Religion der Thüringer

Zananga

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Nur mal eine kurze Frage, welche Religion hatten die Thüringer vor ihre eroberung durch die Franken? Waren sie Heidnisch oder Christlich? Und wenn sie Christlich waren, ab wann und waren sie Arianer oder Trinitarier?
 
Da die Thüringer unter Theoderich dem Großen ins ostgotische dominierte Bündnissystem aufgenommen wurden, ist anzunehmen, dass sie spätestens zum Zeitpunkt der gentilen Verbindung von Theoderichs Nichte mit ihrem König zum Arianismus übertraten.
 
Dazu kann man sogar wieder einmal auf Wikipedia verweisen, und zwar auf den Artikel zu jenem Thüringerkönig, der gegen die Franken kämpfte: Herminafried ? Wikipedia

Kurz: Ich darf mich El Quijote anschließen, daß bereits vor der fränkischen Eroberung zumindest der Arianismus von Teilen der thüringischen Adligen angenommen wurde.
 
Warum denn nicht beides? Christen, Heiden und natürlich Synkretisten.
Schenkt man den Berichten des Bonifatius glauben, so gab es selbst im 8. Jahrhundert noch heidnische Thüringer oder wenigstens sowas ähnliches.
Auch interessant: Die Opfertätigkeit im Opfer Oberdorla wurde im 6. Jahrhundert eingestellt. Hierzu ist sicher der Artikel zur Geschichte des Opfermoores hillfreich.
Meiner Ansicht deutet alles auf langes Nebeneinander und Durcheinander der Religionen, an dessen Beginn die Bekehrung des Adels durch die Goten steht und dessen Ende die vollständige Missionierung zum römischen Christentum durch Bonifatius bildet.
 
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Auch interessant: Die Opfertätigkeit im Opfer Oberdorla wurde im 6. Jahrhundert eingestellt. Hierzu ist sicher der Artikel zur Geschichte des Opfermoores hillfreich.

Zumindest veränderts sich diese.
Im 11. Jahrhundert ist Schluß damit, aber ab dem 6. wird nich mehr eingefriedet Jedenfalls nach Stand der Ausgrabungen.
Übrigens lohnt sich der Besuch dort, um einfach auch mal die schöne Umgebung zu genießen.

:)
 
Da die Thüringer unter Theoderich dem Großen ins ostgotische dominierte Bündnissystem aufgenommen wurden, ist anzunehmen, dass sie spätestens zum Zeitpunkt der gentilen Verbindung von Theoderichs Nichte mit ihrem König zum Arianismus übertraten.

Das scheint nicht ganz korrekt zu sein:

Nach der losen Eingliederung des Reichs der Thüringer in das Frankenreich 531 begann erst im 8. Jh. die Missionierung.

(Lexikon der deutschen Geschichte, 1983 Stuttgart, S. 1232)

Für das nördliche Thüringen errichtete Bonifatius, der 725-35 dort missioniert hatte, 741/42 das Bistum Erfurt, das am 1.4.743 von Papst Zacharias bestätigt wurde.

Das Lexikon der deutschen Geschichte führt dazu aus:

Wegen der exponierten Lage im heidnischen Gebiet konnte das Bistum sich nicht entfalten und wurde entweder durch Bonifatius selbst oder durch seinen Nachfolger Erzbischof Lullus mit dem Erzbistum Mainz vereinigt.

(Lexikon der deutschen Geschichte, a.a.O., S. 327)

Es ist bekannt, dass Bonifatius (672-754) bei den Thüringern, Hessen und Friesen missionierte, da diese Gebiete noch gänzlich heidnisch waren. Ob der Thüringerkönig Herminafried (gest. 534) getaufr war, lässt sich nicht eindeutig erweisen, was auch für Teile des thüringischen Adels zutrifft.

Auf jeden Fall spricht die intensive Missionsarbeit des Bonifatius gegen eine dauerhafte Christianisierung von Teilen des thüringischen Adels, sofern es überhaupt dazu kam. Die Masse der Bevölkerung blieb auf jeden Fall bis Bonifatius heidnisch und verehrte die bekannten germanischen Götter, wofür symbolisch die Fällung der Donareiche beim thüringischen Ort Geismar durch Bonifatius steht.
 
Das scheint nicht ganz korrekt zu sein:

Sagen wir, es war unpräzise, der Hinweise auf die gentile Verbindung unzureichend. Timo hat verstanden, was ich hatte schreiben wollen.
Der Begriff Missionierung im Lexikon für deutsche Geschichte dürfte sich auf katholische Missionierung beziehen.


Es ist bekannt, dass Bonifatius (672-754) bei den Thüringern, Hessen und Friesen missionierte, da diese Gebiete noch gänzlich heidnisch waren. Ob der Thüringerkönig Herminafried (gest. 534) getauft war, lässt sich nicht eindeutig erweisen, was auch für Teile des thüringischen Adels zutrifft.

Auch die Arianer mussten sich die Zuordnung zu den Heiden gefallen lassen, wie bei dem anonymen Verfasser der Liber Historiae Francorum die Brugunder: "Burgundiones itaque paganissimi in arriana doctrina prava tenebantur,..."

Auf jeden Fall spricht die intensive Missionsarbeit des Bonifatius gegen eine dauerhafte Christianisierung von Teilen des thüringischen Adels, sofern es überhaupt dazu kam. Die Masse der Bevölkerung blieb auf jeden Fall bis Bonifatius heidnisch und verehrte die bekannten germanischen Götter, wofür symbolisch die Fällung der Donareiche beim thüringischen Ort Geismar durch Bonifatius steht.

Dass es noch Heidentum gab, steht völlig außer Frage. Aber Bonifatius konnte in den rechtsrheinischen Gebieten auch auf Schottenklöster zurückgreifen und er selbst berichtet von der nur unzureichenden Christianisierung, die zu Taufformeln wie in nomine patria et filia et spiritus sancti geführt hätten.
 
Dieter, jenes Geismar mit der berühmten rubor Jovis liegt in Hessen, in Thüringen liegt ein anderer Ort gleichen Namens.

Grundproblem ist das Bonifatius die anderen Christentümer nicht so recht anerkannte.
Anschaulich ist da das Beispiel der beiden Grafen Deorulf und Dettic in Amöneburg, Hessen. Sie nannten sich selbst Christen, aber Bonifatius belehrte sie eines besseren, nämlich das sie nur ihr Heidentum Christentum nannten, und taufte sie erneut.

Die iro-schottische Mission vor Bonifatius ist zumindest für Hessen mittlerweile archäologisch belegt. Die Brigida-Kapelle auf dem Büraberg unweit von Fritzlar und Geismar wird inzwischen ins 6./7. Jahrhundert datiert.
Mit dem gänzlich heidnisch hapert es schon. Wohl aber gab noch gänzliche Heiden zu Zeiten des Bonifatius. Welches Ausmaß die arianisch-gotische und iro-schottische Mission hatten, bleibt aber letztlich ungewiss.
Burchard von Worms bestätigt ja, dass bei seinen Schäfchen im 11. Jahrhundert noch gewisser Aberglaube an eine "Holda" und an die "Parzen" vorhanden war, was die weitere sporadische Nutzung des Opfermoores nach die Missionierung durch Bonifatius erklären könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Als ob die "missionierten" Adelige nach ihrer Taufe sofort ein 400 Seitiges Büchlein mitbekommen haben, in dem das ABC des Christentums erklärt wurde. Kann ich nicht glauben. Die Taufe war wohl oft eine reine Formsache oder Vernunftslösung, brauchte sie doch nur Vorteile für die Herrschenden. Ob der Betroffene dann auch wirklich Christ war, wie wir uns das heute vorstellen, bleibt zu bezweifeln. Hunderte Jahre Heidentum und Polytheismus lassen sich nicht durch etwas Wasser und ein nettes Sprüchlein wegwaschen. Und mann merkt ja recht schnell, dass damals alles noch recht oberflächlich zuging. Reichte doch für die Chronisten die Taufe des Königs und seiner Gefolgschaft aus, um ein ganzes Volk "christianisiert" zu nennen.

@Maglor: Besagte Grafen waren Arianer?
 
Sofern der Artikel korrekt ist, können wir Radegundis nicht als Beispiel einer christlichen Thüringerin nehmen: Sie wurde als Kind von christlichen Franken verschleppt und dann christlich erzogen. Ob sie vorher Heidin, Katholikin oder Arianerin war, wissen wir einfach nicht.
 
Zumindest verweist es auf die fränkisch/thüringischen Verbindungen beim Adel. ->
http://de.wikipedia.org/wiki/Herminafried
http://de.wikipedia.org/wiki/Berthachar

Jedenfalls sind die Kontakte der Thüringer Oberschicht alles andere als regional, somit ist auch ein reger Austausch von geistigen / religiösen Ansichten anzunehmen.
Einflüsse von Arianischer oder Katholischer Seite sind wahrscheinlich.

Interessant wäre, inwieweit die Interpretationen von Oberdorla dann wirklich nur für die einfache Bevölkerung zutreffen, wie es auf deren HP anklingt.
Überhaupt soll es dort noch einiges an ungeklärten Funden geben, die in keine Interpretation passen…
 
Das im Opfermoor einiges an Funden zum Vorschein gekommen ist, klingt schon im Text auf der HP an. Der Chefausgräber Behm-Blancke verstarb 1994 und konnte dies nicht mehr geordnet zu Paper bringen. Es existiert zwar eine Veröffentlichung, diese besteht aber wohl aus der Zusammenschrift von verschieden (unfertigen?) Manuskripten von dem Herrn B.B.
Hierbei wurde anscheinend nicht alles berücksichtigt und vor allem geordnet.
Es gab z.B. einen Fund eines aufgespießten/ geopferten Vogels (war es Fasan, keine Ahnung mehr), was mit der üblichen Systematik nicht zu erklären ist.
Auch die Diana ist recht eindrucksvoll und schwer zu erklären…
Viele Kleinigkeiten, Hölzer z.B. warten noch auf Interpretation und Aufarbeitung.
 
Es existiert zwar eine Veröffentlichung, diese besteht aber wohl aus der Zusammenschrift von verschieden (unfertigen?) Manuskripten von dem Herrn B.B.
Also der Textteil der Veröffentlichung entstammt tatsächlich 1 zu 1 aus den Manuskripten von Behm-Blancke und wurde nicht noch mal nach neueren Erkenntnissen überarbeitet. Die Katalogteil ist aber vollständig, d.h. es sind soweit alle Befunde und die dazugehörigen Funde aufgenommen worden. Die Infos habe ich sozusagen aus erster Hand, da ich im Rahmen eines Seminares diesen Ort besucht habe und wir dort von den verantwortlichen Archäologen(innen) geführt wurden. Ich würde mir, wie viele andere auch wohl, wünschen das dieser Fundort nochmals genauer bearbeitet wird, die Deutungen von Behm-Blancke sind nun mal leider nicht mehr zeitgemäß und bestehen in der Hauptsache aus sehr einfachen Analogien und Ethnographischen Vergleichen. Im Bereich der Religionsarchäologie hat sich seit seiner Niederschrift eine Menge getan.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Also der Textteil der Veröffentlichung entstammt tatsächlich 1 zu 1 aus den Manuskripten von Behm-Blancke und wurde nicht noch mal nach neueren Erkenntnissen überarbeitet. Die Katalogteil ist aber vollständig, d.h. es sind soweit alle Befunde und die dazugehörigen Funde aufgenommen worden. Die Infos habe ich sozusagen aus erster Hand, da ich im Rahmen eines Seminares diesen Ort besucht habe und wir dort von den verantwortlichen Archäologen(innen) geführt wurden. Ich würde mir, wie viele andere auch wohl, wünschen das dieser Fundort nochmals genauer bearbeitet wird, die Deutungen von Behm-Blancke sind nun mal leider nicht mehr zeitgemäß und bestehen in der Hauptsache aus sehr einfachen Analogien und Ethnographischen Vergleichen. Im Bereich der Religionsarchäologie hat sich seit seiner Niederschrift eine Menge getan.

Wenn du Zeit hast, würde ich dich bitten, das vielleicht ein bisschen näher auszuführen, gern auch anhand konkreter Beispiele. Würde mich sehr interessieren.
 
Die Taufe war wohl oft eine reine Formsache oder Vernunftslösung, brauchte sie doch nur Vorteile für die Herrschenden.

Sagen wir es so: Die Führungsspitzen hatten durch die Annahme des Christentums neue Möglichkeiten der religiösen Legitimierung (Stichwort: Königssalbung).

Ob der Betroffene dann auch wirklich Christ war, wie wir uns das heute vorstellen, bleibt zu bezweifeln.

Diese Aussage ist tautologisch; dafür hat das Christentum seit Spätantike und Frühmittelalter zu viele zeitliche Entwicklungen durchlaufen: die Christen der damaligen Zeit waren bspw. keine Pazifisten etc.
 
Diese Aussage ist tautologisch; dafür hat das Christentum seit Spätantike und Frühmittelalter zu viele zeitliche Entwicklungen durchlaufen: die Christen der damaligen Zeit waren bspw. keine Pazifisten etc.
Genauso könnte man Fragen was ein Heide ist.
Ein Getaufter, der ab und an mal ein Topf mit Saatgut deponiert ist nicht unbedingt ein Vollblutheide. Wahrsheinlich kombiniert er beide Glaubenskonzepte miteinander.
:grübel:
Typischer Synkretismus halt...
:nono:
Systematisch ist sicherlich schwer zu fassen, kommt aber regelmäßig vor.
 
Ich glaube damals wie heute waren "reine Lehren" nur ein theoretisches Konstrukt der Gelehrten und nicht deckungsgleich mit den realen Gegebenheiten und Vorstellungen der Bevölkerung. Heide, Christ etc. sind doch alles sehr schwammige Bezeichnungen aus den damaligen Schriftquellen.

Oder wie Sascha bereits sagte: Typisch Synkretismus halt...bzw. die Projektion alter Vorstellungen und Inhalte auf neue Transportmittel. Und umgekehrt.
 
@Sascha & @Skald:
Da habt Ihr meinen Einwand wohl mißverstanden, denn zum Aspekt des Synkretismus u. dgl. widerspreche ich keineswegs. Allerdings hatte ich das auch nicht gemeint...

Mir ging es darum, daß wir damit, wie wir uns heute einen durchaus gläubigen und frommen Christen vorstellen bzw. einen solchen erleben, überhaupt nichts darüber sagen können, ob und inwieweit damals jemand ein gläubiger und frommer Christ war - und das unabhängig davon, wie synkretisch sein Weltbild zu bezeichnen ist.
Man kann eben bspw. nicht einfach sagen (Ich überzeichne bewußt!): Ein Christ ist jemand, der Krieg prinzipiell ablehnt etc. (wie es heutzutage ist), und deshalb waren die Leute damals sowieso keine Christen. Ein Abriß über die zeitlichen Entwicklungen mag illustrieren, warum wir es uns nicht so einfach machen dürfen...
 
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