Peter der Große und seine politischen Reformen

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Hallo Gleichgesinnte,

meine Frage bezüglich Peters des Großen, die sich an seine politischen Reformen beziehen:
Der Zar hat die Kirche ja dem Staat unterstellt. Was soll das heißen. Wie hat er die Kirche entmachtet, was hat sie dem Staat unterstellt?.
Mein erster Gedanke wäre da, dass uer sie in die Politik einbezog, auch wenn das eher merkwürdig klingt.

Folgende politischen Reformen, deren Verständnis für mich von großer Bedeutung sind, sind bei Encarta aufgeschrieben:

... die Neuorganisation der zivilen Verwaltung (Städteordnung und Gouvernementsordnung), die Schaffung neuer Regierungsbehörden (Regierender Senat und Kollegien, d. h. Fachminister) und die Reform der Kirchenverfassung (Ersetzung des Patriarchats durch den Heiligsten Regierenden Synod; siehe orthodoxe Kirche). Mit der Rangtabelle schuf er die Grundlage für die Entstehung eines Dienstadels, der sich ausschließlich nach Leistung zusammensetzen sollte; weitergehende soziale Reformen scheiterten an der Beibehaltung der Leibeigenschaft.
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Mir, einem Schüler der 8. Klasse, sagt dies allerdings nicht sehr viel.
Welche Aufgaben hatten die Kolegien und der Senat, der Zar regierte doch absolutistisch, d.h. ohne die Mitwirkung ständischer Gruppen.
Welchen Zweck hatte die zivile Verwaltung? Und zum Adel: Schuf er damit wirklich einen reinen Dienstadel. Und warum war die Rangtabelle eine soziale Reform? (etwa, weil sie Nichtadligen einen Aufstieg ermöglichte?)

Bittte helft mir, das brauche ich unbedingt.
Bis gleich...
 
Man muß bedenken, daß Peters Politik der Europäisierung ihm viele Feinde auf Seiten der konservativen Bojaren und auch der Kirche machte. Ein Zar, der sich noch im reifen Alter an den wilden Partys seiner "Saufsynode" amüsierte, der bei einer Parade als gemeiner Soldat hinter einem Ausländer wie Lefort herlief, der mit Gewalt europäische Kleidung einführte und das scheren der Bärte erzwang, erschien vielen Russen als Affront. Peter hat in seiner Regierungszeit oftmals Aufstände von Altgläubigen niederschlagen müssen. Den russischen Adeligen hat er vieles abverlangt. Sie mußten die freundliche Umgebung Moskaus aufgeben und sich in Petersburg niederlassen, einer Stadt ohne Hinterland mit ungesundem Sumpfklima. Doch wer in Peters Reich vorankommen wollte, mußte sich notwendig der Europäisierung anpassen. Unter Peter stiegen viele Leute aus dem Landadel oder bescheideneren Verhältnissen auf wie Andreas Ostermann, Alexander Menschikow, Peter Schafirow u. a. Doch auch die alten Bojarenfamilien, die Scheremetjews, Dolgorukis, Apraxins nahmen europäische Titel wie Fürst oder Graf an wie Peter Tolstoi.

Ich habe das Buch schon mehrfach genannt, aber es ist einfach großartig: Robert K. Massie, Peter the Great, his life and his Time (Peter der Große). Das Buch wurde mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet und liest sich streckenweise wie ein historischer Roman.
 
Antwort

Zu den Links, die mir Liljana empfohlen hat.
1. Gab es etwa zu Peters Zeit schon die Duma? Und vor allem: Welche Aufgabe hatte sie zu erfüllen?
2. Zu dem Wiki.Artikel über die Russisch-Orthodoxe Kirche: Wie wurde sie unter weltliche Kontrolle gestellt?
3. Zur Russland-Geschichte: Dort steht, Peter habe einen Senat als Verfügungsorgan gegründet. Was ist ein Verfügungsorgan?
4. Zum Thread aus diesem Forum: Gab es zu dieser Zeit dann etwa nur einen Dienstadel?
 
Hallo,

ich kann mich Scorpio nur anschließen, das Buch von Massie über Peter den Großen ist wirklich sehr gut und informativ, eine der besten Biografien, die ich bisher gelesen habe - und es waren schon viele.

Allerdings ist das Buch zu umfangreich, um es schnell für ein Schulreferat durchzuarbeiten.

Zu deinen Fragen fällt mir spontan ein:

1. Die Duma gab es meines Wissens erst seit 1905, Zar Nikolaus II mußte nach dem Petersburger Blutsonntag der Bildung zustimmen.

2. Peter der Große hat die Macht der Kirche eingeschränkt, da sie konservativ waren und seinen Drang nach Fortschritt behinderten.

3. Ein Senat als Verfügungsorgan sagt mir nichts, Peter hat zweimal längere Reisen in den Westen unternommen und hat deshalb jemand benötigt, der für ihn regiert, denke ich mir.

4. Dienstadel hat Peter nicht interessiert, er suchte sich seine Leute nach den Interessen und dem Können aus, hauptsächlich aus dem einfachen Volk, wie Menschikow und Lefort.
Die Bojaren waren der Altadel Rußlands, aber auch deren Macht schränkte Peter ein, da sie ihn in seinem Drang, Rußland fortschrittlich zu gestalten, behinderten.

Mehr fällt mir im Moment nicht sein...
 
Zu 3. Der Senat war ein Gremium der höchsten Würdenträger des Landes, das beratende Funktion haben und in der Lage sein sollte, die Regierung bei Abwesenheit Peters zu führen. Peter war durchaus empfänglich für Kritik und wollte kritische Untertanen, war aber natürlich immer Autokrat und wegen seiner Launenhaftigkeit und seines Jähzorns waren es nur wenige Leute, die es wagten, den Zaren zu kritisieren. Die Entscheidung über das Schicksal seines Sohnes legte Peter dem Senat vor, der dann auch das erwünschte Todesurteil fällte, obwohl viele russische Adelige dem Zarewitsch Alexei durchaus gewogen waren.

zu 4. Sicher gab es Leute an Peters Hof, die einen geradezu märchenhaften Aufstieg erlebten wie Zarin Katherina I., die eine litauische Magd war, Menschikow, der Pastetenbäcker gewesen sein soll, Lefort, der ein Bürgerlicher aus Genf war. Andreas Ostermann, einer von Peters besten Diplomaten war ein Gastwirtssohn aus Westfalen und Peter Schafirow ein konvertierter Jude. Es gibt viele Beispiele dafür, daß Peter fähige Leute nach Verdienst beförderte. Er machte einmal einen Leibeigenen, der anonym einen guten Verbesserungsvorschlag gemacht hatte zum Leiter der Kanzlei. Doch Peter konnte natürlich nicht den Adel ignorieren, und er konnte ebensowenig alle Schlüsselstellungen in Administration und Armee nur mit Parvenüs und Ausländern besetzen. Peter wollte, daß der Adel die ihm gebührenden Stellen in Verwaltung und Armee besetzte und aktiv seinen Staat mitgestaltete, das allerdings natürlich in Peters Sinne der Modernisierung und Europäisierung. Die Bojaren sollten natürlich die nötigen Qualifikationen besitzen. Sie mußten Arithmetik, Sprachen, Geometrie und Ballistik erlernen, ihre Söhne ins Ausland schicken, und vieles mehr. Wer sich bewährte und die Politik des Zaren mitmachte, konnte sehr hoch steigen, so daß auch konservative Adelige mitmachen mußten, wollten sie nicht gesellschaftlich und politisch ins Abseits geraten und von Ausländern überspielt werden.
 
Respekt, Scorpio und danke für eine.... sehr gute Antwort. Frage 3. und 4. sind geklärt.
Jetzt ist nur noch offen, WIE Peter die Kirche entmachtet hat. Und zur Biographie von Massie. Hat dieses Buch mehr berichtende, beschreibende Inhalte oder versucht sie auch in Form einer Erzählung zu unterhalten (Spannung etc.)
 
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