Reichspräsident/Bundespräsident

Der Hintergrund meiner Einlassungen ist ein grundsätzliches Problem :

Jede demokratische Hierarchie muss die Möglichkeit bieten, Amtsmissbrauch einer Person durch die nächst höhere Instanz zu bremsen. Aber : Wer steht über dem höchsten Chef ? Wer bremst den ?

Zu Zeiten der Monarchie gab es das Gottesgnadentum, das den König einerseits (undemokratisch) legitimierte, ihm andererseits moralische Grenzen setzte durch die göttliche Oberaufsicht. Als die Europäer aufgeklärter wurden, entfiel diese Instanz.

Der Trick der Konstitutionellen Monarchie war der :
1. Die die göttliche Moral wird durch eine Verfassung ersetzt. Das kann nur funktionieren, wenn sie langfristig Prinzipien festschreibt, die nicht durch die Regierung nach Tagespolitik verändert werden können.

2. über dem Regierungschef steht noch ein König/ Präsident, der zwar keine operative Macht hat, aber die Entscheidungen der Regierung auf die Verfassungsmäßigkeit überprüfen und im Zweifelsfall ablehnen muss.
 
Der Hintergrund meiner Einlassungen ist ein grundsätzliches Problem :

2. über dem Regierungschef steht noch ein König/ Präsident, der zwar keine operative Macht hat, aber die Entscheidungen der Regierung auf die Verfassungsmäßigkeit überprüfen und im Zweifelsfall ablehnen muss.

Verstehe. :winke:

Mal abgesehen von den übrigen "Korrekturen" des Grundgesetzes zur Weimarer Verfassung ist diese Zweigleisigkeit im Grundsatz angelegt. Dass es in Weimar schiefging, führte 1949 u.a. zu einer Verminderung der Kompetenzen des Präsidenten, sowie zur Ausrichtung der Wahl über die Bundesversammlung.

Nun könnte man grundsätzlich kritisieren und in Abwandlung von Kissinger feststellen: die Qualitäten, die zur Erlangung eines politischen Amtes erforderlich sind, sind andere als diejenigen zur Ausfüllung des Amtes - quasi der Auswahlprozess als Problem (direkte Wahl vs. Bundesversammlung).

Die Überkreuz-Kontrolle in Weimar hat nicht funktioniert. Das ist im Kern schon darin angelegt, dass die Bedeutung des Präsidenten mit dem politischen Unvermögen der Legislative für stabile Mehrheiten stieg und in den Präsidialkabinetten mündete. Das ist aber zugleich die Situation, in der die Kontrolle des Präsidenten faktisch "außer Kraft" gesetzt war. Es verblieb dann nur die persönliche, die Selbstkontrolle zur weiteren Ausübung des Amtes (ggf. mündend in den Rücktritt: Anschütz erwähnt diesen in seinem Kommentar zur WV, führt aber auch in meiner Ausgabe nichts zu den Gründen aus). Da war Hindenburg nun nicht der Letzte, der kleben blieb. Wenn man eigenen Äußerungen glaubt, dann mglw. sogar ungern, aber aus innerster Überzeugung über seine "Mission". Damit ist man dann mit dem Latein am Ende.

Auch beim Bundespräsidenten sind schon einige kritische Situationen herausgearbeitet worden: zB kritische Unterzeichnungen, oder die Auflösungsfrage des Bundestages 2005.
 
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Der Hintergrund meiner Einlassungen ist ein grundsätzliches Problem : Jede demokratische Hierarchie muss die Möglichkeit bieten, Amtsmissbrauch einer Person durch die nächst höhere Instanz zu bremsen. Aber : Wer steht über dem höchsten Chef? Wer bremst den?

Du argumentierst sozusagen vor dem Hintergrund des vielzitierten Satzes von Lord Acton (1887): "Macht hat die Tendenz zu korrumpieren, und absolute Macht korrumpiert absolut." Wenn man das für wahr hält - und dafür spricht vieles -, dann muss es "Fehlerkorrektur-Mechanismen" geben, die zwar das Entstehen von Fehlern nicht verhindern, aber die Schäden lindern oder beseitigen können.

Die "göttliche Oberaufsicht" hat, wie der Verlauf der Geschichte zeigt, diese Funktion nur recht unzureichend erfüllen können (was u. a. zum Theodizee-Problem führt bzw. zur Frage: "Wer bremst den?";)), so dass man sich Besseres von der klassischen Gewaltenteilung ? Wikipedia erhoffte.

Wie im verlinkten Artikel zu Recht ausgeführt wird, sollte man aus zeitgenössischer Sicht besser von "Gewaltenverschränkung" sprechen, die je nach Verfassung unterschiedlich konstruiert werden kann, bzw., wie das BVerfG mal geschrieben hat, als System gegenseitiger Kontrolle und Mäßigung.

Über dem Regierungschef steht noch ein ... Präsident, der zwar keine operative Macht hat, aber die Entscheidungen der Regierung auf die Verfassungsmäßigkeit überprüfen und im Zweifelsfall ablehnen muss.
Das kann man so machen/versuchen, aber das ist nicht unsere deutsche Lösung, auch nicht die englische! Unser Bundespräsident kann z.B. ein ihm verfassungsrechtlich bedenklich erscheinendes Gesetz (kein Verwaltungshandeln!) äußerstenfalls aufhalten. Ob seine Bedenken greifen, entscheidet nicht er, sondern ein besonderes Gremium, das BVerfG. Der Bundespräsident ist also keine "Gewalt" im Sinne des Art. 20 GG neben Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung und auch nicht der Verfassungshüter.

Ein verfassungsmäßige Schwäche des Amtes des Bundespräsidenten schimmert im aktuellen Fall durch, und das ist die wechselseitige Abhängigkeit mit denen, die er überwachen soll ... der übliche Kuhhandel ... Tagespolitik...
Was die Tagespolitik betrifft, so gewährt das GG einen gewissen Schutz vor Veränderungen durch das Quroum (2/3-Mehrheit), das föderalistische Prinzip und einige mit "Ewigkeitsgarantie" bewehrte Grundnormen. Der Abhängigkeits-Befund ist freilich nicht zu bestreiten: Sowohl der Bundespräsident wie die Verfassungshüter, die Richter des BVerfG, kommen durch ein Verfahren ins Amt, bei dem die Parteien, und in letzter Instanz deren Führungspersonal, das letzte Wort hat.

Aber das ist nicht unser Spezialproblem, sondern ein allgemeines: Auch ein direkt gewählter Präsident - siehe Frankreich, USA - kommt ja nur dadurch in sein Amt, indem er Verbündete und Geldgeber gewinnt, Netzwerke schafft usw., die ihn im Vorfeld "kampagnenfähig" machen und seinen Wahlerfolg überhaupt erst ermöglichen. Amerikanische Präsidenten liefern seit Jahr und Tag Musterbeispiele für das Geflecht aus Loyalitäten und Gegenleistungen, denen sie ihre Wahl verdanken.

Dein Unbehangen bezüglich des Kuhhandels kann ich also verstehen, nur sehe ich auf Anhieb nicht, wie sich das praktisch ändern ließe.

Das sollte sich mal der Vorstand einer AG mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden erlauben ! Der wäre sofort weg vom Fenster (und wenn nicht, hat die Firma ein Problem).
Der Papierform nach, d.h. nach dem Aktiengesetz, hast Du recht. Aber die Realität moderner, international arbeitender Publikums-Aktiengesellschaften sieht anders aus.
 
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