Ortsnamenkunde

Sepiola

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Du siehst aber selbst, wie mehrdeutig die Deutung sein kann. Ich bezog mich auf Friedrich Klauß "Die deutschen Ortsnamen des Kreises Köthen".
Er teilt die erste Periode wie folgt ein:
um Chr. Geb. Hermunduren - ari -Männer
um 200 Langobarden -by- bau
auch um 200 Angeln - leben- Hügel, Warft, Wurth
um 300 Warnen-lingen-Zugehörigkeit , Sippe
Vermutlich ist er überholt, aber logischer sind moderne Deutungen auch nicht. Nach längerem Suchen findet man hier in fast allen Dörfern slawische Wurzeln. Über Dissowe hat man lange gestritten, bis man vor ein paar Jahren tatsächlich in der Stadtlage etwas fand.
Im Ortskern von Chörau gibt es dafür nicht einen einzigen slawischen Fund. Ein winziger sorbischer Weiler lag etwa einen Kilometer östlich. Daneben eine deutsche Siedlung bzw. ein Mönchshof. Chörau wurde im 18.Jhd neu gegründet.

Dieser Friedrich Klauß konnte Hermundurisch um Chr. Geb. von Langobardisch um 200 unterscheiden?
Respekt!


Konnte er. Langobarden sind nur durchgezogen: Steckby, Barby, Brumby. Angeln blieben. An Hand der Grabriten und Beigaben nachgewiesen. Prägefrische Severus-Münze im Kopf eines Frauengrabes von Preusslitz. Schlüsselfossilien der Angeln, die Fensterurnen, liegen vor. An den völlig identischen Funden von Groß- und Kleinpaschleben nimmt er sogar an, dass das slawische Klein-Pazluuize von den Slawen vom deutschen Groß-Paschleben abgeleitet wurde.

Wenn Klauß tatsächlich so argumentiert: "Langobarden sind nur durchgezogen", dann zerschießt er seine eigene Argumentation. Wer nur durchzieht, gründet keine Siedlungen, die Jahrhunderte halten. Irgendwie erinnert mich das an Eberhard Kranzmeyer, der sich bemüht hat, auf Biegen und Brechen "langobardische" Ortsnamen in Kärnten und Slownien "nachzuweisen".

Im übrigen sehe ich nicht, auf welchen Fakten die Zuordnung "ari" = Hermundurisch, "by" = Langobardisch, "leben" = Anglisch usw. basiert.

Vermutlich ist er überholt, aber logischer sind moderne Deutungen auch nicht.
Mich würde interessieren, welche Kriterien Du für die "Logik" einer Deutung anlegst. Ortsnamen sind dann "logisch", wenn man damit den einen Ort vom anderen unterscheiden kann. Es lässt sich trotzdem nicht vermeiden, dass zwei Ortsgründer zur selben Zeit an verschiedenen Orten dieselbe Idee für eine Benennung haben. Sind es kleine Orte, die weit auseinander liegen, ist das kein Problem. Wenn eine Verwechslungsgefahr besteht, muss man Abhilfe schaffen. Das war offensichtlich im Fall Zerbst so. Den kleineren Ort hat man dann Cerwistken, Klein Zerwistgen oder Klein Zerbst genannt.

Prägefrische Severus-Münze im Kopf eines Frauengrabes von Preusslitz.
Was hat das nun für den Ortsnamen Preusslitz (1145 Bruislizi, Bruslize) zu bedeuten?
 
...wenn man bedenkt, aus welcher Zeit die wenigen Quellen zur Trümmersprache langobardisch stammen (gibt ein Buch darüber), dann erstaunen langobardische Ortsnamen 2.-3. Jh. umso mehr... auch hermundurische Schriftquellen aus dieser Zeit sind gewiß spektakulär!
Dass ernsthaft irgendjemand für den genannten Zeitraum langobardische von anglischen und hermundurischen Ortsnamen unterscheiden kann und das obendrein nachweist, erscheint mir höchst zweifelhaft.
Im übrigen sehe ich nicht, auf welchen Fakten die Zuordnung "ari" = Hermundurisch, "by" = Langobardisch, "leben" = Anglisch usw. basiert.
eben, die Fakten dazu wären erfreulich ;)
 
eben, die Fakten dazu wären erfreulich

Was die -leben-Namen betrifft, lese ich bei Manfred Niemeyer, Deutsches Ortsnamenbuch, folgendes:

"Das Vorkommen w der Elbe, in TH und dem ö Harzvorland entspricht in etwa der Ausdehnung des 531 zerstörten altthüringischen Reiches. Abgesehen von wenigen jüngeren Bildungen dürften die Namen im Wesentlichen zwischen dem 5. und 7. Jh. entstanden sein, wobei der Typus noch bis ins 9. Jh. aktiv blieb. Nach vorherrschender Meinung hängt das d. Verbreitungsgebiet mit dem separaten südschwedisch-dänisch-schleswigschen -löv / -lev-Gebiet insofern zusammen, als seit dem 4. Jh. Stammesverbände oder -gruppen (Warnen / Angeln?) von N her in Altthüringen einwanderten und den Namentyp produktiv einführten. Dass es sich um autochthone germ. Entwicklungen gehandelt habe oder ein urspr. zusammenhängendes Gebiet durch Abwanderung oder slaw. Einwanderung getrennt wurde, erscheint unwahrscheinlich."

Mit den Angeln war Klauß also vielleicht gar nicht so sehr auf dem falschen Dampfer, nur die Datierung ist ein paar Jahrhunderte zu früh.
Die -by-Namen lassen sich auf das Altsächsische zurückführen, da hat er sich wohl mit den Langobarden etwas verspekuliert.
Bei den Hermunduren dürfte es mit Fakten ganz mau aussehen.
Die -ingen-Namen sind nahezu allgegenwärtig, vom friesischen bis in den bairischen Raum...
 
Dann eben hier:


Es ging um Ortsnamen, um hermundurische mit -ari und langobardische mit -by.
Zumindest laut deinem obigen Beitrag.
Klauß nennt als Beispiele nur Crüchern, zweifelsfrei eine hermundurische Hochburg, Cruchere 1270, "bei den Männern an der Krücke-Krümmung (Ziethe)" . Und -by als "Bau". Zumindest bei Brumby. Wiki: brum als Brunnen und by als Platz. Also Platz des Brunnens. Barby hieß aber barbogi 961. Ort am Fluss-Bogen. Zu Steckby fand ich keine Informationen. Man sieht aber, welche sprachlichen Klimmzüge hier gemacht werden.
 
Das Grab wurde an Hand der Beigaben als Angeln-Grab identifiziert und gilt als Beweis für deren Anwesenheit kurz nach dem Prägezeitpunkt. Im Ortsnamen spiegelt sich das nicht mehr wider.
 
zweifelsfrei eine hermundurische Hochburg

Wann immer die Hermunduren im Spiel sind, ist schon mal gar nichts "zweifelsfrei". Wann und wo lassen sich denn Hermunduren zweifelsfrei nachweisen?

Barby hieß aber barbogi 961. Ort am Fluss-Bogen. Zu Steckby fand ich keine Informationen. Man sieht aber, welche sprachlichen Klimmzüge hier gemacht werden.

Welche denn? Laut Niemeyer wäre *bōgī das altsächsische Wort für ‘Biegung':

Die -by-Namen lassen sich auf das Altsächsische zurückführen

Wo ist das Problem?

Natürlich zur Zeitenwende. Und zwar an Hand der zahlreichen Waffenfunde eine bewaffnete.
Und wie wären die dazwischenliegenden 1270 Jahre zu überbrücken?
 
An den völlig identischen Funden von Groß- und Kleinpaschleben nimmt er sogar an, dass das slawische Klein-Pazluuize von den Slawen vom deutschen Groß-Paschleben abgeleitet wurde.

Das ist ein interessanter Fall, nicht zweifelsfrei zu entscheiden.
Klein-Paschleben wird 1179 erstmals als Pazlauuize erwähnt, Groß-Paschleben erscheint 1035/61 als Pazleba, 1159 als Pazlove.
Die Ähnlichkeit zum altpolnischen Personennamen Paczławski springt ins Auge. Mir scheint die Eindeutschung eines slawischen Namens wahrscheinlicher als die Slawisierung eines deutschen Namens:
Im sorbischen Sprachraum wurde eine slawische Endung -slav’ oft sekundäre an die bestehende mittelniederdeutsche Endung -leve oder an die mittelhochdeutsche Endung -leibe(n) angepasst.[3] So gehen die Ortsnamen Blattersleben, Jersleben (Kreis Wolmirstedt) und Pripsleben (Kreis Demmin, Vorpommern) aus den rekonstruierten Ortsnamen *Bratroslav’, *Jaroslav’ und *Pribyslav’ zurück.[3]
-leben – Wikipedia (ist zwar nur Wiki, vgl. aber Stanisław Rospond, Auf dem Wege zum Slawischen Onomastischen Atlas, in: Zeitschrift für Slawistik, Bd. 28, Ausg. 3, 1983)

Ein ursprünglich deutscher Ortsname auf -leben wird von Ernst Eichler, Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße, Band II (Bautzen 1993) immerhin in Erwägung gezogen. Schwierigkeiten bereitet dann die Erklärung von Paz-.
 
Wann immer die Hermunduren im Spiel sind, ist schon mal gar nichts "zweifelsfrei". Wann und wo lassen sich denn Hermunduren zweifelsfrei nachweisen?
Welche denn? Laut Niemeyer wäre *bōgī das altsächsische Wort für ‘Biegung':
Wo ist das Problem?
Und wie wären die dazwischenliegenden 1270 Jahre zu überbrücken?
Die Hermunduren werden bevorzugt im Köthener Land lokalisiert. Die Friedhöfe waren aber über mehrere Jahrhunderte lücken- und übergangslos belegt. Wer soll wissen, wie die Leute zu diesen Zeiten hießen?
Die Theorie mit by = Bau passt nicht zu Biegung.
In den 1270 Jahren passierte so einiges, was nicht überliefert ist. So wurde hier im Köthener Land der erste markomannische Fund auf deutschem Boden gemacht. Es ist sinnlos, zu spekulieren.
 
Es gibt aber keinerlei Beleg, dass ein Ort namens "Cruchere" 1269 oder gar früher existierte, abgesehen davon, dass die Herleitung nicht wirklich überzeugt.
Geht es um Pfarrer Wilhelm Ziethe?
Sepiola hat Recht. Es geht um das unbedeutende kleine Flüsschen oder eher Bächlein.
Gute Nacht!
 
Wer soll wissen, wie die Leute zu diesen Zeiten hießen?
Eben.

Die Theorie mit by = Bau passt nicht zu Biegung.
Muss ja auch nicht:
Nur weil die Endung gleich ist, muss nicht die Herkunft gleich sein.
Vielleicht ist die "Theorie mit by = Bau" in diesem Fall auch einfach nur Käse. Vor allem, wenn sie nur auf Wiki zu finden ist und dort weder Quellen- noch Literaturangaben noch sonstige Hinweise gegeben werden...
 
Vielleicht ist die "Theorie mit by = Bau" in diesem Fall auch einfach nur Käse.

Sieht ganz danach aus.
Die frühen Belege für Brumby (Brumboie, Brumboge) deuten darauf hin, dass auch hier die "Biegung" zur korrekten Deutung führt.
Ortsnamenbuch Des Mittelelbegebietes

Das zumindest dürfte wissenschaftlicher Konsens sein:

"Büh/Böge, in Ortsnamen auch -by, 'Wiese an einer Fluss- oder Bachbiegung' wird auch heute noch von Einzelnen als Folge von skandinavischen Einflüssen betrachtet, obwohl dieses schon Reccius (1930) abgelehnt hatte. Inzwischen ist man mit Recht von dieser These abgerückt. Die angeblich nordischen Ortsnamen auf -by gehören vielmehr als Ableitung von bōgī letztlich zu dt. biegen, wie auch die neueste Untersuchung zu den Ortsnamen des Mittelelbegebietes von Inge Bily keinen Zweifel daran lässt."

Jürgen Udolph, Flur- und Gewässernamen in Ostfalen
 
Das ist ein interessanter Fall, nicht zweifelsfrei zu entscheiden.
Klein-Paschleben wird 1179 erstmals als Pazlauuize erwähnt, Groß-Paschleben erscheint 1035/61 als Pazleba, 1159 als Pazlove.
Die Ähnlichkeit zum altpolnischen Personennamen Paczławski springt ins Auge. Mir scheint die Eindeutschung eines slawischen Namens wahrscheinlicher als die Slawisierung eines deutschen Namens:

-leben – Wikipedia (ist zwar nur Wiki, vgl. aber Stanisław Rospond, Auf dem Wege zum Slawischen Onomastischen Atlas, in: Zeitschrift für Slawistik, Bd. 28, Ausg. 3, 1983)

Ein ursprünglich deutscher Ortsname auf -leben wird von Ernst Eichler, Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße, Band II (Bautzen 1993) immerhin in Erwägung gezogen. Schwierigkeiten bereitet dann die Erklärung von Paz-.
Klauß: Pazleba = Wurth eines Paz, Kurzform von Badhwo= Kämpfer , dessen voller Name wohl Badhomar oder Badhwig lautete.
 
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