Regalien, -politik, -recht

Lukas

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Ich habe im Thema Confoederatio cum principibus ecclesiasticis die Frage nach Regalien aufgegriffen. Unten folgt der zugehörige Artikel aus dem Lexikon des Mittelalters.

I. Definition; Deutschland und Reichsitalien:

Eine zusammenfassende neuere Darstellung des Themas fehlt trotz seiner Bedeutung. - Seine »moderne« Ausprägung als Inbegriff staatl. Hoheitsrechte erhielt der Terminus R. erst im 12. und 13.*Jh. infolge der Rezeption des röm.-weltl. Rechts, insbes. des spätantiken Ks.rechts. Von Italien, insbes. von der Rechtsschule v. Bologna ausgehend, formte er entscheidend bereits die hoch- und spätma. Staatsvorstellungen. Die inhaltl. Festlegung bestimmter R., etwa des Berg- oder Münzregals, später auch des Judenregals, erfolgte erst in dieser Epoche.

Faßten die R. (regalia, iura regalia) zunächst bestimmte Rechte, Gerechtsame, aber auch Besitzungen und Güter des Kg.s als dingl. Substrat seiner Herrschaft zusammen, entsprechend dem gelegentl. Sprachgebrauch der Q. des 10.*Jh., die in diesem Kontext publice functiones anführten und damit auf transpersonale Staatsvorstellungen abhoben, so gaben erst die inhaltl. präzisierten Distinktionen im Verlauf des sog. Investiturstreits und die Herausbildung polit.-jurist. Begriffe wie »Temporalien« und »Spiritualien« auch den R. eine neue und eindeutige Rechtsqualität. N. der Alpen bezeichneten diese das Reichskirchengut, insbes. Herrschaftsrechte und Gerechtsame, während der Grundbesitz aus kgl. Vergabe, aber in Pertinenz des Reiches, in seiner Qualität als Regal zunächst in der Kampflit. der Zeit umstritten blieb. Bereits das im Zusammenhang mit den Verhandlungen Heinrichs V. mit der Kurie vorgelegte Privileg Papst Paschalis II. v. 1111 definierte als regalia: Städte, Hzm.er, Mgft.en, Gft.en, Münzstätten, Zoll, Markt, Kg.svogteien, iura centurionum, Höfe, die offensichtl. dem Kgtm. gehörten, mit ihrem Zubehör, militia und Reichsburgen, wobei die Oblationen und von nichtkgl. Seite übertragene Erbgüter »frei« in der Hand der Kirchen verbleiben sollten. Das Wormser Konkordat v. 1122 indessen zählte den reichen Temporalienbesitz der Reichskirchen insgesamt zu den R., die bei Wiederbesetzung des Kirchenamtes dem kanon. gewählten Elekten vom Kg. unter Lehnrecht (Lehen) zu übergeben waren. Damit wurde letztl. die rechtl. Konsequenz aus der Vergabepraxis des Kg.s im sog. otton.-sal. Reichskirchensystem gezogen, die Bm.er und Abteien zu Trägern staatl. Hoheitsrechte wie Markt, Münze, Zoll und Gerichtsbarkeit gemacht und damit der Kg.sherrschaft zugeordnet hatte. Mit der »Regalisierung« staatl. Prärogativen und Gerechtsame war das Fundament für den Aufstieg auch der Bf.e und Reichsäbte in den Stand der Reichsfs.en und domini terrae gelegt.

Aber auch das Papsttum beanspruchte R. in Gestalt der Regalia S.*Petri - erstmals belegt 1059 im Lehnseid von Robert Guiscard und Richard v. Capua - als Substrat des von den Reformpäpsten seit Leo IX. behaupteten Regale sacerdotium s. Romane ecclesie et apostolice sedis, das auf die Konstantin. Schenkung aus röm. Staatsbesitz und auf dessen Charakter der Unveräußerlichkeit verwies. Bereits 1095 gelang es dem Papsttum, den dt. Gegenkg. Konrad (III.) auf diese Formel zu verpflichten, im Wormser Konkordat werden die Regalia et alia possessiones als »freier« Besitz der Kirche Roms bleibend garantiert und blieben es trotz späterer gelegentl. Auseinandersetzungen zw. Papst Hadrian IV. und Friedrich Barbarossa.

Einen entscheidenden Wandel hin zur »modernen« Ausbildung des R.begriffs als Summe sowohl staatl. Prärogativen, auch Ämter, als auch vorwiegend finanzieller Fiskalrechte brachte die stauf. Revindikationspolitik verlustiggegangener bzw. insbes. von den lombard. Kommunen tatsächl. oder vermeintl. usurpierter Reichsrechte. Einen ersten Höhepunkt fanden diese Bestrebungen im sog. R.weistum v. Roncaglia (1158) der vier legis doctores aus Bologna und weiterer 28 iudices aus it. Städten, die vorwiegend finanziell ertragreiche Gerechtsame aufzählten, darunter Straßen und Flüsse, Zölle, Münze, Strafgefälle, Anspanndienste, Beisteuer zur Romfahrt des dt. Kg.s, Silbergruben (argentarie), Einkünfte aus Fischfang und Salzproduktion, aber auch Pfalzen und Güter von Majestätsverbrechern. Diese Definition fand mit drei anderen Gesetzen, wovon eines unter dem Titel »omnis iurisdictio« staatl. Hoheitsrechte und Ämter abstrahierend nennt, Eingang in die lehnrechtl. Libri feudorum. Der zeitgenöss. Chronist Rahewin, der über die Begebenheit von Roncaglia berichtet, stellt hingegen die hohen Ämter wie das Hzm., aber auch das Konsulat, der Aufzählung der Fiskalrechte voran. Die it. Kommunen erhielten fortan wie der Adel, aber auch wie burg. Bf.e und Große, die R. zumeist unter Lehnrecht, auch wenn die dafür geforderten Leistungen durch Geldzahlungen abgelöst wurden. Das Lehnrecht sicherte in Dtl. wie anderswo im Imperium die Unveräußerlichkeit der Reichsrechte und deren spezif. Vergabemodalitäten.

Einzelne Rechte bzw. Gerechtsame gewannen erst im Verlauf des Hoch- und SpätMA ihren stringenten Charakter als R., die finanziellen Nutzen abwarfen und deren Verfügung in der Hand der domini terrae Landesherrschaft und Landeshoheit ausmachten. Auch als Instrumente staatl. Verwaltung (H.*Thieme) und zur Förderung des öffentl. Wohls fanden sie Anwendung, so diente das Forst- und Jagdregal dem Schutz der Wälder, das Zollregal dem Straßen- und Brückenbau, das Deichregal der Küstensicherung, das Geleits- und Strandregal (unter Aufhebung der Grundruhr) der Sicherheit der Verkehrswege. Das Münzregal sollte auch der Münzverschlechterung wehren. Von bes. Bedeutung für die Landesherrschaft und den frühmodernen Staat wurde die Ausbildung des Berg- und Salzregals, aber auch des Münz- und Zollregals. War das Kgtm. als Grundherr von alters her auch Eigentümer bestimmter Erzlager (Harz) und beanspruchte es seit dem 11.*Jh. gelegentl. bestimmte Rechte an Metall- oder Salzvorkommen, so finden sich doch erst seit der 2. Hälfte des 12.Jh., der zunehmenden Bedeutung des Edelmetallbergbaus entsprechend, Vergabungen von Silberbergwerken als R. unter Lehnrecht, wobei die Krone bestimmte Anteile an der Ausbeute für sich beanspruchte oder gar mit Hinweis auf altes (röm.) Ks.recht, so Kg. Philipp 1207, sämtl. Metallvorkommen als Fiskalbesitz reklamierte. Die Regalität der Bodenschätze überlagerte das Eigentumsrecht des Grundbesitzers, der Bergbau löste sich trotz Widerspruchs des Sachsenspiegels um 1230 vom Grundeigentum und wurde »frei«. Das Kgtm. legte zwar die jurist.-theoret. Grundlagen des Bergregals, dessen prakt. Nutzung mußte es aber den Landesherren, so z.*B. dem Mgf.en v. Meißen bereits vor 1185, überlassen.

Eine vergleichbare Entwicklung durchlief auch das Münzregal, häufig in Verbindung mit dem Markt- und Zollregal verliehen, das zunächst in Anbindung an antike Verhältnisse als Münzhoheit in der alleinigen Zuständigkeit der Krone gelegen hatte, aber seit dem 9.*Jh. durch Privileg an geistl. Empfänger, seit dem 11. bzw. dem 13.*Jh. auch an Gf.en, Herren und Städte gelangt und durch Dritte usurpiert worden war oder kraft eigenen Rechts, etwa der Hzg.e v. Bayern und Schwaben, beansprucht wurde. Mit dem R.weistum v. Roncaglia bekräftigte Friedrich I. den Anspruch der Krone auf das Münzregal, das nur als vom Kgtm. delegiertes wahrgenommen werden durfte, und verlangte von den it. Kommunen Steuern aus Schlagschatz und Wechsel. In den Reichsgesetzen v. 1220 und 1232 (Confoederatio cum principibus ecclesiasticis und Statutum in favorem principum) beschränkte sich die Reichsgewalt in der Ausübung des Münzregals und der Neueinrichtung von Münzstätten, ähnl. hinsichtl. der Schaffung von Märkten und der Anlage von Straßen. Mit der Goldenen Bulle v. 1356 gingen Münz- wie Zollregal, Berg- und Salzregal, aber auch das Judenregal, das abschließend erst 1236 aus der postulierten Kammerknechtschaft und der Schutzbedürftigkeit der Juden erwachsen war, von Reichs wegen in die Hand der Kfs.en über, 1648 (Westfäl. Frieden) ebenso in die Verfügung der anderen Reichsstände; die R. bewahrten aber, insbes. das Münzregal, den Charakter eines staatl. Monopols.

Regalienrecht: Es beinhaltet die Nutzung der R. als finanziell verwertbarer Hoheitsrechte aus Vergabung der Krone durch das Kgtm. bei Sedisvakanz einer Bf.skirche oder Reichsabtei während Jahr und Tag. Nach Otto IV. 1213/14 verzichtete Friedrich II. gegenüber der Kurie auf diese befristete Inanspruchnahme des Kirchengutes ebenso wie auf das Spolienrecht. In gleicher Weise hatte Friedrich II. in der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis v. 1220 die Zwischennutzung der R. in den Städten der geistl. Reichsfs.en auf einen Zeitraum von insgesamt 14 Tagen vor und nach einem angesagten Hoftag begrenzt. Damit war die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit der Krone auf das Reichskirchengut fast aufgehoben.

D. Hägermann





Quelle: Lexikon des Mittelalters, CD-ROM-Ausgabe. Verlag J.*B.*Metzler 2000. LexMA 7, 556-558

Gruss,
Lukas
 
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