Provenienzforschung...

silesia

Moderator
Teammitglied
ist ein aktuelles Thema, eng mit vielen - gerade neuzeitlichen - Sachthemen hier im Forum verbunden.
Zwei ganz aktuelle Schlaglichter dazu:

1. die kurzfristig abgesagte Max-Stern-Ausstellung in Düsseldorf.
Die Absage der Ausstellung zu dem renommierten jüdischen Kunsthändler in Düsseldorf, der nach den Zwangsverkäufen in den 1930ern mit „Reichsfluchtsteuer“ in die USA emigiriert ist:
http://www.focus.de/regional/duesse...em-sammler-max-stern-abgesagt_id_7843913.html

2. das Presseecho auf einen Artikel in der SZ heute, in Bezug auf deutschen Kunstraub während der Besatzungszeit in Griechenland.
Hier als Beispiel griechische Presse:
http://greece.greekreporter.com/201...eece-a-massacre-and-some-beautiful-souvenirs/
(Artikel hier: http://www.sueddeutsche.de/kultur/n...paar-schoene-souvenirs-1.3747661?reduced=true )

Ausstellungen werden riskant, wenn sie ohne „Absicherung“ erfolgen. Inzwischen gibt es sogar Zuschussförderung, um Nachforschungen zur Absicherung zu betreiben, bevor geplanten Aktivitäten die Absage droht. Im Raum steht hier wohl auch ein Ethikrahmen, der international beschlossen wurde.
 
Hm, ist natürlich auch ein heißes Pflaster weil beinahe Tagespolitik.

Viele Sammler wollen lieber gar nichts über die Provenienz wissen, wer weiß, was nach einer tieferen Untersuchung ihre Sammlung noch wert ist, wenn alle Fälschungen aufgedeckt sind?

Ich frage mich auch gerade, inwiefern kleinere Museen das organisatorisch überhaupt leisten können sich irgendwelche Absicherungen zu beschaffen. An Sammlungs-Ausstellungen, wo wirklich aus aller Herren Länder Bilder zusammengetragen wurden, kann ich mich am besten an die große Caroline-Luise-Ausstellung in Karlsruhe erinnern. Mit die bedeutendsten Werke der Sammlung der Markgräfin wurden ja nach ihrem Tod entgegen ihrer Verfügung vom Haus Baden verscherbelt. Das wohl teuerste Stück, ein großes Gemälde von van Dyck, hat sie selber noch zu Lebzeiten verkauft, da ihr bewusst wurde, dass es finanziell wahrscheinlich doch den Bogen überspannte.

Soll es hier im Thread nur um die Probleme mit der Provenienz im Zusammenhang mit Beutekunst gehen oder auch allgemeiner?
 
Provenienzforschung ist natürlich in mehrerlei Hinsicht aktuell:
- Der Fall Gurlitt hat einer breiteren Öffentlichkeit noch mal in Erinnerung gerufen, dass es Raubkunst gibt und womöglich erbberechtigte Verwandte der bestohlenen (und häufig ermordeten) Voreigentümer (auch wenn nach derzeitigem Ermittlungsstand wohl die Masse der Gurlitt-Sammmlung nicht als Raubkunst zu betrachten ist).
- Hinzu kommt das Bewusstsein der ethnologischen Museen und Institute, dass viele in der Kolonialzeit mitgebrachte Gegenstände, die heute in den Magazinen lagern oder z.T. auch ausgestellt sind, gegen das Einverständnis der betroffenen Ethnien entwendet wurden, wobei teilweise nicht nur Eigentum entwendet sondern auch religiöse Gefühle verletzt wurden. Heute springen da die ethnologischen Museen endlich über ihren Schatten und versuchen rechtmäßigen Besitzern z.B. die Körperteile ihrer Ahnen oder Kultgegenstände zurückzugeben.
- Zu guter letzt kommt die archäologische Provenienzforschung. Archäologische Museen und Institute haben sich zum Teil mitschuldig an der Ausplünderung archäologischer Fundplätze gemacht, weil sie - wenn auch durchaus wohlmeinend - Gegenstände unklarer Provenienz aufgekauft haben. Zum Teil geschieht das bis in die Gegenwart. Auftrieb hat die Ausplünderung archäologischen Kulturguts im 'Iraq 2003 und in Syrien vor allem im IS-beherrschten Gebiet bekommen. Da ist viel in den Handel gelangt, was z.T. bereits in den Museen stand, z.T. aber eben auch, was erst im Zuge des Zusammenbruchs eines Staatswesens ausgebraben wurde.
 
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