sich, viele arbeiten sicher auch wissenschaftlich, aber es bleibt mein Eindruck aus den extrem vielen Widersprüchen die sich überall auftun das auch die heutige Methodik der Forschung und Darstellung in einigen Bereichen nicht dem Standard genügt der postuliert wird.


Schwarze Schafe gibt es überall. Und meiner Meinung nach sind gerade populärwissenschaftliche Bücher mit Vorsicht zu genießen, ebenso wie Dokus im Fernsehen.
Ich finde die Frage berechtigt, ob das wissenschaftliche Arbeiten ausreichend stattfindet, doch die Grundlage der Frage erscheint mir noch undeutlich:
Wieso sprechen widersprüchliche Ergebnisse und Diskussionen für ›Unwissenschaftlichkeit‹?
Und welche Bereiche meinst du genau?


EDIT: Ein Problem, das ich sehe, ist, dass die Historiker den unwissenschaftlichen Werken in der Öffentlichkeitsarbeit zu viel Platz lassen und hier nicht immer ihrer Tätigkeit nachkommen. Viele Wissenschaftler schreiben nur für Wissenschaftler.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn hier einige schreiben, daß Originalquellen oft Auszüge sind die etwas gewünschtes darstellen, die Ansichten des Schreibers darlegen oder auf eine bestimmte Wirkung hin beim Empfänger ausgerichtet sind ist die Frage noch über diese Faktoren weit hinaus, wie weit der Mensch überhaupt ein Geschehen das vor ihm abläuft wirklich objektiv erfahren und wiedergeben kann.
Selbst wenn er sich nach bestem Wissen und gewissen bemüht objektiv die Wahrheit wie er sie in Erinnerung hat niederzuschreiben kann das was er schreibt völlig falsch sein. Wenn dem so ist, daß die menschliche Wahrnehmung aber insbesondere die menschliche Erinnerung dermaßen fehlerhaft und beeinflußbar sind, welchen Wert hat dann menschliche Erinnerung die heute als Originalquelle als Beweis für einen bestimmten Ablauf hingestellt wird?

Genau das rauszubekommen ist ja ein Anliegen der Geschichtswissenschaft.

Unterscheiden sollte man auch nach den Informationen aus den Quellen.

Beispiel: Wenn ich aus sehr vielen Quellen die Information habe, dass sich König X an Tag Y an Ort Z aufgehalten hat, dann spricht zumindest mal sehr viel dafür, dass dem auch so war, jedenfalls gibts keinen Grund die Existenz von König X oder Tag Y oder Ort Z grundsätzlich in Frage zu stellen.

Wenn mir die Quellen aber noch erzählen, was König X da so alles gemacht hat, gedacht hat, gesagt hat, dann sollte ich vielleicht schon ein bischen aufpassen und mir überlegen, warum das so überliefert wird - vor allem noch, wenn der nächste Schreiber genau das Gegenteil behauptet.

Persönlich hat es mich eben so bedenklich gestimmt, als ich in eigener Anschauung erfahren habe, wie enorm phantasiereich und aus dem Blauen heraus Archäologen Behauptungen aufgestellt haben.

Da ist schon was dran, so die Sache mit: Gegenstand unbestimmter Verwendung, also kultisch.
Meiner Ansicht kann man im Bereich der Erforschung der Geschichte aber durchaus wissenschaftlich arbeiten. Ich hätte daher wohl besser statt Geschichtswissenschaft von Geschichtserforschung schreiben sollen.

Aber ganz sicher kann man das und tut das auch.
Man kann wissenschaftlich arbeiten und in einigen Bereichen findet das auch statt, aber mein persönlicher Eindruck ist, daß in der Geschichtsforschung in einigen Bereichen nicht wissenschaftlich gearbeitet wird.

Wie schon geschrieben, Schwarze Schafe gibts überall.
Genau genommen müsste man einfach große Teile der menschlichen Geschichte mit einem Fragezeichen versehen leer und unbeantwortet lassen.

Nein. Eben nicht. Es gibt keinen Grund die vielen Informationen in den Quellen so pauschal über den Haufen zu werfen.
Meiner Meinung nach werden in der Geschichtsforschung zu viele weiße Flecken auf dem Puzzle mit viel Phantasie und Pseudwissenschaft vollgemalt wo eigentlich nichts zu malen wäre weil man nichts weiß.

Man weiß aber sehr viel.
Es geht mir also nicht darum ob man wissenschaftlich arbeiten kann bei der Erforschung der Geschichte sondern ob dies ausreichend stattfindet. Sehr viele bemühen sich, viele arbeiten sicher auch wissenschaftlich, aber es bleibt mein Eindruck aus den extrem vielen Widersprüchen die sich überall auftun das auch die heutige Methodik der Forschung und Darstellung in einigen Bereichen nicht dem Standard genügt der postuliert wird.

Die vielen Widersprüche ergeben sich aber doch zumindest zu einem Teil aus der Quellenlage, da die Quellen leider bei weitem nicht all die Fragen beantworten, die wir haben. Und oft so fragmentarisch überliefert sind, dass da einfach vieles offen bleibt, man eben auch spekulieren muss - und meiner Ansicht nach auch darf. Und dann kommen eben viele widersprüchliche Ansichten zustande. Aber die Existenz von Widersprüchen kann doch nicht dazu berechtigen die gesamte Geschichtswissenschaft in Frage zu stellen!
 
Was in der Diskussion nicht vergessen werden sollte, ist, daß es sich um eine philosophische Fragestellung handelt. Ist Objektivität in den historischen Wissenschaften möglich? Da macht es einerseits wenig Sinn, sich auf das Methodische zu begrenzen, da die Grenzen zwischen den Einzelwissenschaften verwischen; im Hintergrund steht nämlich andererseits das Letzbegründungsproblem: Ist, und wenn ja, wie ist wissenschaftliche Erkenntnis möglich? Und vor allem: ist sie objektiv? Auf die Geschichtswissenschaften bezogen: was ist eine historische Erkenntnis und welche Bedingungen muß sie erfüllen, um als objektiv zu gelten?
Reflektiere ich diese Frage auf die Kritik von Quintus Fabius an der historischen Forschung, muß ich zugeben, daß ich seine Bedenken teile: Welcher Historiker beschäftigt sich mit der transzendentalphilosphischen Fragestellung, wenn er ein einzelwissenschaftliches Problem angeht? Ist für den historischen Einzelwissenschaftler die Frage nach der Geltung seiner Erkenntnis als objektiv für sein wissenschaftliches Arbeiten überhaupt relevant? In der Regel bewegt er sich mit seinen Überlegungen und Forschungsinteressen innerhalb spezieller Paradigmata, wird sich für eines entscheiden und seinen Beitrag leisten.
JSCHMIDT schrieb so schön:
Der Forschende/Entscheidende muss irgendwann seine Suche abbrechen, um überhaupt zu Potte zu kommen, und er kann nicht sicher sein, bis zu diesem Punkt alles "objektiv Bedeutsame" in sein Portfolio aufgenommen zu haben.

Im Zweifelsfall wird er höchstens versuchen, seine paradigmatische Entscheidung oder sein Erkenntnisinteresse wissenschaftslogisch abstützen, wenn er keine grundsätzliche Theorieabneigung hat (vgl. dazu etwa http://hsr-trans.zhsf.uni-koeln.de/hsrretro/docs/artikel/hsr/hsr1982_63.pdf). Aber welche Garantie hat er, daß er überhaupt etwas "objektiv Bedeutsames" zu Papier gebracht hat?
 
Wurde es hier schon erwähnt?

Quellenberichte als Topoi? keine Ahnung, ob hier was vernünftiges steht: Topos_(Geisteswissenschaft

Also das etwas erzählt wird, was so in etwa oder sehr genau schon mal erzählt wurde, und man nicht sagen kann, ob es nun wirklich ein Faktum der Zeit war, oder ob der Autor uns damit nur seine Stimmung sagen wollte, aber nichts inhaltliches.
Z.B. die intellektuelle Krise eines Philosophen, die beschrieben wurde, dass er plötzlich seine Sprache verlor, und später wieder fand. Zeitgenossen oder spätere Chronisten rätselten über seine "Krankheit", konnten aber nicht sagen, was es nun war, und ob es tatsächlich etwas war.
Andere konnten plötzlich nicht mehr schreiben, usw.
Konnten sie nun wirklich nicht mehr sprechen und schreiben, oder war es nur Ausdruck ihrer "Sprachlosigkeit"? Eine Metapher?

Ich nehme an, dass sehr viele Quellen, zumindest im Frühislam, daraufhin untersucht werden müssten, und dank heutiger Computer wäre man innerhalb weniger Dekaden in der Lage, Fiktion von Fakten besser zu unterscheiden. Übrig bliebe dann wohl nur wenig, aber das wenigstens besser gesichert.

Wer mehr wissen möchte, der ziehe sich mal diese Vorlesung der 7. Stunde rein:
http://www.geschichtsforum.de/f36/dynastien-namen-und-begriffe-der-isl-welt-14238/#post372256
Link auch allgemein erklärend, und nicht nur speziell und fachspezifisch.
 
Ich nehme an, dass sehr viele Quellen, zumindest im Frühislam, daraufhin untersucht werden müssten, und dank heutiger Computer wäre man innerhalb weniger Dekaden in der Lage, Fiktion von Fakten besser zu unterscheiden. Übrig bliebe dann wohl nur wenig, aber das wenigstens besser gesichert.
Wie könnten Computer dabei helfen?
 
Mentalitätsgeschichte heißt das "Zauberwort".
Ansonsten ist mir gerade dazu noch eingefallen, daß wir hier schon einmal einen inhaltlich zumindest recht ähnlich gelagerten Thread hatten: http://www.geschichtsforum.de/f72/geschichtsbetrachtung-forschung-erkenntnis-und-nutzen-8187/
Danke! Für mich persönlich ist natürlich gerade Mentalitätsgeschichte Dreh und Angelpunkt für die Entwicklung von stimmigen Charakteren in historischen Romanen. ;)
 
Wie könnten Computer dabei helfen?

Weil man deutlich schneller arbeiten kann, um bestehende Geschichten mit neu aus Quellen gelesenen Geschichten zu vergleichen. z.B. durch Verschlagwortung. Und dann kann man sich die beiden Quellen zu Gemüte führen und schauen, ob eine signifikante Ähnlichkeit vorliegt, und somit die Quelle eher als Topos denn als Tatsachenbericht gesehen werden muss.
Übrigens gilt es auch für zahllose christl. Berichte zu den Kreuzzügen, nicht nur für die frühislam. Zeit.
Nur "trauen" sich die wenigsten Forscher anscheinend an dieses Metier, da sie darin nur die "destruktiven" Momente für die klass. Ereignisgeschichte wahrnehmen, aber nicht die konstruktiven.

Insgesamt können Computer z.B. durch Datenbanken, und Internet-Vernetzung diese Quellenerfassungen und Sichtungen stark beschleunigen.
Ich befürchte nur, dass die meisten Historiker sich in "ihren" "Mythen" bequem gemacht haben, und kein Interesse daran haben, zahllose (MA-liche) Quellen als wertlos für die Ereignissgeschichte zu entlarven.

Letztlich liegt es an jedem Historiker selber, ob er sich damit begnügt, immer wieder altes abzuschreiben oder ob er sich bequemt, mal ein bischen zu recherchieren um einige als Fakten gesehene Dinge abzuklopfen. Nie war es nämlich dank googlebooks so einfach wie heute.

Ein Beispiel aus der Geschichte des Osm. Reiches ist die Knabenlese, oder die "Übertragung" der Kalifenwürde nach Eroberung von Ägypten.

Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich mich durchsetzen kann in der Wikipedia, einige Dinge dort klarzustellen?
Im "Zweifelsfalle" sind dort sogar die Protobulgaren Iraner, zumindest werden gegensätzliche Theorien, die teilweise nur von einer sehr kleinen Minderheit vertreten werden und keine Rolle spielen, dort so breitgetreten, dass viele Leser denken, dass da zwei gleichberechtigte Möglichkeiten die Geschichte zu sehen bestehen. Oder Biographien werden durch Skandale, Sex and Crime, so vollgekleistert, dass dahinter die wahre Natur der zu biographierenden Person verblasst und unklar bleibt, jedoch sich für Ottonormalleser ein total falsches Bild ergibt. Und Ottonormalleser der Wiki sind oft genug auch Historiker, die sich ein Bild jenseits ihres Fachgebietes machen möchten.
Prost Mohltiet... ;)
 
Weil man deutlich schneller arbeiten kann, um bestehende Geschichten mit neu aus Quellen gelesenen Geschichten zu vergleichen. z.B. durch Verschlagwortung. Und dann kann man sich die beiden Quellen zu Gemüte führen und schauen, ob eine signifikante Ähnlichkeit vorliegt, und somit die Quelle eher als Topos denn als Tatsachenbericht gesehen werden muss.
Übrigens gilt es auch für zahllose christl. Berichte zu den Kreuzzügen, nicht nur für die frühislam. Zeit.
Nur "trauen" sich die wenigsten Forscher anscheinend an dieses Metier, da sie darin nur die "destruktiven" Momente für die klass. Ereignisgeschichte wahrnehmen, aber nicht die konstruktiven.

Insgesamt können Computer z.B. durch Datenbanken, und Internet-Vernetzung diese Quellenerfassungen und Sichtungen stark beschleunigen.
Ich befürchte nur, dass die meisten Historiker sich in "ihren" "Mythen" bequem gemacht haben, und kein Interesse daran haben, zahllose (MA-liche) Quellen als wertlos für die Ereignisgeschichte zu entlarven.

Dieser Vorwurf ist ungerechtfertigt. Deine Verschlagwortung könnte zwar in der Tat die Arbeit erleichtern, aber bei den wichtigsten Quellen ist das doch schon im 19. und 20. Jahrhundert geschehen. Wir wissen, dass viele Formulierungen mittelalterlicher Historiographen der Bibel oder den klassischen, lateinischen Texten entnommen sind und dadurch für uns zwar nicht wertlos für die Ereignisgeschichte, aber wertmindernd sind. Es gilt eben die topoi von den eigentlichen Ereignissen zu trennen. Aber wie gesagt, dies ist meist schon längst gemacht worden.


Letztlich liegt es an jedem Historiker selber, ob er sich damit begnügt, immer wieder altes abzuschreiben oder ob er sich bequemt, mal ein bisschen zu recherchieren um einige als Fakten gesehene Dinge abzuklopfen. Nie war es nämlich dank googlebooks so einfach wie heute.

Google Books gehört auch in die Kategorie http://www.geschichtsforum.de/f7/google-wikipedia-und-der-irrglaube-etwas-zu-wissen-8479/. Denn man liest die Bücher ja dadurch nicht wirklich sondern lässt sich die Arbeit des Suchens durch die Maschine abnehmen, was nicht gerade erkenntnisfördernd ist... Was das Abschreiben von anderen Historikern angeht: Wir sind alle Zwerge auf Schultern von Riesen; würden wir jedes Mal wieder versuchen, das Rad neu zu erfinden, würden wir die Erkenntnis nicht vorantreiben können. Dennoch gehört es zum Geschäft des Historikers immer wieder zu den Quellen zurück zu gehen und damit auch zu hinterfragen, was als Erkenntnis gilt.

Ein Beispiel aus der Geschichte des Osm. Reiches ist die Knabenlese, oder die "Übertragung" der Kalifenwürde nach Eroberung von Ägypten.

Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich mich durchsetzen kann in der Wikipedia, einige Dinge dort klarzustellen?
Im "Zweifelsfalle" sind dort sogar die Protobulgaren Iraner, zumindest werden gegensätzliche Theorien, die teilweise nur von einer sehr kleinen Minderheit vertreten werden und keine Rolle spielen, dort so breitgetreten, dass viele Leser denken, dass da zwei gleichberechtigte Möglichkeiten die Geschichte zu sehen bestehen. Oder Biographien werden durch Skandale, Sex and Crime, so vollgekleistert, dass dahinter die wahre Natur der zu biographierenden Person verblasst und unklar bleibt, jedoch sich für Ottonormalleser ein total falsches Bild ergibt. Und Ottonormalleser der Wiki sind oft genug auch Historiker, die sich ein Bild jenseits ihres Fachgebietes machen möchten.
Prost Mohltiet... ;)

Das ist ja nun was vollkommen anderes und hat mit der seriösen Geschichtswissenschaft nichts zu tun, sondern mit den nationalen Befindlichkeiten von historischen Laien. Und Akademiker die Wikipedia benutzen wissen in der Regel auch um ihre Schwächen.
 
PPS:
Dazu möchte ich mal behaupten - und das ist sehr OT - es gibt die von dir angemahnte "Objektivität" gar nicht.
Das Thema ist nicht so OT, wie Du denkst. Hier wird schon sehr schön an der Problematik gearbeitet.:winke:

[...]
Und bei der Interpretation von Fachliteratur, kann sich eine festgefahrene Meinung sehr hinterlich auswirken, nicht nur hier bei diesen Thema.
Objektivität ist da gefragt...
Tatsächlich.
Hineininterpretieren in die Aussagen und Zitate anderer ist wohl ein Teil von Objektivität.
Ebenso das negieren der Meinungen von einigen Fachautoren.

Wenn es keine Objektivität gibt, dann gibt es keine Wahrheit.
Wenn Geschichte nicht objektiv bewertbar ist, wie wollen wir dann einen sachlichen Wertegang der Geschichte darstellen?

Beim Hineininterpretieren ist es nur dann objektiv, wenn die Meinung unabhängig sachlich ist. Das ist in der Regel schwer, weil doch gerade hier ein Standpunkt dargestellt wird, der sich auch ohne Objektivität gebildet haben kann.
Mit andern Worten:
Im weiteren Sinn spricht man von der Objektivität von Aussagen, Theorien u. a., um damit zum Ausdruck zu bringen, dass für ihre Aufstellung nicht subjektive Wünsche, Meinungen, Neigungen, spezifische Interessen, Vorurteile, unbelegte Zuschreibungen usw. maßgeblich sind, sondern allein die Sachverhalte, auf die sich die Aussagen, Theorien u. a. beziehen.
 
Erstmal zu dem "Wert der Erinnerung": natürlich ist die Erinnerung eines Menschen (z.B. Geschichtsschreiber) nicht gleichbedeutend damit, was wirklich passiert ist. Die Dinge, die wir wahrnehmen, werden ja im Gehirn verarbeitet und gespeichert, aber unvollständig. Also wir haben kein Abbild der Realität, sondern eben nur eine Erinnerung. Deshalb lässt sich natürlich aus der Aufzeichnung von Erinnerungen keine "Realität" ableiten. Die Realität ist ja jetzt objektiv... aber sobald wir sie wahrnehmen, drüber schreiben oder so, ist es nicht mehr objektiv weil wie hier in den Beispielen schon kam jeder etwas anderes wahrnimmt. Objektivität heißt ja intersubjektive Überprüfbarkeit. Ich kann nur objektiv wissen, was jemand wirklich gesehen hat, wenn ich es selbst wirklich gesehen hab.

Ich hab gestern aus Spaß mal alte Skripte aus einem Proseminar durchgesucht (wollte wissen, welchen Autor wir gelesen hatten), da hab ich auch was gehabt zur Objektivität. Letztendlich stand da, dass die Historiker alle ihre eigene Ansicht haben können, aber dass sie auch immer durch irgendwen anfechtbar sind. Objektivität geht halt nicht, man müsste ja alles wissen. Im Grunde kann einer behaupten, dass die Pyramiden von Aliens gebaut wurden ;) und ein anderer, dass sie mit irgendwelchen Rampen gebaut wurden. Jeder ficht den anderen wahrscheinlich an... wer jetzt recht hat, kann man erst genauer wissen, wenn man jetzt ein totes Alien im Wüstensand findet oder den Rest einer Rampe oder... eigentlich nur, wenn man selbst mit an der Pyramide gebaut hat und dann noch über alles bescheid wusste, was da abläuft. Und selbst dann hätte man kein Wissen über den "realen" Zustand, sondern nur seine unvollständige Erinnerung. Wir müssen uns also damit abfinden, dass wir nur "möglichst" objektiv sind, aber eben nicht objektiv. Das ist bei allen anderen Wissenschaften aber auch so, ich glaube nicht, dass ein richtiger Mathematiker die Antworten auf alle Fragen seiner Wissenschaft kennt, die kloppen sich genauso gegenseitig die Köpfe ein, wer denn nun recht hat. Also nicht objektiv bedeutet nicht unbedingt unwissenschaftlich. Unwissenschaftlich wäre, wenn man meint, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben...
 
Zuletzt bearbeitet:
Objektivität sollte sich aber nicht von Fantasie und Vermutungen steuern lassen.

Sicherlich können wir vieles nicht objektiv betrachten oder herleiten, daß bedeutet aber nicht, daß wir für uns keine sachlich objektive Betrachtungsweise finden. Darüber wäre nun wieder zu streiten, wer für historisches die sachlich richtige Objektivtät vorgibt.

Persönliche Behauptungen und persönliche Emotionen sind meist nur von der "beschränkten" Sichtweise des Erlebten oder des erlangten Wissen abhängig und sind meist weniger Objektiv, doch das Zusammentragen von diesen Einzelbehauptungen und Erlebnissen können zu einem objetiven Bild zusammengefügt werden. Ansonsten bekommen wir eine verschobene Objektivität, wie z.B. im dritten Reich oder der DDR, oder gar eine anarchische Objektivität die idealer Nährboden für Verschwörungstheorien ist...
 
@ Köbis17

Ich habe lange überlegt, ob ich auf Dein Beitrag #33 reagieren soll. Wie Du liest, tu ich es.

Objektivität und Wahrheit sind m.E. keine korrespondierenden Kategorien der Erkenntnistheorie. Eine sog. "objektive" Betrachtung setzt die Trennung von Objekt <=> Subjekt voraus. (1) Wahrheit demgegenüber kann man nur im Verhältnis von Relationen erkennen. Damit setzt Du uns einem erkenntnistheoretischem Dilemma aus. ;)

(1) Hier stark angelehnt an die materialistische Dialektik, Verlinkungen erspare ich mir hier.

Objektivität ist nicht Sache des Historikers, das sollen die Philosophen unter sich klären - meine ich. Mit der Kategorie "Wahrheit" sieht es schon anders aus. Lassen wir alle theologischen und philosophischen Erklärungsansätze außen vor, bleibt es für einen Historiker, daß als Wahrheit anzusehen, was in seinem Relationssystem als "Wahrheit" erkannt wurde. Der von mir hoch geehrte Historiker, Leopold von Ranke, schrieb einmal: "Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott, und ihr Wert beruht gar nicht auf dem, was aus ihr hervorgeht, sondern in ihrer Existenz selbst." Bedeutet m.E., das "Faktum" als solches ist Gegenstand der Geschichte, ob es "wahr" ist oder nicht. Tritt ein Faktum in die Geschichte ein, wird es zugleich auch Gegenstand der Betrachtung der Geschichte resp. Geschichtsschreibung; das Wort: "Geschichtswissenschaft" meide ich möglichst.

M.
 
Objektivität und Wahrheit sind m.E. keine korrespondierenden Kategorien der Erkenntnistheorie. Eine sog. "objektive" Betrachtung setzt die Trennung von Objekt <=> Subjekt voraus. (1) Wahrheit demgegenüber kann man nur im Verhältnis von Relationen erkennen. Damit setzt Du uns einem erkenntnistheoretischem Dilemma aus. ;)

Vielleicht sehe ich es einfach mit einer "einfacheren" Stimme. :(
Demnach ist die objektive Betrachtung von historischen Ereignissen nicht an den Wahrheitsgehalt dieser Ereignisse gebunden. Habe ich das so richtig verstanden?
Aber die objektive Betrachtung entspricht doch der sachlich richtigen Darstellung und nicht subjektiver Meinungen. Dabei liegt die Betonung auf sachlich richtig, was auch einen Wahrheitsghalt entsprechen sollte, oder nicht?
 
Zuletzt bearbeitet:
"Dabei liegt die Betonung auf sachlich richtig, was auch einen Wahrheitsghalt entsprechen sollte, oder nicht?"

Ja, da hast Du m.E. nach recht. Ich denke, Deine Formulierung: "sachlich richtig", trifft es ziemlich genau.

M.
 
Wenn es keine Objektivität gibt, dann gibt es keine Wahrheit.

Ich möchte mit dir mhorgran widersprechen, dass es sehr wohl Objektivität gibt. Allerdings ist Objektivität ein Ideal, welches wir nur schwerlich erreichen können. Man kann das mit einem Funktionsgraphen, bei dem x=0 ist vergleichen. Obwohl dieser sich der x-Achse immer weiter nähert, wird er sie nie erreichen. Man spricht daher von Intersubjektivität, aber das ist eben auch etwas dekonstruktivistisch gedacht.


Tritt ein Faktum in die Geschichte ein, wird es zugleich auch Gegenstand der Betrachtung der Geschichte resp. Geschichtsschreibung; das Wort: "Geschichtswissenschaft" meide ich möglichst.

Was hast du an dem Begriff Geschichtswissenschaft auszusetzen? Besteht hier vielleicht ein begriffliches Missverständnis? Geschichtswissenschaft und Geschichtsschreibung sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.

Vielleicht sehe ich es einfach mit einer "einfacheren" Stimme. :(
Demnach ist die objektive Betrachtung von historischen Ereignissen nicht an den Wahrheitsgehalt dieser Ereignisse gebunden. Habe ich das so richtig verstanden?
Aber die objektive Betrachtung entspricht doch der sachlich richtigen Darstellung und nicht subjektiver Meinungen. Dabei liegt die Betonung auf sachlich richtig, was auch einen Wahrheitsgehalt entsprechen sollte, oder nicht?

Das Problem ist, dass wir immer nur einen Ausschnitt aus der Geschichte überliefert haben und diesen immer nur subjektiv wahrnehmen und rekonstruieren. Natürlich gibt es Fakten. Dass wir die Wahrheit nicht objektiv wahrnehmen können und jeder deshalb seine subjektive Wirklichkeit erschafft (sic!), ist kein Freibrief für eine willkürliche Interpretation von Sachverhalten, doch letztendlich bleibt es nur Rekonstruktion und die ist eben subjektiv, da jeder einzelne von uns den Sacherhalt nachrekonstruieren muss (nur weil ein Historiker eine Abhandlung über einen historischen Sachverhalt schreibt, ist diese ja nicht gleich in allen Köpfen).
 
das Wort: Geschichtswissenschaft" meide ich möglichst.
Warum ? Wenn es ein einfach zugängliches Wissen gäbe, bräuchte man keine Wissenschaft.

Wegen der Kompliziertheit der Wahrheitsfindung hat sich in der Geschichtswissenschaft eine ausgeprägte Kultur des Meta-Wissens entwickelt : Woher kommt eine Information ? Wodurch ist sie belegt ? Wie wurde die Quelle interpretiert ? Welche anderen ggf. gegensätzliche Interpretationen gibt es ?

Die ach so objektiven Naturwissenschaften sollten sich von dieser Subjektivitätsvermutung ruhig eine Scheibe abschneiden, denn allzu viel Gläubigkeit in die allerneusten Erkenntnisse "der Wissenschaft" ist nicht gut.
 
Zurück
Oben