Piraten - Im Fahrwasser ihrer eigenen Legende

White_Wolf

Aktives Mitglied
Grüß euch,

Vorwort:
Anfangs sei hier gesagt, dass ich im weiteren vornehmlich den Begriff "Pirat" sowohl für Bukkaniere, Freibeuter, Seeräuber als auch für Kaperfahrer als Oberbegriff verwende. Auch wenn sich über diese grobe Verallgemeinerung zweifelsohne streiten ließe.

zum Thema:
Wenn es bereits etwaige Threads gibt, so bin ich dankbar für einen querverweis, denn ich habe über die Suchfunktion nichts gefunden, was meinem Thema entspricht. Selbstredend bitte ich in diesem Falle um eine schließung/löschung des Threads durch einen zuständigen Admin. Danke.

1. Ich möchte in nächster Zeit mit dem Schreiben eines Romans beginnen welcher eben Piraterie sowie Piraten als Protagonisten als auch als Antagonisten beinhaltet. Einen Zeitrahmen hab ich mir noch nicht gesteckt. Nur grob zwischen 1600 und 1700.
2. Möchte ich gleichzeitig diesen Thread eröffnen und nutzen, um mit euch gemeinsam das inzwischen romantisch verklärte und von Hollywood glorifizierte Bild von Piraten zu entzaubern. Um eine möglichst reale Vorstellung vom Leben eines Piraten zu erhalten.

Wichtig ist mir, dass ich nicht alle hier gestellten Fragen lückenlos oder sofort beantwortet haben möchte. Viel mehr liegt mir an ein par guten Diskussionen.

Dazu folgende Fragen/Anregungen um das Thema zu starten:
Das schwarze Mal in Die Schatzinsel (engl. Originaltitel: Treasure Island) des schottischen Autors Robert Louis Stevenson, entpringt einzig Stevensons Fantasie, soweit ich herausfinden konnte. Zumindest fand ich keinen Beleg dafür, dass Kapitäne durch solch ein Zeichen abgesetzt wurden.

Der Piratenkodex - gab es einen Kodex, den alle akzeptierten? Oder versteht man heute unter dem Piratenkodex nur ein Sammelbegriff für die vielen Codizes, die auf den einzelnen Schiffen beschlossen wurden?

In vielen Romanen oder Filmen wird der Kapitän als Leitfigur, als Antrieb und quasi als Feudalherr gesehen. Vergleicht man dazu wissenschaftliche Ansätze, so stellt sich auf der Grundlage der wenigen bekannten Codizes (siehe: Pirate code - Wikipedia, the free encyclopedia) heraus, dass der Kapitän quasi erster Diener seiner Mannschaft war. Was mich dabei interessiert ist: Wenn die Kapitäne theoretisch von ihren Mannschaften ernannt und abgesetzt werden konnten, was verleitete dann viele dazu, sich einem autoritären Piraten unterzuordnen, und diesen als Kapitän anzuerkennen, obwohl er nicht definitiv gewählt wurde.
Als Beispiel sei hier Francois Nau genannt (aka Francois L'Olonnois) der zum Kapitän wurde, nachdem er den vorherigen erschlagen hatte.
(Quelle: "Piraten: Schrecken der Weltmeere" von Wolfram zu Mondfeld und Barbara zu Wertheim - Seite 131)
Oder die bezeichnete Willkür, die man Edward Thatch (aka Blackbeard) nachsagt. So soll er eines Nachts bei einem saufgelage mit zweien/dreien seiner Maats plötzlich in die Gesellschaft geschossen haben, zwar wurde keiner getötet, auf die Frage jedoch was dies solle, soll er geantwortet haben, dass seine Leute vergessen würden wer er war, wenn er nicht von Zeit zu Zeit einen umbringen würde.
(Quelle: "Piraten: Schrecken der Weltmeere" von Wolfram zu Mondfeld und Barbara zu Wertheim - Seite 170)

Speziell die Bukkaniere hatten viel Erfolg damit, mit schnellen wendigen Schaluppen, teils weitaus größere Schiffe zu entern. Wie gelang es mit wenigen Mann größere Schiffe zu entern? Wie verliefen Schiffskämpfe und Enterkämpfe? Die häufigsten Schiffstypen waren Schaluppen oder Briggs. Wie konnte man damit die spanischen Schatzschiffe aufbringen?

Wie war das Leben an Bord? Verpflegung? Alltagsroutinen?
Welches waren relativ sichere Hafen für Piraten? (Zusätzlich zu Port Royal, Jamaika und Tortuga, Haiti).
Kann man sich die Piraten als eine Gruppierung vorstellen, oder muss jedes Piratenschiff als eigene "Welt" erfasst werden. Sprich kann man zu irgendeinem Zeitpunkt eine Art Kollektiv erkennen? Oder haben Piraten stehts auch andere Piraten als Feinde gehabt?

Damit will ich es zunächst einmal gut sein lassen :). Der größte Narr kann mehr Fragen stellen, als der weiseste Mensch beantworten kann. Ich möchte das Thema einmal anrollen lassen. Mir ist auch bewusst, dass es sich vermutlich in viele einzelne Themen zersplittern ließe. Schließlich kann man allein über Schiffe und Bewaffnung diskutieren und darf auch Aberglauben und Weltbild nicht ausser acht lassen um alle Wesenszüge zu verstehen. Ich hoffe auf regen Anteil und gute Diskussionen.

Grüße
euer White_Wolf
 
Eine Verallgemeinerung von Piraten dürfte ziemlich schwierig sein. Die Strukturen der nordafrikanischen Korsaren unterschieden sich beispielsweise von denen der im karibischen Raum operierenden Flibustier zu denen L'Olonois, Morgan, Teach und Kidd gehörten. Offenbar geht es Dir um Letztere.
Die Flibustier hatten sich aus den Bukanieren, die als Jäger auf Tortuga und weiteren Inseln, als eine Art Bruderschaft lebten herausgebildet. L'Olonois, auch Lolona genannt, hatte seine Zeit in der Karibik als Knecht bei den Bukanieren verbracht und sich zum vollwertigen Mitglied dieser Genossenschaft emporgearbeitet. Die Bukaniere wurden von den Spaniern verfolgt und mussten ständig mit der Gefahr der Gefangenname und Hinrichtung leben. Diese Erfahrung machten Lolona zu einem der größten Spanierhasser.Nach einigen Jahren als Jäger schloss er sich den Freibeutern an und zeichnete sich bei ihnen als besonders tapfer aber auch äußerst blutrünstig aus. Laut den Berichten von Exquemelin war der Kapitän im Kampf gefallen und die Mannschaft wählte Lolona zum Kapitän. (Mondfelds Bücher strotzen häufig vor Fehlern und eigenen Fantasien des Autors. z.B. macht er aus Joseph Furttenbach einen Galeerenkapitän in der Seeschlacht von Lepanto. Allerdings wurde Furttenbach erst 20 Jahre nach der Schlacht geboren und war nie Seemann sondern schrieb nur ein Buch über den italienischen Galeerenbau) Mit Unterstützung des französischen Gouverneurs erhielt l'Olonois nach einem Schiffbruch ein neues Schiff. Zu seinen spanischen Gefangenen war der erfolgreiche Flibustier äußerst grausam . Der Schiffsarzt Exquemilin schrieb:" Es war seine Gewohnheit, dass er Personen ,die beim Foltern kein Geständnis ablegten ,augenblicklich mit seinem Kurzsäbel in Stücke hieb und ihnen die Zunge herausriss.Wenn es möglich gewesen wäre hätte er das gern jedem Spanier auf der Welt angetan." Nachdem er sich mit dem Kapitän Michael de Basque zusammengetan hatte führte er ausgedehnte Plünderzüge am südamerikanischen Festland durch. Die beiden Flibustierkapitäne vereinigten für dieses Unternehmen acht Segelschiffe unter ihrem Kommando. Sie suchten Venezuela und Nicaragua heim ,plünderten aber nicht nur spanische Siedlungen sondern auch Indianerdörfer und machten sich damit auch bei den Ureinwohnern verhasst. Nach der Plünderung des spanischen Forts San Pedro wäre er wegen der geringen Beute und des beschwerlichen verlustreichen Rückmarsches durch den Dschungel beinahe von seiner Mannschaft abgesetzt worden. Nur durch Versprechungen nach reicher Beute konnte er seine Position behalten.
Indianer bereiteten seinem auch nach einer Reihe von Fehlschlägen ein Ende. Nach Exquemilin wurde er von ihnen in Stücke gerissen und gebraten.
 
Hallo White-Wolf,

zu dem Thema kann ich dir wärmstens das Buch "Selkirks Insel" empfehlen!!!

Hatte es kürzlich hier schon mal vorgestellt: http://www.geschichtsforum.de/599809-post1571.html

Beschrieben wird dort nicht nur das fast fünfjährige Inselleben Selkirks, sondern auch sehr genau die lange Hin- und Rückfahrt als Freibeuter.

Auch das Buch "William Dampier, Freibeuter 1683-1691" (Tagebuch des Weltumseglers und Freibeuters) ist sehr informativ.

In beiden Büchern werden die Lebensumstände an Bord sehr genau geschildert.

Beste Grüße
Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Ohne den Band gelesen zu haben würde ich "blind" auf die C.H. Beck - Reihe Wissen verweisen, wo es einen Band mit dem Titel "Piraten" gibt. Die Becksche Reihe ist immer knapp und präzise. Außerdem befasst sich diese Ausgabe nach dem Klappentext mit dem "Goldenen Zeitalter" der Piraterie und damit mit dem, was man erwartet wenn man das Wort "Pirat" hört. Auch wenn es "Piraten" wohl schon beinahe so lange wie die Seefahrt selbst geben dürfte.
 
Anfangs sei hier gesagt, dass ich im weiteren vornehmlich den Begriff "Pirat" sowohl für Bukkaniere, Freibeuter, Seeräuber als auch für Kaperfahrer als Oberbegriff verwende. Auch wenn sich über diese grobe Verallgemeinerung zweifelsohne streiten ließe.
Nimm die Kaperfahrer aus dieser Aufstellung raus, die sind rechtlich anders zu betrachten. Piraten, Freibeuter und Bukkaniere sind völkerrechtlich flapsig gesagt Gesetzlose und Verbrecher. Kaperer hingegen verfügten über den Kaperbrief eines kriegführenden Staates, der sie ermächtigte, quasi als privates Hilfskriegsschiff am Krieg gegen die Gegner des Staates teilzunehmen, der den Brief ausgestellt hatte. Dass diese profitorientierten privaten Unternehmer sich lieber mit lukrativen Handelsschiffen auseinandersetzten als mit zähen und schwer verdaulichen Kriegern sei dahingestellt. Praktischer Unterschied: Piraten etc. kamen an den Galgen, Kaperer in Kriegsgefangenschaft. Dass sich etliche Kaperer kaum besser benahmen als Piraten und viele nach Ende des Krieges und entsprechendem Erlöschen ihres Kaperbriefes ihre Tätigkeit unter eigener Flagge fortführten, steht auf einem anderen Blatt. Kaperbrief ? Wikipedia

Zur Frage "groß gegen klein" und "Piraten gegen Piraten": Handelsschiffe waren auch damals in allen Größen vorhanden - ebenso wie Piratenschiffe. Clevere Piraten (und Kaperer) vergriffen sich nur an Beute, die sie auch mit überschaubarem eigenen Risiko überwältigen konnten. Es gab z. B. Kauffahrer, die sich ihren "Letter of Marque" nur ausstellen ließen, um für den Fall, dass ihnen auf ihrer regulären Route etwas appetitliches und verdaubares in den Weg kam, sie dieses aufschnappen konnten. Hauptamtliche Piraten und Kaperer hatten verhältnismäßig wendige Schiffe, starke und vor allem gut ausgebildete Besatzungen. Es gab allerdings durchaus auch Piratenfahrzeuge mit weniger als 10 Mann Besatzung und einer Kanone - diese Eichhörnchen nährten sich entsprechend mühsamer von anderem Kleinvieh. Das Gros der Kauffahrer hatte vielleicht ein paar Spaßkanonen an Bord, aber eine schwache, häufig überarbeitete Besatzung (mit vielen Alten, fußlahmen oder Jungs) mit kaum praktischer Waffenübung. Häufig waren diese Schiffe langsam und wenig manövrierfähig und Enterer, die über den Bug oder das Heck kamen, konnten nur schwer abgewehrt werden. Nur Schiffe mit sehr wertvoller Fracht waren stärker bemannt und bewaffnet und eine entsprechend harte Nuß, an die sich Hein Durchschnittspirat auch nur selten erfolgreich heranwagte.

Pirat gegen Pirat: Die Jungs waren Opportunisten. Ebenso, wie man sich für ambitioniertere Unternehmungen durchaus auf Zeit verbündete: Warum sollte man einen persönlich nicht bekannten oder sogar ungeliebten "Kollegen" nicht auch um Beute, Leben und Mitarbeiter erleichtern - insbesondere, wenn er sich auf dem eigenen Bordsteinstellplatz rumtrieb und qua Masse gar auch noch Kriegsschiffe anzulocken in der Lage war und damit gleich doppelt die Preise verdarb??
 
Nimm die Kaperfahrer aus dieser Aufstellung raus, die sind rechtlich anders zu betrachten. Piraten, Freibeuter und Bukkaniere sind völkerrechtlich flapsig gesagt Gesetzlose und Verbrecher. Kaperer hingegen verfügten über den Kaperbrief eines kriegführenden Staates, der sie ermächtigte, quasi als privates Hilfskriegsschiff am Krieg gegen die Gegner des Staates teilzunehmen, der den Brief ausgestellt hatte. ...

Diese Klassifizierung der Piraten/Freibeuter stimmt, meiner Kenntnis nach, nicht ganz. Soviel ich weiß, wird die "Zunft" in Freibeuter (Kaperfahrer), Buckaniere und Piraten unterteilt! Unterscheidungsmerkmale sind die unterschiedlichen Auftraggeber (bzw. ob "freiberuflich") und die Besitzverhältnisse der Schiffe.

Hier mal eine Differenzierung aus Wikipedia:

... Als Unterscheidungsmerkmal wird hier häufig das Besitzverhältnis am Schiff herangezogen. Nach dieser Unterscheidung fuhren Freibeuter auf Schiffen die ihrem jeweiligen Landesherrn gehörten, Bukanier-Schiffe hatten als Eigner Gouverneure (z. B. von Jamaika) und Aktionäre, während Piraten selbst Herr über ihre Schiffe waren. ...


... Praktischer Unterschied: Piraten etc. kamen an den Galgen, Kaperer in Kriegsgefangenschaft. Dass sich etliche Kaperer kaum besser benahmen als Piraten und viele nach Ende des Krieges und entsprechendem Erlöschen ihres Kaperbriefes ihre Tätigkeit unter eigener Flagge fortführten, steht auf einem anderen Blatt. ...

Da ich bislang nur die Geschichten brit. Piraten (ich verallgemeinere jetzt mal) im 17. Jh. gelesen habe, die rund um Mittel- und Südamerika gegen die Spanier tätig waren, kann ich nur für diese sprechen.

- Fielen Freibeuter/Piraten den Spaniern in die Hände, so wurden sie meist gleich getötet oder landeten für immer in feuchten Kerkern.

- Sollte man den Franzosen in die Hände fallen, so wurde man (je nach Bündnislage in der Heimat) entweder an die Spanier ausgeliefert (Ergebnis siehe oben) oder wurde versklavt.

- Auch als Freibeuter konnte man nicht sicher sein, nach der Rückkehr gehenkt oder eingekerkert zu werden! Die Kaperbriefe waren meist sehr detailliert und verklausuliert ausgestellt worden, so dass man sehr leicht, bewusst oder unbewusst, gegen irgendeine Bestimmung verstoßen konnte.
Nach erfolgreicher Rückkehr wartete schon ein Heer an Gläubigern, die die Hände aufhielten und ein Stück vom Kuchen haben wollten. Und das "Kuchenstück" wurde nun mal größer, wenn man dem Kapitän und der Besatzung einen Regelverstoß vorwerfen konnte! ;)
Für die einfachen Besatzungsmittlieder blieb von der Beute i.d.R. nur die Kuchenkrümmel übrig, egal was vorher vereinbart wurde.
Daher lockte früher oder später die Tätigkeit als "freiberuflicher" Pirat.


Was die Kaperung von Schiffen anging, so waren diese meist nur ein sekundäres Ziel der Kaperfahrten. Wirklich lohnende Schiffsziele waren die wenigen spanischen Schatzgaleonen, die aber sehr schwer zu erobern waren.
Schiffe wurde meist aufgebracht:
- um sich mit Proviant zu versorgen
- um an Waren zu gelangen, die man an Land gegen Proviant tauschen konnte
- um eine Prise zu ergattern, die man mit Beute gen Heimat schicken konnte
- um "Freiwillige" zu finden, die die eigene Mannschaftsstärke ergänzen

Die wirklich lohnende Ziele waren wohlhabende Hafenstädte, die man überfallen oder um Lösegeld erpressen konnte!
Kleine Boote waren dabei ein unverzichtbares "Utensiel" für diese Unternehmungen! Man brauchtes sie um generell anlanden zu können, aber auch um Städte an Flüssen zu erreichen. Wie im Buch "Selkirks Insel" beschrieben, drohte die ganze Kaperfahrt zu scheitern, als man durch Sturm und Schusseligkeit alle Boote verloren hatte!!!

Gruß
Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit einem Kaperbrief stellte eine kriegführende Macht einen "Privateer" in seine Dienste und anerkannte ihn als Teil seiner bewaffneten Macht - oft konkretisiert mit speziellen Aufträgen und Finanzmodi (Beuteanteile).

Zu einer Anerkennung gehören aber immer zwei: Die Spanier anerkannten während der großen Zeit der karibischen Piraten die Kaperbriefe nahezu aller Mächte nicht an. Dies hatte zur folge, dass besiegte Mannschaften eines Kaperfahrers als Piraten betrachtet und behandelt wurden. Letztlich das gleiche Prinzip wie im 2.Weltkrieg der Status des Volkssturms (der Deutschen), oder der polnischen Heimatarmee etc. Wenn der Kriegsgegner sie nicht als Kombattanten anerkannte, waren sie als Partisanen sozusagen Rechtlos...
 
Es war ziemlich schwer nach einem Friedensschluß die Kaperer davon zu unterrichten. So ging der Kaperkrieg häufig am anderen Ende der Welt noch monatelang weiter obwohl der eigentliche Krieg längst beendet war. In diesem Fall wurden Kaperfahrer auch unwissentlich zu Freibeutern.
 
Der Unterschied zwischen Kaperei und Piraterie waren häufig fließend. Der Malteserorden befand sich im Dauerkriegszustand mit dem osmanischen Reich und sämtlichen anderen muslimischen Ländern. Sie fuhren zweimal im Jahr zu ihren sogenannten Karawanen durch das östliche Mittelmeer um moslemische Schiffe zu kapern. In Wahrheit handelte es sich aber um reine Räuberei ,die zur Bereicherung des Ordens dienten . Die Gefangenen wurden in der Regel zu Sklaven gemacht um den ständigen Bedarf für die Galeeren zu decken und hohe Persönlichkeiten wurden gegen Lösegeld freigelassen, die Ladung ging auch in den Besitz des Ordens über. Da die Ordensflotte relativ klein war, sie bestand meist aus 5 Galeeren und 5 Linienschiffen schlossen sich bis zu 30 freie Piratenschiffe an die Raubfahrten unter der Johanniterflagge an. Sie mussten 20 Prozent der Beute dem Orden überlassen und durften keine Schiffe christlicher Fürsten anrühren. Kontrollieren ließ sich das allerdings kaum und christliche Republiken wie Venedig und Genua oder Ragusa kamen in dem Verbot nicht vor.
Auf muslimischer Seite verfuhren die Korsaren des Maghreb auf identische Weise. Private Unternehmer rüsteten die Raubschiffe aus und beteiligten den Staat an der Beute.
 
Das schwarze Mal in Die Schatzinsel (engl. Originaltitel: Treasure Island) des schottischen Autors Robert Louis Stevenson, entpringt einzig Stevensons Fantasie, soweit ich herausfinden konnte. Zumindest fand ich keinen Beleg dafür, dass Kapitäne durch solch ein Zeichen abgesetzt wurden.

Das stimmt so nicht ganz, denn Stevensons Roman ist extrem gut recherchiert. Was den "Black Spot" angeht, hast du wohl recht, der ist fiktional, aber viele andere Bestandteile sind authentisch bis in die Struktur des Romans hinein. Zum Beispiel ist es schlichtweg genial, Silver zum ehemaligen Quartiermeister zu machen, weil der Quartiermeister zwischen Käptn und Crew vermittelt, ebenso wie Silver im Roman immer zwischen den Fronten hin- und herspringt. Flint ist eine eindeutige Hommage an Blackbeard, was besonders deutlich am Crewmitglied Israel Hands gezeigt ist (der Name eines echten Crewmitglieds von BB). Von daher ist es wahrscheinlich ein kleiner Insiderwitz Stevensons, zu sagen, dass Blackbeard gegenüber Flint ein Kind gewesen sei. Ich belasse es jetzt mal dabei, aber es gibt unzählige solcher Stellen, die hervorragende Recherche belegen und ein sehr bewusstes Einbinden dieses Wissens in die Romanstruktur. Wenn du nen Roman schreiben willst, empfehle ich Stevenson als Vorbild. (auch nicht schlecht: Björn Larssons Rewriting "Long John Silver", auch gut recherchiert)

Der Piratenkodex - gab es einen Kodex, den alle akzeptierten? Oder versteht man heute unter dem Piratenkodex nur ein Sammelbegriff für die vielen Codizes, die auf den einzelnen Schiffen beschlossen wurden?

Für das Goldene Zeitalter wird eine Art "Piratenkultur", basierend auf Privateeringtraditionen und der sogenannten Jamaica Discipline angenommen. An konkreten Regelwerken gibt es z.B. Bartholomew Roberts' Statuen in Johnson's "General History of the Pyrates".

In vielen Romanen oder Filmen wird der Kapitän als Leitfigur, als Antrieb und quasi als Feudalherr gesehen. Vergleicht man dazu wissenschaftliche Ansätze, so stellt sich auf der Grundlage der wenigen bekannten Codizes (siehe: Pirate code - Wikipedia, the free encyclopedia) heraus, dass der Kapitän quasi erster Diener seiner Mannschaft war. Was mich dabei interessiert ist: Wenn die Kapitäne theoretisch von ihren Mannschaften ernannt und abgesetzt werden konnten, was verleitete dann viele dazu, sich einem autoritären Piraten unterzuordnen, und diesen als Kapitän anzuerkennen, obwohl er nicht definitiv gewählt wurde.

Der Kapitän auf Piratenschiffen hatte nur im Moment der Krise (Sturm, Kampf) autoritäre Befehlsgewalt, ansonsten gab's ein Plenum. Diese große Konzentration auf Käptns kommt weniger von denen selber als von der Rezeption, angefangen bei der Publikation von Trial Records, die sich gern auf eine Person konzentrierten und dann natürlich die höchstrangige nahmen, bis hin zur Romantik (Byrne, Melville etc), wo der Piratenkapitän ein deviantes Individuum wird, während die Crew sozusagen mit dem Schiff verschmilzt. Von daher ist die Intention der Unterordnung, die du da vermutest, möglicherweise eher von Autoren vorausgesetzt als von Crews gelebt.
 
...
Der Kapitän auf Piratenschiffen hatte nur im Moment der Krise (Sturm, Kampf) autoritäre Befehlsgewalt, ansonsten gab's ein Plenum. Diese große Konzentration auf Käptns kommt weniger von denen selber als von der Rezeption, angefangen bei der Publikation von Trial Records, die sich gern auf eine Person konzentrierten und dann natürlich die höchstrangige nahmen, bis hin zur Romantik (Byrne, Melville etc), wo der Piratenkapitän ein deviantes Individuum wird, während die Crew sozusagen mit dem Schiff verschmilzt. Von daher ist die Intention der Unterordnung, die du da vermutest, möglicherweise eher von Autoren vorausgesetzt als von Crews gelebt.

Moin Korinther,

wenn du hier mit "Piraten" die "Freiberufler" meinst, so mag es im Allgemeinen stimmen.

Bei Freibeutern und Bukanieren sah es schon anders aus. Es herrschten dort eher Strukturen wie bei der Marine. Da konnten Kapitäne nicht abgewählt werden, sondern mussten durch Meuterei in den "Ruhestand" versetzt werden.

So musste sich der Freibeuter William Dampier auf seinen Kaperfahrten recht häufig einer meuternden Mannschaft erwehren! So sehr er gute Entdeckerqualitäten aufzuweisen hatte, so ungeeignet war er als Kaptän (das wäre mal ein eigenes Kapitel wert!).

Gruß
Andreas
 
Grüß euch,


Speziell die Bukkaniere hatten viel Erfolg damit, mit schnellen wendigen Schaluppen, teils weitaus größere Schiffe zu entern. Wie gelang es mit wenigen Mann größere Schiffe zu entern? Wie verliefen Schiffskämpfe und Enterkämpfe? Die häufigsten Schiffstypen waren Schaluppen oder Briggs. Wie konnte man damit die spanischen Schatzschiffe aufbringen?

Wie war das Leben an Bord? Verpflegung? Alltagsroutinen?
Welches waren relativ sichere Hafen für Piraten? (Zusätzlich zu Port Royal, Jamaika und Tortuga, Haiti).
Kann man sich die Piraten als eine Gruppierung vorstellen, oder muss jedes Piratenschiff als eigene "Welt" erfasst werden. Sprich kann man zu irgendeinem Zeitpunkt eine Art Kollektiv erkennen? Oder haben Piraten stehts auch andere Piraten als Feinde gehabt?

Damit will ich es zunächst einmal gut sein lassen :). Der größte Narr kann mehr Fragen stellen, als der weiseste Mensch beantworten kann. Ich möchte das Thema einmal anrollen lassen. Mir ist auch bewusst, dass es sich vermutlich in viele einzelne Themen zersplittern ließe. Schließlich kann man allein über Schiffe und Bewaffnung diskutieren und darf auch Aberglauben und Weltbild nicht ausser acht lassen um alle Wesenszüge zu verstehen. Ich hoffe auf regen Anteil und gute Diskussionen.

Grüße
euer White_Wolf


Das sind sehr viele Fragen auf einmal.

Wie hatten Piraten Erfolg, bzw. welche Taktiken erwiesen sich als erfolgreich.

Zunächst einmal brauchen Piraten zuverlässige Verbündete an Land, sie benötigen ein gutes Nachrichtensystem und gute navigatorische Kenntnisse der Gewässer. Das konnten Sklavenkolonien von Cimmarones, aber auch korrupte Beamte in den Kolonien sein. Blackbeard machte jahrelang glänzende Geschäfte mit den Gouverneuren, erst als er den Bogen überspannte und den Hafen von Charleston blockierte, wurde er untragbar. Dabei ging es Teach aka Blackbeard nur darum, weil er dringend "Medizin" höchstwahrscheinlich Laudanum benötigte.

Blackbeard strickte eifrig an seiner eigenen Legende, er steckte brennende Lunten an den Hut und zog mit 6 geladenen Pistolen in den Kampf. Einige blutrünstige Geschichten von Morgan oder Ollonois mögen auf Fakten basieren, viele Karperungen gingen aber wesentlich glimpflicher von statten, als Filme suggerieren wollen.
Piraten bevorzugten schnelle, kleinere Schiffe die gut am Wind standen.Schaluppen, Schoner, Brigantinen und Briggs.

Besonders gut waren Schiffe geeignet, die leicht verderbliche Ware wie Sklaven beförderten. Solche Schiffe waren gut bewaffnet, konnten eine große Besatzung und Ladung aufnehmen.

Anne Bonny war bekannt dafür, dass sie Schiffe, die ihr gefielen, kurzerhand behielt. War ein Schiff gesichtet, begann eine Regatta, eine Zeitlang segelte man unter falscher Flagge, erst kurz vor einem Angriff wurde eine Rote, bzw Schwarze Flagge gehisst.

Kanonaden kamen so gut wie nie vor, konnte doch leicht die Ladung beschädigt werden oder eine Prise versenkt werden.
In der Regel wurde die Besatzung aufgefordert, sich zu ergeben oder die Piratenstatuten zu unterzeichnen. Viele Seeleute hatten wenig Lust, die Habe der Reeder zu verteidigen, und viele waren nur zu bereit, ihr Glück als Pirat zu versuchen. Segelmacher und Schiffsärzte waren gern gesehene Fachkräfte.

Die Rechte und Mitsprachsmöglichkeiten der Crew hingen davon ab, ob ein Kapitän selbst Eigner eines Schiffs war, ob er wenigstens noch halblegal als Privateer segelte oder ob es sich um eine gekaperte Prise handelte.

Unter den Bukaniern wurden Kapitän, Quartiermacher und Maate gewählt. Dabei ging es nach Erfahrung und seemännischen Fähigkeiten. Nur im Kampfeinsatz hatte ein Kommandant uneingeschränkte Autorität. Es konnte die Mannschaft darüber abstimmen, ob ein Schiff angegriffen werden sollte.
Wer ein Schiff zuerst sichtete oder zuerst enterte, durfte sich die beste Waffe nehmen. Die Waffen waren sorgfältig zu pflegen, ebenso wie der Wachdienst geleistet werden musste. Wer gegen Regeln verstieß, wurde marooned, auf einer Insel ausgesetzt, wie Alexander Selkirk, der das Vorbild für Robinson Crusoe oder auch Ben Gunn war.

Meinungsverschiedenheiten wurden an Land in Duellen ausgefochten, während an Bord Ruhe gehalten werden musste. Die Bukanier kannten eine Art Rentensystem. Es sollten bei Verlust eines Arms, eines Auges, eines Beins bestimmte Summen ausgezahlt werden.
 
Bei Freibeutern und Bukanieren sah es schon anders aus. Es herrschten dort eher Strukturen wie bei der Marine. Da konnten Kapitäne nicht abgewählt werden, sondern mussten durch Meuterei in den "Ruhestand" versetzt werden.

Bei Freibeutern (ich nehme an du meinst Privateers) hast du recht, aber das ist auch klar: die sind ja schon von der Terminologie her von Piraten unterschieden, und sind daher von mir schon ausgeklammert. Piraten sind für mich per Definition "Freiberufler", und sind auch von der europäischen Rechtsauffassung der damaligen Zeit so verstanden. Zum Beispiel definiert Hugo Grotius in "De iure praedae" (1604/05) den Piraten als einen Akteur, dessen Seeraub genau deswegen illegitim ist, weil er nur der privaten Bereicherung dient und in keiner Weise einem nationalen Interesse untersteht. Genau aber das gilt ja nicht für die Privateers.

Bei den Bukanieren befinden wir uns in einem Grenzraum, bei dem ich mir gar nicht sicher bin, ob deine ODER meine Aussage in vollem Umfang stimmen. Mit anderen Worten, da haben wir wahrscheinlich beide recht. Ja, die Bukaniere sind sehr stark der Privateering-Ordnung verpflichtet, ja, Morgan wird im Allgemeinen als General bezeichnet und ja, auch ein nationaler Zusammenhang ist über Deals mit entsprechenden Mächten durchaus gegeben.

Andererseits waren es gerade die Bukaniere, die die Jamaica Discipline eingeführt haben, die die große Macht von Kapitänen eingeschränkt und immer stärker auf ein Krisenkommando reduziert hat. Außerdem war's ja nun auch nicht so, dass die Crews die ganze Zeit beieinander geblieben sind und demnach auf ihren Käptn festgelegt blieben. Berühmtes Beispiel: Exquemelin war ja vor allem so schlecht auf Morgan zu sprechen, weil der einmal mit ein paar Jungs mit all der Beute abgedampft und einen Großteil seiner ursprünglichen Flotte (u.a. Exquemelin) sitzengelassen hat. Die haben dann halt einen anderen Kapitän gewählt. Aber es gab auch bei den Bukanieren schon genug Zoff und Trennungen, die dann halt zu Wahlen führten. Und je mehr sich das durchsetzte, desto schwächer war die Position des Kapitäns als Repräsentant irgendeiner Ordnung. Die Bukaniere sind wahrscheinlich in keines der beiden Muster so richtig sauber einzuordnen.

So musste sich der Freibeuter William Dampier auf seinen Kaperfahrten recht häufig einer meuternden Mannschaft erwehren! So sehr er gute Entdeckerqualitäten aufzuweisen hatte, so ungeeignet war er als Kaptän (das wäre mal ein eigenes Kapitel wert!).

Genau. Freibeuter. Und der war nur deswegen Freibeuter, weil er sein Schiff von Finanziers ausgestattet bekommen hat und von ihnen zum Käptn gemacht wurde, genau wie beim Privateering üblich. Bei PIRATEN kenne ich dagegen spontan nur ein Beispiel das dem entspricht, nämlich Stede Bonnet in seiner Vor-Blackbeard-Zeit. Der hat das Schiff selber gekauft und seine Mannschaft regulär bezahlt (konnte übrigens auch kein Stück segeln, der Mann). War aber ziemlich ungewöhnlich dieses Arrangement, Bonnet wurde auch ständig als verrückt bezeichnet und die Sache hielt eh nicht lange vor, weil Blackbeard sein Schiff und seine Crew großmütig für ihn geführt hat.
 
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