Propaganda in der DDR (mündliches Abitur)

endorphin

Neues Mitglied
Hallo ihr Lieben,

bei mir steht nächste Woche mein mündliches Abitur in Geschichte an. Mein Thema hierzu ist "Propagandapolitik in der DDR- einziger Weg zur Herrschaftssicherung?".
Ich habe in den letzten Tagen einige Bücher zu dem Thema gelesen und mich näher damit beschäftigt, da die Note aber wirklich wichtig für mich ist, hätte ich gerne noch ein paar Meinungen was unbedingt in den Vortrag muss. Ich habe mir gedacht vielleicht zuerst mit einem Zitat von Kant zu starten, welches von der Freiheit zu denken handelt, dann mit einer Definition von Propaganda nach Lenin weiterzumachen (allerdings bin ich mir noch nicht ganz hunderprozentig sicher bei der Anwendung der Begriffe Propaganda, Agitation und Agitprop), dann wäre ich auf die Ausübung der Propaganda eingegangen (Sprache als Form der Beeinflussung, schaffen von Heldenfiguren, Idealisierung der SED/Verantwortlichmachen des Westens, Kontrolle über die Freizeit der Bürger...) und anschließend ein Fazit welches auch auf die Frage eingehen sollte.
Allerdings habe ich zu der Frage noch keine wirklichen Quellen gefunden und ich bin etwas unsicher mich alleine auf meine Meinung zu stützen. Meiner Meinung nach trägt die Propaganda zusammen mit der Verschleierung und Geheimhaltung aller politischer Pläne bzw der Undurchsichtigkeit des politischen Systems, hauptsächlich zur Haltung der Stellung der SED bei. Hätte sich die SED auch auf anderem Wege halten können? Die wirtschaftliche Lage etc war in der Planwirtschaft ja zuerst sehr positiv. Und wenn die Propaganda der einzige Weg zur Herrschaftssicherung war, an was ist sie dann gescheitert? Dadurch, dass durch die Aufstände in Polen und Ungarn mehr Information in die DDR kam?

Nach meiner 10-minütigen Präsentation werden ja noch 10 Minuten fragen gestellt. Was denkt ihr welche themeübergreifenden Themen da abgefragt werden können? Propaganda im 3. Reich? Propaganda in der BRD? Oder auch soetwas wie Propaganda in Korea, im Irakkrieg etc? Ich weiß letztendlich kann das niemand genau sagen, aber ich möchte schon möglichst gut vorbereitet zu sein.

Also: Was denkt ihr zu dem Aufbau und welche Aspekte muss ich unbedingt beachten? Ihr würdet mir wirklich riesig helfen, ich bin nämlich jetzt schon recht aufgeregt und in meinem Kopf ist alles noch etwas ungeordnet!:) Also alles was euch dazu einfällt, ist bei mir herzlich willkommen:)

Liebe Grüße,
Sarah
 
Und wenn die Propaganda der einzige Weg zur Herrschaftssicherung war, an was ist sie dann gescheitert? Dadurch, dass durch die Aufstände in Polen und Ungarn mehr Information in die DDR kam?
Die DDR war in einer besonderen Lage. Es gab keine Sprachhürden, wie dies bei den anderen Ostblockstaaten der Fall war. Es gab aus München ein Programm in den Ostblockstaaten vom Radio Free Europe

https://de.wikipedia.org/wiki/Radio_Free_Europe

Aber das war ein dem US-Geheimdienst nahestehender US-Sender.

Dagegen konnten die DDR-Bürger zuerst den RIAS,

https://de.wikipedia.org/wiki/RIAS

später dann die westdeutschen Radio- und Fernsehsender empfangen - ausgenommen der Raum Dresden (Tal der Ahnungslosen). Die DDR-Propaganda konkurrierte also mit dem Meinungsbild der Westsender. Weder erschien eine DDR-Propaganda besonders glaubwürdig, dass der Kapitalismus das Elend über die breite Massen der BRD brachte noch ließen sich im Blick auf den materiellen Status der BRD-Bevölkerung die propagandistischen Erfolgsmeldungen der SED in der DDR-Bevölkerung verkaufen. Diese Diskrepanz zwischen Propaganda und Realität führte m. E. zudem zu einer Abwehrhaltung in der DDR-Bevölkerung, wodurch auch die vorhandenen Schattenseiten der BRD-Gesellschaft von den DDR-Bürgern als falsche Propaganda abgetan wurden - was nach der Wende zu harter Desillusionierung im Osten führte.

Meiner Meinung nach hatte es die DDR-Propaganda durch die innerdeutsche Teilung besonders schwer, weil sie im Wettstreit zu den BRD-Medien stand. Dadurch wurde Propaganda schnell als das entlarvt, was sie war - halt Propaganda.
 
So wie flavius-sterius schreibt, die DDR-Propaganda hatte es sehr schwer, da sie ja ständig den vor sich her vegetierenden Kapitalismus vor ihren Toren hatte. Es war aber sicher nicht unbedingt nur die Wirtschaftskraft, sondern vor allem, was kulturell über Musik und Filmen über den Äther kam. Damit will ich nicht die Kulturschaffenden der DDR diskriminieren, sie durften eben nicht, wie sie wollten.
Was mich an der DDR-Propaganda verwundert, ist, dass sie oft so plump daherkam. Letztens in einer Dokumentation über die DDR war vor einer Klinik ein Plakat zu lesen, auf dem stand "Der Sozialismus ist die beste Profilaxe". Da fällt einem doch die Brille aus dem Gesicht.
Wenn man bei Youtube Karl Eduard von Schnitzler eingibt, bekommt man auch einige Beispiele.
Ich denke, die DDR-Propaganda war fast wirkungslos. Was die DDR erhielt, war die Mauer (keiner konnte so ohne weiteres weg) und die Stasi (wer sich subversiv verhielt, bekam die Macht des Staates auf unangenehme Weise zu spüren).
 
Hierbei handelt es sich nach der Aufgabenstellung nicht um die westliche Propaganda, sondern um die sozialistische des Ostens. Also nicht zu verwechseln mit der Bedeutung von RIAS oder Radio Europe.

Wesentlicher Begriff ist hierbei der des Agitators und der Agitation.
Agitation ? Wikipedia

Diese fand in Schulen und Betrieben statt und war zunächst sicherlich von überzeugten Kommunisten/Sozialisten durchgeführt, später staatlich gelengete und auferlegte Allgemeinerscheinung, welche in der breiten Masse der Bevölkerung eher als lässtig empfunden wurde.

Beispiele für DDR -Propagand war der Staatsbürgerkunde unterricht.

Staatsbürgerkunde ? Wikipedia

Politunterricht in der NVA.
Der schwarze Kanal im Fernsehen.

Der schwarze Kanal ? Wikipedia

Auch die staatlich ausgebaute Aktivisten-Bewegung ist in diesem Zusammenhang zu sehen--> Adolf Hennecke (nebenbei bei vielen seiner Kumpel sogar verhasst, weil er sie durch sein Vorbild zwang mehr Leistung bei gleichzeitiger Kürzung ihrer Rationen zu erbringen)

Der dem Nationalsozialismus vergleichbare Aufbau der Kinder- und Jugendorganisationen kann in diesem Zusammenhang gesehen werden (mehr Einfluss des Staates auf das Individuum, Herauslösen aus der Familie)

Die Zentralorgane der SED (Neues Deutschland) und der FDJ (Junge Welt) waren sicherlich Propagandazeitungen.

Die vielen Propagandatafeln an Betrieben und Einrichtungen sind hier ein Thema genauso wie Namensgebung und die indoktrinierte Kunst der DDR. Beispiel hierfür wären die Singeclubs (Oktoberclub) oder der sozialistische Realismus in der bildenden Kunst.


Sicher ist es schwierig hierfür zusammenfassende Quellen zu finden. Am besten ist es du versuchst Beispiele zu finden (alte Zeitungsartikel, Bilder, Fotos) um die Vorgehensweise der SED darzustellen und mit unseren heutigen rechtstaatlichen Normen zu vergleichen.
 
@endorphin

Die Fragestellung Deines Referates ist meiner unmaßgeblichen Meinung nach zu verneinen.

"Propagandapolitik in der DDR- einziger Weg zur Herrschaftssicherung?"

Müßte ich den Vortrag halten, würde ich von der Totalitarismus-Theorie ausgehend

Totalitarismus ? Wikipedia

Totalitarismus | bpb

versuchen die Propaganda als Teil totalitärer Herrschaftsmethodik in der DDR beschreiben.

Ziel, hier in seiner negativen Ausprägung sarkastisch literarisch beschrieben:

Homo sovieticus ? Wikipedia

Propaganda wäre somit eine Teilmenge totalitärer Herrschaftsmethodik. Nähme man eine Analyse der Machtausübung bzw. der Machtsicherung in der DDR vor, käme man auf einige Besonderheiten, die ihre Ursache in dem nationalgeschichtlichen Weg der DDR hatten (Niederlage des DR im II. WK => deutsche Teilung).

Welche Besonderheiten wären das? Das wichtigste Mittel der Machtsicherung in der DDR war die GSSD.

Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland ? Wikipedia

Ohne diese Truppenpräsenz, die ihre Ursache im II. WK hatte und die gleichsam der "Hüter" der Existenz der DDR war, wäre die DDR undenkbar.

Dann kämen die für alle totalitären Staaten typischen Machtinstrumente, wie Staatspartei (SED), sog. Massenorganisationen (FDGB, FDJ, Pioniere, GST, DSF etc.), der Geheimdienst (MfS), die Polizei (DVP), die Armee (NVA), die Grenztruppen, die Kampftruppen.

Die Propaganda stellte dabei m.E. die legitimatorische Klammer dar, wie in allen totalitären Regimen, in der DDR mit der Besonderheit, daß ihr der nationale Bezug fehlte (deutsche Teilung).

Das wäre so mein Herangehen.

M.
 
Vielen, vielen Dank euch schon einmal.
Soweit klappt das auch alles schon ganz gut, allerdings hätte ich noch gerne ein paar Beispiele für die ideologischen Themen der Propaganda in der DDR gebracht. Wie bei Hitler z.B. die Rassenhygiene, Blut- und Bodenideologie, Rolle der Frau... In der DDR finde ich dazu nur allgemein gehalten eben die Verbreitung und Durchsetzung des Kommunismus. Als Unterpunkte habe ich jetzt nur etwas zur Produktionspropaganda, Wirtschaftsreform und auch zur Stellung der Frau bzw. Erziehungspropaganda. Lasse ich damit einen wesentlichen Punkt aus?
 
Die DDR-Propaganda war total primitiv und dümmlich. Damit konnte kein vernünftig denkender Mensch beeindruckt werden. Bei der Machterhaltung konnte sie keine große Hilfe sein. Es bestand eine gewaltige Diskrepanz zwischen dem, wie die Führung ihr Volk sah und der Realität im Denken der Bevölkerung. Die Propaganda hatte bei denen die sie machten eine größere Wirkung als bei denen an die sie gerichtet war. Einen Vergleich mit der Nazipropaganda kann man gar nicht herstellen, denn die war so erfolgreich, dass sie auf einige Gemüter bis heute wirkt. Im NS-Staat wurde den Deutschen erzählt, dass sie zu einer ganz besonderen ,edlen Rasse gehörten, das ging offenbar runter wie Öl. In der DDR wurde uns der sowjetische Mensch als die Krone der Schöpfung verkauft, zwar nicht im Bezug auf seine Rasse aber in seiner Makellosigkeit auf ideologischen, wissenschaflichen, wirtschaftlichen und natürlich militärischen Gebiet. Sie machten also eher das Gegenteil von den Nazis. Sie stellten ein anderes Volk höher als das eigene. Wen sollte das wohl begeistern?
 
Vielen, vielen Dank euch schon einmal.
Soweit klappt das auch alles schon ganz gut, allerdings hätte ich noch gerne ein paar Beispiele für die ideologischen Themen der Propaganda in der DDR gebracht. Wie bei Hitler z.B. die Rassenhygiene, Blut- und Bodenideologie, Rolle der Frau... In der DDR finde ich dazu nur allgemein gehalten eben die Verbreitung und Durchsetzung des Kommunismus. Als Unterpunkte habe ich jetzt nur etwas zur Produktionspropaganda, Wirtschaftsreform und auch zur Stellung der Frau bzw. Erziehungspropaganda. Lasse ich damit einen wesentlichen Punkt aus?

Ein zentraler Punkt, aus dem das politische System der DDR seine Legitimation ableitete, war der Antifaschismus. In ihrer Propaganda behauptete die DDR stets, der deutsche Staat zu sein, der die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen habe, indem mit der Abschaffung des kapitalistischen Systems dem Faschismus ein für alle Mal die soziale Basis entzogen worden sei. Auch schien nach 1949 auf wundersame Weise ausschließlich die BRD von ehemaligen Nazis bevölkert gewesen zu sein.

Kein Propagandagetöse vermochte die simple Tatsache zu überdecken, dass das materielle Lebensniveau in der BRD höher war. Dass die Menschen im Westen größere persönliche Freiräume hatten, war ebenfalls schlagend offensichtlich. Unbestreitbar war allerdings, dass die Kommunisten von allen politisch Verfolgten im Kampf gegen den Nationalsozialismus die größten Opfer gebracht hatten, und dass in der frühen Bundesrepublik tatsächlich eine ganze Reihe ehemaliger Nazis wieder zu Amt und Würde kamen.

Von allen Aspekten der DDR-Propaganda scheint mir deshalb dieser derjenige zu sein, der noch am ehesten eine gewisse Plausibilität entwickeln konnte. Für die Wenigen, die sich wie der junge Wolf Biermann freiwillig für ein Leben in der DDR entschieden, war denn auch ihr vermeintlich konsequenter Antifaschismus das Hauptmotiv.
 
Ich zitiere einmal aus der Einleitung eines Buches:

"Wie es am Ende des erwähnten Kapitels heißt, wird der hohe Beruf der Sowjetdiplomatie dadurch erleichtert, dass sie über eine gewaltige Waffe verfügt, die ihren Nebenbuhlern nicht zur Verfügung steht: die marxistische Lehre von den Gesetzen der gesellschaftlichen Entwicklung, und ich leite daraus die direkte These ab: der Sowjetdiplomatie ist es dank dieser zuverlässigen theoretischen Waffe gelungen, nicht nur sich richtig in den Vorgängen des internationalen Lebens zurechtzufinden, sondern auch die weitere Richtung ihrer Entwicklung vorauszusehen." [1] (Hervorhebung von mir)

Was Tarlé im Beispiel für die Diplomatie verkündet, war Gesetz. Die Klassiker der Marxismus/Leninismus waren die Verkünder der Wahrheit. Der, der sie studiert hatte, war auf dem richtigen Weg; der, der bürgerliches Gedankengut in die Diskussion einbrachte, war auf dem falschen. Marx, Engels, Lenin, (Stalin) sagten: "..." Und das war richtig und Punkt. Eine Diskussion damit nicht möglich.

Propaganda muss verkauft werden. In der DDR war die Presse gleichgeschaltet:
Überregional erschien "Neues Deutschland" Organ des Zentralkommitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.
In den Bezirken gab es die Ableger:
Z.B. in Magdeburg die "Volksstimme", im Volksmund "Volksspinne" genannt, in Cottbus die "Lausitzer Rundschau", "Lügenrudi" genannt. Sie nannten sich Organ der Bezirksleitung der Soz. Einheits...

Und dann solche Slogans wie dieser hier: "Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen."

Wer mit den "Sowjetbürgern" zu tun hatte, "Russe" war - aus DDR-Sicht -nicht so erwünscht, wusste, dass Zeitungen vor den Fenstern oder die berühmte "Papirosi" keine wirklich erstrebenswerten Ziele waren.

Grüße
excideuil

[1] Tarlé, E. W.: „Talleyrand“, Koehler & Amelang, Leipzig, 1950, Seiten 5-6
 
@endorphin

Ein Mitdiskutant schrieb w.o., daß die Propaganda in der DDR recht primitiv gewesen sei, war sie auch streckenweise, insonderheit in den Massenmedien. Allerdings kam sie auch subtil daher, Du suchst Beispiele:

- alle Studenten an den Uni's und Hochschulen hatten während der drei ersten Studienjahre als Pflichtfach Marxismus-Lenininsmus (1. Jahr ml Philosophie, 2. Jahr ml Politische Ökonomie, 3. Jahr Wissenschaftlichen Kommunismus) dieser ml Studienkurs schloß mit einer Hauptprüfung (= in etwa Staatsexamen ab). Dort versteckte sich die Propaganda subtil hinter der Maske der Wissenschaftlichkeit.

- w.o. wurde als legitimatorische Grundlage der Antifaschismus genannt, wenn agitatorisch nichts mehr ging, darauf konnten sich alle zurückziehen, obwohl auch der Antifaschismus in der DDR ein Stück weit eine Lüge war verg z.B. hier.:

National-Demokratische Partei Deutschlands ? Wikipedia

- wenn es subtil nicht ging, wurde auch die propagandistische "Keule" geschwungen vergl. z.B. hier (2. Phase):

Landwirtschaft in der DDR ? Wikipedia

"Sozialistischer Frühling auf dem Lande" - Vor 45 Jahren gab die SED den Abschluss der | Kalenderblatt | Deutschlandfunk

-und das war die Sprachregelung am Ende der DDR:

Sozialismus in den Farben der DDR ? Wikipedia

M.
 
Ein zentraler Punkt, aus dem das politische System der DDR seine Legitimation ableitete, war der Antifaschismus. In ihrer Propaganda behauptete die DDR stets, der deutsche Staat zu sein, der die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen habe, indem mit der Abschaffung des kapitalistischen Systems dem Faschismus ein für alle Mal die soziale Basis entzogen worden sei. Auch schien nach 1949 auf wundersame Weise ausschließlich die BRD von ehemaligen Nazis bevölkert gewesen zu sein.

Kein Propagandagetöse vermochte die simple Tatsache zu überdecken, dass das materielle Lebensniveau in der BRD höher war. Dass die Menschen im Westen größere persönliche Freiräume hatten, war ebenfalls schlagend offensichtlich. Unbestreitbar war allerdings, dass die Kommunisten von allen politisch Verfolgten im Kampf gegen den Nationalsozialismus die größten Opfer gebracht hatten, und dass in der frühen Bundesrepublik tatsächlich eine ganze Reihe ehemaliger Nazis wieder zu Amt und Würde kamen.

Von allen Aspekten der DDR-Propaganda scheint mir deshalb dieser derjenige zu sein, der noch am ehesten eine gewisse Plausibilität entwickeln konnte. Für die Wenigen, die sich wie der junge Wolf Biermann freiwillig für ein Leben in der DDR entschieden, war denn auch ihr vermeintlich konsequenter Antifaschismus das Hauptmotiv.



Die DDR erhob ja den Anspruch, der "bessere deutsche Staat" zu sein, und es verschaffte der DDR mit Sicherheit ein nicht zu unterschätzendes Renomme, dass namhafte Intellektuelle wie Bert Brecht und Helene Weigel sich in Ost- Berlin niederließen, nicht zuletzt weil in der BRD alte Nazis in Medizin, Jurisprudenz, Wirtschaft und Massenmedien bald hohe Positionen besetzen konnten. Einige Politbüro- Mitglieder konnten sich darauf berufen, dass sie tatsächlich im Spanischen Bürgerkrieg in Internationalen Brigaden gekämpft hatten und im Dritten Reich verfolgt wurden und oder im Widerstand aktiv waren. Mit der Einführung des real existierenden Sozialismus waren laut Staatsdoktrin in der DDR die Voraussetzungen für Krieg und Faschismus beseitigt worden. Die DDR erklärte sich als antifaschistisch und als den besseren deutschen Staat. Damit wurde aber auch jede Diskussion und kritische Auseinandersetzung mit der NS- Vergangenheit abgewürgt, das Ganze wurde nur in Bezug auf die als revanchistisch betrachtete Bundesrepublik thematisiert, wo ein Hans Globke zum Staatssekretär avancierte, der den Kommentar für die Nürnberger Gesetze verfasst hatte, wo- wie peinlich- Bundeskanzler Kiesinger für seine NS- Vergangenheit von der Journalistin Beate Klarsfeld geohrfeigt wurde und "schreckliche Juristen" wie Hans Filbinger sich als joviale Landesväter gebärdeten, denn "was damals recht war, konnte heute kein Unrecht sein". Die Entnazifizierung wurde aber auch in der DDR recht oberflächlich gehandhabt, und es war durchaus auch dort alten Nazis möglich, die Karriere fortzusetzen und unbehelligt zu leben. Teilweise war die NS- Vergangenheit einiger DDR- Bürger auch der Stasi bekannt, die dieses Wissen gelegentlich nutzten, um Spitzeldienste zu fordern.

In Sendungen wie dem "Schwarzen Kanal" oder der aktuellen Kamera wurde häufig über Neonaziaktivitäten und die Erfolge von rechtsradikalen Parteien wie der NPD, DVU und den Republikanern berichtet. Die Umtriebe alter und neuer Nazis in der BRD dienten als Beleg, dass es sich um einen revanchistischen, aggressiven und imperialistischen Staat handele.
 
der Sowjetdiplomatie ist es dank dieser zuverlässigen theoretischen Waffe gelungen, nicht nur sich richtig in den Vorgängen des internationalen Lebens zurechtzufinden, sondern auch die weitere Richtung ihrer Entwicklung vorauszusehen." [1] (Hervorhebung von mir)

Von amerikanischen Diplomaten, die in den sechziger Jahren mit Sowjet-Diplomaten zu tun hatten, wird genau dieses Syndrom benannt.

Von den Amerikanern wurde diese Einstellung als überheblich wahrgenommen, da die Sowjets sich sicher waren, dass sie genau wußten, welche Wendung das Schicksal für die Zukunft für sie bereit hielt. Und dieses Wendung bedeutete für den Westen die Einsicht in den historisch vorbestimmten Niedergang des Kapitalismus und der kapitalistischen Eliten.

Dank der vertieften Kenntnis der finalen Weisheit bzw. Methode eines "wissenschaftlichen" Marxismus/Leninismus.

In diesem Sinne hatte, wenigstens für die Nomenklatura, das ideologische Gerüst des ML einen faktischen Bestand und war Teil ihres Weltbilds.

Und somit entsprangen Aussagen des Staates über die Realität von Seiten der SED-PG zum einen der eigenen Überzeugung, aber zum anderen war man sich natürlich der Notwendigkeit einer Auseinandersetzung, via politischer Propaganda, mit dem "Klassenfeind" sehr bewußt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch ein Aspekt: sozialistische Kunst.
DER SPIEGEL*19/1971 - JETZT MACHEN WIR UNSERE KLASSENKUNST

Gemeint sind dabei weniger Plakate etc., sondern die Malereien und Plastiken, Gebäude- und Wandverzierungen. Beeindruckt hat mich dabei die Gegenwärtigkeit in den Betrieben 1990, teilweise monumental, in Verwaltungs- und Produktionsgebäuden, Kantinen usw.

Ein anderer Aspekt in den VEBs, rund um das Arbeiterbild, war auch ein gewisser Flaggenkult, "beste Arbeitsbrigade" usw. Findet man natürlich in Entsprechung auch sonstwo, zB in etwas anderer Form in Imbißketten, Möbelhäusern usw.

Beides ist natürlich nicht in einen Topf zu werfen, aber in der Zielrichtung vereinigte sich das nach meinem Eindruck unter Fortschritt, Überlegenheit des Sozialimus, Arbeiterbild, propagandistische Kunst, Leistungsbilanz etc.
 
Noch ein Aspekt: sozialistische Kunst.
DER SPIEGEL*19/1971 - JETZT MACHEN WIR UNSERE KLASSENKUNST

Gemeint sind dabei weniger Plakate etc., sondern die Malereien und Plastiken, Gebäude- und Wandverzierungen. Beeindruckt hat mich dabei die Gegenwärtigkeit in den Betrieben 1990, teilweise monumental, in Verwaltungs- und Produktionsgebäuden, Kantinen usw.

Kunst und Propaganda waren in der DDR natürlich insofern eng verbunden, als die Kunstdoktrin des Sozialistischen Realismus grundsätzlich die "Parteilichkeit" der Kunst forderte. Das mündete dann im "Bitterfelder Weg": Einerseits sollten die Kulturschaffenden aktiv "in die Produktion gehen", andererseits die Werktätigen selbst sich künstlerisch betätigen ("Greif zur Feder, Kumpel!").

Bitterfelder Weg ? Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
In der DDR finde ich dazu nur allgemein gehalten eben die Verbreitung und Durchsetzung des Kommunismus. Als Unterpunkte habe ich jetzt nur etwas zur Produktionspropaganda, Wirtschaftsreform und auch zur Stellung der Frau bzw. Erziehungspropaganda. Lasse ich damit einen wesentlichen Punkt aus?

Neben den schon genannten Punkten würden mir noch einfallen:

1.) Internationalismus, v.a. innerhalb des "sozialistischen Lagers". Wobei auch hier der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinanderklaffte, wenn man sich die Lebensbedigungen vieler Menschen aus diesen "Bruderstaaten" ansieht, die in der DDR arbeiten durfte. Nicht zu vergessen ist hier aber auch die Wirkung eine andere Wirkung im Ausland bis heute: Für viele Menschen aus Südamerika, Afrika etc. war die Möglichkeit, in der DDR zu studieren, die einzige, die es gab; ebenso ist nicht vergessen, dass die DDR Flchtlingen (bspw vor Pinochet) Asyl gewährt hat. Diese Dinge wurden seinerzeit von der DDR-Propaganda natürlich gerne bemht.

2.) Die historische Kontinuität zu sozialen Kämpfen der Vergangenheit wurde immer wieder betont; eigedenk der Weisheit aus dem Kommunistischen Manifest: "Die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen", als deren Höhepunkt oder Vollendung man sich ja Begriff. Spartakus, Bauernkriege etc. alles wurde als Quasi-Vorläufer der Kommunisten vereinahmt, setzte allerdings auch einen deutlichen Gegenpunkt gegen die "bisherige" Geschichtsschreibung.

Ich merk aber: Wenn mans übertreibt, ufert das Thema aus... ;)
 
Ich habe mal aus dem Artikel einen Absatz herausgenommen:
Ein anderer Fehler, der bei uns gemacht wird, ist der, daß man die Möglichkeiten der bildenden Künste überbewertet. Ihre Wirkung ist, begrenzt. Zur Kunst braucht es Wissen, sagte Brecht.
Aus der Sowjetunion kam der sozialistische Realismus. Damit war die Kunst automatisch in die Propaganda mit eingeflochten. Dem konnte sich der Künstler nicht entziehen. Es sollte eine dem Arbeiter verständliche Kunst geschaffen werden und damit eine ideelle Umformung und Erziehung der Werktätigen im Geiste des Sozialismus stattfinden. Hehre Ziele.

Der interviewte Fritz Cremer schuf unter anderem das Buchenwalddenkmal. Er selbst stellte weniger den sozialistischen Alltag dar, als vielmehr den antifaschistischen Kampf der Kommunisten zur Nazizeit, Spanienkämpfer usw. Außerdem setzte er sich viel mit Brechts Werken auseinander.
Zwar unterschrieb er den Protestbrief gegen Biermanns Ausbürgerung 1976 mit, zog allerdings wenige Tage später seine Unterschrift wieder zurück. Dieses Verhalten kann man mit dem Gesagten in dem Interwiev von 1971 vergleichen.
 
@Melchior

" Allerdings kam sie auch subtil daher, Du suchst Beispiele:

- alle Studenten an den Uni's und Hochschulen hatten während der drei ersten Studienjahre als Pflichtfach Marxismus-Lenininsmus (1. Jahr ml Philosophie, 2. Jahr ml Politische Ökonomie, 3. Jahr Wissenschaftlichen Kommunismus) dieser ml Studienkurs schloß mit einer Hauptprüfung (= in etwa Staatsexamen ab). Dort versteckte sich die Propaganda subtil hinter der Maske der Wissenschaftlichkeit. "


ehrlich gesgagt finde ich das nicht gerade subtil.....also unterschwellig, spitzfindig, feinfühlig :nono:

Habe damals zwar noch nicht studiert, kenne das aber aus Erzählungen und vergleiche das mit dem Staatsbürgerkunde- Unterricht meiner Schulzeit.

Wie oben mehrfach gesagt war die DDR -Propaganda primitiv und lässtig.


Was mich agitiert hat war das Wissen von der Stasi, Bautzen und Schwedt.
Der Ausschluss vom Studium und die permanente Überwachung hat mich dazu veranlasst eben das zu erzählen was "die" höhren wollten, oder eben die Schnauze zu halten.:still:

subtil finde ich eher die heutige Werbepsychologie und "Kaufpropaganda"
 
@Melchior

" Allerdings kam sie auch subtil daher, Du suchst Beispiele:

- alle Studenten an den Uni's und Hochschulen hatten während der drei ersten Studienjahre als Pflichtfach Marxismus-Lenininsmus (1. Jahr ml Philosophie, 2. Jahr ml Politische Ökonomie, 3. Jahr Wissenschaftlichen Kommunismus) dieser ml Studienkurs schloß mit einer Hauptprüfung (= in etwa Staatsexamen ab). Dort versteckte sich die Propaganda subtil hinter der Maske der Wissenschaftlichkeit. "


ehrlich gesgagt finde ich das nicht gerade subtil.....also unterschwellig, spitzfindig, feinfühlig :nono:

Habe damals zwar noch nicht studiert, kenne das aber aus Erzählungen und vergleiche das mit dem Staatsbürgerkunde- Unterricht meiner Schulzeit.

Wie oben mehrfach gesagt war die DDR -Propaganda primitiv und lässtig.


Was mich agitiert hat war das Wissen von der Stasi, Bautzen und Schwedt.
Der Ausschluss vom Studium und die permanente Überwachung hat mich dazu veranlasst eben das zu erzählen was "die" höhren wollten, oder eben die Schnauze zu halten.:still:

subtil finde ich eher die heutige Werbepsychologie und "Kaufpropaganda"

@hardy73

Gegenüber der Propaganda in den Massenmedien, war der ml Grundlagen Kurs an den Unis bzw. Hochschulen schon subtil. Die eschäftigung mit den Grundrissen oder dem Kapital hatte schon einen wissenschaftlichen Anspruch, die sind heute noch im Canon der VWL, das zur Politischen Ökonomie.

In Philosophie, spilten neben Marx und Lenin (historischer und dialektischer Materialismus), Kant, Hegel und Feuerbach eine nicht unwesentliche Rolle.

W.I. Lenin: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus (1913)

Ansonsten schau mal hier:

Institut für Marxismus-Leninismus (Hochschulen der DDR) ? Wikipedia

Das diese ml Kurse Indoktinierung enthielten, keine Frage, aber mit dem Staatsbürgerunterricht, hatte das nichts zu tun.

M. :winke:
 
In Philosophie, spilten neben Marx und Lenin (historischer und dialektischer Materialismus), Kant, Hegel und Feuerbach eine nicht unwesentliche Rolle.

Dann muss man aber die Frage stellen: Inwieweit durfte man sich kritisch mit diesen Geistern auseinandersetzen? Zudem war man ja als Student schon durch den Stattsbürgerkundeunterricht (ich mag das Wort nicht richtig schreiben) in der POS soweit zurechtgebogen, dass man das sagte, was erwünscht war. Man ging ja dann, wenn man studieren wollte, auch 3 Jahre "freiwillig" zur NVA. Im Hintergrund drohte dem werdenden Akademiker immer der Holzhammer "Ab in die Produktion!"

Was ich meine: Eine Auseinandersetzung mit Kant, Hegel oder Feuerbach war mit dieser Drohung immer eine Farce.
 
Bzgl. der Wirkungen habe ich ein etwas zwiespältiges Gefühl, wenn Propaganda als durchschaubar und offensichtlich, primitiv, platt, ggf. nervig und dumpf beschrieben wird.

Möglicherweise ist hier auch zeitlich zu diffenrenzieren, zB die 1960er von den späten 1980ern zu trennen, als auch die ökonomischen Probleme unübersehbar wurden?

Aus der eigenen Familie kenne ich jedenfalls einige Überzeugte, was auch nichts mit Bildungsstand zu tun hatte. Ein weiteres Phänomen, das ich auf die Verwissenschaftlichung der politischen Ökonomie bzw. das gesamte Gedankengebäude zurückführe: die wissenschaftlichen Vertreter des Sozialismus waren den demokratischen "Westlern" in der politischen Rhetorik eines Diskurses immer um Längen überlegen. Wirtschaftshistorik, geschichtliche Krisenanalyse etc. spielte an westlichen Universitäten im Prinzip eine völlig untergeordnete Rolle. In etwa hat das auch Thanepower mit Bezug auf US-Amerikaner angedeutet.
 
Zurück
Oben