Reichsrat - Funktion und Bedeutung

silesia

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Sein Vorgänger, der Bundesrat von 1871, wurde auch als Grundlage des Obrigkeitssystems dargestellt (Preuß: Staat, Recht und Freiheit). Der Reichsrat der Weimarer Republik sollte daher mit geringen Rechten ausgestattet werden.

Merkwürdig an dieser Verfassungsentwicklung ist im Nachhinein die Umkehrung der gezogenen Lehren, wenn man die Schwächung des Reichsrates in Vergleich zur Stärkung des Bundesrates im späteren Grundgesetz der BRD setzt. Hier schlug das Pendel aufgrund der Erfahrungen der Weimarer Republik wieder in die andere Richtung aus.

Vielleicht weis hierzu jemand mehr:
Welche konkrete Funktion hatte der Reichsrat in der Weimarer Republik? War seine Tätigkeit völlig unbedeutend?
 
Der Reichsrat ist auch in meiner Wahrnehmung etwas unterbelichtet. Das muss aber nicht heißen, dass er unbedeutend war. Immerhin musste sein Veto vom Reichstag mit 2/3-Mehrheit überstimmt werden. Die Länderkammer ist eben weniger öffentlichkeitswirksam. Der Bundesrat macht ja auch hauptsächlich dann Schlagzeilen, wenn er sich als "Ersatzopposition" betätigt.
Jedenfalls gab es schon eine ganze Reihe von Sitzungen. In diesem Link, das sich allerdings vor allem mit dem Ende des Reichstags beschäftigt, heißt es:
Trotz der Tatsache, daß das Staatsministerium (zumindest
bis 1926 oder 1927) vor jeder Sitzung des Reichsrats die im Gesetz vorgesehene „gemeinsame Beratung“ anberaumte, konnte Preußen zwischen dem 21. Juli 1921 und Mitte Juli 1928 nur bei 48 von insgesamt 259 Abstimmungen seine volle Stimmenzahl zur Geltung bringen.
http://www.shoa.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=525
 
http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html
Artikel 74
Gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze steht dem Reichsrat der Einspruch zu. Der Einspruch muß innerhalb zweier Wochen nach der Schlußabstimmung im Reichstag bei der Reichsregierung eingebracht und spätestens binnen zwei weiteren Wochen mit Gründen versehen werden. Im Falle des Einspruchs wird das Gesetz dem Reichstag zur nochmaligen Beschlußfassung vorgelegt. Kommt hierbei keine Übereinstimmung zwischen Reichstag und Reichsrat zustande, so kann der Reichspräsident binnen drei Monaten über den Gegenstand der Meinungsverschiedenheit einen Volksentscheid anordnen. Macht der Präsident von diesem Rechte keinen Gebrauch, so gilt das Gesetz als nicht zustande gekommen. Hat der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit entgegen dem Einspruch des Reichsrats beschlossen, so hat der Präsident das Gesetz binnen drei Monaten in der vom Reichstag beschlossenen Fassung zu verkünden oder einen Volksentscheid anzuordnen.


Dem Reichsrat wird damit - sofern keine 2/3-Mehrheit der Regierung im Reichstag besteht - ein Vetorecht gegeben.

Einberufung wäre auch mit 1/3 möglich.
Artikel 64
Die Reichsregierung muß den Reichsrat auf Verlangen von einem Drittel seiner Mitglieder einberufen.

Der Einspruch wäre mit einfacher Mehrheit, also faktisch nicht gegen Preußen, formulierbar:
Artikel 66
Bei der Abstimmung entscheidet die einfache Mehrheit der Abstimmenden.

Umgekehrt hätte das Land Preußen relativ leicht Gesetze blockieren können. Da der "Einspruch" des Reichsrates nur die vom Reichstag beschlossenen Gesetze betraf, konnte er vermutlich nicht bei den Notverordnungen Artikel 48 greifen.
 
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