Preußens Verdienste

Ich dachte es ginge um Dinge bei denen es wirklich weltweit führend war, bzw. der Erste? Deffiniere ich Verdienste vielleicht falsch? Wenn man Dinge als Verdienst betrachtet mit dem das Los der eigenen Bevölkerung maßgeblich verbessert wurde, ohne dabei unbedingt eine Pionierleistung zu vollbringen, so hat es sich unzweifelhaft große Verdienste erworben. Wobei ich in Fragen der religiösen Tolleranz durchaus auf die Motivation wert lege, denn letztlich wurde sie wie gesagt aus rein pragmatischen Gründen geübt. Die Außenpolitik war ja sehr protestantisch ideologisiert.
 
Ich würde jetzt Verdienste auch als nur die Momente begreifen, die exorbitant wichtig waren und sich, das zweite Kriterium, auch positiv auf das Nichtpreußen auswirkten. Eine Vorreiterrolle wie in der Toleranzpolitik würde ich schon so sehen, vielleicht ist dies die entscheidende Abhebung von den anderen Staaten, in denen eine religiöse Verfolgung bis weit ins 18.Jh. hinein noch an der Tagesordnung war, das wird gerne mit dem Verweis auf 1648 abgehakt.

Dabei wurden gerade durch die Stärkung des Fürstenstaates mit dem Münsteraner und Osnabrücker Frieden, den Fürsten wiederum Mittel zu einer Einkonfessionalität in die Hand gegeben. Der Religionskonflikt wurde dadurch ja nicht gemildert, sondern in ein anderes Spektrum, nämlich dem der Innenpolitik verschoben, wo nun die Potentaten oftmals mit aller Härte gegen die anderen Konfessionen vorgingen. Die Gegenreformation zeigt sich selbst im Falle Sachsens, wo die lutheranischen Stände beim Konfessionswechsel August II. aufgeschreckt, tatsächlich befürchten, dass nun zwangsweise die Gegenreformation Einzug hält. Das wurde zwar letztlich vereitelt, zeigt aber durchaus die Dimensionen des Konflikts überall im Reich.

Vielleicht muss man solche Beispiele mal in Erinnerung rufen, wenn beständig diese Toleranzpolitik unterschätzt wirde. Ich bewerte sie nämlich als einen entscheidenden Schritt hin zum säkularen Fürstenstaat, der dem Untertanen/Bürger die Wahl der Konfession frei lässt, was sich erst mit der Aufklärung ganz klar durchsetzte.:fs:
 
@Brissotin - ganz meinen Meinung. Und vor allem darf man die deutsche Einigung von 1871 nicht vergessen - aus meiner Sicht der größte Verdienst Preußens...
 
Zuerst das HRR zugrunde richten und dann das:autsch:
Lieber AndreasKlammer, also dazu kann ich nur sagen - ich hoffe, ich wiederhole mich jetzt nicht - das HRRDN wurde durch den 30-jährigen Krieg zu Grunde gerichtet, denn nach diesem Krieg hat es seinen Namen nicht mehr verdient und da ist Preußen nun wirklich nicht daran Schuld. Das "Reich" konnte in dieser Konstellation nicht weiter geführt werden, denn die gesamte Entwicklung in Deutschland - wirtschaftlich, politsch und gesellschaftlich - wurde durch die politische Zersplitterung gehemmt - verzögert. Deutschland zu einigen war die Aufgabe, die irgend jemand übernehmen mußte. Und das war nun mal Preußen.
(Und darauf ein dreimal Hoch! Entschuldige mir bitte den Lokalpatriotismus)
:D
 
@ Barbarossa
Genau das meinte ich ja nicht.:motz: ;) Das HRR wurde unter anderem, nicht ausschließlich, von Preußen torpediert, wobei sich Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. (zu dem Thema haupts. in dem Thread: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=13078 ) und Friedrich II. eigentlich nicht viel nehmen, sondern eine Entwicklung weiterführen. Dass diese kontraproduktiv für den Zusammenhalt des Reiches war würde ich zumindest bei den ersten beiden vermuten, dass sie dies garnicht ahnten. Österreich tat selber auch einiges für den Verfall des Reiches, da sind wir uns hoffendlich einig, auch die zeitgen. Politikwissenschaft war der Meinung, insofern sie denn unabhängig und zumeist anononym publizierte.
Das Deutsche Reich als Resultat der preuß. Bemühungen im 19.Jh. kann man als Verdienst ansehen, wenn man eben mehr in Richtung eines Nationalstaates sich Erfolg verspricht. Der Deutsche Bund agierte ja hauptsächlich deswegen recht erfolglos wegen des innerhalb des Bundes befindlichen Konfliktes der beiden großen Parteiungen. Ohne diesen Konflikt hätte man auch mit einem Zusammenwachsen rechnen können. Gerade die expansive Politik und die Besetzung der schwächeren Mittelstaaten, ihre Einverleibung in den preußischen Komplex war ja eher kontraproduktiv für ein innerhalb des Reiches gegenseitig verständnisvolles Zusammenwachsen.
 
Wenn die HRR-Sicht des 18. Jhdts. ein Nachplappern der borussischen Geschichtsschreibung ab 1850 ist frag ich mich ob eine Diskussion überhaupt sinnhaft ist.
Dieses gefärbte Geschichtsbild zu zerschmettern erfordert aber einigen Aufwand, das Thema HRR von 1648 bis 1789 zeichnet sich - zumindest für mich - gleichermaßen durch Faszination wie Komplexität aus.
Leider habe ich im Moment weder die Zeit noch die Quellen, meine Bibliothek (die einiges Gutes an Literatur über die letzten 2 Jahrhunderte des HRR beinhaltet) ist in meiner Wohnung und da komm ich jetzt nicht ran. Und ohne schlaue Bücher möchte ich da nicht in den Ring steigen, geschneckte Quatscher und gibts ja schon.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Rovere
Das HRR ist ja hier auch nicht Thema nur eine Fußnote, bitte keine (unnötigen) Mühen machen, dafür gibt es andere Threads ( :devil: )!
Ich sehe aber auch wie Du, dass man gegen die Geschichtsschreibung des 19.Jh., vor allem die preußischgefärbte, die man kaum als objektiv bezeichnen kann, da die Schlüsse oftmals Wertungen sind, kaum ankämpfen kann und ja auch nicht muss. Den Windmühlenmann haben wir schon im Forum, da brauchen wir nicht selber noch welche werden...:winke:
 
Also fassen wir mal das Thema Preußen-HRR zusammen:
Es gibt die preußische Sichtweise/Geschichtsschreibung und die Realität=)
Das habe ich nicht gesagt. Es gibt viele preußische, auch verdienstvolle Historiker, die sich wissenschaftlich und für uns heutige immer noch beeindruckend mit welchem Fleiß, der preuß. Geschichte angenommen haben.
Hier ist so ein verdienter Historiker: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gustav_Droysen
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_von_Ranke
Sie beschäftigten sich intensiv mit Quellen und trugen und tragen fiel zu unserem modernen Geschichtsverständnis bei. Oftmals kommen moderne Historiker nicht umhin, sie einfach nur zu zitieren, da manches nicht besser und präziser gesagt werden kann.
 
Kann es sein, dass Du die habsburgische Sichtweise/Geschichtsschreibung für die allein seeligmachende Realität hälst?
Wenn das ja, dann ist sicherlich eine weiterführende Diskussion wie auch im Falle von Collos einseitiger Sichtweise wirklich sinnlos. Schade, das Thema ist, obwohl zu Polemik verleitend, sogar ein bisschen reizvoll.
Es geht nämlich im Endeffekt um die immer wieder aufgeworfene Frage, ob gewissen Leitlinien der Politik manche Staaten egal unter welchen Monarchen/Potentaten stetig folgten. Die Toleranzpolitik ab dem 17.Jh. wäre so ein Beispiel...:fs:
 
War nur ein kleiner Witz, verzeihung! Ich werde solche Scherze unterlassen!
Also WARUM war Preußen eigentl. so tolerant, es tanzte damit ja total aus der Reihe? Brauchte Fritzchen Soldaten? Brauchte man Arbeitskräfte um Preußen zu erschließen, immerhin war dieses Land ja sehr dünn besiedelt? Woran lag es?
 
War nur ein kleiner Witz, verzeihung! Ich werde solche Scherze unterlassen!
Also WARUM war Preußen eigentl. so tolerant, es tanzte damit ja total aus der Reihe? Brauchte Fritzchen Soldaten? Brauchte man Arbeitskräfte um Preußen zu erschließen, immerhin war dieses Land ja sehr dünn besiedelt? Woran lag es?

du hast die gründe genannt, brandenburg war nach dem 30-jährigen krieg ein personell und materiell ausgeblutetes land. zudem kam der religionswechsel der hohenzollern zum reformierten glauben, der beim volk nicht durchsetzbar gewesen wäre (ähnlich sah es ja kurze zeit später in sachsen aus), reformiert waren ja nur die hugenottischen einwanderer. unter friedrich dem II. kamen dann mit schlesien und den polnischen gebieten immer mehr katholiken hinzu. man konnte sich einfach keine intolerante politik leisten.
gründe für die einwanderungspolitik brandenburg-preussens sehe ich in erster linie aus wirtschaftlichen gesichtspunkten. dass mehr einwohner auch mehr militär bedeuten war in einer zeit, in der soldaten gekauft oder "geklaut" (sprich in fremden gebieten zwangrekrutiert) wurden, eher zweitrangig. man kann das auch daran sehen, dass die hugenotten lange zeit vom militärdienst verschont blieben (m.w. mussten diese erst mit einführung der reformen um 1810 dienen).
 
Ich denke man macht es sich ein bisschen einfach, die preußische Toleranzpolitik einfach nur anhand öknonmischer Vorteile zu ermessen. Ich nehme an, dass die religiöse Toleranzpolitik durchaus auch auf der (reformierten) Erziehung der preußischen Herrscher beruhte und durchaus auch manchmal Herzenssache war. Bei Friedrich II. würde ich das ihm auf jeden Fall unterstellen, bei den anderen ähnlich. Schließlich machten sich die preußischen Herrscher damit auch Feinde, nämlich die religiösen Eiferer, denen es schon zuviel war, dass das Herrscherhaus die Konfession gewechselt hatte.
 
Preußen war unter den langjährigen Ministerpräsidenten Otto Braun ein Bollwerk der Weimarer Demokratie, durch das sich die Rechten herausgefordert sahen, so daß Reichskanzler von Papen die preußische Regierung 1932 widerrechtlicht entmachtet hat.

Gut, ob das nun ein Verdienst ist, laß ich mal dahingestellt. Ich finde bloß, das diese Tatsache Erwähnung verdient.

Preußen hat in Weimar eine ganz andere, eine demokratische, Rolle ausgeübt, wie in vergangenen Zeiten.

Grüße
Amicus
 
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