Quarantäne-Rede von Roosevelt

Hallo Forenkollegen,

ich befinde mich in einem politischen Forum mal wieder in einer Diskussion mit ein paar Ewiggestrigen!

Zur besseren Argumentation benötige ich den Text der Roosevelt-Rede vom Oktober 1937, der sogenannten Quarantäne-Rede, wenn möglich auf deutsch, da mein englisch nicht weltbewegend ist.

Leider habe ich durch googlen nur Fragmente, aber nicht den vollständigen Redetext gefunden.

Könnt Ihr mir helfen?

Mit freundlichem Gruß,

Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch ein Nachsatz:

die Rede wurde von den deutschen außenamtlichen Stellen entsprechend fachlich kommentiert und ausgewertet (u.a. Botschaft in den USA). Die Aktenvermerke hierzu sind in den ADAP, Band I, Von Neurath zu Ribbentrop, enthalten.

Tenor ist, dass die Rede als im Schwerpunkt gegen Japan aufgrund der ostasiatischen Aggression gerichtet sei. Zweiter (Haupt-)Ansprechpartner sei Italien, vor dem Hintergrund des Abbessinienkrieges und des italienischen Engagements im Spanischen Bürgerkrieg. Nachrangig sei das Deutsche Reich angesprochen worden, von daher nahm die deutsche Seite die Rede als Warnung auf.

Im übrigen wurde auf die vorsichtige Aufnahme der Rede in den USA selbst und in GB hingewiesen; das amerikanische Militär sei zB von der Rede überrascht worden. Fazit: ein globales Eingreifen der USA sei nur für den Fall erwartbar und angekündigt, in dem GB in einen kriegerischen Konflikt verwickelt werde.

Der Anlaß der Rede wurde in der japanischen Expansion in Fernost gegen China gesehen.
 
Hallo Forenkollegen,

ich befinde mich in einem politischen Forum mal wieder in einer Diskussion mit ein paar Ewiggestrigen!

Zur besseren Argumentation benötige ich den Text der Roosevelt-Rede vom Oktober 1937, der sogenannten Quarantäne-Rede, wenn möglich auf deutsch, da mein englisch nicht weltbewegend ist.

Leider habe ich durch googlen nur Fragmente, aber nicht den vollständigen Redetext gefunden.

Könnt Ihr mir helfen?

Mit freundlichem Gruß,

Andreas
Hm... ich dachte, dass ich eine deutsche Fassung der Quarantäne-Rede auf meinem PC abgespeichert hätte. Aber dem war wohl nicht so. Meine ist auch nur auf englisch.

Die Quarantäne-Rede, mit der FDR eine "konzentrierte Aktion der friedlichen Nationen" forderte und eine "internationale Quarantäne" gegen die "Epidemie weltweiter Gesetzlosigkeit" anregte, ist eine der großen Reden des 20. Jh. Sie nimmt im Grunde die später in der UN-Charta umgesetzte Idee von Isolation und Zwangsmassnahmen gegen einen Staat, der den Weltfrieden stört, vorweg.

Gleichwohl ist die Quarantäne-Rede im Rahmen der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik schwierig einzuordnen. FDR, der früher als andere die Gefährlichkeit Hitlers erkannte, hätte sich diesem gerne bereits 1937 in den Weg gestellt. ABER ihm fehlten die Machtmittel (selbst die Schweiz verfügte über mehr Soldaten als die USA), die Bevölkerung war unwillig (Isolationismus/Neutralismus) und der potentielle Verbündeten GB basteltete gerade an seiner "Beschwichtigungspolitik". Und alle Beteiligten (FDR, die Amerikaner, die potentiellen Verbündeten sowie die Dt./Ita./Jap. wussten um diese Einschränkungen).

Fazit: die Rede zielte mehr auf grundsätzliches (Standortbestimmung) als auf konkrete Massnahmen. Nicht ohne Grund verwendete FDR den unkonkreten Begriff der "Quarantäne". Ihm ging es mehr darum, dem "einfachen Mann" zu erklären, wie es sich mit den "Gangster-Staaten" verhält (Krankheit), warum diese auch die amerikanische Sicherheit bedrohen (Ausbreitung) und was man gegen diese Störer tun muss (Quarantäne).

Nicht ohne Grund hielt FDR die Rede in Chicago. 1937 war Chicago die Hauptstadt der Neutralisten und der Deutsch-Amerikaner. Über die Organisationen der Deutsch-Amerikaner versuchte Berlin die neutralistischen Bestrebungen Amerikas nach Kräften zu fördern. Dementsprechend ätzend wurde FDRs Rede in der "Höhle des Löwen" vom innenpolitischen Gegner aufgenommen. Aber mit jeder neuen Aggression nahm ein wenig die Zahl der Stimmen zu, die sich dafür aussprachen, der Gewalt Widerstand entgegen zu setzen. Gleichwohl gelang es FDR nicht, die Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung zu Gunsten einer Intervention zu drehen. Die Amerikaner waren selbst 1939/40 nur bereit bis zum letzten Engländer zu kämpfen. Die Kluft zwischen der von FDR erkannten Notwendigkeit zu einem (raschen) Handeln und der mangelnden Entschlossenheit der Amerikaner wurde erst durch Hitlers Kriegserklärung überbrückt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Gandolf,

hast Du Literatur für diesen deutschen Bezug der Rede?

Das Außenministerium hat in der Tendenz eher die Drohung gegen Japan (1.) und Italien (an 2. Stelle) betont, so würde ich diese Quellen in den ADAP interpretieren. Das Deutsche Reich war bis zu diesem Zeitpunkt zwar durch starke Worte Hitlers zu Gebietsansprüchen aufgefallen, Rheinland, Bruch mit Locarno, Aufrüstung, spielte ansonsten aber im Spanischen Bürgerkrieg mit Ausnahme der Luftwaffe (Guernica) eher eine Italien nachgeordnete Rolle. Von daher war die Zuordnung zu den "Aggressor-Staaten" ebenfalls ergänzend gemeint.

Den innenpoltischen Widerstand (wie dargestellt) gegen die Rede Rossevelts findet man auch in den Auswertungen des AA.
 
Vorsicht Missverständnis: du hast darüber geschrieben, wie die Rede auf deutscher Seite wahrgenommen wurde; ich schrieb davon, dass FDR 1937 gegen Hitler gerne mehr gemacht hätte, als nur eine Rede zu halten. Meines Wissens (ich schreibe aus meiner Erinnerung) gab es Überlegungen für eine Seeblockade. Beides schliesst sich nicht aus, da FDR den von mir genannten Einschränkungen unterlag und dies auch auf deutscher Seite bekannt war.

Konkreter Anlaß für die Rede war tatsächlich der japanische Einfall in China. In der Rede finden sich dann aber auch Anspielungen auf Deutschland: Brechen der Verträge (gemeint war wohl Wiedereinführung der Wehrpflicht und Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland), Eingreifen in den Spanischen Bürgerkrieg und vor allem Rüstungsausgaben für Angriffspläne zwischen dreißig und fünzig Prozent.
 
Vorsicht Missverständnis

Deshalb frage ich ja nach.

Aus der Rede selbst kann man nicht entnehmen, dass das DR der hauptsächlich Angesprochene gewesen sein soll, und dass wegen dieser Bedeutung die Rede in Chicago gehalten wurde.

Ansonsten habe ich mich zwar auf die deutschen Quellen bezogen, diese versuchen jedoch auch (ich sehe da keine mangelnde Professionalität oder Voreingenommenheit der Stellen), die amerikanische Wahrnehmung darzustellen.
 
Die Quarantäne-Rede, mit der FDR eine "konzentrierte Aktion der friedlichen Nationen" forderte und eine "internationale Quarantäne" gegen die "Epidemie weltweiter Gesetzlosigkeit" anregte, ist eine der großen Reden des 20. Jh.

Entschuldige die Nachfrage: konzentriert oder nicht doch konzertiert?
 
Ich halte das im Kern für eine „Japan-Rede“, aus innen- und außenpolitischen Gründen.

- die amerikanischen Interessen waren durch den japanischen Vormarsch in China seit Juli 1937 getroffen, im August und September waren beachtliche Bodengewinne durch Japan erfolgt, hinzu kamen die Bombardierungen und Massaker.
- Die aufgeputsche Stimmung in Japan führte zur Empfehlung Grews (US-Botschafter in Tokio), eine Flotte insbesondere für den Pazifik aufzubauen, so dass ein Angriff auf die USA unmöglich ist. Roosevelt und Hull haben diese Ansicht übernommen.
- Nach Sumner Welles war Roosevelt 1937 mit der Bedrohung durch Japan weit mehr beschäftigt als mit der Entwicklung in Deutschland.
- Tuchman sieht die Rede vor dem Hintergrund des chinesisch-japanischen Konflikt und des Spanischen Bürgerkrieges, weil sich die isolationistischen Tendenzen in den USA in Ansehung der Konflikte sogar weiter verstärkten. Wochenweise erhielt das Weiße Haus ca. 2000 Zuschriften, von den Friedensgesellschaften initiert: 80 % forderten Frieden um jeden Preis, 70 % die sofortige Anwendung des Neutralitätsgesetzes, 15 % waren dagegen, weil es China schade und Japan nütze.

Das Ergebnis der Rede war ein „historischer Bumerang“:
„Das ist schrecklich. Man versucht, etwas zu unternehmen und sieht sich um und stellt fest, dass kein Mensch da ist.“. 25 Millionen gesammelte Unterschriften für die Parole: „Haltet Amerika aus dem Krieg heraus“, AFoL missbilligt die Rede, ein Abgeordneter stellt Antrag auf Tadel des Präsidenten, die Kongressabstimmung bringt 2:1 gegen eine amerikanische Teilnahme an Völkerbund-Aktionen im Fernen Osten. Außerdem ist der ostasiatische Bezug der Rede aus der am 6.10.1937 in Brüssel zusammentretenden Neun-Mächte-Konferenz für die Lösung des Konfliktes Japan-China zu sehen.

Alles nach: Tuchman, Saat in den Wind, USA und China 1911-1945.

Bereits gegen die fernöstlichen Aspekte nachrangig, dennoch für die USA problematisch war das italienische Engagement im Spanischen Bürgerkrieg.
Auf offizieller Ebene wurden die dt.-amerik. Beziehungen 1933-1937 trotz einer Zunahme der Feindseligkeiten bis zur „Quarantäne-Rede“ nur durch Scharmützel getrübt.
nach: Friedländer, Auftakt zum Untergang, Hitler und die USA 1939-1941.

Man sollte daher der Roosevelt-Rede keine weite Prognose im Hinblick auf die anschwellende nationalsozialistische deutsche Bedrohung beilegen, Deutschland wurde den Aggressor-Staaten lediglich (natürlich richtigerweise) zusortiert, wobei später der Anschluss Österreich in den USA deutlichere Reaktionen als in Paris und London hervorgerufen hat. Ich würde das eher als Versuch einer außenpolitischen Warnung an Italien und Japan, Begründung der Aussetzung des Neutralitätsgesetzes für Fernost, innenpolitisch als Versuch einer „Ruck-Rede“ gegen den amerikanischen Isolationismus und Begründung der amerikanischen Aufrüstung werten.


Bei Hitler fand das kaum Niederschlag. Obwohl im Oktober 1937 in einigen Besprechungen Weichenstellungen erfolgten, findet sich keine Replik zu Roosevelt, nicht einmal der Ansatz einer Beachtung der Rede. In der Hoßbach-Niederschrift spielen die USA für die Hitler-Strategie keine Rolle, Passivität für europäische Fragen demnach unterstellend. Merkwürdigerweise werden sie in einer möglichen Konfrontation mit GB um Kanada erwähnt, um die Schwäche von GB in Hitlers Sicht zu verdeutlichen.
Domarus, Hitler, Reden und Proklamationen, Okt. und Nov. 1937 in Band 1.


EDIT: Der These, dass der Ort "Chicago" bewußt in irgendeiner Richtung auf Deutschland gesetzt worden sei, kann ich nach nochmaliger Durchsicht der ADAP nicht folgen. Nach der Analyse Dieckhoffs und seinen Angeben aus Kreisen des State Departments war urspünglich eine "farblose" Rede geplant, die von Rossevelt erst nach der Ankunft in Chicago verschärft worden sei. Anlaß sei das japanische Vorgehen, gegen das ein Signal zu setzen sei. SD mit Hull war über die Verschärfungen vorab nicht informiert udn zeigte sich überrascht.
aus: ADAP Serie D, Band I, diverse Vermerke nach dem 5.10.1937.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Silesia, @Gandolf,

vielen Dank erst einmal, ich werde mal sehen, was ich von der Rede verstehe und den Rest durch einen Übersetzer jagen.

Ich frage mich, warum diese Rede, die ja lt. Gandolf recht bedeutend war, so in Vergessenheit geraten ist...

Im übrigen diskutiere ich gerne mit diesen Betonköppen. Ich lieeeeebe es, sie argumentativ auszumanövrieren und ad absurdum zu führen!

Was mir schon öfter mit Hilfe von Angaben aus diesem Forum gelungen ist!

Gruß,

Andreas
 
Im übrigen diskutiere ich gerne mit diesen Betonköppen. Ich lieeeeebe es, sie argumentativ auszumanövrieren und ad absurdum zu führen!

Ich habe da mal reingeschaut :eek: :fechtduell:
Gruselig, was da so behauptet wird und wie das vorgetragen wird.

Übrigens können mW auch Beleidigungen in Foren inzwischen belangt werden, vielleicht weiss Gandolf da genaues.
 
@GdA:

Ich bin ja durchaus bereit, Dich bei Deinen Aufklärungsaktivitäten in fremden Foren zu unterstützen. Aber ich möchte dann schon gerne wissen, um was für ein Forum es sich handelt;) und mir schon ein eigenes Bild von den dortigen Diskussionen machen.

Ich frage mich, warum diese Rede, die ja lt. Gandolf recht bedeutend war, so in Vergessenheit geraten ist...
Was wissen die Deutschen schon von FDR? Nichts und wenn sie doch etwas wissen, ist es meistens nur das Falsche: "Deutschenhasser", "Kriegstreiber", etc. Das hängt freilich auch damit zusammen, dass es schwierig ist, ein gutes deutschsprachiges Buch über FDR zu finden, geschweige denn eine ausführliche Biografie.
Ich halte das im Kern für eine „Japan-Rede“, aus innen- und außenpolitischen Gründen.
FDRs "Japan-Rede" bezog sich auf alle expansiven Mächte. Ausdrücklich genannt hat er keinen Staat. Anspielungen auf D/Jap/Ita gab es eine ganze Menge. Die auf D habe ich genannt.

Wenn man FDRs Quarantäne-Rede (1937) in Bezug setzt zu FDRs 1934-1937 recht häufig formulierte Idee/Wunsch/Forderung über eine Wirtschaftsblockade/Wirtschaftssanktionen Deutschlands (!) wird schon klarer, dass bei der "Japan-Rede" Deutschland mit ganz oben auf der Liste stand.
silesia schrieb:
Aus der Rede selbst kann man nicht entnehmen, dass das DR der hauptsächlich Angesprochene gewesen sein soll, und dass wegen dieser Bedeutung die Rede in Chicago gehalten wurde.
Hat jemand behauptet, dass das DR der "hauptsächlich Angesprochene" gewesen sein soll "und dass wegen dieser Bedeutung" die Rede in Chicago gehalten wurde? Die Provokation galt der neutralistischen/isolationistischen/pazifistischen Bewegung, zu denen die organisierten Deutsch-Amerikanern gehörten, was wiederum kein Zufall sondern dem Umstand geschuldet war, dass diese von Berlin gegen FDR aufgehetzt wurden - und beide Gruppen hatten ihr Zentrum in Chicago.

"Hull und (...) Davis schlugen (...) vor, der in den USA vorherrschenden isolationistischen Grundstimmung durch eine Rede zu begegnen, und zwar bewusst in einer Stadt, in der diese politische Haltung tief verankert war" (Uwe Lübken, Bedrohliche Nähe, 2004, S. 35).
silesia schrieb:
EDIT: Der These, dass der Ort "Chicago" bewußt in irgendeiner Richtung auf Deutschland gesetzt worden sei, kann ich nach nochmaliger Durchsicht der ADAP nicht folgen. Nach der Analyse Dieckhoffs und seinen Angeben aus Kreisen des State Departments war urspünglich eine "farblose" Rede geplant, die von Rossevelt erst nach der Ankunft in Chicago verschärft worden sei. Anlaß sei das japanische Vorgehen, gegen das ein Signal zu setzen sei. SD mit Hull war über die Verschärfungen vorab nicht informiert udn zeigte sich überrascht.
aus: ADAP Serie D, Band I, diverse Vermerke nach dem 5.10.1937.
Na, dann muss es ja stimmen. Aus den ADAP ergibt sich ja zwangsläufig die "authentische Interpretation" von FDRs außenpolitischen Vorstellungen.
 
Nö, muss es nicht, da interpretierst Du in mein "Nicht-Folgen der These" zuviel hinein. Darum ging es mir auch nicht.

Erstaunlich finde ich, dass sich der angeblich Angesprochene nicht/kaum angesprochen fühlte, wirklich komisch oder Unvermögen des AA, richtig zu verstehen? Weiter unklar ist, ob Hull die eine/mehrere Rede(n) nun vorher kannte, bzw. das Bewußtsein von Hull und Davis (etwa die Memoiren von Hull?).

Die Verbindung des Redentextes mit einer bewußten Ortswahl als Höhle der Löwen hatte nicht ich vorgebracht (auch hier haben die Adressanten offenbar schlecht verstanden oder nicht zugehört), bei Chicago würde ich im übrigen auch Italien nicht außer Acht lassen. Schließlich sind direkt die Invasoren fremden Territoriums angesprochen worden, Italien und Japan, und die Einmischungen in innere Angelegenheiten anderer Länder (hier käme Deutschland in Frage - Österreich, Südamerika, etc.).

Wahrscheinlich ist das aber eine Scheindiskussion. Der Fernost-Bezug der Rede wird wohl kaum in Frage gestellt. Ob Deutschland (obwohl es sich kaum angesprochen fühlte) von Roosevelt mit angesprochen wird, ist sicher der Sache nach richtig, und von den Einmischungen/Aggressionen berechtigt.
 
Nö, muss es nicht, da interpretierst Du in mein "Nicht-Folgen der These" zuviel hinein. Darum ging es mir auch nicht.

Erstaunlich finde ich, dass sich der angeblich Angesprochene nicht/kaum angesprochen fühlte, wirklich komisch oder Unvermögen des AA, richtig zu verstehen? Weiter unklar ist, ob Hull die eine/mehrere Rede(n) nun vorher kannte, bzw. das Bewußtsein von Hull und Davis (etwa die Memoiren von Hull?).

Die Verbindung des Redentextes mit einer bewußten Ortswahl als Höhle der Löwen hatte nicht ich vorgebracht (auch hier haben die Adressanten offenbar schlecht verstanden oder nicht zugehört), bei Chicago würde ich im übrigen auch Italien nicht außer Acht lassen. Schließlich sind direkt die Invasoren fremden Territoriums angesprochen worden, Italien und Japan, und die Einmischungen in innere Angelegenheiten anderer Länder (hier käme Deutschland in Frage - Österreich, Südamerika, etc.).

Wahrscheinlich ist das aber eine Scheindiskussion. Der Fernost-Bezug der Rede wird wohl kaum in Frage gestellt. Ob Deutschland (obwohl es sich kaum angesprochen fühlte) von Roosevelt mit angesprochen wird, ist sicher der Sache nach richtig, und von den Einmischungen/Aggressionen berechtigt.
Du differenzierst leider zu wenig zwischen dem, was ein Redner WILL, dem, was ein Redner (taktisch) SAGT, und dem, was ein Zuhörer VERSTEHT. Schon deshalb erscheint mir Dein Schluss vom Verstehen (der deutschen Zuhörern) auf die außenpolitische Intentionen FDRs doch ziemlich fragwürdig zu sein. Im Ergebnis mag deren Bewertung, die Rede sei nur eine Warnung gewesen, richtig gewesen sein. Das konnte aber auch daran gelegen haben, dass FDR 1937 ohnehin die Möglichkeiten fehlten, seine seine weitergehenden Vorstellungen umzusetzen, worauf ich schon in meinem # 4 hingewiesen hatte.

Deiner Bewertung der Quarantäne-Rede als "Japan-Rede" (# 9) scheint mir doch schon deren Wortlaut entgegen zu stehen. Die bezieht sich nämlich auf mehrere Aggressor-STAATEN und nicht nur auf einen Staat. Zudem enthält sie eben auch Anspielungen auf D und Italien.

Auch Dein statistisches Argument, FDR habe sich in der Zeit vor dieser Rede vor allem mit Japan beschäftigt, ist kein stichhaltiges Argument für eine "Japan-Rede". Seit seinem Amtsantritt hatte für FDR die Lage in Europa, insb. die deutschen Probleme, im Vordergrund gestanden. Bei einer so grundsätzlich abgefassten Rede wie der Quarantäne-Rede ausgerechnet die grundsätzliche außenpolitische Orientierung des Redners und dessen grundsätzliche Blickrichtung auf die europäischen bzw. deutschen Verhältnisse auszublenden, halte ich dann doch für unverständlich. Zumal FDR schon im Mai 1933 und seit dem immer wieder Sanktionen/Blockaden gegenüber Deutschland ins Spiel gebracht, gewünscht, gefordert hatte. Sanktionen und Blockaden erscheinen mir doch gar nicht so weit weg zu liegen von Quarantänen. Das alles muss sich dem AA auch gar nicht erschlossen haben, da FDR diese Vorstellungen/Ideen überwiegend gegenüber Briten und Franzosen äußerte.

Aber nun ja, als FDR 1935 zur Krönung des neuen englischen Königs ausgerechnet den in Deutschland verhassten früheren amerikanischen Deutschlandbotschafter der ersten Weltkriegsjahre entsendete, zudem den Oberkommandierenden des amerikanischen Expeditionsheeres und den Oberkommandierenden der amerikanischen Nordseeflotte, hätte sich das AA schon fragen können, was diese merkwürdig zusammengesetzte Delegation eigentlich bedeuten sollte. Aber diese Zusammensetzung fiel noch nicht einmal den Isolationisten in den USA auf...
 
Zuletzt bearbeitet:
Du differenzierst leider zu wenig zwischen dem, was ein Redner WILL, dem, was ein Redner (taktisch) SAGT, und dem, was ein Zuhörer VERSTEHT. Schon deshalb erscheint mir Dein Schluss vom Verstehen (der deutschen Zuhörern) auf die außenpolitische Intentionen FDRs doch ziemlich fragwürdig zu sein.
Ein Differenzierungsproblem erscheint mir eher daraus zu entstehen, dass Deine Interpretationen meiner Aussagen nicht meinen Aussagen entsprechen.

Wenn ich in #13 ausführe, mir fehlen Belege, um der Chicago-These und der DR-These zu folgen, dann ist das eben so, wenn auch dE fragwürdig. Der Rest aus #9 ist Tuchman und Friedländer, andere können gerne folgen.

Wenn jemand (Roosevelt) etwas sagt, gehe ich erstmal ohne weitere Skepsis davon aus, dass er sagt, was er will. Hier entsteht das erste Problem, nämlich dass dieses "Sagen" in der Bedeutung nicht nur einigen auf den politischen und militärischen Bühnen wenigen unklar blieb:
1. Beispiel Deutsche Reich: siehe oben
2. Beispiel GB: dargestellt zB bei Gibbs/Butler, Grand Strategy, Vol. I, S. 399.
3. Beispiel: innenpolitische Folgen USA, siehe oben.

Der "Wille" desjenige bleibt Spekulation, selbst anhand der Aussagen. Wir können aber anhand der Rahmenumstände Rückschlüsse tätigen: 1937 hat Roosevelt a) die erneute Depression, verursacht durch den schweren Fehler der Mindestreservepolitik 1936 und der Defizitverringerung 1936, b) die soeben getätigte Aggression Japans gegen China, die unter anderen USA-Interessen direkt verletzte, verbunden mit Massaker und Anfangserfolgen c) randlich die europäische Krise mit einem sich imperialistisch gebärdenden Italien und einem spanischen Bürgerkrieg (beides aufgrund der Bevölkerungsteile beachtlich) interessiert. Er hatte 1937 also wichtige Sorgen als Deutschland, unterstellt man ihm nicht hinsichtlich Hitler weitergehende Propheterie. Selbst wenn, war Hitler 1937 in erster Linie ein europäisches "Problem":

"Der alte Kontinent interessierte viele Amerikaner nicht (Anm: seine Politik wurde im Gegenteil weitgehend verachtet). Hitlers Revisionismus stellte die USA nicht vor bedrängende politische und strategische Probleme, zumal nicht bis 1938. Die Rheinland-Besetzung erweckte hier (USA) keine Besorgnisse, wenn auch Roosevelt selbst seit 1933 Hitlers Politik kritisch verfolgte, ohne allerdings Konsewuenzen für die USA selbst zu befürchten. So war denn seine Chicagoer Quarantäne-Rede vom 5.10.1937 - übrigens stärker gegen Japan als gegen Deutschland gerichtet - mehr ein allgemeines Signal als ein Zeichen für eine bereits auf dem Weg befindliche Politik."
Deist/Messerschmidt/Volkmann/Wette, DRZW I, S. 635.

Die Perzeption der Rede in den deutschen Akten - die britische Seite habe ich nun von der politisch-strategischen Aufnahme her oben ergänzend zitiert (mit geteilten Fronten in der britischen Regierung, Skepsis in der Aufnahme und empfundener Störung der Appeasement-Politik) - bietet natürlich lediglich Rückschlüsse auf die Zielrichtung der Rossevelt-Rede, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Mehr solltest Du aber da auch nicht hinein interpretieren.


Zum Meinungsstreit um die Rede:
Mir erscheint die Diskussion um die Reichweite der Rede auf/gegen das Deutsche Reich von daher interessant, weil die gewisse Teile der Literatur hier revisionistisch aufsetzen und eine Stoßrichtung (siehe "Kriegserklärung" oben) konstruieren. Ich halte das für absurd und gegen jede Fakten gerichtet:
1. das betroffene Deutsche Reich hat das selbst nicht empfunden
2. Rossevelt hat den Anlaß der Rede aus der aufschwellenden Aggressivität Japans (hauptsächlich, s.o.) und Italiens (Spanien/Abbessinien) gezogen (hieraus resultiuert der Plural der Aggressoren). Das DR sollte sich sicherlich mit angesprochen fühlen, weil es mit den beiden bereits "paktierte" etc. Der behauptete Anlaß "Deutschland" für die Rede ist ebenso wenig zu belegen wie die Hauptdrohung bzw. Kriegserklärung gegen Hitlers Politik. Wie oben gesagt, hier lagen für die USA noch wenig Probleme, Roosevelt interessierte sich in 1937 außenpolitisch vorwiegend für den Pazifik und die Krise China/Japan.

Zu dem Ostasienbezug noch folgende Untersuchung der militärisch/strategischen Konsequenzen der Rede, denn hier wurden schließlich drohende Kriege angesprochen:

Nach dem innenpoltischen Erdbeben folgte erste "Taten" aus der Analyse: am 28.1.1938 erklärte R. die nationale Verteidigung als unzureichend imVerhältnis zu dem "threat to world peace and security." USFP, S. 403, Message to the Congress. Direkte Folge als Ergebnis der strategischen Analyse: Ausbau der Flotte, daneben zB. Flugabwehr, nicht jedoch Flugzeuge! Der mit dieser Rüstungsforderung angesprochene Hauptgegner war Japan (siehe oben, Grew, Hull, Roosevelt), nicht das Deutsche Reich mit seinen nach damaliger Sicht kümmerlichen und auch noch durch GB begrenzten/blockierten Marinerüstungen.

Das nochmals ausgeweitete Flottenrüstungskonzept der Two-Ocean-Navy, also unter Erweiterung der alten japanischen Bedrohung um die Kontrolle des Atlantiks, resultiert aus europäischen Entwicklungen 1938 -1940, verstärkt 1940 aus aus der Kontrolle des (west-)europäischen Kontinents durch Deutschland im Zuge der frz. Niederlage. Mit der politischen Entwicklung einher ging dann auch die vorwiegend gegen Osten, nicht gegen Westen gerichtete Luftrüstung (siehe zB. die Bedrohungsstudie Atlantik-Afrika-Südamerika gegen das Deutsche Reich vom 23.3.1939)
alles nach: Craven/Cate, The Army Air Forces in WW II, Vol. I.

Fazit: erst mit den Krisen 1939 in Europa verschoben sich die politisch-strategischen Schwerpunkte gegenüber der Sichtweise Roosevelts im Oktober 1937. Hier liegen wir wohl auseinander.
 
Ein Differenzierungsproblem erscheint mir eher daraus zu entstehen, dass Deine Interpretationen meiner Aussagen nicht meinen Aussagen entsprechen.
(...)
Wenn jemand (Roosevelt) etwas sagt, gehe ich erstmal ohne weitere Skepsis davon aus, dass er sagt, was er will. Hier entsteht das erste Problem, nämlich dass dieses "Sagen" in der Bedeutung nicht nur einigen auf den politischen und militärischen Bühnen wenigen unklar blieb:
1. Beispiel Deutsche Reich: siehe oben
2. Beispiel GB: dargestellt zB bei Gibbs/Butler, Grand Strategy, Vol. I, S. 399.
3. Beispiel: innenpolitische Folgen USA, siehe oben.
Auch hier zeigt sich erneut Dein Differenzierungsproblem: Du schliesst vom Verstehen der auf den Bühnen sitzenden Zuhörer auf den Willen des Redners.

Übrigens ging es mir bisher nicht so sehr um das Problem, ob FDR das wollte, was er sagte, sondern vielmehr darum, dass er aus taktischen Gründen nicht alles sagen konnte, was er wollte.
Silesia schrieb:
Wenn ich in #13 ausführe, mir fehlen Belege, um der Chicago-These und der DR-These zu folgen, dann ist das eben so, ...
Dabei habe ich doch schon in # 12 aus Uwe Lübkens in der Reihe Transatlantische Historische Studien erschienenem Buch zitiert, wonach Chicago "bewusst" ausgewählt wurde. Wie ich bereits mehrfach erwähnt hatte, war Chicago die Hauptstadt des Isolationismus, der auch von den organisierten Deutschamerikanern unterstützt wurde. Zudem erschien in Chicago die "Tribune". Bei dieser handelt es sich um eine der größten Zeitungen der USA und zugleich um die republikanischste aller republikanischen Zeitungen der USA, die Hochburg des Isolationismus. Ihr reaktionärer Verleger Robert Mc Cormick fiel bis dahin und später auch durch viele ausgesprochen europafeindliche, insb. englandfeindliche, Leitartikel auf. "Für den 5. Oktober 1937 wurde in Sichtweite des Tribune Towers eine Rede Roosevelts zur Einweihung der Outer Link Bridge an Chicagos Lake Shore Drive arrangiert" (Lübken, aaO [# 12]). Mir scheinen diese Zusammenhänge die These, dass FDR seine Rede in der "Höhle des Löwen" hielt, durchaus zu rechtfertigen.
silesia schrieb:
Der "Wille" desjenige bleibt Spekulation, selbst anhand der Aussagen. Wir können aber anhand der Rahmenumstände Rückschlüsse tätigen: 1937 hat Roosevelt a) die erneute Depression, verursacht durch den schweren Fehler der Mindestreservepolitik 1936 und der Defizitverringerung 1936, b) die soeben getätigte Aggression Japans gegen China, die unter anderen USA-Interessen direkt verletzte, verbunden mit Massaker und Anfangserfolgen c) randlich die europäische Krise mit einem sich imperialistisch gebärdenden Italien und einem spanischen Bürgerkrieg (beides aufgrund der Bevölkerungsteile beachtlich) interessiert. Er hatte 1937 also wichtige Sorgen als Deutschland, unterstellt man ihm nicht hinsichtlich Hitler weitergehende Propheterie. Selbst wenn, war Hitler 1937 in erster Linie ein europäisches "Problem":
Bei Deinem Versuch, aus den Rahmenumständen Schlüsse auf den "Willen" von FDR zu ziehen, fällt auf, dass Du dessen seit 1933 bis 1937 gezeigte Abneigung gegenüber dem Dritten Reich komplett ausblendest. Logischerweise erschliesst sich Dir somit auch gar nicht, dass FDR gegenüber dem Dritten Reich wegen dessen Vertragsbrüche etc. seit 1933 mit kollektiven Zwangsmassnahmen (Sanktionen, Blockaden) vorgehen wollte. Er hat in Bezug auf D in Chicago 1937 nichts anderes gesagt, was er nicht schon vor 1937 wünschte, forderte, wollte - nur diesesmal ganz provokativ öffentlich, aber mit dem Euphemismus der "Quarantäne".

Es bedurfte doch nicht Prophetie, die einen westlichen Politiker zu einem entschiedenen Gegner Hitlers werden lassen konnte. Gesunder Menschenverstand war da vollkommen ausreichend. FDR war z.B. einer der wenigen westlichen Politiker, der Hitlers "Mein Kampf" gelesen hatte. Er ging davon aus, dass Hitler nicht alles, was er wollte, in diesem Buch schreiben würde, und das die englische Übersetzung nicht alles enthalten würde, was in der deutschen Ausgabe stand, und infolgedessen hatte er die denkbar schlechteste Vorstellung von Hitler. Er hatte Hitlers Wesen erkannt und steuerte in der Folgezeit ganz instinktiv auf die Konfrontation mit diesem zu. Die Zeitgenossen haben schon Mitte der 30er Jahre den Gegensatz Hitler-Roosevelt wahrgenommen. Auch in der deutschen Presse war FDR schon vor 1937 zum Gegenstand von Angriffen geworden. Man fühlte sich von ihm durchaus angesprochen und getroffen.
silesia schrieb:
"Der alte Kontinent interessierte viele Amerikaner nicht (Anm: seine Politik wurde im Gegenteil weitgehend verachtet). Hitlers Revisionismus stellte die USA nicht vor bedrängende politische und strategische Probleme, zumal nicht bis 1938. Die Rheinland-Besetzung erweckte hier (USA) keine Besorgnisse, wenn auch Roosevelt selbst seit 1933 Hitlers Politik kritisch verfolgte, ohne allerdings Konsewuenzen für die USA selbst zu befürchten. So war denn seine Chicagoer Quarantäne-Rede vom 5.10.1937 - übrigens stärker gegen Japan als gegen Deutschland gerichtet - mehr ein allgemeines Signal als ein Zeichen für eine bereits auf dem Weg befindliche Politik."
Deist/Messerschmidt/Volkmann/Wette, DRZW I, S. 635.
Ich schrieb ja schon in meinem # 4, dass Roosevelts Rede schwierig einzuordnen ist. Einerseits wollte er mehr, andererseits konnte er aber aus den in # 4 genannten Gründen nicht mehr tun. Mein Fazit in # 4 lautete: seine Rede zielte mehr auf eine grundsätzliche Standortbestimmung als auf konkrete Massnahmen. - Gleichwohl halte ich es für absurd, bei der Bewertung dieser Grundsatzrede ausgerechnet FDRs grundsätzliches und durchaus vorrangiges außenpolitisches Interesse an den europäischen, insb. deutschen Verhältnissen, zu ignorieren und seine Quarantäne-Rede auf eine "Japan-Rede" zu reduzieren.
silesia schrieb:
Mir erscheint die Diskussion um die Reichweite der Rede auf/gegen das Deutsche Reich von daher interessant, weil die gewisse Teile der Literatur hier revisionistisch aufsetzen und eine Stoßrichtung (siehe "Kriegserklärung" oben) konstruieren. Ich halte das für absurd und gegen jede Fakten gerichtet:
1. das betroffene Deutsche Reich hat das selbst nicht empfunden
2. Rossevelt hat den Anlaß der Rede aus der aufschwellenden Aggressivität Japans (hauptsächlich, s.o.) und Italiens (Spanien/Abbessinien) gezogen (hieraus resultiuert der Plural der Aggressoren). Das DR sollte sich sicherlich mit angesprochen fühlen, weil es mit den beiden bereits "paktierte" etc. Der behauptete Anlaß "Deutschland" für die Rede ist ebenso wenig zu belegen wie die Hauptdrohung bzw. Kriegserklärung gegen Hitlers Politik. Wie oben gesagt, hier lagen für die USA noch wenig Probleme, Roosevelt interessierte sich in 1937 außenpolitisch vorwiegend für den Pazifik und die Krise China/Japan.
Vorweg folgendes:
das Deutsche Reich fühlte sich durchaus von FDRs Quarantäne-Rede angesprochen. Du selbst hast ja wiedergegeben, dass die Rede als "Warnung" empfunden wurde. Und in der deutschen Presse wurde die Quarantäne-Rede - entgegen einer Weisung von Goebbels - in einer derartigen Breite und Schärfe rezipiert, die den deutschen Botschafter Dieckhoff in seinem Schreiben vom 15.10.1937 befürchten ließ, dass diese Reaktionen die Amerikaner in ihrem Glauben bestärken könnte, Roosevelts Vorwürfe würden zutreffen (vgl. Herbert Sirios, "Zwischen Illusion und Krieg. Deutschland und die USA 1933-41", Diss., S. 109).

Zum Meinungsstreit:
Ich halte nicht so viel davon, die Rede in eine Japan-Rede zu verbiegen, um hierdruch - ich schreibe mal - "pseudeo-revisionistische" Geschichtslehren besser widerlegen zu können. Meistens spielen die "Pseudeo-Revisionisten" genau mit diesem auf seiten ihrer Gegner manchmal anzutreffenden Mechanismus, um dann möglichst "dick" gegen diese auftragen zu können.

Dass sich FDR ganz instinktiv zu Hitlers "Nemesis" entwickelte, lässt sich schon durch einen Blick in eine FDR-Biografie erkennen. ABER hieraus ableiten zu wollen, FDR wäre ein "Kriegstreiber" gewesen und bei dem 2. WK würde es sich um "Roosevelts Krieg" statt um "Hitlers Krieg" handeln, ist natürlich quatsch. Zu einem solchen Urteil kann wirklich nur derjenige gelangen, der Hitler verharmlost und hierdurch versucht, FDR die Berechtigung abzusprechen, sein Land auf die Gefahren vorzubereiten, die von Hitler ausgingen. Die Lösung im Meinungsstreit liegt mE also darin, den Fokus auf das Wesen von Hitler, insb. dessen Rassismus und Eroberungspläne, zu richten. Dann stellt sich von ganz allein bei den vernünftigen Lesern die Erkenntnis ein, dass es geboten war, einem solchen Politiker Widerstand entgegen zu setzen. Oder hatte Hitler etwa ein Anrecht darauf, dass alle Politiker wie Chamberlain gestrickt waren?
 
Gleichwohl halte ich es für absurd, bei der Bewertung dieser Grundsatzrede ausgerechnet FDRs grundsätzliches und durchaus vorrangiges außenpolitisches Interesse an den europäischen, insb. deutschen Verhältnissen, zu ignorieren und seine Quarantäne-Rede auf eine "Japan-Rede" zu reduzieren.

Davon ist auch keine Rede, siehe #5:
"Das Deutsche Reich war bis zu diesem Zeitpunkt zwar durch starke Worte Hitlers zu Gebietsansprüchen aufgefallen, Rheinland, Bruch mit Locarno, Aufrüstung, spielte ansonsten aber im Spanischen Bürgerkrieg mit Ausnahme der Luftwaffe (Guernica) eher eine Italien nachgeordnete Rolle. Von daher war die Zuordnung zu den "Aggressor-Staaten" ebenfalls ergänzend gemeint."

Wir sind da - glaube ich - nicht weit auseinander: das DR ist mit angesprochen (aus meiner Wertung: #3).

Den Anlaß der Rede zu diesem Zeitpunkt sehe ich weder in Hitlers "Mein Kampf" noch im Vorsprung R. in der Voraussicht künftiger Katastrophen gegenüber nicht so weitsichtigen westeuropäischen Politikern, sondern die Eskalation des Krieges in China, wie ich oben geschrieben habe. Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass es eine dt.-jap. Annäherung gegeben hat (Anti-Komintern), nachdem sich das DR zwischen China und Japan in den Beziehungen "entschieden" hatte. Schon durch den Pakt hängt natürlich das DR an dem Problemfall Japan.

Schließlich: Die Argumentation einer Wendung gegen das Deutsche Reich im Schwerpunkt lehne ich nicht deshalb ab, um gegen revisionistische Deutungen der Reden leichter argumentieren zu können, sondern weil dieser Schwerpunkt politisch/strategisch falsch ist und nach Fernost gesetzt werden muss und von R. gesetzt wurde. (ich glaube, das hatte ich aber bereits klar zum Ausdruck gebracht).

Die Deutungen zu Chicago scheinen mir unverändert zu weit hergeholt, das Buch habe ich mir aber inzwischen bestellt. Nach Tuchman ist eine "zahme" vorgeschrieben Rede erst nach der Ankunft oder auf der Reise nach Chicago durch R. ohne Abstimmung verschärft worden (s.o.). Mag aber sein, dass sich R. möglicherweise gerade durch den Auftrittsort zu dieser Verschärfung stimuliert fühlte: Spekulation. Den Hinweis auf die bevorstehende Krisenkonferenz zu China in Brüssel hatte ich bereits gegeben, das erscheint mir gewichtiger.


P.S. Ich "blende" nichts aus, schon gar nicht die politische Entwicklung DR/USA 1933-1937, s.o. das Messerschmidt- und Friedländer-Zitat. Wenn Du dort anlaßbezogen für die Rede relevante Krisen siehst, außer R. richtiger Einschätzung von Hitler als Verbrecher, nenne sie bitte. Ich darf kurz an die Behandlung des Dodd-Skandals erinnern, die von amerikanischer Seite recht gemäßigt erfolgte (aus der Erinnerung: August/September 1937?).
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch ein Nachsatz zur Goebbels-Presse:

Dass hier nicht die Stelle vorliegt, die zu einer Analyse der Rede in der Lage ist, dürfte selbstverständlich sein. Das war auch nicht die Aufgabe der Hetzorgane. Reaktionen von Hitler selber (wie sonst in Entgegnung auf R. der Fall) habe ich nicht gefunden.

Dieckhoffs hatte zwischen dem 6.10. und dem 10.10. mehrere beruhigende und verhaltene Analysen der Rede von Roosevelt geschrieben. Seitdem haut nunmehr die Hetzpresse auf R. ein. Es paßt für mich ins Bild, dass Dieckhoff hier Schäden bzw. innenpolitische Stärkung von Roosevelt befürchtet, wenn auf ihn eingedroschen wird, zumal entgegen (sic!) Goebbels Weisung, der wohl aufgeklärt worden ist.

Kein Widerspruch.
 
Davon ist auch keine Rede, siehe #5:
In # 5 hast Du Deutschland mit angesprochen gesehen. In # 9 hast du dann geschrieben, die Quarantäne-Rede sei im Kern eine "Japan-Rede". Letzere Wertung halte ich nach wie vor für falsch.
silesia schrieb:
Den Anlaß der Rede zu diesem Zeitpunkt sehe ich weder in Hitlers "Mein Kampf" noch im Vorsprung R. in der Voraussicht künftiger Katastrophen gegenüber nicht so weitsichtigen westeuropäischen Politikern, sondern die Eskalation des Krieges in China, wie ich oben geschrieben habe.
Hier zeigen sich gleich zwei Probleme Deiner Argumentationsweise:

Zum einem verzersst Du meinen Beitrag ins Unkenntliche. Ich hatte gar nicht geschrieben, dass für FDR die Lektüre von "Mein Kampf" oder seine Weitsicht gegenüber westeuropäischen Politikern der ANLASS für seine Quarantäne-Rede bildete, sondern dass er frühzeitig eine tiefsitzende Abneigung gegenüber dem NS-Regime entwickelt hatte (zB durch seine Lektüre von "Mein Kampf"), die ihn instinktiv (nicht auf der Basis von Prophezeiungen/Weitsicht) zu einem Gegner Hitlers werden ließ. Der Anlass für FDRs Quarantäne-Rede stellte in der Tat die Jap.-Chin.-Krise dar.

Zum anderen differenzierst Du nicht zwischen dem ANLASS einer Rede und der grundsätzlichen außenpolitischen PERZEPTION, von der diese Rede getragen wurde. Um letztere zu erfassen, müsstest Du schon FDRs bis 1937 gezeigtes Verhalten im deutsch-amerikanischen Verhältnis berücksichtigen. Das aber blendest Du nach wie vor komplett aus. Warum eigentlich?

silesia schrieb:
Schließlich: Die Argumentation einer Wendung gegen das Deutsche Reich im Schwerpunkt lehne ich nicht deshalb ab, um gegen revisionistische Deutungen der Reden leichter argumentieren zu können, sondern weil dieser Schwerpunkt politisch/strategisch falsch ist und nach Fernost gesetzt werden muss und von R. gesetzt wurde. (ich glaube, das hatte ich aber bereits klar zum Ausdruck gebracht).
Du scheinst noch nie eine FDR-Biografie gelesen zu haben... - Der Mann beschäftigte sich seit seiner Kindheit mit deutscher Kultur und Deutschland und Europa. Sein Blick galt von Beginn seiner Präsidentschaft Europa und den Verhältnissen in Deutschland. Hier solltest Du mal das von Dir angegebene Deist/Messerschmidt-Zitat genauer lesen. "Viele Amerikaner" interessierten sich nicht für Europa, ihr Präsident schon ("wenn auch Roosevelt selbst seit 1933 Hitlers Politik kritisch verfolgte").

Wie ich bereits gepostet habe, versuchte FDR schon im Mai 1933 (!) eine kollektive Wirtschaftsblockade bzw. -sanktionen gegenüber dem DR ins Spiel zu bringen, falls Hitler den damaligen Abrüstungsplan scheitern lassen sollte. Und später wiederholte er diese Idee (in Zusammenhang mit anderen dt. Krisen) beständig. Gegenüber D kann man sagen verfolgte FDR schon seit 1933 eine "Quarantäne-Politik". Freilich schwankte auch FDR zwischen Hartbleibem und Beschwichtigung. Aber das war eher ein Schwanken zwischen dem Privatmann, der das NS-Regime radikal ablehnte, und der Staatsraison/Realpolitik, die hin und wieder Zugeständnisse erforderte. Wie absurd das sein konnte, zeigte im Okt. 1933 die Briefmarken-Affäre.
silesia schrieb:
Die Deutungen zu Chicago scheinen mir unverändert zu weit hergeholt, das Buch habe ich mir aber inzwischen bestellt. Nach Tuchman ist eine "zahme" vorgeschrieben Rede erst nach der Ankunft oder auf der Reise nach Chicago durch R. ohne Abstimmung verschärft worden (s.o.). Mag aber sein, dass sich R. möglicherweise gerade durch den Auftrittsort zu dieser Verschärfung stimuliert fühlte: Spekulation. Den Hinweis auf die bevorstehende Krisenkonferenz zu China in Brüssel hatte ich bereits gegeben, das erscheint mir gewichtiger.
Bei Lübkens ist zu lesen, dass er sich speziell diesen Auftrittsort herausgesucht hat.

Verstehe ich Dich richtig? Der Präsident der USA soll zu den Einweihungsfeierlichkeiten einer Stadtbrücke nach Chicago gereist sein, um dort eine Brückeneröffnungsrede zu halten. Auf der Anreise oder nach der Ankunft wurde im Redemanuskript ein paar Änderungen vorgenommen und dabei soll die Quarantäne-Rede herausgekommen sein? - Hast Du Dir mal angeschaut, wie lang die Quarantäne-Rede ist? Von ein paar Änderungen kann doch gar keine Rede sein, um aus einer normalen Brückeneröffnungsrede diese Rede zu machen!
silesia schrieb:
P.S. Ich "blende" nichts aus, schon gar nicht die politische Entwicklung DR/USA 1933-1937, s.o. das Messerschmidt- und Friedländer-Zitat. Wenn Du dort anlaßbezogen für die Rede relevante Krisen siehst, außer R. richtiger Einschätzung von Hitler als Verbrecher, nenne sie bitte. Ich darf kurz an die Behandlung des Dodd-Skandals erinnern, die von amerikanischer Seite recht gemäßigt erfolgte (aus der Erinnerung: August/September 1937?).
Es geht nicht um den ANLASS der Rede. Es geht um Roosevelts grundsätzliche außenpolitische Vorstellungen, die diese Rede getragen haben.
Noch ein Nachsatz zur Goebbels-Presse:

Dass hier nicht die Stelle vorliegt, die zu einer Analyse der Rede in der Lage ist, dürfte selbstverständlich sein. Das war auch nicht die Aufgabe der Hetzorgane. Reaktionen von Hitler selber (wie sonst in Entgegnung auf R. der Fall) habe ich nicht gefunden.

Dieckhoffs hatte zwischen dem 6.10. und dem 10.10. mehrere beruhigende und verhaltene Analysen der Rede von Roosevelt geschrieben. Seitdem haut nunmehr die Hetzpresse auf R. ein. Es paßt für mich ins Bild, dass Dieckhoff hier Schäden bzw. innenpolitische Stärkung von Roosevelt befürchtet, wenn auf ihn eingedroschen wird, zumal entgegen (sic!) Goebbels Weisung, der wohl aufgeklärt worden ist.

Kein Widerspruch.
Schon Goebbels Weisung, über die Quarantäne-Rede zu schweigen, widerspricht Deiner These, dass sich die Deutsche Regierung nicht getroffen fühlte. Warum meinte Goebbels dann überhaupt eine Weisung erteilen zu müssen, wenn die Rede vorrangig Japan galt? - Und wie sich dann der Blätterwald über Roosevelt ausliess, zeigt ja auch dass man sich in Deutschland durchaus getroffen fühlte.
 
@Gandolf, @Silesia,

ich verfolge eure Diskussion hier mit dem größtem Interesse! Vielen Dank für die vielen Hinweise und Erklärungen, so langsam leuchtet mir einiges ein!



Gruß,

Andreas
 
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