Queerness im Land der Pharaonen

El Quijote

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Die Spekulationen sind zahlreich: In welcher Beziehung standen wohl die beiden gemeinsam in Sakkara begrabenen Männer zueinander?


Mounir Basta war als Chefinspektor von Unterägypten mit der Wanddekoration altägyptischer Gräber vertraut. Was er am 12. November 1962 in einer Grabanlage in der Nekropole von Sakkara vorfand, verblüffte ihn jedoch. Das Grab war anders als alles, was er bisher in seiner Amtszeit gesehen hatte: Es zeigte zwei Männer in einer Verbundenheit, die sonst nur Ehepaaren vorbehalten war. Basta notierte: „Die Inschriften in dem Grab führen uns zu keiner Lösung, was die Beziehung der beiden angeht. Waren sie Brüder? Waren sie Vater und Sohn? Oder zwei Beamte im Palast des Pharao, die zu Lebzeiten eine innige Freundschaft unterhielten und diese im Jenseits fortführen wollten?“ Diese Fragen haben sich in der Folgezeit viele gestellt.

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Der Artikel wirft ein Schlaglicht auf die Abhängigkeit von Deutungen von Umwelt und Zeitgeist der Deutenden (weil ja auch in dem eingangs zitierten Artikelbeginn - anders als in der Überschrift - Munīr Basta überhaupt nicht auf die Idee kam, die im islamischen Raum seit dem 19. Jhdt. verpönte Homosexualität zu vermuten*):

Die dänische Ägyptologin Linda Komperud hat sich intensiv mit der Ikonografie und Rezeptionsgeschichte des Grabes befasst: Lange Zeit hat man die Toten als Brüder oder Zwillinge interpretiert. Erst Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts ging man von einem Liebespaar aus. Danach wechselten sich Zwillings-, Brüder- und Homosexuellentheorien in bunter Reihenfolge ab. Zwischenzeitlich wurde auch eine Transgeschlechtlichkeit der Bestatteten in Erwägung gezogen.

Referenzpunkt war hier das Wort „Hm“, was „nicht männlich“ bedeutet und häufig im Grabkontext vorkommt. Heute ist man aber wieder zur Zwillingshypothese zurückgekehrt, wobei die Deutung als Homosexuellenpaar nicht ausgeschlossen wird.
Die Aufgabe von Geisteswissenschaftlern ist es, sich bei Deutungen beobachteter Sachverhalte immer wieder bewusst zu machen, dass ihre Deutungen von ihrer Position abhängig sind, also ihrer Umwelt und ihrem Zeitgeist und ja, auch der Ideologie, der sie selber unterworfen sind, daher ist es eine Unabdingbarkeit, dass Geisteswissenschaftler sich selber immer wieder einer Ideologiekritik unterziehen, um Deutungen intersubjektiv zu halten.

*edit: Zumindestens nicht öffentlich
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gab eine Zeit, als sich Männer noch einfach so umarmt und geküsst haben, ohne gleich als homosexuell zu gelten - so wie damals der Bruderkuss zwischen Honecker und Breschnew. Es ist erst ein paar Jahrzehnte her.;)

Der englische Wikipedia-Artikel ist ziemlich umfangreich.
Demnach waren beide Männer mit Frauen verheiratet und hatten Kinder.
 
Es gab eine Zeit, als sich Männer noch einfach so umarmt und geküsst haben, ohne gleich als homosexuell zu gelten - so wie damals der Bruderkuss zwischen Honecker und Breschnew.
Im Iran ist es heute noch nicht üblich, dass heterosexuelle Männer Hand-in-Hand durch die Straßen gehen. Aber wehe ein unverheirateter Mann tritt mit seiner Freundin Hand-in-Hand öffentlich auf.

Edit: In Indien scheint, das "männliche Händchenhalten" ähnlich zu sein.
 
Referenzpunkt war hier das Wort „Hm“, was „nicht männlich“ bedeutet und häufig im Grabkontext vorkommt.
wiki geht in die Richtung, das Wort "Hm" als männlich und als schwul, in vermutlich negativer Konnotation anzusehen:
"Das Wort Hm ist vielleicht als Schwuler zu übersetzen: Die sexuelle Grundbedeutung des Wortes scheint sicher, da es mit einem Phallus geschrieben wird. Hm wird in Texten meist benutzt, um Gegner zu diffamieren, sodass es eine negative Konnotation erhält. Aufgrund der geringen Beleglage bleibt unklar, ob mit Hm ein Homosexueller im westlichen Sinne bezeichnet wird, oder ob damit eventuell der passive Partner eines gleichgeschlechtlichen Aktes gemeint ist."
 
Ich weiß über das Alte Ägypten nicht viel, aber obige Information ist interessant und kann so gedeutet werden, dass Homosexualität zumindest zeitweise zugelassen war.
 
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