Politische Gefangene auch in der BRD?

>Also für mich entschuldigt "der Kalte Krieg" nichts. Die ehemaligen Machthaber der "DDR", wie z. B. Egon Krenz, versuchten sich auch immer damit herauszureden - für mich inakzeptabel.
Genauso könnte ja auch "der Kampf gegen den Terror" alles entschuldigen, wie es die USA auch versuchen ( oh je, schon wieder Tagespolitik :still: )
Beim Recht auf Widerstand gegen die Regierung eines Staates würde ich mich persönlich darauf stützen, wie diese Regierung die von der UNO festgelegten Menschenrechte einhält.

>Auf einer Demo wird bei uns niemand festgenommen, wenn die Demo ordnungsgemäß angemeldet ist, er sich an die Auflagen hält und wenn er dabei friedlich bleibt. Auflagen bei Demos kann es geben, um z. B. eventuelle Gefährdungen oder Provokationen von vornherein auszuschließen und sind deswegen meist sinnvoll.

>"Berufsverbote" gegen Kommunisten wurden bisher meines Wissens nur verhängt, wenn sie z. B. Lehrer waren. Dies galt dann aber nicht für irgendeinen anderen Beruf. Diese Praxis ist für mich nachvollziehbar, hat doch der Staat besonders in den Schulen darauf zu achten, wer Kindern Wissen vermittelt, da gerade Kinder noch leicht beeinflußbar sind. Die Gefahr, daß ein Lehrer den Kindern staatsfeindliche und antidemokratische Meinungen vermittelt, ist da besonders groß.
 
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Ich habe vielleicht gerade was gefunden. Was haltet ihr davon? Aus einem Bericht von ai:
"Am 19. Mai 1980 wurde der Steinmetz Albert Mayr vom Amtsgericht Bruchsal zu sechs Monaten Haft wegen Gehorsamsverweigerung und Fahnenflucht verurteilt. Der Gefangene, der seine Strafe in Rottenburg verbüßte, hatte zweimal versucht, als Kriegsdienstverweigerer aus religiösen und moralischen Gründen anerkannt zu werden. Beide Male, 1977 und 1979, hatte der zuständige Prüfungsausschuß in Kempten, respektive in Augsburg, seinen Antrag abgelehnt. Nach der zweiten Ablehnung schrieb Albert Mayr an die zuständigen Militärdienststellen, daß er sich keiner weiteren Gewissensprüfung unterziehen werde, da er sie für unrechtmäßig halte. Anläßlich seines Prozesses teilte amnesty international dem Vorsitzenden, Zimmermann, mit, daß man Albert Mayr für einen echten Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen halte und seine sofortige Freilassung fordere. Er ist von amnesty international als gewaltloser politischer Gefangener adoptiert worden."
 
Vor 1990 war es in der Tat schwierig den Wehrdienst zu verweigern, das hat sich nachher geändert. Ich kenne nur einen, der es nicht geschafft hat zu Verweigern, das Kreiswehrersatzamt hat ihm sinngemäß geschrieben (durch das Bouquet von Fleurop) dass sie sich von ihm auf den Arm genommen fühlten. Von einem Abiturienten sie schon zu erwarten, dass er mindestens eine Seite von Gewissensgründen zusammenbekäme...
Vor 1990 allerdings gab es regelrechte Komissionen, die zusätzlich zur schriftlichen Begründung auch noch eine Gewissensprüfung vorgenommen haben. Aus politischen Gründen durfte (und darf man bis heute) man eben nicht verweigern...
(dabei fällt mir gerade der große Franz Josef Degenhardt ein :D Ich bitte in Gedichte zur Geschichte weiterzulesen. Edit: und zwar hier!)
 
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Das Thema lautet zwar politische Gefangene, aber ich finde es nicht besonders gut, so stark einzugrenzen. Die Gefangenschaft ist doch nur ein Endpunkt einer Odysee, die politisch andersdenkende zu durchstehen hatten. Warum soll man nur durch den ai-"Titel" "geehrt" werden, wenn es zum Haftantritt kam? Manche wurden auch zu Geldstrafen verurteilt, manche verwarnt, manchmal verlief so ein Verfahren auch im Sande. Noch nicht volljährige konnten gar nicht in Haft genommen werden, da gab es wieder Erziehungsanstalten oder Heime. Im Krieg wurde man oft gleich erschossen, andere wurden zur Emigration gezwungen. Weiter unten stand was von Berufsverboten. usw. usf. Für mich sind das alles politisch verfolgte und sollten in eine Kategorie.
 
Jemand der sich durch Gruppenmitgliedschaft einer staatsfeindlichen Gruppe selbst als staatsfeindlich definiert, kann wohl kaum als politisch verfolgt gelten, wenn er keine Anstellung als Angestellter eben dieses Staates bekommt, den er - womit auch immer - bekämpft.
 
Das ist ein bißchen stark vereinfacht. Kaum einer bekämpft ja einen Staat als ganzes. Das könnte er sowieso nur vom Ausland aus. In der Regel werden ja nur bestimmte staatliche Handlungen, Urteile usw. bekämpft (z. B. Atomkraft, Beteiligung an einem Krieg). Warum soll ein Atomkraftgegner nicht Sport- oder Mathelehrer sein? Jemand, der auch Atomkraftgegner ist, aber keiner dagegen kämpfenden Gruppe angehört, darf es ja auch...
 
Mir wäre nicht bewusst, dass jemand, nur weil er Atomkraftgegner war, jemals ein Berufsverbot bekam. Oder ist Atomkraftgegner sein jemals verfassungsfeindlich gewesen?
 
Das mit der Atomkraft war mit nur so eingefallen. Es geht, wie Du selbst schreibst, um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, (die manche für staatsfeindlich halten könnten). Also nehmen wir die DKP:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Falle einer entlassenen (und später wieder eingestellten) Lehrerin, die DKP-Mitglied war, einen Verstoß gegen die Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Meinungs- und Vesammlungsfreiheit) angenommen und die Bundesrepublik zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (aus http://de.wikipedia.org/wiki/Radikalenerlass)
 
Jetzt haben wir schon eine Menge Diskriminierungen, aber noch immer keine politischen Gefangenen...

Als Atomkraftgegner konnte man es in Deutschland ja doch zu etwas bringen... ;)
 

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Die Suchwortkombination politische.gefangene.in.der.brd bringt 67 Treffer, die politischen.gefangenen.in.der.brd noch mal 345 ...
 
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Schini schrieb:
Jetzt haben wir schon eine Menge Diskriminierungen, aber noch immer keine politischen Gefangenen...

Das Problem dürfte darin liegen, dass natürlich kein Staat offiziell so bezeichnete "politische Gefangene" hat.

Da es politische Gefangene "nicht gibt" wird auch niemand wegen seiner Überzeugung verurteilt- sondern nur nach zusammengesuchten Marginalien, die günstigerweise vorliegen. Da lohnt es sich zwischen Anlass und Ursache der Verhaftung zu unterscheiden.

Westdeutsche Kommunisten nach 1957 halte ich immer noch für ein gutes Beispiel, denn deren Verhaftungen fanden aufgrund des politisch motivierten Parteiverbots von 1957 statt.

(Debattieren ließe sich auch darüber, wo genau die Grenze zwischen Gewalt und Nicht-Gewalt verläuft.)
 
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Mercy schrieb:
Und was soll das jetzt? :motz:
Das war die Antwort an Schini, die sich beklagte, daß wie immer noch keine politischen Gefangenen (hier im Forum) haben. Da ich nicht genau weiß, ob sie Zahlen, Namen, Urteilsbegründungen oder Haftbeschreibungen haben möchte, hab ich kurz mal gegoogelt. Nun kann sie sich mit Informationen eindecken.
 
saxo schrieb:
Das war die Antwort an Schini, die sich beklagte,
Dann solltest du das auch deutlich machen.
Zur Verifizierung deiner Ergebnisse wäre außerdem die Offenlegung deiner Sucheinstellungen nochwendig.
Einen Sinn in diesem Treiben kann ich nicht erkennen.
 
Saxo, du magst ihn ja ganz lustig finden, diesen (indirekten) Schlagabtausch mit mir. Ich finde ihn für meinen Teil sehr amüsant. Als Moderatorin passiert mir das ja selten. Stell dir aber mal vor, was die anderen davon halten, wenn du - anstatt, wie schon vorgekommen, inhaltlich was beiträgst - statdessen mit mir herumkeppelst.




Das Problem in diesem Pfad - und vor diesem Problem stehen nicht nur wir - ist nämlich, politische Häftlinge als Kategorie zu fassen. Nelson Mandela war ein politischer Häftling, darüber gibt es wohl einen breiten Konsens, aber er hat auch Sabotageakte begangen. Schon gibt es auch eine strafrechtliche Haftbegründung. Und wo zieht man die Grenze bei Straftaten? Ist es Sachbeschädigung? Steine werfen auf Polizisten? Körperverletzung? Mord? Wer darf diese Grenze ziehen? Wann ist jemand Freiheitskämpfer, wann Terrorist? Darf die Geschichte entscheiden? Die Unterdrückten? Die Überlebenden? Die Sieger? Die Mehrheit? Was aber machen die Menschen, die jetzt gerade im Gefängnis sitzen, oder diejenigen, denen sonst, in diesem Moment Unrecht geschieht? An wen sollen die sich wenden? Gerichte? Die Polizei? Unabhängige Verwaltunssenate? Den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte? Die Medien? Es gibt für nichts eine hundertprozentige Garantie und keine Gerechtigkeit...

Wie unvollkommen das System hier (in Österreich, in Deutschland, in Westeuropa) auch ist, es gibt zumindest Chancen... Die Chance, dass geschehenes Unrecht rückgängig gemacht wird, die Chance auf ein faires Verfahren im juristischen Sinne, die Chance eines Rechts (und ich sage hier bewußt nicht Richter), vor dem alle gleich sind. Wie wir das verstehen und wie wir das leben, können wir jeden Tag gestalten - wenn wir wollen. Hier im Forum können wir uns sogar anonym darüber austauschen. Nutzen wir doch auch diese Chance, konstruktiv, und nicht polemisch, mit Witz, aber ohne andere bewusst zu verletzen. Sprechen wir über Beispiele, das hilft nämlich...
 
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Saint-Just schrieb:
Das Problem dürfte darin liegen, dass natürlich kein Staat offiziell so bezeichnete "politische Gefangene" hat.

Da es politische Gefangene "nicht gibt" wird auch niemand wegen seiner Überzeugung verurteilt- sondern nur nach zusammengesuchten Marginalien, die günstigerweise vorliegen. Da lohnt es sich zwischen Anlass und Ursache der Verhaftung zu unterscheiden.
Glaube ich nicht. "Politisch" meint ja mehr als die persönliche Meinung/Überzeugung des Täters, die "politische" Handlung, die zur Verurteilung führt, muss auf das Wohl der jeweiligen sozialen Gemeinschaft gerichtet sein. Ob sich der "politische" Täter bzw. Gefangene im Einklang mit dem geltenden Gesetz befindet oder nicht, spielt meiner Meinung nach bei der Beurteilung, ob es sich um einen "politischen Gefangenen" handelt, überhaupt keine Rolle.

Also: Stauffenberg war nach den Gesetzen des Dritten Reichs natürlich ein Krimineller, dem der Kopf abgeschlagen gehört hat. Sein Ziel war aber "politisch" - wäre Hitler 1944 von einem Deutschen beseitigt worden, wäre das dem "Gemeinwohl" dienlich gewesen. (Auch wenn man das wahrscheinlich erst ein paar Jahre später festgestellt hätte).

Bei den bis jetzt genannten Beispielen für "politische" Gefangene in der Bundesrepublik bin ich mir sehr im Unklaren darüber, auf welche Art ihre Aktionen das Wohl der Allgemeinheit im Auge hatten. Besonders die Aktionen der "politischen" Vorzeigegefangenen von der RAF finde ich echt zweifelhaft. Schleyer und Ponto mögen unangenehme Zeitgenossen gewesen sein, aber ihre Ermordung lag ganz bestimmt nicht im Interesse des "Gemeinwohls".

Noch mal zur Erinnerung: Der Begriff Politik wird aus dem griechischen Begriff Polis für Stadt oder Gemeinschaft abgeleitet. Politik ist das Öffentliche: Die zielgerichteten Handlungen und Ordnungen, die allgemein verbindlichen Regeln sozialer Gemeinschaften oder eines oder mehrerer Staaten bestimmen. Es sind menschliche Vorstellungen zur Gestaltung der gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse, die jeder Mensch durch Vernunft, Religion, Emotion und andere Erkenntnisquellen entwickeln und formulieren kann. (Wikipedia)
 
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Livia schrieb:
die "politische" Handlung, die zur Verurteilung führt, muss auf das Wohl der jeweiligen sozialen Gemeinschaft gerichtet sein. (Wikipedia)
Na ja... wikipedia eben... Kann ich absolut nicht nachvollziehen. Oft wird für Ziele gekämpft, die erst nach Jahren oder Jahrzehnten Wirklichkeit werden. Oder auch nicht. Können wir dann politische Häftlinge auch erst nach Jahrzehnten als solche definieren?
 
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Livia schrieb:
Glaube ich nicht. "Politisch" meint ja mehr als die persönliche Meinung/Überzeugung des Täters, die "politische" Handlung, die zur Verurteilung führt, muss auf das Wohl der jeweiligen sozialen Gemeinschaft gerichtet sein ... Politik ist das Öffentliche: Die zielgerichteten Handlungen und Ordnungen, die allgemein verbindlichen Regeln sozialer Gemeinschaften oder eines oder mehrerer Staaten bestimmen. Es sind menschliche Vorstellungen zur Gestaltung der gesellschaftlichen und staatlichen Verhältnisse, die jeder Mensch durch Vernunft, Religion, Emotion und andere Erkenntnisquellen entwickeln und formulieren kann.

Das Wohl der Gemeinschaft/Gesellschaft ist abstrakt, die Interessen bestimmter Menschen sind konkret. Natürlich wird jede Gruppe von Menschen versuchen, ihre Interessen als mit dem Wohl der Gemeinschaft/Gesellschaft identisch darzustellen (das ist eine Funktion jeder guten Propaganda). Hat jeder den Eindruck, dass seine Interessen berücksichtigt werden, wird es zu Opposition gar nicht erst kommen.
Zu politischer (System)Opposition kommt es, wenn schon über das Wohl der Gesellschaft als solches Uneinigkeit besteht.
Und eine Instanz außerhalb jeder Gesellschaft, die das unparteiisch entscheiden könnte, existiert nicht. Also kommt es zu politischer Opposition.

(Der Rahmen der zulässigen Opposition kann verschieden bestimmt werden; alles ist aber nie erlaubt.)

Ob sich der "politische" Täter bzw. Gefangene im Einklang mit dem geltenden Gesetz befindet oder nicht, spielt meiner Meinung nach bei der Beurteilung, ob es sich um einen "politischen Gefangenen" handelt, überhaupt keine Rolle.

Das stimmt, aber genau das macht es schwer zu entscheiden. Niemand wird ausdrücklich als politischer Gefangener verurteilt. Stattdessen werden Artikel des Strafrechts zu Hilfe genommen. Das Strafrecht wird zum Mittel der politischen Justiz.

Besonders die Aktionen der "politischen" Vorzeigegefangenen von der RAF finde ich echt zweifelhaft.

Die RAF fällt nach obiger Definition von "ai" nicht unter "politische Gefangene", da sie fraglos Gewalt angewandt hat. Sie hat den Staat herausgefordert, und der staat hat die herausforderung angenommen. (das macht aus menschenrechtlicher sicht natürlich nicht alles legitim, was mit raf-gefangenen angestellt wurde). Aber es gibt auch Grenzfälle, bei denen die Frage Gewalt oder Nicht-Gewalt nicht so einfach zu entscheiden ist, da es keine klare Trennlinie gibt (der umgang mit raf-sympathisanten z.B.). Die Definition ist im Einzelfall immer Interessen- und Machtfrage.
 
Saint-Just schrieb:
Hat jeder den Eindruck, dass seine Interessen berücksichtigt werden, wird es zu Opposition gar nicht erst kommen.
Das wird wahrscheinlich erst der Fall sein, wenn wir alle in einem Borg-Würfel durchs All reisen ...

Saint-Just schrieb:
Die RAF fällt nach obiger Definition von "ai" nicht unter "politische Gefangene", da sie fraglos Gewalt angewandt hat. Sie hat den Staat herausgefordert, und der staat hat die herausforderung angenommen. ... Aber es gibt auch Grenzfälle, bei denen die Frage Gewalt oder Nicht-Gewalt nicht so einfach zu entscheiden ist, da es keine klare Trennlinie gibt (der umgang mit raf-sympathisanten z.B.). Die Definition ist im Einzelfall immer Interessen- und Machtfrage.
Die ai-Definition bezieht sich nur auf gewaltfreie politische Gefangene, dazu zählen die wirklich nicht. Was nicht heißt, das Gewalt als -letztes?- Mittel des politischen Widerstandes nicht legitim sein kann. Die ethischen Aspekte des Tyrannenmordes werden seit der Antike diskutiert - und es gab immer wieder die Meinung, das eben auch ein Mord unter bestimmten Umständen moralisch nicht verwerflich ist.
Wenn ich die RAF-Gefangenen anführe, die für kriminelle Taten wie Raub und Mord verurteilt wurden, dann deshalb, weil es in der Geschichte der Bundesrepublik keine Gruppe (und auch keinen Einzelfall) gibt, die sich so erfolgreich als "politische Häftlinge" vermarkten konnten. Und die ihre Taten mit der Begründung rechtfertigten, gegen das "faschistische System der BRD" zu kämpfen. Da stellt sich für mich die Frage, ob so eine Selbstdefinition reicht, oder ob man versuchen kann, die Grenze zwischen "kriminell" und "politisch" abzustecken. Und die gute alte Frage "Cui bono?" ist da vielleicht nicht der schlechteste Ansatz.
 
Livia schrieb:
Das wird wahrscheinlich erst der Fall sein, wenn wir alle in einem Borg-Würfel durchs All reisen ...

naja, einen gewissen spielraum gibts schon, sonst würde jeder regierungswechsel in einen mittleren bürgerkrieg ausarten. Menschen sind schon bereit einiges zu schlucken, solange sie es als legitim und "Sachzwang" betrachten.

Was nicht heißt, das Gewalt als -letztes?- Mittel des politischen Widerstandes nicht legitim sein kann. Die ethischen Aspekte des Tyrannenmordes werden seit der Antike diskutiert - und es gab immer wieder die Meinung, das eben auch ein Mord unter bestimmten Umständen moralisch nicht verwerflich ist.

Das ist ein wichtiger Punkt: politische Gefangene stellen die Legitimität des Gesamtsystems in Frage (wie das Gesamtsystems auch immer aussieht und welche Ideologie auch immer ihre Grundlage ist). Die Legalität wird gleichgültig.
Gewalt als politisches Mittel- unter bestimmten Umständen ohne Zweifel gerechtfertigt- lässt sich qualitativ wohl kaum übertreffen (höchstens die Intensität der Gewaltausübung steigern).

Wenn ich die RAF-Gefangenen anführe, die für kriminelle Taten wie Raub und Mord verurteilt wurden, dann deshalb, weil es in der Geschichte der Bundesrepublik keine Gruppe (und auch keinen Einzelfall) gibt, die sich so erfolgreich als "politische Häftlinge" vermarkten konnten. Und die ihre Taten mit der Begründung rechtfertigten, gegen das "faschistische System der BRD" zu kämpfen.

Das ist ein interessanter Punkt: was unterschied einen Banküberfall einem Banküberfall der RAF grundsätzlich vom einem gewöhnlichen kriminellen?
Meiner Meinung nach, dass die RAF die Machtfrage stellt, sie haben die Bank nicht zur persönlichen Bereicherung ausgeraubt, sondern um den Guerillakrieg gegen den Staat zu finanzieren.
Kurz: die RAF stellte die Machtfrage. Darauf käme ein Krimineller nicht im Traum.
Für normale Mörder und Bankräuber wird kein besonderes Gefängnis erbaut und gelten keine gesonderten Haftbedingungen.

Da stellt sich für mich die Frage, ob so eine Selbstdefinition reicht, oder ob man versuchen kann, die Grenze zwischen "kriminell" und "politisch" abzustecken. Und die gute alte Frage "Cui bono?" ist da vielleicht nicht der schlechteste Ansatz.

Die entscheidende Frage ist, wie die verschiedenen Seiten auf ihre Selbstdefinitionen kommen.
 
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