Reiseverbot für BRD-Bürger in oder durch die DDR und den Ostblock

tspap

Neues Mitglied
Hallo zusammen.

Ich versuche, Vorgänge aus meiner Kindheit zu rekonstruieren und richtig einzuordnen und bin dabei bei der Internetrecherche an meine Grenzen gestoßen. Ich würde darum nun gerne die Schwarmintelligenz dieses Forums nutzen.

Meine Frage:
Gab es in den 70er und frühen 80er Jahren Reisebeschränkungen seitens der BRD für Beamte von Ministerien oder andere Staatsangestellte und deren Angehörige bezüglich Reisen in Länder des Ostblocks und die Benutzung der Transitstrecken nach Berlin? Wenn ja: Welche Voraussetzungen bestanden hier?

Zum Hintergrund:
Ich wurde 1970 geboren. Mein Vater arbeitete im Bundespostministerium. Nach meiner Erinnerung war damals von eher wenig aufregenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Mitarbeiterzeitung (Amtsblatt?) die Rede.

Im Jahr 1983 oder 1984 wurde seitens unserer Schule eine Klassenreise nach Berlin veranstaltet inkl. eines eintägigen Besuchs in Ostberlin. Ich durfte an dieser Reise nicht teilnehmen. Meine Nachfrage bezüglich der Gründe wurde dahingehend beantwortet, dass es Mitgliedern unserer Familie aufgrund der Tätigkeit meines Vaters nicht erlaubt sei, in oder durch die DDR zu reisen. Mir war das als schon damals bekennender Heimscheißer wohl ganz recht und ich habe das, wohl auch aufgrund meines jungen Alterns, nicht weiter hinterfragt. Meine Teilnahme wurde durch meine Eltern auch auf Nachfrage von Klassenlehrer und Internatsleitung sehr nachhaltig und endgültig unterbunden und war danach nie mehr Thema.

Inzwischen interessiert mich das Thema nun doch und ich habe nachgeforscht. Da meine Eltern nicht mehr leben, habe ich nur mit meiner 13 Jahre älteren Schwester sprechen können. Auch sie konnte berichten, dass sie an einer Schulreise nach Prag nicht teilnehmen durfte, damals allerdings noch ohne weitere Erklärungen. Der Nachlass meines Vaters und auch die mit dem heutigen Wissen und Verständnis anders einzuordnenden Hinweise auf seinen Beruf (Datennetzanschluss im Keller unseres Hauses mit Modem und Telefon mit spezieller Nummer, Basteleien an Computern etc., die über Hobbykenntnisse wohl hinausgegangen sein dürften etc.) lassen mich vermuten, dass mein Vater wohl eher im technischen Umfeld von Datenübertragung und Computernetzen gearbeitet haben könnte als an einer Mitarbeiterzeitung. Aber hier kann ich nur raten.

Darum würde mich nun als nächstes erst einmal eine Antwort auf meine Eingangsfrage oben interessieren. Gab es ein entsprechendes Reiseverbot für BRD-Bürger in bestimmten Funktionen und deren Familien und wie war ein solcher Personenkreis dann definiert?

Ich freue mich über jeden Hinweis und jede Quellenangabe, dich mich bei meiner Recherche unterstützt.

Viele Grüße
Stefan
 
Ja, Beschränkungen gab es.

Ich wurde 1988 Post-Beamter und wurde noch belehrt, Reisen in den Ostblock inkl. DDR, "anzuzeigen". Ich kann nur vermuten, dass man mit Zugang zu bestimmten Akten/Vorgängen, dahingehend neu belehrt wurde, solche Reisen genehmigen lassen zu müssen bzw. solche Reisen per se verboten waren, auch für Angehörige.

Das Postministerium klingt zwar erstmal "harmlos" aber die ganze Fernmeldetechnik=kritische Infrastruktur unterstand ja der Post.
 
Moin

Mein Vater war Zivilangestellter bei der Bundeswehr, es gab da allerdings keine Reisebeschränkungen, nur jedesmal eine kurze Befragung/Info seitens des MAD. Auf DDR-Seite kaum die Stasi zweimal zu meinem Vater der hat aber abgelehnt mit der Gegenfrage: "Das würden Sie doch auch nicht machen, oder?"

Zumindest hat mein Vater das so geschildert.
 
Darum würde mich nun als nächstes erst einmal eine Antwort auf meine Eingangsfrage oben interessieren. Gab es ein entsprechendes Reiseverbot für BRD-Bürger in bestimmten Funktionen und deren Familien und wie war ein solcher Personenkreis dann definiert?

Ich wußte aus eigenen Erfahrungen, dass je nach Sicherheitsstufe bei der Bundeswehr Reisen in die DDR oder auf dem Transitweg durch die DDR nach Berlin oder in andere Ostblockländer anzeigepflichtig bzw. genehmigungspflichtig bzw. untersagt waren. Ich denke, das wird bei anderen sicherheitsrelevanten Bundesbehörden ähnlich gewesen sein.

Mein Vater arbeitete im Bundespostministerium. Nach meiner Erinnerung war damals von eher wenig aufregenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Mitarbeiterzeitung (Amtsblatt?) die Rede.

Der Nachlass meines Vaters und auch die mit dem heutigen Wissen und Verständnis anders einzuordnenden Hinweise auf seinen Beruf (Datennetzanschluss im Keller unseres Hauses mit Modem und Telefon mit spezieller Nummer, Basteleien an Computern etc., die über Hobbykenntnisse wohl hinausgegangen sein dürften etc.) lassen mich vermuten, dass mein Vater wohl eher im technischen Umfeld von Datenübertragung und Computernetzen gearbeitet haben könnte als an einer Mitarbeiterzeitung. Aber hier kann ich nur raten.

Gerade der zweite Teil läßt mich spekulieren, dass Dein Vater vielleicht offiziell im Bundespostministerium arbeitete, aber in Wirklichkeit geheimdienstlich tätig gewesen sein könnte.
 
Von einem direkten schriftlichen Verbot der Behörden der BRD betreffs Beamte zu privaten Reisen in die DDR bzw. Transit durch die DDR habe ich zu DDR Zeiten nichts gehört.
Ich meine das wäre auch politisch in der damaligen BRD nicht durchsetzbar gewesen.
Bei google finde ich auch heute nichts dazu.

M.W. sind Beamte allerdings von sich aus nicht privat in die DDR gefahren bzw. haben die DDR als Transitland benutzt.
Regelungen gab es M.E. nur zu den Transitstrecken BRD von und nach WB.

Schuld an diesen Verhalten war wohl der Ruf der Mielkes-mannen vorauseilte und sich auch in der BRD herumgesprochen hatte.
Ob das nun auch Beamte im „einfachen Dienst“ so handhabten, weiß ich nicht.
Mittlerer bis höherer Dienst denke ich mal ja.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gab es in den 70er und frühen 80er Jahren Reisebeschränkungen seitens der BRD für Beamte von Ministerien oder andere Staatsangestellte und deren Angehörige bezüglich Reisen in Länder des Ostblocks und die Benutzung der Transitstrecken nach Berlin?

Kann ich mir insofern schlecht vorstellen, als dass ja auch das gesamte Bahnpersonal im Staatsdienst war und das mit dem Schienentransitverkehr zwischen der Bundesrpublik und West-Berlin ja irgendwie funktionieren musste.

Da facto hatte die Bundesbahn wohl ständig Personal auf West-Berliner Gebiet, was einen Transit durch DDR-Territorium voraussetzte.

Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens – Wikipedia

Dementsprechend dürfte es ein generelles Verbot für Staatsbedienstete die DDR zu bereitsen oder Transit-Wege zu benutzen eher nicht gegebenn haben, weil mindestens die Bahn-Beschäftigten das schon von Berufswegen mussten.
 
Dementsprechend dürfte es ein generelles Verbot für Staatsbedienstete die DDR zu bereitsen oder Transit-Wege zu benutzen eher nicht gegebenn haben, weil mindestens die Bahn-Beschäftigten das schon von Berufswegen mussten.

Es wird bestimmt nicht jedem Angehörigen des Staatsdienstes verboten worden sein, in/durch die DDR bzw. andere Ostblockländer zu fahren. Dazu bestanden doch viel zu viele familiäre Bindungen zwischen Ost und West. Wie ich bereits oben beim Beispiel der Bundeswehr geschrieben habe, wird das wohl davon abgehangen haben, ob man in einem sicherheitsrelevanten Bereich tätig war.
 
M.W. sind Beamte allerdings von sich aus nicht privat in die DDR gefahren bzw. haben die DDR als Transitland benutzt.

???
Meine Mutter war Beamtin (Lehrerin, später Schulaufsicht), und ich habe die Hälfte meiner Schulferien als Kind in der DDR bei Verwandten verbracht; nicht immer alleine...

Die einzige Behörde, die da jemals Interesse dran zeigte, war mWn die Stasi.

Von i-welchen Verboten hab ich nie gehört, aber jut, der Schulsektor ist vermutlich auch nicht besonders sicherheitsrelevant.
 
Vielen Dank für alle Antworten.

Gerade der zweite Teil läßt mich spekulieren, dass Dein Vater vielleicht offiziell im Bundespostministerium arbeitete, aber in Wirklichkeit geheimdienstlich tätig gewesen sein könnte.

Ich weiß, dass tatsächliche geheimdienstliche Tätigkeiten mit James Bond nichts zu tun hatten, aber dennoch wäre dazu vermutlich eine gewissen Abgebrühtheit nötig gewesen, die ich meinem Vater auch im Rückblick nicht zutrauen würde. Ausserdem durfte ich ihn als kleines Kind (ich werde noch keine 10 Jahre gewesen sein) mal im Postministerium für einen geplanten anschliessenden Ausflug abholen und war auch an seinem Arbeitsplatz. Das war in den 70ern, meine Erinnerungen an Details sind da sehr vage.

Ich erinner mich nur an Details von daheim, die aus heutiger Sicht halt bemerkenswert sind. Im Keller unseres Hauses gabs ein Büro, in dem ein dienstliches Telefon geschaltet war. Die Wählscheibe war für mich mit einem Steckschloß gegen Benutzung gesichert. Wenn meine Erinnerung stimmt, begann die Telefonnummer mit 10, was wohl was besonderes war. Schon in den 70ern stand in dem Büro ein Computer (Bildschirmgerät mit nach meiner Erinnerung fest verbundener Tastatur, ähnlich PET), den ich bei Internetrecherche nirgends habe finden oder identifizieren können. Kann also auch nur ein Terminal gewesen sein. Anfang der 80er dann auch noch ein identifizierbarer Video Genie II. Und schon in den 70ern ein Modem... Das Gerät war grau, geschätzt so groß wie zwei Schuhkartons und auch hier konnte ich keine Übereinstimmung im Netz finden. Der Genie-Computer durfte seinerzeit nie ausgeschaltet, werden, auch wenn mein Vater gar nicht daheim war.

Als Kind war das alles so leidlich interessant, aber heute stelle ich halt fest, dass das zumindest ungewöhnlich ist. Mein Verdacht ging also in die Richtung, dass mein Vater an irgendwelchen Datennetzen oder der dahinterstehenden Technik gearbeitet haben könnte.

Carolus sagte auch, dass ihm Beschränkungen im Reiseverkehr bzw. Genehmigungspflichten bekannt seien. Ob das in unserem Fall wirklich so war oder meine Eltern auch nur mögliche Unannehmlichkeiten im Bezug auf Genehmigungen umgehen wollten und Diskussionen mit uns Kindern mit dem Bestand eines angeblichen Verbots unterbinden wollten, wird sich vielleicht nicht klären lassen. Eine definitive Richtlinie aus der Zeit damals hätte hier mehr Klarheit bringen können.

Meine Schwester konnte Kontaktdaten zu einer ehemaligen Kollegin meines Vaters beisteuern, die noch lebt. Ich werde mal schauen, ob ich hier Kontakt herstellen kann und ob die Dame sich überhaupt noch erinnert. Bei Interesse werde ich das Ergebnis hier gerne posten und freue mich auch weiterhin über "sachdienliche Hinweise", wie Eduard Zimmermann sagen würde :)

Danke und Grüße
Stefan
 
???
Meine Mutter war Beamtin (Lehrerin, später Schulaufsicht), und ich habe die Hälfte meiner Schulferien als Kind in der DDR bei Verwandten verbracht; nicht immer alleine...

Die einzige Behörde, die da jemals Interesse dran zeigte, war mWn die Stasi.

Von i-welchen Verboten hab ich nie gehört, aber jut, der Schulsektor ist vermutlich auch nicht besonders sicherheitsrelevant.

Bei Aussagen zu dieser Zeit sollte man auch nicht übersehen, es gab damals noch kein Internet.

Die Info-quellen der DDR Bürger während dieser Zeit sind ja bekannt, brauchen also nicht hier extra erwähnt zu werden.

Zu den Leuten von „GHG“ kam hinzu der „ABV“ und das „Hausbuch“, was ja auch immer aktuell sein musste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was die technische Ausstattung bei Deinem Vater angeht, dass kann eine Versuchsanlage gewesen sein, mit der z.B. ein frühes Datennetz getestet werden sollte. Das Fernmeldetechnische Zentralamt in Darmstadt hat gerne mal solche neuen Dinge bei eigenen Mitarbeitern getestet. Und vielleicht auch bei Bonner Beamten.

Es wäre aber auch eine "geheime Ausweichstelle" für Krisenfälle vorstellbar, um z.B. die Kommunikation des Ministeriums (eingeschränkt) weiterbetreiben zu können, wenn die eigentliche Vermittlungsstelle durch Sabotage o.ä. ausgefallen wäre. Vielleicht findest Du die Geräte ja unter Fernmelde-Ausstattung, Vermittlungsanlagen. Eine Herstellerangabe kennst Du nicht?
 
1964 gab es in Rheinland-Pfalz einen Erlass für Beamte bei Reisen in die DDR. Es wird dabei von Verboten gesprochen.
Siehe die 8-minütige Reportage des SWR von 1964 in der ARD Mediathek:
SWR Retro – Abendschau: Dürfen Beamte in die Ostzone ? | ARD Mediathek

Das sei aber, laut Spiegel, bereits 1965 wieder abgeschafft worden, "lediglich Bundesbeamte, Polizeibeamte und »Geheimnisträger« müssen sich Ostreisen auch in Zukunft genehmigen lassen."
DDR-REISEN.
 
Hier ist noch ein Artikel des Spiegels vom 19.11.1989 (also 10 Tage nach Mauerfall), dass zukünftig Beschränkungen zum Besuch von Ostblockländern aufgehoben werden sollen. Hier wird die Anordnung der Bundesregierung vom 06.07.1973 über Reisen von Bundesbediensteten in und durch den kommunistischen Machtbereich erwähnt, die wohl einige der hier gestellten Fragen beantworten könnte. Ich habe sie auf die Schnelle nicht im Internet gefunden.

Freie Fahrt

Und hier noch ein Artikel zur Anwendung von 1976:

Reisen bindet

Und auch interessant: auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs gab es nicht nur Reisebeschränkungen, sondern auch für bestimmte, sehr weit gefaßte Berufsgruppen Kontaktverbote mit Westlern:

https://dserver.bundestag.de/btd/10/037/1003744.pdf (Antwort der Bundesregierung von 1985).
 
Mein Vater hat als Architekt in einer Baubehörde gearbeitet, unter anderem an Baumaßnahmen in Bundeswehrkrankenhäusern. Und er besuchte seit Mitte der 70er jedes Jahr, wenn ich mich recht erinnere, einen Vetter in der DDR, einmal wurde ich mitgenommen. Da deckte mich die Lebensgefährtin dieses Vetters mit DDR-Geschichtsbüchern ein (ich war schon damals historisch interessiert), welche die vielleicht am wenigsten lesbarsten Bücher meines Lebens gewesen sind. Die Gefährtin arbeitete in einer Schulaufsichtsbehörde. Vor einigen Jahren habe ich bei der Gauck-Birthlerbehörde nachgefragt, ob der Name meines Vaters in Stasi-Unterlagen auftaucht. Der abschlägige Bescheid hat mich ehrlich gesagt etwas enttäuscht.
 
Da ist aber eher die Frage, ob die überhaupt berechtigt warst, hier Akteneinsicht zu bekommen.

Die Unterlagen zu vermissten oder verstorbenen nahen Angehörigen sind nur für einen festgelegten Personenkreis und nur zu bestimmten Zwecken eingeschränkt zugänglich (§ 15 StUG).

Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen – Wikipedia

(1) Nahen Angehörigen ist auf Antrag Auskunft zu erteilen
1. zur Rehabilitierung Vermisster oder Verstorbener,
2. zum Schutze des Persönlichkeitsrechts Vermisster oder Verstorbener, insbesondere zur Klärung des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst,
3. zur Aufklärung des Schicksals Vermisster oder Verstorbener.
§ 15 StUG - Einzelnorm
 
Mein Onkel hatte eine Mutter, welche aus Tangermünde stammte. Der Onkel hat in meiner Familie väterlicherseits eingeheiratet. Er ist mit Abstand die Person mit dem gesellschaftlich höchsten Rang in unserer Familie. Er war auf der obersten Beamtenebene unterhalb der politischen Leitung in einem Landes-Innen-Ministerium. Entweder in den 1980er oder Anfang der 1990er Jahre war er im Schattenkabinett der Opposition als Landesminister des Innenministeriums vorgesehen. Da die Regierungspartei in diesem Bundesland eigentlich ein Abo auf eine siegreiche Landtagswahl hatte, war das aber eher ein Dienst für seine Partei als eine reale Siegchance. Trotzdem fuhr er wohl Anfang der 1980er Jahre zu dem Begräbnis seiner Tante nach Tangermünde. Das war trotz seines hohen Postens in einem Landes-Innenministeriums möglich.

Ich war seit 1986 bei der Bundeswehr. Wegen meiner Aufgabe mit direktem Zugriff auf geheime NATO-Krypto-Mittel hatte ich ein Reiseverbot für alle sozialistische Länder. Zum ersten Mal in der DDR war ich dann am 02.10.1990. Da war das Verbot für die DDR hinfällig. Zuvor war ich auf dem Gebiet der DDR nur bei Transitfahrten nach West-Berlin vor 1986.
 
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