Plattenrüstungen nicht gehärtet?

captain kirk

Mitglied
hallo!
ich hatte kürzlich eine diskussion mit einem schmied aus der reanactment-szene. er behauptete, daß die plattenrüstungen des späten mittelalters nicht gehärtet waren, da dünne, gehärtete bleche schnell brechen würden.

ist das wahr?
 
Ja, das ist nachvollziehbar.

Auch bereits gehärtete Stahlteile werden oftmals nachbearbeitet -
man nennt das " Normalglühen ", um bei der Härtung enstandene
Spannungen zu beseitigen.
 
Ich denke, dass man das Verfahren nach dem Härten auch Anlassen nennt. Mit der bereits von "treibsand" erwähnten Wirkung/Absicht.
Meines Wissens war der Fall genau anders gelagert. Weil das "Härten" von Rüstungen (vorwiegend von den süddeutschen Plattnern praktiziert) sehr aufwändig war und auch die Gefahr des Produzierens von Ausschuß bestand, kam man ab dem Spätmittelalter davon ab und produzierte einfach dickere Rüstungen.
Es gab also durchaus Harnische, die besonders im Spätmittelalter gehärtet und im Vergleich zu späteren "dünn" waren.
Ziel war es eben auch, die Rüstung trotzdem leicht zu halten.
Falls Interesse besteht, kann ich ja nochmal einen Blick in "the knight and the blast furnace" werfen um ein paar Daten diesbezüglich hier zu nennen und um meine o.g. Stellungnahme zu untermauern.
Und meine Brustplatte wurde auch gehärtet und soll jetzt sogar einen Armbrustbeschuß aushalten (was ich nicht wirklich testen möchte :winke: ).
Mehr als Worte sagen zwei Videos aus, wo eine gehärtete Brustplatte im Beschußversuch gezeigt wird:
plattnerwerkstatt
Bitte nicht als Werbung verstehen, auf der o.g. Seite, rechts nach unten scrollen, da findet ihr die beiden Videos!
Der Beschußversuch wurde übrigens mit einer schweren Windenarmbrust durchgeführt. Die Zugkraft dürfte bei über 400 kg gelegen haben. Hierzu muss ich mich aber ebenfalls nochmals informieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
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Meines Wissens war der Fall genau anders gelagert. Weil das "Härten" von Rüstungen (vorwiegend von den süddeutschen Plattnern praktiziert) sehr aufwändig war und auch die Gefahr des Produzierens von Ausschuß bestand, kam man ab dem Spätmittelalter davon ab und produzierte einfach dickere Rüstungen.
Es gab also durchaus Harnische, die besonders im Spätmittelalter gehärtet und im Vergleich zu späteren "dünn" waren....

Das hat m.W. nicht nur mit der Aufwändigkeit des Verfahrens zu tun sondern mit den Aufkommenden Feuerwaffen. Eine dickere aber "zähere" Rüstung hält ein schnelles aber relativ weiches Geschoss besser auf, als eine dünne, harte aber sprödere. Prinzipiell ist es aber nicht falsch, es waren billigere Harnische die z.B. in der Niederlande in Massenproduktion hergestellt und an die kriegsführenden Parteien des 30-Jährigen Krieges geliefert wurden.

Eine ähnliche Problematik ist übrigens in der Neuzeit wieder aufgekommen. Bei den Panzern wurde versucht, die Panzerung an der Oberfläche hart zu gestalten, damit einkommende Geschosse möglichst wirkungslos zersplittern oder Abprallen, innen aber den Stahl weicher halten damit er sich verformt möglichst viel Energie des Geschosses absorbiert und selber dabei keine Splitter abgibt. Bei der Massenproduktion der Russen kam es jedoch schon mal vor, dass deren gegossenen Türme entweder gar nicht gehärtet bzw. gelegentlich Spröde wie Glas waren.
 
Wird beim treiben von Blech, nicht das Material nicht verdichtet, also härter gemacht?
Ein zusätzliches härten wie bei Schneiden wäre damit zumeist übberflüssig.
 
Wird beim treiben von Blech, nicht das Material nicht verdichtet, also härter gemacht?

Meines Wissens ja - wiewohl wir dabei noch genau sagen müßten: beim Treiben und beim Drücken/Aufziehen. Es handelt sich dabei um die bei der Kaltverformung und Kaltumformung auftretende Erhöhung der Festigkeit und Verringerung der Bruchdehnung (Kaltverfestigung). Allerdings wird es dabei trotzdem notwendig, die Teile zwischendurch wieder weichzuglühen, da durch diese Art der Kaltbearbeitung ungewollt Härten auftreten können, die eine weitere Bearbeitung unmöglich machen.
 
Ich kenne das Weichglühen vor allemvon Kupfer, Messing und Bronze.

Beis späteren Rüstungen hat man wohl viel gefaltet um mit geringen stärken enorme Stabilität zu erzeugen.
 
Das hat m.W. nicht nur mit der Aufwändigkeit des Verfahrens zu tun sondern mit den Aufkommenden Feuerwaffen. Eine dickere aber "zähere" Rüstung hält ein schnelles aber relativ weiches Geschoss besser auf, als eine dünne, harte aber sprödere.
Die "Blütezeit" des spätgotischen deutschen, gehärteten Harnisches fiel auf das Ende des Spätmittelalters (1470), wobei hier die Feuerwaffen zwar eine Rolle, aber noch eine weitaus geringere spielten als angenommen.
Siehe hierzu Delbrück
Möchte den Ausführungen von Bdaian nicht widersprechen, sondern nur um diesen Aspekt erweitern.
...kam man ab dem Spätmittelalter davon ab und produzierte einfach dickere Rüstungen.
Entschuldigung, eine sehr ungenaue Formulierung meinerseits. Korrekter würde es lauten, ab dem Ende des Spätmittelalters, welches ich jetzt ab 1500 sehe. Natürlich sind damit die zeitlich fließenden Übergänge in der Entwicklung mit eingeschlossen. Auch im Buch "the knight and the blast furnace" wird eine Steigerung der Dicke, mit partiellen Ausbrüchen nach oben und unten, erst ab der Mitte des 16 Jahrhunderts gesehen. Leider kann ich genau auf die Seite mit den Schaubild nicht verlinken, aber hier trotzdem etwas zum lesen.
thickness of armour, ab S. 913
Beis späteren Rüstungen hat man wohl viel gefaltet um mit geringen stärken enorme Stabilität zu erzeugen.
Ich denke du meinst hier die sog. Maximilianischen Riefelharnische ab ca. 1500.
Ein schönes Übergangstück sieht man hier links unten, auf der Seite des Deutschen historischen Museums.
Die Kannelierung dieser Harnische diente vor allem der Nachahmung der damaligen Mode (wie auch die Kuhmaulschuhe an den Rüstungen, siehe hierzu Bild auf wikipedia). Das dabei eine erhöhte Versteifung der Rüstung erfolgte ist zwar nicht von der Hand zu weisen, doch sehe ich darin nicht den Hauptzweck, zumal diese Art der Rüstungen in der Fertigung sehr teuer waren und auch relativ schnell wieder außer Gebrauch kamen.
Den deutschen Wikipedia-Artikel verlinke ich jetzt bewußt nicht, er enthält meiner Meinung nach zu viele Fehler.
 
Die Kannelierung dieser Harnische diente vor allem der Nachahmung der damaligen Mode (wie auch die Kuhmaulschuhe an den Rüstungen, siehe hierzu Bild auf wikipedia). Das dabei eine erhöhte Versteifung der Rüstung erfolgte ist zwar nicht von der Hand zu weisen, doch sehe ich darin nicht den Hauptzweck, zumal diese Art der Rüstungen in der Fertigung sehr teuer waren und auch relativ schnell wieder außer Gebrauch kamen.
Den deutschen Wikipedia-Artikel verlinke ich jetzt bewußt nicht, er enthält meiner Meinung nach zu viele Fehler.
Oh Boeheim lange her das ich den gelesen habe...:friends:
Da gibt es nochmodischere Sachen Rüstungen mit Puffärmel.
Danke Maximilianischen Riefelharnische war die Bezeichnung
 
Diese Spitzen an den Schuhen hatten einen ganz einfachen Zweck, nämlich die feindliche Infanterie in Schaschlik zu verwandeln. ;)

Ich war in Madrid im Königspalast und dort gab es auch eine Ausstellung mit verschiedenen Rüstungstypen, u.a. mehrere Originale von Karl V.! *Wow*

Bei ein oder zwei Rüstungen habe ich Spitzen an den Schuhen gesehen, die mind. 50 cm lang gewesen sind. Normal laufen konnte man mit den Dingern nicht mehr! ;)

Kunsthistorisches Museum: 16. Jahrhundert

Diese Rüstung finde ich auch deswegen interessant, weil sie ein Beispiel dafür ist, warum die Kavallerie in ihrer alten Form aussterben musste.
1. extrem viel Material (Stahl) wurde gebraucht = teuer!
2. Extrem viel Masse. Die Kavallerie der Frühen Neuzeit war in Formation wahrscheinlich nicht viel mehr wendiger als ein moderner Kampfpanzer heute. Das Bild erinnert mich auch irgendwie an einen Leo II. :)

Die Pferde dürften auch ziemliche Rückenprobleme gehabt haben, irgendwann konnten selbst Kaltblüter so einen kleinen Panzer auf ihrem Rücken nicht mehr tragen.
 
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