Pferdeköpfe, Donnerbesen und "germanische" Kontinuität

Skald

Mitglied
Hallo,

Ich wage mal interessenhalber einen Ausflug in die Volkskunde, in der ich allerdings nur laienhaft bewandert bin. Es geht um einige Merkmale an deutschen Bauernhäusern, darunter der sogenannte "Donnerbesen" und die gekreuzten Pferdeköpfe an den Giebeln.

Zunächst zu den Pferdeköpfen, die so charakteristisch für Norddeutschland sind. Ältere Forschung sah in Ihnen ein Relikt germanischen, bzw. sächsischen Heidentums. Hengist und Horsa als sächsisches Dioskursenpaar oder Hinweise auf Pferdeschädel, die man einst am Giebel des Hauses anzubringen pflegte. Ob diese Tradition wirklich heidnisch ist, sei erstmal dahingestellt.

Nun las ich neulich folgendes Buch "Symbole - Zur Bedeutung der Zeichen in der Kultur" mit einem Artikel von Rolf Wilhelm Brednich. "Germanische Sinnbilder und ihre vermeintliche Kontinuität - Eine Abrechnung". Der Artikel ist ziemlich aggresiv geschrieben, aber das nur nebenbei. Stutzig wurde ich bei folgendem Auszug:

"...zu einer Zeit geschrieben, in der man [In der Volkskunde] schon längst wusste, dass es sich bei den gekreuzten Pferdeköpfe Nordwestdeutschlands um eine Modeerscheinung des 19. Jhd. handelte, die von Zimmerleuten verbreitet wurde."

Das ist einfach falsch. Gekreuzte Pferdeköpfe an Giebeln gab es schon vor 1800 - Neukirchener Chronik von 1560: "Das weiße Haus am Dorfpfade strohgedeckt und abgeschlossen beiderseits durch Pferdehäupter."

Ob diese Köpfe auch gekreuzt waren, ist daraus zwar nicht erschließbar, wohl aber, dass dieser Brauch älter ist.
Weiterhin macht eine Kontinuität nur(!) in den Grenzen des Niederdeutschen Sprachraumes zu dieser Zeit keinen Sinn - die Sprachbarriere war da schon kaum noch vorhanden.
Hier in Schleswig-Holstein gibt es Hunderte von Häusern, deren Giebel älter als 1800 sind - alles Pferdeköpfe (nicht nachträglich aufgesetzt).

Auch wäre eine Einführung zu dieser Zeit (preußisch wahrscheinlich) in handwerklichen Dokumenten irgendwie erwähnt. Da findet sich nichts - die Leute waren es schon lange gewöhnt, Pferdeköpfe an die Giebel zu schlagen. Weiterhin - aus welchem Grunde sollte sich GENAU dieses Merkmal nur innerhalb des sächsischen Sprachgebietes innerhalb nichtmal eines halben Jahrhunderts ohne triftigen Grund verbreiten?

Solange mir nicht folgende Punkte triftig erläutert werden, bleibe ich bei der "sächsischen" Deutung:

1. Verbreitung nur in sächsischem Sprachgebiet
2. Vorkommen an einem Großteil der Häuser vor(!) 1800 (mit weitem Freiraum nach hinten)
3. die hohe Konformität innerhalb der Giebel
4. Wieso sollte sich der Bau eines sächsischen Langhauses über Jahrhunderte verändern, [...]
5. Das Symbol der Sachsen ist bis heute das Pferd und nur in sächsischem Gebiet gibt es Pferdegiebel

usw.(!)

Was ist also von so einem "wissenschaftlichen" Werk zu halten? Liest sich sehr stark nach Nazi-Paranoia und dem Versuch alles vor 1945 angenommene gewaltsam und mit gezielten Falschinformationen über den Haufen zu werfen, nur um sich reinzuwaschen. Das ist alles, nur keine Wissenschaft.

Was ist dann weiterhin von so einem Artikel zu halten, wenn er feststellt, dass der Donnerbesen (Donarbesen) eigentlich nur ein Zeichen für Brauerei wäre? Kennt sich damit jemand aus?

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/e/e4/Otterndorf01_034.jpg

Vielleicht klären sich die Differnenzen ja noch auf, aber bis dahin bleibe ich erschüttert ob der "ideologischen Neutralität" moderner Literatur.

Skald
 
Zuletzt bearbeitet:
Grüezi Skald

Nur ganz kurz: Bei uns in den Schweizer Voralpen kennen wir die "Rössli". Stilisiert Pferdeköpfe als Abschluss-Schnitzterei von Pfetten oder Balkenköpfen, so ab etwa 1600. Unsere Rössli sind anders als "deine" Pferdeköpfe, aber ich finds interessant, dass es da schon auch Parallelen gibt.


Gruss Pelzer


.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu welcher Meinung tendierst du, timotheus?

Eigentlich ist es irrelevant, wozu ich dabei tendiere, denn ich bin kein Ethnologe, Brauchtumsforscher o. dgl.
Allerdings erscheint mir die Deutung im Kontext von Schutz und Abwehr sehr naheliegend...

Und was häst du von dem Ethnologen-Zitat?

Meinst Du Rolf Wilhelm Brednich?
Offen gestanden weiß ich nicht, was ich zu diesem Zitat anmerken soll - zumal es sich auch nur um einen Auszug handelt. Da müßte ich den gesamten Text im Zusammenhang lesen, um dies halbwegs - und zudem aus meiner Laiensicht - beurteilen zu können.
Da er jedoch eigentlich ein Fachmann auf diesem Gebiet ist, wäre ein derartiger Fauxpas etwas überraschend...
 
Grüezi Skal

Ich schulde dir noch ein Bild von einem „Rössli“ - einer Verzierung der Balken- und/oder Pfettenköpfen. Das „Rössli“ stellt laut Überlieferung ein stilisierter Pferdekopf mit geöffnetem Mund dar. Ich tendiere aber eher zu einer ganz gewöhnlichen Tropfnase, allerdings erweitert zum Zierelement. Die „Rössli“ wurden ab etwa 1600 bis ins 19. Jahrhundert fast unverändert verbaut. Vielleicht ist es sogar noch wesentlich älter, aber es sind keine ältere erhalten geblieben.
Und es kommt ausschliesslich bei Blockbauten vor. Entweder als Pfettenkpf oder bei den Konsolen, die das Klebdach tragen.

Neben dem „Rössli“ gibt es auch noch gleichartige Schnecken- und Tropfen-artige Verzierungen vor, die sind aber etwas jüngeren Datums, etwa ab 1750…

Ich habe leider kein Bild zur Hand. Ich habe dir aber gschwind ein „Rössli“ an einer Klebdach-Konsole gezeichnet.


Gruss Pelzer


.
 

Anhänge

  • rössli.jpg
    rössli.jpg
    10,2 KB · Aufrufe: 779
...
Was ist dann weiterhin von so einem Artikel zu halten, wenn er feststellt, dass der Donnerbesen (Donarbesen) eigentlich nur ein Zeichen für Brauerei wäre? Kennt sich damit jemand aus?...
Skald

In Stade gibt es auch einige Häuser mit diesem Besen (z. B. am alten Hafen). Das waren keine Brauereien. Dort sagt man Hexenbesen dazu und interpretiert sie als Abwehr des Bösen, also gegen Hexen/Hexerei.
 
Tatsächlich gibt Funde von Holzteilen, die als sogenannte Pferdköpfe an Giebelkreuzen gedeutet wurden. Der Fundzusammenhang ist allerdings eher La-Téne D. Der Fundort ist Altenburg bei Niedenstein.
Die Ähnlichkeit mit Pferdeköpfen ist allerdings äußerst gering. Klar ist nur, es sind zwei identisch geformte Holzteile, denen keine Fukntion zugeordnet werden kann. Der Gedanke es handele sich um Pferdeköpfe kam, wahrscheinlich erst in Kenntnis der völkischen Symbolik.
Ein Nachweis dafür, dass die Giebelzier tatsächlich in heidnisch germanischer Zeit verbreitet fehlt vollkommen?
Magisches Denken muss nicht notwendigerweise religiös sein. Und nur weil etwas sächsisch ist, muss es noch lange uralt sein.

Was die Bedeutung gekreuzter Pferdeköpf betrifft, so sind sie bekanntlich das Symbol der Raiffeisenbanken. Friedrich Wilhelm Raiffeisen wählte diesen Symbol als altes "germanisches Hauszeichen" für seine Genossenschaftssbank, wohl in Abgrenzung zum angeblich ungemanischen Finanzwesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Pferdegiebel sind doch wohl älter als die Raiffaisenbank. Oder habe ich da jetzt missverstanden?

@pelzer: Vielen Dank, dass war ein sehr aufschlussreicher Beitrag.

@Ostrogoha: Woher hast du die Informationen? Und hast du Bildmaterial zur Verfügung?
 
Grüezi

Wegen der Giebelzier mit Pferdeköpfen ist mir noch in den Sinn gekommen; bei uns in den Voralpen sieht man da und dort Tierschädel, Hörner oder Geweihe im Giebeldreieck hängen. Und im Berner-Oberland auch ab und zu einen dürren Ast oder Tännchen – ein „Gretzeni“. „Grotzli“ nennt man eine kleines, dürres Tännli (und auch den Christbaum). Das „Gretzeni“ soll den Wind brechen und Unheil abwehren.

Ich nehme an, all diese Hörner und Schädel hatten früher eine apotropäische Wirkung. Manches wurde aber sicher auch später hinein gedichtet…


Gruss Pelzer


.
 
Bildmaterial habe ich leider nicht zur Verfügung; aber das sieht nicht anders aus als die Abbildung, die Du im Wiki aus Otterndorf aufgetan hast. Sie sehen aus wie stilisierte Reisigbesen, wie sie mein Großvater noch gebunden hat --- also wie man sich so einen typischen Hexenbesen vorstellt. Abergläubische stellten diesen früher nach dem Gebrauch auch immer mit dem Besenstiel nach unten ab. Die letzte Information über die Definition „Abwehr gegen Hexen“ habe ich von einem Stader Fremdenführer. Er hat letztlich nichts anderes erzählt als meine Großeltern (aus derselben Gegend).
<o:p> </o:p>
Zu dem Thema hatte ich gerade noch einen Link gefunden:
http://www.arbeitskreisfuerhausforschung.de/files/Rezension_Freckmann_Runen.pdf
<o:p> </o:p>
Und Donar- oder Donnerbesen nennt man offensichtlich auch die Mistel:
Dat Kruut för'n Dezembermaand: De Mistel
<o:p> </o:p>
Nun könnte man natürlich rätseln, ob es vielleicht eine stilisierte Mistel sein soll, weil ehedem heilig:
>Plinius vertellt, dat för de olen Druiden - de keltischen Preesters - de Mistel dat Hilligst, weer, wat se harrn. <
<o:p> </o:p>
Oder evtl. wg. Schutz vor Blitzschlag wie in Bäumen:
>Fröher hebbt de Lüüd glöövt,
wenn en Mistel up enen Boom wassen deit, denn wörr dor keen Blitz inslagen<
<o:p> </o:p>
Was immer auch die Bedeutung sein mag, an ein Zeichen für eine Brauerei glaube ich nicht. Das scheint ein beliebter Ausweg zu sein, wenn man keine wissenschaftliche Deutung hat. Der Drudenfuß an der Marktkirche in Hannover z. B. wurde von einem Historiker als Zunftsymbol für die Bierbrauer gedeutet.
<o:p> </o:p>
Zu den Pferdeköpfen:
2 Interpretationen der abgewandten Pferdeköpfe halte ich schlichtweg für Quatsch:
a) Unfrieden zwischen den Eheleuten
b) alle Männer sind im Krieg.
Krabbelt jeweils einer aufs Dach und dreht die Pferdeköpfe um, wenn die Eheleute sich zoffen bzw. wieder vertragen?
Sollten im Krieg die abgewandten Pferdeköpfe Soldaten oder Plünderer anlocken? Die signalisierten doch damit, hier sind keine wehrhaften Männer, nur wehrlose Frauen – holt euch, was ihr kriegen könnt.
 
Das dieses Ornament Besen heisst, war mit völlig neu. In meiner Heimatstadt gibt es ein Fachwerkhaus von 15xx an dessen Fassade ist dieses Ornament mehrfach und kunterbunt vorhanden.
 
<o:p> </o:p>
Was immer auch die Bedeutung sein mag, an ein Zeichen für eine Brauerei glaube ich nicht. Das scheint ein beliebter Ausweg zu sein, wenn man keine wissenschaftliche Deutung hat. Der Drudenfuß an der Marktkirche in Hannover z. B. wurde von einem Historiker als Zunftsymbol für die Bierbrauer gedeutet.
Welches Brauerei-Instrument soll das denn überhaupt darstellen?

http://www.alte-bierflaschen.de/Bilder/Wappen_Brauerei_Wilhelm_Hinck.jpg

Das Teil in der Mitte hat noch im Entferntesten damit Ähnlichkeit. Aber ich sehe tatsächlich nicht den zwingenden Beweis. Nun bräuchte es einen Ethnologen hier.^^

@Askan: Kannst du dich mal schlau machen, was es damit auf sich hat? Angemalt oder gemauert?
 
Im Bottich sind der Bierschöpfer, die Malzschaufel und die Maischegabel dargestellt…


Gruss Pelzer

.

Danke! Wie ein Besen sah das eh nicht aus!=)

@Ostrogotha: Was hälst du von der Buchrezension? Ich muss immer schlucken, wenn ich sowas lese wie: Von dieser Meinung geht eine Gefahr aus. Das Treiben solcher Schößlinge muss unterbunden werden. Das klingt so nach Kampf, nach Abwehr...nicht nach wirklicher Auseinandersetzung. Wenn Germanen vorkommen, ist es böse. So liest sich das.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag: Dieses Haus habe ich in Bötersheim, südlich von Hamburg fotografiert:

ImageShack - Image Hosting :: hausswastika.jpg

Nach Auskunft des Bauern ist es 240 Jahre alt...also weit vor dem völkischen Blödsinn. Und die Häufigkeit von solaren Symbolen am Gibel ist schon verdächtig.

Ein bischen Schattig das Bild.
Solche stilistischen Bauelemente findet man bei uns an jeder Scheune.
Da würde ich nicht so viel drauf geben.
Ich habe selber schon mit Steinen und Dachziegeln als Ornament gespielt.
Da würde ich keinen Hintersinn drin sehen. Die Fassade sollte nur hübsch aussehen.
Und es macht richtig Spass, so etwas zu bauen.
An ein Hakenkreuz, oben im Giebel, hat vor 240 Jahren sicher noch niemand gedacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nicht...gerade bei Bauern waren viele Symbole und Gebräuche noch weit entfernt vom Profanen. Und es ist schon auffällig gleich zwei Sonnensymbole an einem Bauernhaus zu finden.
 
Ich weiß nicht...gerade bei Bauern waren viele Symbole und Gebräuche noch weit entfernt vom Profanen. Und es ist schon auffällig gleich zwei Sonnensymbole an einem Bauernhaus zu finden.

Da war der Maurer eben etwas kreativ.
Der Bauer sagte, bau mir da mal was hübsches mit ein, man will ja glänzen im Dorf.
Wie gesagt, interpretiere da nicht so viel rein.
Das war eben Mode zu dieser Zeit.

Ich sollte mal einen Korbbogen in ein Scheunenrtor einbauen. Der Kerl fand das eben hübsch.
Habe ich mich eingelesen und er hat seinen Korbbogen bekommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben