RAF - Utopistische Weltverbesserer?

... und die Frage, ob man durch das Töten von Repräsentanten einer Struktur ("den Bösen") auch die Struktur ändern kann, also durch das Töten von Adligen (Franz. Rev) oder Kulaken (Russ. Rev.) den Feudalismus bzw. durch das Töten von Juden (NS) oder von Bankiers (RAF) den Kapitalismus.

Auf diesen Beitrag kann ich nur schreiben, dass zumindest durch das Töten und unterdrücken von denen, die Herrschaftsstrukturen bekämpfen, eben dieses Aufbegehren von Sklaven, Bauern, ethnischen Minderheiten radikalen Intellektuellen oder sonstwie emotionalisierten oder ideologisierten erfolgreich unterdrückt wurde.

Um die Perspektive ein wenig, mindestens für Russland oder die Unterdrückung der Kommune von Paris (mit ca. 30.000 Toten) zu Recht zu rücken. Und ohne eine Aufrechnung vornehmen zu wollen.

Denn in der Historie wird man eher und mehr gescheiterte Rebellionen oder Revolutionen verzeichnen können wie erfolgreiche.

Was lernen wir daraus: Zwischenstaatliche Kriege und Bürgerkriege haben eine Menge mit Machtpolitik zu tun und Veränderungen dieser Strukturen sind in der Vergangenheit meistens durch Gewalt erfolgt, wie Malesevic hervorragend darstellt. Ein einseitiges Moralisieren oder eine normative Betrachtung ist da in der Regel für die Analyse wenig hilfreich, wie E.H. Carr für seine Analysen bereits festgestellt hat und ein neues Paradigma zu realistischen Analyse mit entwickelt hat.

The Sociology of War and Violence - Siniša Malešević - Google Books
 
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Man sollte von Utopien nicht grundsätzlich schlecht denken, der Begriff ist auch durchaus polysem, wobei sein Adjektiv pejorativer ist, als das Susbtantiv. Das Substantiv beschreibt erst einmal nur eine wünschenswerte, aber (noch) nicht existente Ordnung. Auch die Demokratie war einmal eine Utopie, oder der Wohlfahrtsstaat (nur Beispiele). Als die Französische Revolution, einmal ausgebrochen, ihren Verlauf nahm, wollte zunächst niemand das spätere Blutbad und das Gros der Revolutionäre stellte sich auch keine Republik vor, sondern eine gerechtere Monarchie, eben weil nichtmonarchisch geführte Staaten damals beinahe undenkbar waren, eben Utopien.
Das Adjektiv dagegen ("Das ist doch utopisch!") hat nur noch den Aspekt des Irrealen in sich, wohingegen die Utopie ja eine Hoffnung ausdrückt.

Was nun die RAF angeht, so hat diese den Anspruch erhoben, die Welt zu verbessern, die Utopie einer klassenlosen Gesellschaft wahr zu machen. Zwischen der Erhebung eines Anspruches und seiner tatsächlichen Erfüllung können Welten liegen.
Ob es nun wünschenswert ist, dass die Utopie der klassenlosen Gesellschaft wahr würde, ist eine Frage der politischen Positionierung. Ob die klassenlose Gesellschaft überhaupt möglich wäre, ist eine Frage, die meist eher (leider) aufgrund der politischen Positionierung beantwortet wird, empirische Daten, die man eigentlich bräuchte, um diese Frage zu beantworten fehlen uns hierzu weitestgehend.
Man kann also letztlich nur seine eigene Positionierung, ob die klassenlose Gesellschaft wünschenswert wäre oder nicht - was allerdings keine historische Diskussion ist - zugrundlegend überlegen, ob die von der RAF angewandten Methoden um die klassenlose Gesellschaft zu erreichen, zielführend und moralisch vertretbar waren.
Man könnte dann auf die Widersprüchlichkeit der RAF hinweisen. Denn die Utopie von der klassenlosen Gesellschaft will ja eine gerechte Gesellschaft schaffen, letztendlich steht der Nutzen des Individuums im Einklang mit seiner sozialen Umgebung also im Zentrum der klassenlosen Gesellschaft. Wenn man aber der Masse oder dem Kollektiv der Individuen eigentlich nutzen möchte, ist es dann vertretbar Individuen zu schaden? Kann man überhaupt, indem man einzelnen Individuen schadet, die letztlich nur systemimmanent logisch agieren, das System umkrempeln?
 
Zum Komplex "Revolution und Gewalt" einige Lektüretips:

Der russische Sozialrevolutionär Boris Sawinkow beschrieb unter dem Titel "Erinnerungen eines Terroristen" seine autobiographischen Erlebnisse im revolutionären Untergrundkampf im zaristischen Rußland. Beim Lesen fällt auf, wie sehr sich seine Gruppe als Vollstrecker einer hypertrophen Moral verstand. Albert Camus verarbeitete Sawinkows Bericht in seinem Theaterstück "Die Gerechten". Darin diskutiert eine Gruppe Revolutionäre ausgiebig über die Rechtfertigung revolutionärer Gewalt.

In diesem Zusammenhang gehört auch der "Revolutionäre Katechismus" von Sergei Netschajew. Netschajew galt als typisches Beispiel eines skrupellosen Revolutionärs; der von seiner Gruppe verübte Mord an einem abtrünnigen Mitglied inspirierte Dostojewskij zu seinem Roman "Die Dämonen". Auch dieser Roman wurde von Albert Camus, den das Thema offensichtlich umtrieb, für das Theater bearbeitet.

Aus Bertolt Brechts 'Lehrstück' "Die Maßnahme" stammen einige Zeilen, die sich später in Schriften der RAF wiederfanden:
"Furchtbar ist es, zu töten./Aber nicht andere nur, auch uns töten wir, wenn es nottut/Da doch nur mit Gewalt diese tötende/Welt zu ändern ist, wie/Jeder Lebende weiß./Noch ist es uns, sagten wir/Nicht vergönnt, nicht zu töten."
In dem Stück wird ein junger Kommunist von seinen Genossen getötet, weil er ihre Aktionen gefährdet hat, und der, so wird impliziert, in seine Tötung einwilligt.

Eine emphatische Rechtfertigung revolutionärer Gewalt findet sich ansonsten in Leo Trotzkis Schrift "Terrorismus und Kommunismus", die er als Erwiderung auf Karl Kautskys Kritik an den Bolschewiki schrieb. Ein älteres Beispiel wäre die Rede Robespierres vor dem Nationalkonvent vom 5. Februar 1794 über die Prinzipien der politischen Moral (sinngemäß: "Ohne die Tugend ist der Terror verhängnisvoll, ohne den Terror ist die Tugend machtlos").
 
Die RAF wollte mit ihren Aktionen den Startschuss geben. Sie glaubte die BRD in einer revolutionären Situation.
Eigentlich wunderten sie sich, weshalb die Arbeiter sich nun nicht, ihrer historischen Mission folgend, gegen das System erhoben.
Die RAF ist wohl das Beispiel völlig realitätsferner Utopisten. Es stand auch nicht der Mensch im Mittelpunkt ihrer Ideologie, sondern, völlig deutsch, eine rein technische Idee von einer (weiß ich nicht) Gesellschaft. Schließlich formt die Gesellschaft den Menschen, alles weitere findet sich.
 
Es stand auch nicht der Mensch im Mittelpunkt ihrer Ideologie, sondern, völlig deutsch, eine rein technische Idee von einer (weiß ich nicht) Gesellschaft. Schließlich formt die Gesellschaft den Menschen, alles weitere findet sich.

Was daran ist "typisch" bzw. "völlig deutsch"?
 
Eine isolierte Beschäftigung mit Revolutionen und der Instrumentalisierung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele führt sehr schnell zu einer einseitigen Interpretation ihrer historischen Bedeutung.

Deswegen drei weitere Anmerkungen:
1. Mit der Ausbildung der Nationalstaaten und ihrer theoretischen, historischen Beschreibung (beispielsweise bei Ranke) und auch der Rechtfertigung bzw. Überhöhung staatlicher Gewalt finden wir die Rahmenbedingungen vor, unter denen systemkritsche bzw. -feindliche soziale Bewegungen agieren können.

Nationalstaaten steht dabei ein sehr differenziertes und komplexes Arsenal zur Verfügung, mit dem bestimmte soziale und politische Verhältnisse legitimiert und im Zweifel auch stabilisiert werden. Dazu gehört auch die Verfügungsgewalt über polizeiliche Mittel und im Falle eines Bürgerkriegs die Nutzung der Armee.

Diese Situation ist in der Regel die Voraussetzung unter denen revolutionäre Bewegungen entstehen. Sofern eine revolutionäre Bewegung erfolgreich sein will, muss sie, wie beispielweise im Fall von Mao oder auch im Rahmen des Russischen Bürgerkriegs eine spezifische Form der Kriegsführung entwickeln, die den jeweiligen räumlichen und historischen Bedingungen angemessen waren. Ansonsten wären sie gescheitert.

Unter diesen Voraussetzungen steht eine staatliche Macht einer revolutionären Macht gegenüber. Und beide beziehen sich auf ideologische Systeme, die ihren Anspruch dogmatisch unterstützen.

Sofern man die "Revolutionäre Gewalt" im Rahmen von klassischen Revolutionen oder auch im Rahmen der Befreiungsbewegungen kritisiert und sie für nicht legitim und moralisch verwerflich erklärt, wäre es wohl aufgrund einer der Neutralität verpflichteten Perspektive hilfreich, auch den gesamten historischen Kontext, sprich die entsprechende soziale Situation in den jeweiligen sozialen Arenen, mit zu betrachten.

2. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die verkürzte Wahrnehmung "linker" Gewalt und reduziert sie auf die Verherrlichung. Und übersieht, dass in Teilen der linken Bewegung die Ambivalenz der Nutzung von Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen durchaus gesehen und sehr kritisch hinterfragt wurde, wie es explizit beispielweise Gramsci formuliert.

3. An dem wenig analytischen Durcheinander, die FR, die Russische Revolution und die RAF in einen Topf zu werfen und auf den Deckel "Revolution" zu schreiben, übersieht man mindestens für die FR und die RR die hohe Bedeutung der Gewalt, auch im Rahmen der zwischenstaatlichen
Konflikte für das Nationbuilding und dem Zwang eine neue kollektive Identität aufzubauen, die die alte ersetzt.

The Furies: Violence and Terror in the French and Russian Revolutions - Arno J. Mayer - Google Books

Verküzt gesprochen war "revolutionäre Gewalt" auch ein Instrument zur Schaffung von Zustimmung zum revolutionären Regime und in diesem Sinne auch ein Instrument der Legitimationsbeschaffung und somit zur Stabilisierung des instabilen politischen Zustands der Revolutionsregierungen. Wie Kruse die Ursprünge des neuzeitlichen Militarismus in Anlehnung an das Nationbildung der FR in den historischen Kontext der FR verortet.

http://books.google.de/books?id=EId...=0CEwQ6wEwBA#v=onepage&q=militarismus&f=false

Diese Aspekte sollen verdeutlichen, dass die Frage der Gewalt einem komplexeren Muster folgt und die RAF sicherlich nicht in dieses Muster der Revolutionen past.

Und noch ein Nachsatz: Auch die faschistischen Bewegungen waren "utopische Weltverbesserer", was deutlich macht, dass Utopien nicht nach dem links-rechts-Muster funktionieren.
http://books.google.de/books?id=eTE...0CDYQ6AEwAA#v=onepage&q=fascist, mann&f=false
 
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Was daran ist "typisch" bzw. "völlig deutsch"?
Sorry, ich meinte gestrichen strammdeutsch.

Der Deutsche bevorzugt technische Lösungen.
Die berliner Mauer. Oder mal in eine andere Richtung gegriffen: Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg bis hin zum Totalen Krieg. Oder Endlösungen, die jede verbrecherische Dimension sprengen.
 
Sorry, ich meinte gestrichen strammdeutsch.

Der Deutsche bevorzugt technische Lösungen.
Die berliner Mauer. Oder mal in eine andere Richtung gegriffen: Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg bis hin zum Totalen Krieg. Oder Endlösungen, die jede verbrecherische Dimension sprengen.

Und wer ist "der Deutsche"? Mit solchen entindividualisierenden Begrifflichkeiten kann ich nichts anfangen.
 
Und wer ist "der Deutsche"? Mit solchen entindividualisierenden Begrifflichkeiten kann ich nichts anfangen.
Man nennt ihn auch Boche, Piefke oder Mof ... Gibt es für andere Volksgruppen ähnlich definierende Schimpfwörter?

Begriffe wie der Deutsche oder der Russe sind natürlich sehr unscharf, auch wenn sie durch ihre Begrifflichkeit genau bezeichnend daherkommen.
Ich könnte die Rechthaberei als typisch deutsche Eigenschaft bemühen. Da kann man dann natürlich einen genauso rechthaberischen Franzosen hervorholen und dagegenstellen.
Oder die Humorlosigkeit der Deutschen. Man fahre nach England und schnappe sich einen Briten... Halt, stopp, es gibt auch humorlose Engländer. Also, ich glaube schon... Schwieriger wird es allerdings, wenn ein Brite nach Deutschland kommt und einen humorvollen Deutschen sucht.

De Gaulles hat mal über Deutschland gesagt: "Ein erhabenes, aber graugrünes Meer, wo das Netz des Fischers Ungeheuer und Schätze nach oben zieht."
 
Es stand auch nicht der Mensch im Mittelpunkt ihrer Ideologie, sondern, völlig deutsch, eine rein technische Idee von einer (weiß ich nicht) Gesellschaft. Schließlich formt die Gesellschaft den Menschen, alles weitere findet sich.

Sorry, ich meinte gestrichen strammdeutsch.

Der Deutsche bevorzugt technische Lösungen.


Und gewissermaßen auch dieses, wenn du es auch durch Ironisierung abschwächst:
Welches Klischee habe ich definiert?
Doch nicht etwa das des arroganten, rechthaberischen Deutschen.

Das sind alles Zuschreibungen, durchaus auch solche, die man im Ausland über Deutsche hört und bei denen sich sowohl Deutsche als auch Nichtdeutsche zumindest teilweise einig sind. Aber es sind eben Zuschreibungen, ni más ni menos.
 
...
ich hab jetzt eine definition für weltverbesserer gefunden, in der gesagt wird, dass es menschen mit einem naiven verhalten und realitätsverlust sind!
1. Also ist alles bestens, so wie es ist?
2. Zählst du auch die Propagandisten von "Wirtschaftswunder", "Wirtschaftswachstum" und "Wegwerfgesellschaft" dazu.
 
@abi 2012

mit deiner Definition von "Utopie"

"Meiner Meinung nach heißt utopistische = realitätsfern /nicht umsetzbar/vom Boden abgehobene Weltverbesserer, also eher negativ."

hast du im Grunde recht, und auch dass es negativ angehaucht ist "ach das ist doch alles Utopie" man kann es aber noch weiter ergänzen und zwar:

Ein Soziologe hat das ungefähr so formuliert (Adorno):

Dem menschen ist die fähigkeit abhanden gekommen, das ganze sich vorzustellen als etwas was völlig anders sein könnte. Dass die Menschen vereidigt sind auf die Welt, so wie sie ist. Alle menschen wissen im Innersten es wäre möglich, (eine Welt ohne Krieg und Hunger und Wohlstand für alle), das was als greifbare Möglichkeit als die offenbare Möglichkeit der Erfüllung ihnen sich als radikal unmöglich präsentiert.

Die Menschen vermögen den Widerspruch zwischen der offenbaren Möglichkeit der Erfüllung und der ebenso unmöglichkeit der Erfüllung, nur auf die Weise zu bemeistern, dass sie sich mit der UnMöglichkeit identifizieren.

Sie sagen, dass es nicht sein soll, von dem sie fühlen, dass es sein sollte, es ihnen aber durch eine Verhexung der Welt vorenthalten wird.
 
anfangs sicherlich, schließlich wollten sie die revolutionäre der dritten welt unterstützen und die menschen von ihrer konsumgeilheit abbringen...
der 2.ten Generation ging es dann ausschließlich nur noch um die gefangenen befreiung, eine bessere welt zu schaffen war für sie zweitrangig ^^

ich hab jetzt eine definition für weltverbesserer gefunden, in der gesagt wird, dass es menschen mit einem naiven verhalten und realitätsverlust sind!

"Weltverbesserer" hat ähnlich wie "Revoluzzer" oder "Gutmensch" im (bundes)deutschen Sprachgebrauch eine deutlich abwertende Bedeutung, und es lohnt sich durchaus, der Frage nachzugehen, wer und welche Gruppierungen neben der RAF mit dieser Ettikettierung bedacht wurde. Dazu gehörten bereits in der Adenauerzeit Gegner der Wiederbewaffnung, Studenten, die erstmals gegen den Mief von tausend Jahren, angingen also auf die unselige Rolle anspielten, die Ärzte, Juristen, Journalisten, Historiker, Volkskundler in der NS- Zeit spielten, die an den Universitäten oft teilweise das Gleiche lehrten wie zwischen 1933- 45, Hippis, Gammler, Langhaarige. Kriegsdienstverweigerer und Pazifisten, Mitglieder der Friedens- oder der frühen Umwelt- und Anti- Atomkraft Bewegung und schließlich auch die Grünen traf, die mit Latzhosen, Norwegerpullovern und Strickzeug Anfang der 1980er in Parlamente und in den Bundestag gewählt wurden, wo sie strickten oder in Turnschuhen zum ersten Umweltminister in Hessen vereidigt wurden wie Herr Fischer, der damals noch Joschka hieß und dem Bundestagspräsidenten Richard Stücklen auf einen Verweis entgegnete: "Herr Präsident, "mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch". Franz Josef Strauß, der als Verteidigungsminister den Autor Kirst und seine 08/15 Trilogie boykottieren ließ und in einer spektakulären Missachtung der Presse- und Meinungsfreiheit die Spiegel Redaktion durchsuchen und Redakteure verhaften ließ, ließ sich darüber aus, "die Grünen mit Melonen und unreifen Tomaten verglich, die außen grün und innen rot seinen .... und im Kern braun".

Utopia kommt von utopos, Nirgendwo und war der Titel eines Werks von Thomas Morus, beeinflusst von Platons Politeia, in der dieser ein Modell eines Idealstaats entwirft. Sozialutopien waren auch die satirischen Werke Jonathan Swifts wie Gullivers Reisen, die Tuchhändlerbriefe oder das Tonnenmärchen, in der mit Mitteln der Verfremdung zeitgenössische Zustände kritisiert wurden. Im Grunde sind auch Dinge wie Freiheit, Frieden Gerechtigkeit Utopien. Gäbe es keine Utopien, gäbe es auch keine Visionen. Dinge wie die Abschaffung der Todesstrafe die in Frankreich 1981 abgeschafft wurde und in der Verfassung des Landes Hessen heute noch drinsteht, waren im 18. Jahrhundert Utopien.
Ich misstraue allen "Ismen", denn was darunter formuliert wird, ist sehr schwammig.

Die RAF war nur ein Teil, der sich extrem radikalisierte von der Bürgerrechts- und Protestbewegung. Ulrike Meinhof war eine renommierte Journalistin, die sich mit den Misständen der Heimerziehung in der BRD beschäftigte und dagegen engagierte, Missstände, die erst vor kurzem wahre Abgründe offenbart haben. Ihre Reportage "Bambule" wurde niemals gesendet, da sie an der Beteiligung der Befreiung Andreas Baaders beteiligt. Die RAF- war von Klassenkampftheorien des Neo- Marxismus beeinflusst, und Gudrun Enslin war durch den "Polizeistaatsbesuch" Reza Pahlevis 1967 traumatisiert, während sich die Springer- und Regenbogenpresse über den Glanz des Pfauenthrons ausließ kam es in Berlin zur übelsten Knüppelade seit der Nazizeit, und im Zuge der "Leberwursttaktik" und "Fuchsjagd" wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde von einem Polizeibeamten. Wenn Mitglieder der RAF die BRD für revolitionsreif und die BRD der 1970er Jahre für einen faschistoiden Polizeistaat hielten, war das zwar realitätsfern, aber sicher nicht utopisch. Brandt hatte sich längst entschlossen, mehr Demokratie zu wagen und sein von Unionskreisen kritisierter Kniefall in Warschau war sicher nicht Ausdruck einer faschistischen Gesinnung, die auch vernünftigerweise niemand Helmut Schmidt unterstellen konnte. Schleyer war ein Nazi, der Schlimmeres zu verantworten hatte, als Bundeskanzler Kiesinger, der wegen seiner NSDAP- Mitgliedschaft von Beate Klarsfeld öffentlicht geohrfeigt wurde. Aber als die Fotos herumgingen wie er unrasiert im Unterhemd dasaß und dann später ermordet und im Kofferraum eines PKW gefunden wurde, hatte die Mehrheit Mitleid mit Schleyer.
Das BKA war eine ganz bescheidene Behörde und verglichen mit Erruptionen von Bügerrechten angesichts des potenziellen "islamistischen Terrors" und den ausgedehnten Befugnissen von "Gefahrenabwehrbehörden" zur Schleierfahndung, zur "verdachtsunabhängigen Kontrolle, zur Videoüberwachung bestünde heute viel größerer Grund sich Sorge zu machen, als in den 197oer Jahren.
 
mit deiner Definition von "Utopie"

"Meiner Meinung nach heißt utopistische = realitätsfern /nicht umsetzbar/vom Boden abgehobene Weltverbesserer, also eher negativ."

hast du im Grunde recht, und auch dass es negativ angehaucht ist "ach das ist doch alles Utopie" man kann es aber noch weiter ergänzen und zwar:

Verteidigt Adorno in diesem Absatz nicht gerade die Utopie gegenüber denjenigen, welche die Utopie als realitätsfern abtun?
Wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen lässt, "Dem Menschen ist die Fähigkeit abhanden gekommen, das Ganze sich vorzustellen als etwas was völlig anders sein könnte..."
 
Bei Adorno findet die eigentlich positive Bewertung der Utopie im Rahmen der Wertschätzung des linearen Geschichtsbildes der Aufklärung, die in gesellschaftlichen Veränderungen die Entwicklung zum Besseren annimmt, eine negative Wendung.

Ursache für das Problem des Erkennens einer Realität und ihrer "Wahrheit", und hier spielt die Utopie eine wichtige Rolle, und somit auch von falschen Realitäten, ist der Verblendungszusammenhang. Ein Aspekt, den Adorno & Horkheimer in die Kritik des Faschismus und der kapitalistische Wirtschaftsstruktur einbetten.

Allerdings ist anzumerken, dass der "Wahrheitsbegriff" im Rahmen der KT auch immer einen emanzipatorischen Anspruch besessen hatte und sich gegen jegliche Form der Unterdrückung und Manipulation gewendet hat.

Verblendungszusammenhang ? Wikipedia

Dialektik der Aufklärung ? Wikipedia

Negative Dialektik ? Wikipedia

Diese negative Wendung der Tradition der Aufklärung bei Horkheimer & Adorno erfährt bei Habermas eine positive Wendung, indem er, ausgehend von seiner Habilschrift zum Strukturwandel der Öffentlichkeit, eine funktionsfähige Öffentlichkeit und das umfassend informierte Individuum, das Zugang zu unverfälschten Informationen hat, zum Leitbild seiner Vorstellung einer Gesellschaft macht.

Mit dieser Vorstellung verbindet er, als utopisches Element, die Fähigkeit des Individuums sich aus dem "Verblendungszusammenhang" zu befreien und selbstbestimmt und im Sinne eines Kantschen kategorischen Imperativ zu handeln.

Theorie des kommunikativen Handelns ? Wikipedia
 
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