Passagierschiffahrt Atlantikroute 19. Jahrhundert

L

Luana

Gast
Hallo,

vielleicht lassen sich ja einige Experten finden, die mir etwas weiter helfen können.

Es geht um die Passagierschiffahrt auf der Atlantikroute zwischen 1830 und 1880.

Zwar habe ich viele Schiffe gefunden, die als Passagierschiffe auf dieser Route unterwegs waren (Great Britain, Great Western, SS Arctic, RMS Britannia, etc), die teils mehrere hundert Passagiere transportierten und über eine 1. und 2. Klasse verfügten, aber leider keine Angaben darüber, wie man sich diese 1. bzw. 2. Klasse Kabinen vorstellen soll.

Sicherlich haben sie nichts mehr mit früheren Auswanderer-Schiffen gemein, wo Passagiere im Unterdeck zusammengepfercht waren und an Mangelernährung und Hygienemisständen eingingen, aber wahrscheinlich hat es auch noch nicht den Luxus und Glanz des 20. Jahrhunderts, wie z.B auf der Titanic oder Lusitania?

Wie groß waren die Kabinen? Womit waren sie üblicherweise ausgestattet? Wie erfolgte die Verpflegung? Wie stand es um Hygiene bzw. Sanitäre Einrichtungen? Gab es in der 1. Klasse Bedienstete oder Zimmermädchen, oder reiste man mit eigenen Bediensteten? Wie, bzw. wo wurde dieses Personal untergebracht?
Und eine etwas seltsame Frage: War es möglich, als (vermögende) Frau alleine zu reisen, oder war immer ein männlicher Vormund (Ehemann, Vater, etc.) nötig um eine Überfahrt erwerben und antreten zu können?

Vielen Dank im voraus!
Viele liebe Grüße, Sina
 
der amerikanische Komponist Louis Gottschalk fuhr um die Mitte des 19. Jhs. mehrmals als Passagier über den Atlantik, da gibt es glaube biografisches Material (von seiner Schwester zusammengestellt)
evtl findet sich in weiterem biografischen Material was, es sind ja nicht wenige im 19 Jh. über den Atlantik gefahren.
 
Zwischen 1830 und 1880 hat sich technisch enorm viel getan. Ggf. grenzt Du den Betrachtungszeitraum noch weiter ein. Nixdestoweniger kann ich Dir versichern, dass auch zu dieser Zeit immer noch Passagiere im Unterdeck zusammengepfercht waren, insbesondere, als während des 18. Jahrhunderts unterschiedliche Schiffe von unterschiedlichem Konstruktionsniveau und Zustand unterwegs waren.

Falls Du Niederplattdeutsch liest, hier ggf. ein etwas weiter führender Link:
http://www.edwardianpromenade.com/travel/a-truly-transatlantic-society/
 
Vielen Dank schon mal für Eure Antworten!

„Zwischen 1830 und 1880 hat sich technisch enorm viel getan. Ggf. grenzt Du den Betrachtungszeitraum noch weiter ein.“

Es geht um mehrere Reisen hin und zurück während dieses Zeitraums. Jedoch immer mit den neuesten, schnellsten Schiffen die zu haben waren.

„Nixdestoweniger kann ich Dir versichern, dass auch zu dieser Zeit immer noch Passagiere im Unterdeck zusammengepfercht waren.“

Das bezweifle ich nicht! Nur bin ich in diesem Zeitraum zum ersten mal auf den Ausdruck „1. und 2. Klasse“ gestossen. Wahrscheinlich weil durch die schnellere Überfahrt jetzt nicht nur verzweifelte, arme Auswanderer, sondern auch die Upper Class mit hohen Ansprüchen die Reise über den Atlantik wagte.
(So ähnlich steht es auch in Deinem Link.)

Daher würde mich interessieren, wie man sich diese 1. und 2. Klasse zu dieser Zeit vorstellen darf?

Der Link ist sehr interessant, bezieht sich aber leider auf einen etwas späteren Zeitraum (etwa um die Jahrhundertwende).

Liebe Grüsse, Luana
 
Transatlantische Fahrten auf Passagierschiffen fanden erst ab etwa 1860 - 1870 statt. Da waren es dann auch Dampfer, mit dem Prestigeduell um das Blaue Band.
Da die damalige Gesellschaft mehr oder minder noch Ständisch aufgebaut war, sowohl in Deutschland als auch Grossbritannien könnte man sich mal die Titanic in der Richtung als eines der bekanntesten Schiffe angucken, auch wenn es aus dem Zeitrahmen fällt.
 
Nur bin ich in diesem Zeitraum zum ersten mal auf den Ausdruck „1. und 2. Klasse“ gestossen. Wahrscheinlich weil durch die schnellere Überfahrt jetzt nicht nur verzweifelte, arme Auswanderer, sondern auch die Upper Class mit hohen Ansprüchen die Reise über den Atlantik wagte.
(So ähnlich steht es auch in Deinem Link.)
Indirekt interessant könnte bzgl des frühen 19. Jhs die Rurikexpedition sein, da sowohl der Kapitän Otto j. von Kotzebue als auch der romantische Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso diese ausführlich beschrieben haben (insbesondere Chamisso ist da lesenswert!!) die alltäglichen Verfahrensweisen (Unterbringung, Verpflegung etc) auf einem Militärschiff - also solches galt die Rurik - scheinen vom "Passagier" Abstriche im erwartbaren Komfort aufgewiesen zu haben:
Die mitreisenden Forscher mussten sich deshalb den militärischen Gepflogenheiten an Bord unterordnen. Bezeichnend hierfür sind die Worte von Kotzebues an Adelbert von Chamisso, „daß [er] als Passagier an Bord eines Kriegsschiffes, wo man nicht gewohnt sei, welche zu haben, keinerlei Ansprüche zu machen habe.“[1]
aus Rurik-Expedition – Wikipedia
Daraus ist zunächst allgemein zu schließen, dass um 1820 Passagiere auf weiten Schiffsreisen an Bord mehr Komfort erwartet hatten, als ihnen die Mitreise auf Militärschiffen auf Offiziersniveau bot (sicherlich eine Erwartung eher der upper class, den viel "Weltreisetourismus" gab es um 1820 wohl nicht)
=> in diesem Sinne sollten Quellen/Aufzeichnungen zu Forschungsreisen des 19. Jhs. aufschlussreich sein

Der Romanautor Jules Verne - weltbekannt! - bietet sich als weitere Quelle an:
Er unternahm zahlreiche Reisen per Bahn und per Schiff, 1867 z. B. mit dem größten Passagierdampfer der Zeit, der Great Eastern, in die USA, und ab 1866 auch mit eigenen Segel- und schließlich Dampfer-Yachten auf Kanal, Nord- und Ostsee sowie im Mittelmeer.
aus Jules Verne – Wikipedia

Das führt dann weiter zu den - oftmals in exotischem Ambiente angesiedelten - Reiseromanen des 19. Jhs., wovon es vielerlei gibt. Auch hier dürfte sich Material für Passagierfahrten über den Atlantik finden.
 
Die Passagierdampfer erreichten dank eiserner Rümpfe bald Längen von 100 Metern. Doch nicht nur die Hilfsbesegelung, die Kohle sparte, erinnerte an Segelschiffe. Auch die Passagierunterkünfte blieben bescheiden. Die 1. Klasse logierte noch im Heck, die 2. Klasse eher in der Mitte des Schiffes, nahe den lauten Maschinenräumen. Jede Kajütklasse hatte meist nur einen langen Salon, von dem die kleinen Kabinen abgingen. Als Charles Dickens auf der Britannia nach Amerika reiste, dachte er »an einen Scherz des Kapitäns«, als ihn der Steward in die winzige Kajüte führte. Normale Zweibettkabinen 1. Klasse maßen kaum vier bis sechs Quadratmeter. Der weitgereiste Mark Twain spottete: »Genügend Raum, um sich darin umzudrehen, aber nicht, um eine Katze herumzuschwingen – jedenfalls nicht mit völliger Sicherheit für die Katze!« In der 2. Klasse teilten sich sogar drei oder vier Passagiere eine der kleinen Kabinen. Wenigstens verfügte nun jede Kabine über ein eigenes Waschkabinett. Das Wasser brachten die Stewards in Krügen. Das schmutzige Wasser floss in einen Behälter unterhalb der Waschbecken. Darunter stand das Nachtgeschirr, denn Toiletten und Bäder waren oft weit von den Kabinen entfernt. Mitunter teilten sich 100 Passagiere ein Bad. Allein die Dekoration der Passagierräume war üppig: Holzpaneele, Damaststoffe und schwere Tapeten überzogen Wände und Decken. Quastenbesetzte Vorhänge zierten Fenster und Türen, dicke Teppiche bedeckten die Fußböden.

Dreiklassengesellschaft auf See
Von den Kajütpassagieren isoliert reiste die 3. Klasse. In ihren Massenquartieren stießen oft lange Reihen
schmaler Etagenbetten direkt aneinander. Abends krabbelten die Passagiere vom Kopf- oder Fußende in ihre Schlafstatt. Die engen Gänge waren vollgestopft mit Gepäck. Badezimmer gab es nicht, Waschbecken nur wenige. Zudem lag die 3. Klasse im Bug, der sich im Sturm besonders stark hob und senkte. Die Passagiere verwandelten sich dann zu »einem am Boden ächzenden, jammernden, schreienden, geschüttelten Menschengewimmel«. So beobachtete es Gerhart Hauptmann. Die Ordnung in den Massenquartieren bewahrte oft ein fast militärischer Drill. Familien, ledige Männer und ledige Frauen bewohnten streng getrennte Schlafsäle. Nach dem Wecken hieß es waschen, aufräumen und putzen. »Um 7 Uhr des Morgens muß alles rein gemacht und das Zwischendeck ganz in Ordnung sein«, bestimmte eine deutsche Vorschrift. Auf einigen Schiffen musste die 3. Klasse noch immer Lebensmittel und Geschirr mitbringen und selber kochen. Stewards teilten die Frauen zum Küchendienst ein.

beide Zitate aus http://www.deutsches-museum.de/file...Verlag/060_KuT/2017/3-17-Übers_Meer/42-43.pdf
 
Äußerlich ähneln die ersten beiden Dampfschiffe der HAPAG noch sehr den Segelschiffen. Neben einem großen Schornstein in der Mitte besitzen sie zusätzlich drei Masten mit Segeln. Für die Passagiere der ersten und zweiten Kajüte - entsprechend der ersten und zweiten Klasse - bieten die Schiffe einiges an Komfort, darunter etwa "einen großen Speise- und Aufenthaltssaal, an beiden Seiten mit großen Spiegeln und Gemälden geschmückt, welche Ansichten von Hamburg, New York, landschaftliche Bilder aus der sächsischen Schweiz etc. darstellen; ferner einen 56 Fuß langen, auf das Eleganteste decorirten und möblirten Damensalon, ein Rauchzimmer mit Maroquin-Mobiliar, Mamortischen und eine Bibliothek von 400 Bänden." Auch für gastronomisch zeigt sich die Reederei ambitioniert: Zur Kühlung der Lebensmittel gibt es ein eigenes Eishaus, eine Kuh sorgt täglich für frische Milch. 120 preußische Taler kostet die Überfahrt in der ersten Kajüte. Zum Vergleich: Von 3 bis 4 Talern konnte um 1850 eine fünfköpfige Familie eine Woche lang leben.
aus Erste Dampfschiffe der HAPAG fahren nach New York
 
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