Ostpolitik im 12. Jahrhundert

Historiker1989

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Hallo,

mich würde interessieren, wie die Ostpolitik im 12. Jahrhundert von Seiten des Deutschen Reiches ausgesehen haben mag.

Was ich persönlich herausgefunden habe:

Die Kreuzzüge fanden zu diesen Zeiten statt, unter anderem mit Barbarossa an ihrer Spitze. Im Deutschen Reich kam es zu einem starken Anstieg der Bevölkerung. In osteuropäischen Ländern wie Polen ebenso. Die Menschen wanderten in den Osten aus, weil ihnen dort viel und gutes Land versprochen wurde. Zudem war zum Beispiel Polen bereits christianisiert. Allerdings musste das Deutsche Reich, ebenso wie Polen mit innenpolitischen Konflikten kämpfen. Es fehlte eine mächtige Zentralgewalt, wobei dies eher auf Polen zutraf. Bei den Konflikten fand ich folgendes: Westpommern wurde gezwungen, dem Kaiser Barbarossa eine Huldigung zu leisten.

Was war sonst noch charakteristisch für diese Zeit? Wirtschaftlich und politisch.
Fanden überhaupt Konflikte vom Deutschen Reich mit den Ostgebieten wie Polen oder Ungarn statt, oder war das Deutsche Reich mit den Kreuzzügen voll beschäftigt und hat sich deshalb mit der bestehenden Grenze zufriedegegeben?

Ich danke!
Das Thema wird morgen im Seminar zu Diskussion gestellt und deshalb möchte ich da sehr gut informiert sein.
 
Die Kreuzzüge dürften die Kaiser und Könige nur am Rande tangiert haben. Im 12. Jhd gab es 2 mit deutscher Beteiligung. Der 2. unter Konrad III. und der 3. unter Barbarossa. Beide waren schnell vorbei, da beide ein Reinfall waren... Gründe sind bekannt.

Soweit ich weiß, hat es mit osteuropäischen Königreichen wie Polen und Ungarn im 12. Jhd keine Grenzstreitigkeiten gegeben, falls das zuvor je der Fall war. Gerade Barbarossa hatte sein Hauptaugenmerk auf die Wiederreichtung kaiserlicher Rechte in Italien gelegt.

In Mecklenburg hat Heinrich der Löwe die Herrschaft der Obodriten beendet.

Die große Ostkolonisation setzte erst in den folgenden Jahrhunderten ein.
 
Zunächst: Den Begriff "Deutsches Reich" für das mittelalterliche Heilige Römische Reich zu verwenden, ist anachronistisch und fast tendenziös. Bis auf den uralten Eduard Hlawitschka ist mir auch kein namhafter lebender Historiker bekannt, der immer noch auf dieser anachronistischen Begrifflichkeit beharrt. Das hat schon vor zwanzig Jahren Carlrichard Brühl ad absurdum geführt.

Konkret: Die Ostsiedlung nach Böhmen, Polen und Ungarn nahm erst im 13. Jahrhundert einen regelrechten Aufschwung, der dann um 1350 abbrach (Pestwelle). Ihren Höhepunkt erreichte die deutsche Kolonisierung in Böhmen unter Přemysl Ottokar II. (1248/53—1278), in Polen ab der 1202 erfolgten Aufgabe des Senioratsprinzips, wodurch in den geschwächten Teilfürstentümern eine Kolonisierung durch deutsche Siedler forciert wurde. In Ungarn schließlich beförderten der Mongolensturm von 1241/42 und die damit einhergehenden demographischen Einbrüche die Migration aus dem Westen. Hierbei ist auch eine institutionelle Verdichtung zu Kroatien-Slawonien sowie Transsylvanien zu beobachten.

(Zititert nach Christoph Augustynowicz: Geschichte Ostmitteleuropas. Ein Abriss (= Basistexte Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2), Wien 2010.)
 
Als Römischer Kaiser bezeichnete sich bereits Otto II. 982. Seit spätestens Konrad II. (1024—1039) ist dann auch Römisches Reich belegt. Heiliges Reich kommt unter Friedrich Barbarossa 1157 vor, und Heiliges Römisches Reich erscheint erstmals 1254. Spätestens im 14. Jahrhundert ist das absolut usus geworden, z. B.:

"Wir Wenczlaw von gotes gnaden Romischer kunig zu allen czeiten merer des reichs und kunig zu Beheim [...] mit rate der kurfursten und anderr fursten edeln und stette des heyligen Romischen reichs [...]"

(K. Wenzel bestätigt und erneut den Landfrieden an dem Rhein und in der Nähe daselbst, den sein Vater erichtet hatte. 1379 Jan. 21 Nürnberg.)

Zit. nach: WEIZSÄCKER, Julius (Hrsg.): Deutsche Reichstagsakten, Bd. 1, München 1867, Nr. 133 (1379).
 
Zuletzt bearbeitet:
"Ostkollonisation" ist eigentlich ein falscher Begriff. Ostsiedlung trifft es genauer. Der richtige zu verwendende Begriff wird jedoch immer wieder disskutiert und ist zum Teil ideologieabhängig.
Im 13.Jh. werden "deutsche" Siedler von slawischen und polnischen Fürsten wie den Piasten selbst ins Land geholt. So siedeln sich Flamen z.B. in Pommern Schlesien und im Fläming (Brandenburg) an.
Durch die Annahme des Christentums wurde schon 968 durch die Gründung des Erzbistums Posen einer Kreuzzugsbewegung gegen Polen entgegen gewirkt. Letztlich greifen Ottonen und polnische Fürsten gleichzeitig auf die wendischen Gebiete aus und standen in Konkurenz. Kämpfe finden von wenigen Ausnahmen abgesehen (Markgraf Wiechmann-Mizko) nicht gegen Polen statt. Immer wieder gehen Gebiete durch Slavenaufstände verloren.
Erst die Zuhname der Bevölkerung in den westlichen Gebieten (Mittelalterliches Klimaoptimum) spielt bei der Besiedlung eine große Rolle und greift auch auf weiter entfernte Bereiche, wie z.B. Siebenbürgen aus.
Kämpfe finden gegen, zwischen den beiden Reichen siedelnden Slaven und einzelnen "deutschen" Fürsten (Albrecht der Bär,Bischof Wiechmann, Heinrich der Löwe) statt. In Norddeutschland z.B. beginnt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit der Eroberung Ostholsteins und Lauenburgs durch Adolf II. von Schauenburg Holstein die Unterwerfung der slawischen Bevölkerung. Der Versuch der Etablierung eines christlichen Königtums durch die Obotriten- Fürsten Gottschalk und Heinrich führt nach Kämpfen mit den Wagriern nicht zum gewünschten Erfolg. Nach erbitterter Gegenwehr gegen die deutschen und auch dänischen Lehnsherren erfolgte eine intensive Christianisierung und in den folgenden zwei Jahrhunderten kamen hunderttausende deutsche Einwanderer in die ehemals slawischen Gebiete. Die slawische Bevölkerung wurde dabei zurückgedrängt, erhielt häufig einen geringeren Rechtsstatus, zog sich in Reservate zurück und ging schließlich in der deutschen Bevölkerung auf. Auch wenn es Handel, Märkte und Vorformen von Städten schon in slawischer Zeit gab, entstanden erst im Zuge dieser Bewegung "Städte im Rechtsinne" mit Bürgerbegriff und Stadtmauer.
Die erste deutsche Stadtgründung an der Ostsee war im Jahr 1143 Lübeck. Weitere Stadtgründungen nach dem Jahr der Ersterwähnung waren 1218 Rostock, 1228 Wismar, 1234 Stralsund, 1243 Anklam und schließlich 1248 Greifswald.
Die massive Zuwanderung, die Gründung von Städten, die Christianisierung und die Assimilierung der slawischen Bevölkerung führen zur eigentlichen nun dauerhaften "deutschen" Besiedlung und Ausdehnung des Reiches.
Eine gezielte kaiserliche Ostpolitik oder einer Kollonisation ist dabei nicht auszumachen, wie von MacX erwähnt war Barbarossa mit Oberitalien beschäftigt, von einem kurzen Besuch und der Vergabe von Privilegien in Lübeck abgesehen.
Eigentlich handelt es sich um Streitigkeiten und Kämpfe einzelner Fürsten, selbst zwischen "deutschen"(Bsp. Streit zwischen Adolf II. und Heinrich dem Löwen um Lübeck, oder Heinrich dem Löwen und Albrecht dem Bären) Diese suchen jeweils die Gunst der Stunde und die Schwäche der Gegner zu nutzen. Eine gezielte Kolonisation scheint hier fraglich.
 
Wieso das denn? Die Bezeichnung ist seit dem 13. Jhdt. belegt.

Und wir sprechen hier vom 12. Jhd.


Das allerdings ist eine moderne Bezeichnung.

Vom "deutschen Reich" spricht man im 11. Jhd bereits, wobei ich die Bezeichnung in dem Zusammenhang auch nicht vorbehaltslos verwenden würde.

Daher bevorzuge ich die treffende Umschreibung "römisch-deutsch". Das erspart uns das ewige Begriffsgezanke, was uns eh jedes Mal vom Thema wegführt.
 
Die Frage ist doch, wer im 11. Jahrhundert vom "Deutschen Reich" spricht: Es ist der Papst, besonders Gregor VII., der regnum Teutonicorum geradezu als "Kampftitulatur", also eindeutig abwertend, verwendet. Heinrich IV. sah sich natürlich als Romanorum rex an, nicht nur als Teutonicorum rex; das wäre ja eine Beschränkung auf Deutschland gewesen.

(Vgl. u. a. BRÜHL, Carlrichard: Deutschland — Frankreich. Die Geburt zweier Völker, 2., verb. Aufl., Köln, Wien 1995, S. 717.)
 
Wobei, das möchte ich bloß der Form halber festhalten, der Begriff teutonium mit all seinen Ableitungen etymologisch allenfalls sehr indirekt etwas mit deutsch zu tun hat.
Wenn sich der Stamm der Teutones von derselben indoeuropäischen Wurzel wie das germanische thiudisk ableitet, dann sind die beiden Worte auf ein gemeinsames Etymon zurückzuführen. Die vielfache Gleichsetzung von Teutonen mit deutsch, die sich dann in dem hyperkorrigierten* Teutsch ausdrückt, ist eben leider falsch.
Mit dem Regnum teutonicorum mag dann zwar das deutsche Reich gemeint sein, (also die ÜS ist im Sinne des Verfassers nicht völlig falsch) aber eigentlich geht es ja auch darum, zu barbarisieren.

*hyperkorrigiert heißt z.b. wegen einer falschen etymologischen Annahme falsch "richtig" geschrieben.
 
Die Frage ist doch, wer im 11. Jahrhundert vom "Deutschen Reich" spricht:
das ist eine sinnvolle Frage - eine andere ist, wie es denn um die "Ostgrenze" der besagten Herrschaft im 12. Jh. bestellt war... eine Erweiterung des Herrschaftsgebiets setzt ja voraus, über die eigenen territorialen Grenzen hinaus zu gehen - wie war die Ostgrenze beschaffen im 12. Jh.?
 
Scheinbar reiben sich die Geister immer wieder gern an der Frage ab wann wir uns, oder besser unsere Vorfahren deutsch nennen dürfen, bzw. sich selbst nannten. Nicht nur hier sondern auch an anderen Stellen im Forum. Um die Schwierigkeit des Schverhaltes wissen wir alle. Für die Ostpolitik und auch für andere Diskusionen ist es letztlich aber nicht erheblich.
Es wäre müßig jedes mal von "Dem Reich das sich später mal deutsch nennt, aber noch nicht deutsch ist, sich römisch nennt, aber in wirklichkeit gar nicht römisch ist, sondern sich in der Tradition der röm. Imperiums sieht.....usw." zu schreiben.
Ich für meinen Teil benutze für diesen Zeitraum trotzdem gern "deutsch" in Anführungszeichen. Erstens, weil damit jedem klar sein sollte um wen es sich handelt und zweitens um darzustellen, dass es sich noch um das HRR handelt.
Die archäologen benutzen im Bereich meiner Heimat die Begriffe "slawisches Mittelalter" und "deutsches Mittelalter". Dies sind natürlich im Nachhinein künstliche abstrahierte Begrifflichkeiten, sind aber für eine wiss. Disskusion völlig ausreichend.
Vieleicht wäre ein eigener Tread zu diesem Thema eine spannende Sache?
 
Die Frage ist doch, wer im 11. Jahrhundert vom "Deutschen Reich" spricht: Es ist der Papst, besonders Gregor VII., der regnum Teutonicorum geradezu als "Kampftitulatur", also eindeutig abwertend, verwendet. Heinrich IV. sah sich natürlich als Romanorum rex an, nicht nur als Teutonicorum rex; das wäre ja eine Beschränkung auf Deutschland gewesen.

Nein, das ist nicht die Frage. Jedenfalls nicht in diesem Thread.
Da mein Punkt lediglich der war, dass das Gebilde mit "römisch-deutsch" hinreichend für alle Epochen umschrieben ist, während nur "deutsch", nur "römisch" und "heilig+römisch", entweder in nur in bestimmten Zeiten, oder für bestimmte Zwecke verwendet wurden, werde ich die Diskussion hier nicht fortführen.

Hier gehts um die "Ostpolitik" im 12. Jhd.
 
Was war sonst noch charakteristisch für diese Zeit? Wirtschaftlich und politisch.
Fanden überhaupt Konflikte vom Deutschen Reich mit den Ostgebieten wie Polen oder Ungarn statt, oder war das Deutsche Reich mit den Kreuzzügen voll beschäftigt und hat sich deshalb mit der bestehenden Grenze zufriedegegeben?

Die eingangs gestellte Frage zur deutschen Ostpolitik - oder auch zur Ostpolitik des römisch-deutschen Kaiserreichs - ist vor allem verknüpft mit der Ostsiedlung. Das ist ein Prozess, der rund 400 Jahre währte, die demografische und politische Situation jenseits der Elbe-Saaale-Linie völliog umgestaltete und in folgenden Abschnitten verlief:

Während der Völkerwanderung gaben die Germanenstämme jenseits der Elbe-Saale-Linie ihre Sitze auf und zogen nach West- und Südeuropa (z.B. Vandalen, Burgunder, Sweben, Rugier usw.). In die verlassenen Gebiete rückten allmählich Slawen nach, doch blieb der Raum nur dünn besetzt.

Im 10. Jh. setzte dann unter den Ottonen eine Expansion nach Osten ein und es wurden unter anderem die Bistümer Havelberg, Brandenburg, Ratzeburg, Zeitz, Meißen sowie das Erzbistum Magdeburg gegründet. Dieser Zustand war jedoch nur von kurzer Dauer, denn nach dem großen Slawenaufstand von 983 ging das zwischen Elbe und Oder eroberte Gebiet wieder verloren, sodass die Elbe-Saale-Linie erneut politische und ethnische Grenze wurde.

Erst seit dem 12. Jh. begann dann die Hauptphase der deutschen Ostsiedlung, die sich im übrigen relativ friedlich vollzog. Hier wird oft übersehen, dass auch slawische Fürsten und adlige Grundherren ein großes Interesse an der Urbarmachung ihrer öden Gebiete hatten und Siedler aus dem Westen ins Land riefen. Ihrem Ruf folgten vor allem Sachsen, Friesen, Flamen und Kolonisten vom Niederrhein, die ihr Glück im Osten versuchen wollten.

Hinzu kommt, dass sowohl slawische als auch deutsche Fürsten mit lukrativen Angeboten lockten: Sie sicherten den neuen Siedlern persönliche Freiheit, vererbbares Land und geringe Abgaben zu - Bedingungen, die die Bauern im "Altsiedelland" nicht gekannt hatten! Auf jeden Fall war das für viele sehr attraktiv, sodass sie das Risiko eines Neuanfangs, die Strapazen einer langen Reise und die schwere Rodungsarbeit in Kauf nahmen. Dadurch entstand im Osten eine sehr milde Form der Grundherrschaft, da die neuen Siedler eine gute Rechtsstellung besaßen.

Sichtbar wird, dass der in den Osten einwandernde deutsche Adel nach einer gewisen Zeit mit dem einheimischen slawischen Adel verschmolz. In Pommern und Mecklenburg stiegen die slawischen Fürsten sogar zu Reichsfürsten auf und erlangten für ihre Länder die Landesherrschaft. Es ist interessant anhand der Stammbäume zu beobachten, wie lange sich noch slawischen Fürstennamen einheimischer Dynastien erhielten, bis sie schließlich zu irgendeinem Zeitpunkt deutschen Namen wichen.

In Pommern erhielten sich die Namen "Wartislaw" und "Bogislaw" sogar bis zum Aussterben des slawischen Fürstengeschlechts der "Greifen" und noch der letzte seines Stammes, mit dem das Fürstenhaus 1637 erlosch, hieß Herzog Bogislaw XIV.
 
Noch eine kurze Anmerkung zur ersten Hälfte des 13. Jhdts. (Stichwort "Mongolensturm").
Da weite Teile von Mittel-Ost-Europa in den 1230/1240er Jahren von mongolischen Heerscharen bedroht waren, haben sich Deutsche, Polen, Böhmen und auch Ungarn zumindest versuchsweise gegen den gemeinsamen Feind verbündet und gekämpft.

Zit. nach H. M. Schaller, Kaiser Friedrich II., Verwandler der Welt, S. 68:

"Am 09. April 1241 stellte sich Herzog Heinrich II. von Niederschlesien mit einem deutsch-polnischen Heer den Mongolen bei Liegnitz entgegen."

"Trotzdem vermieden die Mongolen eine weitere Schlacht mit dem inzwischen herangerückten böhmischen Heer; sie verwüsteten Mähren, drangen bis Wien vor und zogen sich dann in die Ebenen Ungarns zurück."

"Friedrich II. versäumte die Gelegenheit, als Retter des Abendlandes aufzutreten, obwohl ihm der ungarische König bereits die Lehnsoberhoheit angeboten hatte, falls er sein Land von den Mongolen befreie."

Hierbei sind m. E. drei Aspekte interessant:
1) Die Motivation, das christliche Abendland bzw. ein Teil davon gegen die Heiden als Bedrohung des Christentums.
2) Die Politik bzw. Strategie, gegen einen gemeinsamen Feind trotz unterschiedlicher Ethnien zu kämpfen.
3) Das erneute Versagen staufischer "Reichspolitik".

Götz zum Gruß
 
Der Vorstoß durch Polen und Mähren, wurde nur von einem Teil des Heeres durchgeführt und diente der Flankensicherung des Hauptstoßes, der direkt nach Ungarn hinein führte.

Die Vereinigung in Ungarn mit der Hauptmasse der Streitkräfte war daher Teil des Planes von Anfang an, und resultierte nicht aus den Kämpfen in Polen oder Mähren, sondern war von Anfang an das Ziel dieser flankierenden Heeresabteilung.

3) Das erneute Versagen staufischer "Reichspolitik".

Der Begriff "Staufisch" ist hier bereits problematisch, da Friedrich der II genau genommen keine staufische Politik betrieb. Es stellt sich überhaupt die Frage, ob es eine solche Politik je gab. Friedrich der II war als König von Sizilien und aufgrund seiner Involvierung in inneritalische Angelegenheiten und seinen Kampf gegen die Päpste derart eingebunden, dass er ohnehin keine Mittel frei hatte um diese gegen die Mongolen zu wenden.

Diese Zwickmühle in Italien nun ein Versagen zu nennen, verkennt die Situation und das Denken der damaligen Menschen. Die Honori Imperium war ausgesprochen wichtig für das funktionieren des Reiches, da dieses nicht zuletzt sehr stark durch Rituale, ritualhafte Handlungen und bestimmte Sichtweisen überhaupt erst ermöglicht wurde. Der römische Kaiser musste daher bestimmte Dinge auf eine bestimmte Weise tun, da ansonsten seine Herrschaft nicht funktioniert hätte.

Friedrich der II stand damit also vor ganz spezifischen Sachzwängen, auf die er politisch keinerlei Einfluss hatte. Er hatte gar keine andere Wahl.
 
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Wie gesagt, sollte mein Beitrag eine kurze Anmerkung bzw. Ergänzung zum vorherigen informativen Beitrag (# 15) sein, um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen (Ostpolitik im 12. Jhdt.) - auch wenn die Bedrohung für Mittel-Ost-Europa durch die Mongolen erst ein paar Jahrzehnte später stattfand. In diesem Zusammenhang gab es halt eine interessante "Koalition" zwischen deutschen, slawischen und ungarischen Interessen und "Politikern" (Abwehr einer gemeinsamen Bedrohung auf dem Fundament übereinstimmender kultureller Werte bzw. Wertvorstellungen).

Auf militärgeschichtliche Details wollte ich überhaupt nicht eingehen; davon abgesehen, hat es bestimmt nicht an einer militärischen Überlegenheit der "abendländischen" Ritter gelegen, dass sich die Mongolen doch relativ
schnell wieder zurückgezogen haben. Deren technische und taktische Überlegenheit zur damaligen Zeit war wohl allen Beteiligten bekannt.

Trotzdem oder gerade deswegen hätte der letzte wirklich einflussreiche Staufer m.E. mehr aus dieser Situation/Gemengelage machen können (klingt mit einem zeitlichen Abstand von 750 Jahren trivial...).
Daher mein vielleicht etwas zu pauschaler Befund der Reichspolitik zum Ausgang der Stauferära.
Kurze Erläuterung: Bekanntlich hatte sich unter Friedrich II. bereits eine Art "Heeresreform" vollzogen, weniger "alte" Rittersleute (gepanzerte Reiter), mehr "Söldner", wie z.B. auch die Sarazenen, die er von Sizilien aufs ital. Festland "umgesiedelt" hatte und die ihm angeblich treu ergeben waren.
Hätte daher Friedrich II. die Chance erkannt, die darin bestanden hätte, sich an die Spitze eines (Kreuzzugs-)Heeres gegen die Mongolen zu stellen und damit seine geistig-politisch-militärische Führungsposition zu demonstrieren, wäre vielleicht die eine oder andere Entwicklung in der Mitte des 13. Jhdts. anders verlaufen.
Möglicherweise hat er diese "Option" sogar gesehen, war aber aus "spezifischen Sachzwängen" heraus nicht in der Lage, hierauf zu reagieren (hierfür bin ich zu wenig Spezialist in Sachen Friedrich-Zwo).

Im Übrigen ist es auch bei dieser Spekulation müßig, was wäre wenn...
Fakt ist, die "Herrscher" (Staatsmänner) Ost- bzw. Südosteuropas - s. Ungarn - wären bereit gewesen, eine Führungsrolle Friedrichs II. bzw. des HHR anzuerkennen und diese Chance wurde nicht genutzt.

Noch kurz zum Argument der "Sachzwänge", in denen sich die staufische Reichspolitik befand (nicht erst seit Friedrich-Zwo):
Aber einen guten Staatsmann/Politiker zeichnet es doch gerade aus, auf politische Sachzwänge so zu reagieren, dass er am Ende seine Position durchsetzt.
Selbst Barbarossa ist dies in Italien aber letztlich auch nicht gelungen und sein Enkel wurde gar zweimal von der Kurie gebannt und ab 1245 für abgesetzt erklärt (inkl. Gegenkönigen, Mordanschlägen usw.) und last but not least: angeblich soll ja seine Politik am Tod seines Erstgeborenen Schuld sein.
Wenn man dies nicht als Scheitern betrachten kann.....

Jetzt wäre tatsächlich zu hinterfragen, ob es überhaupt eine konsistente Politik unter den einzelnen Staufern oder gar die staufische Politik als allgemein gültiges Programm (um es mit heutigen Worten zu formulieren) gegeben hat ?

Eine Diskussion, die die Ausgangsfrage des Themenstarters "leicht" sprengen dürfte. Sollte daher vielleicht separat behandelt werden.

Einen schönen Sonntag, Götz zum Gruß
 
Es kann sein, dass ich hier etwas durcheinander werfe aber
wenn wir hier von der "Ostpolitik" im 12./13. Jhd. sprechen, dann
spielen die Mongolen m.E. nicht jene wesentliche Rolle wie hier bisher beschrieben wurde. Sicherlich, für Russland und Ungarn bedeuteten ihre Einfälle schwere Verluste an Land und Leuten, aber bereits 1262 n.Chr. gelang es den Ungarn dem Schrecken ein erstes wenn auch vorübergehendes Ende zu machen.
Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass von Seiten
der Kirche aus die Mongolen lange Zeit als potentielle Bündnispartner im Kampf gegen die Muslime des Heiligen Landes betrachtet wurden; in der Folge konnte man sich ihnen gegenüber gar nicht so klar positionieren wie hier teilweise gefordert wurde, zumal wenn die meisten europäischen Fürsten ohnehin nur aus dem Hörensagen von ihnen wussten.
Bei dem Thema dieses Threads würde mich daher eher interessieren, wie die "deutsche" Siedlungspolitik (Germania Slavia) aussah vor allem im Hinblick auf die sog. Wendenkreuzzüge sowie die Unternehmen ähnlichen Charakters während des 4. Kreuzzuges.
 
1) Also ich glaube nicht, dass das "Mongolen"-Thema in der bisherigen Diskussion zu stark gewichtet wurde bzw. in den Vordergrund gerückt wäre.
Wie in anderen Beiträgen (insb. v. hardy73 u. dieter) betont wird, lässt sich das Thema "Ostpolititk" nicht auf ein einziges Jahrhundert bzw. wenige Generationen beschränken.
Wenn um 1150 ein bestimmter "Schlag" von Stammesherzögen eine eher rücksichtslose Polititk betreibt (so wird ja gerne "landläufig" das Vorgehen der Welfen damals - und vor allem von H.d.L. - charakterisiert), dann aber zumindest in der ersten Hälfte des 13. Jhdts. die Ansiedlung von "Deutschen" auf damals slawischen Boden sogar von den dortigen Herrschern gefördert wird (klassische win/win-Situation), dann hat ja offensichtlich eine Entwicklung stattgefunden, in deren Verlauf sich sogar gemeinsame Bündnisse gegen die besagten Mongolen ergeben haben.

Auf diesem Hintergrund wollte ich meinen Hinweis im obigen Beitrag zur Schlacht bei Liegnitz 1241 verstanden wissen; sollte dies überinterpretiert worden sein, war dies nicht beabsichtigt.

2) Im Übrigen ist es ja wohl eher "zufälligen" Ereignissen, aber nicht der überlegenen Kriegskunst der abendländischen Ritter zu verdanken, dass sich die Mongolen 1242 wieder in ihre ursprünglichen Gebiete (von "Heimat" im klassischen Sinne bei Steppenvölkern zu sprechen, halte ich für etwas übertrieben) zurückgezogen haben.

Ob nämlich die deutschen Städte an der Elbe o. Donau tatsächlich einem möglichen Angriff, wäre er massiert erfolgt (und hierzu schienen die Mongolen wohl in der Lage gewesen zu sein) standgehalten hätten, wird in der Literatur bekanntlich angezweifelt.
Und man braucht nicht allzuviel Phantasie, um sich auszumalen, was dies für Verwüstungen in den betroffenen Gebieten mit sich gebracht hätte - daher sollte man diese Episode auch nicht kleiner reden als es die gesamten Umstände nahelegen (genauso natürlich auch keine Legendenbildung).

3) Weiterhin von Interesse für die besagte Zeit 1230 - 1240ff. ist nun mal die "staufische Reichspolitik", daher bin ich auch kurz hierauf eingegangen.

Von grundsätzlichen Fragen hierzu mal abgesehen, dürfte aber unbestritten sein, dass es der Staufer Friedrich II. (auch wenn er teils den Beinamen der italienische o. apulische Staufer verpasst bekommt) wegen seiner Verstrickung in die Untiefen der gesamt-italienischen Politik, es ging ja nicht nur um das ursprüngliche Reichsitalien im Sinne des alten Langobardenreichs, dessen Krone und Herrschaftsrechte Karl der Große erlangte und die dann über die Fiktion der translatio imperii in der großen Politik und der Anschauung des kleines Mannes fortwirkten, versäumt hat, sich um diese Bedrohung der "Ostgrenzen" bzw. der benachbarten Regionen zu kümmern.

Diese aus meiner Sicht falsche Schwerpunktsetzung wollte ich mit meiner Formulierung vom erneuten Versagen der staufischen Reichspolitik aufgreifen.

Hoffe, dass ich mit vorstehenden Erläuterungen etwaige Unklarheiten verschlimmbessern konnte (Ironiemodus aus !) und stattdessen nicht noch mehr Fragen aufgetaucht sind.

4) Jetzt habe ich aber auch mal ne kurze Rückfrage zur Aussage, wonach die Kirche lange Zeit die Mongolen als Bündnispartner gegen die Muslime gewinnen wollte.
Auf welchen Zeitraum und welche regionalen Ereignisse genau bezieht sich diese These ? Es gab ja bekanntlich nicht nur Jerusalem als Interessenschwerpunkt für die Kreuzzügler, sondern auch die sog. Kreuzfahrerstaaten in Kleinasien, Syrien etc.
Da insoweit auch die Interessen des "griechischen" Byzanz betroffen waren, wäre schon interessant, wer mit wem wann Bündnisse gegen die sog. Heiden eingehen wollte.
Außerdem, kann man denn zwischen einigen Reitervölkern (ich meine insbesondere Turkvölker) und den islamischen Arabern so haarscharf trennen ?

5) Zu dem im Schlusssatz angesprochenen "Wendenkreuzzug" würde ich - von den üblichen allgemeinen Geschichtsdarstellungen abgesehen - insbesondere Biographien zu den Welfen und speziell H.d.L. heranziehen.

Götz zum Gruß
 
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