Remake or not remake? - that’s the question!

Einige kann man z.B. in Wikipedia nachlesen – Zitat:

In Deutschland erhielt der Film mehrere schlechte Kritiken, so schrieb die Süddeutsche Zeitung unter anderem: „Kein Buch ist so gut, dass man daraus nicht einen schlechten Film machen könnte“.[43] Weiter kritisierte Hubert Wetzel, dass der Film mit der Romanvorlage wenig gemein habe. Berger habe nach Belieben Figuren hinzugefügt, zentrale Charaktere und Szenen dagegen weggelassen und den Schluss so verändert, dass Titel und Inhalt keine Verbindung zueinander mehr hätten.[44]

Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hält den Film für „fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“. ...

Und ist diese Kritik angemessen oder unangemessen?
Wenn sie angemessen ist, dann ist sie nicht heftig.
Wenn sie unangemessen ist, wieso?

Wenn etwas schlecht ist und man das begründen kann, dann muss man das sagen dürfen, das ist nicht "heftig" sondern ehrlich. Heftig ist es, wenn man Dinge damit reinbaut, die nichts mit dem Sachverhalt zu tun haben:

„Kein Buch ist so gut, dass man daraus nicht einen schlechten Film machen könnte“.
Das ist erst mal eine Kritik, die sich offensichtlich auf einer ästhetischen Ebene bewegt und ein wenig auch die enttäuschte Erwartungshaltung (Romanverfilmung) mit transportiert.

„fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“

Das ist eine Kritik, die von der Sicht der historischen Sachebene formuliert ist. Der Historiker kann gar nicht anders, als - wenn das angemessen ist - dies festzustellen und zu benennen.
Sönke Neitzel ist jetzt nicht irgendwer, man kann zu ihm stehen, wie man will, aber er ist einer der profiliertesten Militärhistoriker Dtlds. für das 19. und 20. Jhdt. (der bekannteste ist er sowieso). Wenn der diesen Film als „fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“ beschreibt, wird man das als gewichtige Expertenmeinung begreifen dürfen (was nicht heißt, dass sie notwendigerweise unwidersprochen bleiben muss).


Außerdem ist der Film “Im Westen nichts Neues” aus dem Jahr 2022 eine Neuverfilmung und kein Remake der Filme aus den Jahren 1976 und 1930. Eine Neuverfilmung eines Romans hat alle Freiheiten, eigene Akzente zu setzen, Szenen und Figuren wegzulassen oder sie zu erfinden, den Stoff zu straffen und andererseits bestimmte Szenen in epischer Länge darzustellen, obwohl sie im Buch kaum erwähnt werden.
Sicher hat sie das, wir leben in einem freien Land.
Das gilt aber auch für die Berechtigung zur Kritik: Wir leben in einem freien Land.

Wenn ich Geld an der Kinokasse bezahle, um den Film Im Westen nichts Neues zu sehen, dann erwarte ich eine Story, die Remarques Roman wiedergibt. Natürlich - ich schrieb es bereits, dass der Film notwendigerweise andere stilistische Mittel einsetzt als der Roman - gibt es Unterschiede, natürlich muss an der ein oder anderen Stelle gekürzt werden, damit so ein Film eben nur 124 Minuten dauert und nicht ein Vielfaches davon. Das ist doch völlig klar. Aber das ist nicht die Kritik an der Verfilmung, sondern dass sie inhaltlich erheblich von Remarque abweicht und historisch fehlerhaft und klischeebladen ist.
 
„fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“

Das ist eine Kritik, die von der Sicht der historischen Sachebene formuliert ist.

Die Formulierung stammt noch nicht einmal von Neitzel, sondern von einem Journalisten. Das Interview mit Neitzel ist hier nachzulesen:

 
Sönke Neitzel ist jetzt nicht irgendwer, man kann zu ihm stehen, wie man will, aber er ist einer der profiliertesten Militärhistoriker Dtlds. für das 19. und 20. Jhdt. (der bekannteste ist er sowieso). Wenn der diesen Film als „fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“ beschreibt, wird man das als gewichtige Expertenmeinung begreifen dürfen (was nicht heißt, dass sie notwendigerweise unwidersprochen bleiben muss).
Nach allem, was von den Zuständen an der Westfront überliefert ist, kommt das Bild, das Bergers Film zeichnet, der Realität recht nahe. Das ist eine Leistung. (Hubert Wetzel in der SZ)

Und das sagt einer, der an dem Film sonst nicht viel Gutes findet, der sich endlos eschauffiert ob der mangelnde Treue zum Buch. Ich zitiere hier Wetzel, weil er genau das Gegenteil von dem sagt, was der weiter unten zitierter Historiker Sönke Neitzel sagte.

Bergers Soldatendrama aus dem Ersten Weltkrieg, das vom Streamingdienst Netflix finanziert wurde, hat bei seinem Kino- und Internetstart im vergangenen Jahr fast überall lobende Kritiken bekommen. Das einzige Land, in dem es auch ein paar Verrisse gab, war Deutschland, vielleicht, weil es hier noch zahlreiche Leser der Vorlage von Erich Maria Remarque gibt. (FAZ)

Diese Aussage ist wichtig, weil der Roman eine Zeitlang – vielleicht immer noch? - Pflichtlektüre in den deutschen Schulen war. Jedenfalls wurde dieser Film jetzt für Schüler ab 11. Klasse empfohlen.

Filme haben in diesem Land keinen so hohen Stellenwert wie in Frankreich, England oder den USA. Die Deutschen fremdeln spätestens seit der Nachkriegszeit mit der Kunstform, für die sie einmal weltberühmt waren: In den Zwanzigerjahren zählte Deutschland zu den führenden Filmnationen, brachte Klassiker wie "Metropolis" und "Dr. Mabuse" hervor. Dann kaperten die Nationalsozialisten den Film, machten ihn zur Propagandawaffe, und die wichtigsten Künstler wurden mit Berufsverbot belegt, umgebracht oder ins Exil gezwungen. Davon hat sich der deutsche Film bis heute nicht ganz erholt, ein neues Selbstbewusstsein hat sich nie entwickelt. (Spiegel Online)

Dem stimme ich zu.

Die Historiker haben eine Fachkompetenz, aber sie haben keine Darstellungskompetenz. Das stimmt schon. Manche Historiker sehen sich ja als den zweite Steven Spielberg und würden am liebsten mit Regisseur-Schal auf dem Set herumlaufen. Das muss man schon sagen. Auf der anderen Seite muss man aber sagen, dass die meisten historischen Produktionen aus meiner Sicht das Potenzial, das es gibt, nicht ausschöpfen, weil sie sich zu wenig mit dem Inhalt beschäftigen. Ich glaube, Filme könnten mehr historische Authentizität vertragen.
(...)
Wenn sich Historiker aufregen und sagen, um Gottes willen, dieses oder jenes wurde falsch dargestellt, dann muss man sagen: Regt euch wieder ab, denn natürlich geht keiner aus dem Kino raus und sagt, so war das Erste Weltkrieg, bis auf ganz einfach gestrickte Gestalten vielleicht.
(...)
Ich würde einen einzelnen Film aber nicht überschätzen und relativ relaxed sagen: Es ist eben nur ein Film.
(Quelle)

Fest steht, der Film war/ist auch ein kommerzieller Erfolg und hat zudem weltweit Preise eingeheimst wie sonst kein deutscher Film zuvor. Und was macht das deutsche Feuilleton mitunter daraus: Es mäkelt rum, befragt Historiker, die von der Produktion nicht als Berater eingeladen worden sind – und allerlei Unstimmiges finden. Okay, der eine, der bekannteste oder wichtigste Historiker, Sönke Neitzel, relativiert seine Aussage oben ein wenig, aber das geht unter, wichtig ist allein, was beim Journalisten vom Interview hängengeblieben ist: Der Film sei „fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“.

Zum Glück sind Historiker eine Minderheit, die ganz anders an einen Film herangehen als “normale” Kinogänger. Und weil wir hier in einem Geschichtsforum sind, kann ich die Kritik ein stückweit verstehen.

Auch wenn @Scorpio den von mir formulierten Kompromiss nicht goutiert, kann ich leider nichts anderes anbieten. Damit will ich mich zu dem Film “Im Westen nichts Neues” nicht mehr äußern - von meiner Seite ist alles gesagt worden.
 
Nach allem, was von den Zuständen an der Westfront überliefert ist, kommt das Bild, das Bergers Film zeichnet, der Realität recht nahe. Das ist eine Leistung. (Hubert Wetzel in der SZ)

Und das sagt einer, der an dem Film sonst nicht viel Gutes findet, der sich endlos eschauffiert ob der mangelnde Treue zum Buch. Ich zitiere hier Wetzel, weil er genau das Gegenteil von dem sagt, was der weiter unten zitierter Historiker Sönke Neitzel sagte.

Wenn Wetzel das genaue Gegenteil sagen würde, was Neitzel (begründet!) beanstandet hat, müsste man daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass Wetzel mangels historischer Vorbildung dem Film auf den Leim gegangen hist.

Tatsächlich sagt Wetzel überhaupt nicht das Gegenteil, die Zustände an der Westfront beschreibt er wie folgt:

"Der ewige Regen verwandelt die von den Kämpfen zerstampften Ebenen Nordfrankreichs in Morast. Die Soldaten hocken verängstigt in Erdlöchern, sie kriechen durch Schlamm, sie waten durch Matsch, sie fallen in Granattrichter, die mit Wasser gefüllt sind, das braun ist – oder rot von Blut. Im Stacheldraht vor den Gräben hängen Leichen, durch die Unterstände rennen Heere von Ratten. Nach allem, was von den Zuständen an der Westfront überliefert ist, kommt das Bild, das Bergers Film zeichnet, der Realität recht nahe."

Dem hat Neitzel an keiner Stelle des Interviews widersprochen.




Falls Du noch den vorigen Absatz mit einbeziehen wolltest, da schreibt Wetzel:

"Die Soldaten wurden von Granaten zerrissen, von Kugeln durchlöchert, von Giftgas erstickt, von einstürzenden Bunkerdecken begraben, von Panzerketten zerquetscht, von ihren Gegnern mit Messer und Bajonetten erstochen, mit Spaten erschlagen, mit Flammenwerfern verbrannt. All das zeigt der Film mit realistischer Brutalität."

Auch hier schreibt Neitzel keineswegs das "Gegenteil", sondern stimmt (trotz kritischer Anmerkungen im Detail) grundsätzlich mit Wetzel überein:

"Er ist sicherlich mit hohem Aufwand für die Kampfszenen gemacht und dahingehend näher dran als frühere Verfilmungen, weil er die Brutalität des Krieges zeigt."
 
Nach allem, was von den Zuständen an der Westfront überliefert ist, kommt das Bild, das Bergers Film zeichnet, der Realität recht nahe. Das ist eine Leistung. (Hubert Wetzel in der SZ)

Und das sagt einer, der an dem Film sonst nicht viel Gutes findet, der sich endlos eschauffiert ob der mangelnde Treue zum Buch. Ich zitiere hier Wetzel, weil er genau das Gegenteil von dem sagt, was der weiter unten zitierter Historiker Sönke Neitzel sagte.
Interessanter wäre ja, was Wetzel zu einer solchen Aussage qualifiziert. Der Mann ist Journalist mit einem Studium der Politikwissenschaft.
Es mag ja sein, dass der Film der Vorstellung der Zustände des Herrn hinsichtlich der Westfront durchaus entspricht, den Nachweis, dass sich der Mann damit besonders auskennt, sehe ich allerdings nicht.

Bergers Soldatendrama aus dem Ersten Weltkrieg, das vom Streamingdienst Netflix finanziert wurde, hat bei seinem Kino- und Internetstart im vergangenen Jahr fast überall lobende Kritiken bekommen. Das einzige Land, in dem es auch ein paar Verrisse gab, war Deutschland, vielleicht, weil es hier noch zahlreiche Leser der Vorlage von Erich Maria Remarque gibt. (FAZ)

Diese Aussage ist wichtig, weil der Roman eine Zeitlang – vielleicht immer noch? - Pflichtlektüre in den deutschen Schulen war. Jedenfalls wurde dieser Film jetzt für Schüler ab 11. Klasse empfohlen.

Also Pflichtlektüre an Schulen ist dieser Roman dieser Tage sicherlich nicht mehr.
Aber selbst wenn dem so wäre, dass viele das Buch aus schulischem Kontext kennen würden, was änderte das?

Was davon zu halten wäre, diesen Film für schulische Kontexte zu empfehlen, alleine schon wegen dem hochproblematischen Erzberger-Strang, dass war ja schonmal erörtert worden.
Da würde mich mal interessieren, wer eine solche Empfehlung ausgesprochen haben sollte und vor allem für welchen Bereich.
Ich bezweifle, dass irgendjemand, der mit der Konzeption von Geschichtsunterricht zu tun hat auf diese Idee käme.
Jeder Geschichtslehrer müsste eigentlich nach den ersten 5 Minuten und nach dem im Film Erzberger die OHL beknien musste doch bitte um Waffenstillstand zu verhandeln eher dafür plädieren diese Darstellung entweder aus den Schulen fern zu halten, oder sie als Beispiel für extreme Missgriffe in der Geschichtsdarstellung heranziehen.
Aber sicherlich kaum als didaktisch wertvollen Lehrfilm.

Fest steht, der Film war/ist auch ein kommerzieller Erfolg
Der zu nicht geringen Teilen aber nicht dem Werk selbst, sondern dem Kapern von Remarkes Buchtitel geschuldet sein dürfte, jedenfalls hier zu Lande.
Übrigens, dass an den Kinokassen entsprechendes Interesse da war, beweist nicht, dass die Besucher von dem, was sie da zu sehen bekommen haben besonders begeistert waren, nachdem der Film durch war.

und hat zudem weltweit Preise eingeheimst wie sonst kein deutscher Film zuvor.
Ja, aber wofür. Vor allem für technische Aspekte.
Die werden allerdings kaum kritisiert. Wie viele Preise für eine gute Buchverfilmung oder historische Genauigkeit hat dieser Film abgeräumt?
Denn das sind ja die kritisieren Aspekte, die sich nicht durch Preise für special effects, Kameraführung, Schnitt etc. wegdiskutieren lassen.

Zum Glück sind Historiker eine Minderheit, die ganz anders an einen Film herangehen als “normale” Kinogänger. Und weil wir hier in einem Geschichtsforum sind, kann ich die Kritik ein stückweit verstehen.
Ich weiß nicht warum ein Historiker per se an Filme anders herangehen sollte, als andere Leute.
Das dürfte dann der Fall sein, wenn es irgndwie seinen Fachbereich betrifft.

Deine Abneigung gegen Professionelle Meinungen dazu, kann ich übrigens nicht nachvollziehen.

Ich frage nochmal: was ist das besondere Verdienst des Films? Du als derenige, der sich an anderer Stelle ja dazu verstiegen hat, das Ding für pädagogisch besonders wertvoll zu erklären und es als Lehrfilm eingesetzt sehen wolltst, müsstest uns das ja mitteilen können.

- Eine Literaturverfilmung ist das nicht.
- Historisch besonders akkurat ist das auch nicht.

Was ist, abgesehen von vielen Spezialeffekten die besondere Leistung?

Das Einzige, was dir dazu bisher eingefallen ist war:

Der Film könnte "die Jugend" über die Brutalität des Krieges aufklären.
Dafür braucht die Jugend den Film nicht, die ist heute, sofern videospielaffin mitunter extreme Gewaltdarstellungen bereits aus diesem Bereich gewohnt.
Mach dich da vielleicht einfach mal schlau, wie weit die Entwicklung in diesem Bereich in den vergangenen 10 Jahren gegangen ist.

Vor 20 Jahren gab es riesen Aufregungen und Diskussionen wegen "Killerspielen", womit gemeint war, dass da in diesem Spielen mitunter auf virtuelle Figuren geschossen wurde, die nicht besonders realistisch wirkten, und das ganze in einer eher sterilen Umgebung etc.
Heute gibt es tatsächlich Killerspiele, die in extremem Maße brutalisiert sind und in denen Gewalt tatsächlich ziemlich realistisch und schmutzig dargestellt wird.
Interessanter Weise gibt es heute die Diskussion nicht mehr oder kaum noch, ob es sowas eigentlich geben dürfte obwohl die dieser Tage wesentlich angebrachter wäre, als damals.
Wer meint, man könne mit so einem Film "die Jugend" darüber belehren, dass Krieg brutal ist und kein großes Abenteuer von dem dann alle gesund, munter und hochdekoriert zurückkommen, der hat eine herrlich naive Vorstellung davon, was die Jugend nebenher sonst noch so konsumiert.


Ansonsten hast du bisher wenig an inhaltlichen Argumenten vorgebracht, was dafür sprechen würde den Film als "Meisterwerk" zu betrachten.
Wenn du damit überzeugen willst, müsste da schon mehr kommen.
 
Ja, ich kannte die Geschichte. Ich denke so etwas geschieht, wenn jemand mit Macht, in diesem Fall der Vorgesetzte, offenbar, oder zumindest möglicherweise, von einem völlig irrationalen und übersteigerten Disziplinwahn geleitet wird.
Wen es interessiert:
"Le Pantalon" 1997 von Yves Boisset (Fürs Vaterland erschossen). Der Film basiert auf einem Roman von Alain Scoff und basiert auf Tatsachen.

Das Opfer der Militär-Justiz hieß Lucien Bersot. Er wurde 1922 von einem Kassations-Gericht rehabilitiert. Bersot war auch kein Landwirt, sondern arbeitete als Schmied.

Die im Film genannte Anklage basiert auf Tatsachen. Weil Bersot sich weigerte, eine zerrissene, zu kleine Hose, die einer Leiche abgenommen wurde, verurteilte man ihn wegen Befehlsverweigerung zum Tode. Zwei Kameraden, die sich für Bersot einsetzten, wurden, verurteilte man zur Zwangsarbeit.
Das Zitat stammt tatsächlich von Robert Scheu und lautet:
"Wie tief ist die Sonne unseres Zeitalters gesunken, wenn solche Pygmäen solche Schatten werfen!"


In der Version von Karl Krauss stammt sie aus die Letzten Tage der Menschheit aus den Gesprächen des Nöthlers und des Abonnenten.

Ich weiß aber nicht mehr, an wen der Nörgler konkret gedacht hat.
 
Sprengfallen, Scharfschützen, Minen, eine sehr weitreichende Artillerie machten Schlachtfelder gefährlicher, und ein Generalstabsoffizier, der an einen Regimentsbefehlsstand schriftliche Befehle überbrachte konnte auch weit im Hinterland noch das Pech haben, in gegnerisches Ari-Störfeuer zu geraten. Die Luftwaffe steckte noch in den Kinderschuhen, aber Schlachtfliegern, Bombern waren potenziell auch Generale gefährdet.

Bei Unternehmen Alberich z. B. legten die deutschen Sprengfallen mit Zeitzündung. 1917traf ein deutsches Eisenbahngeschütz ein Muni-Lager in der Champagne.

Mir fiel noch etwas ein. Ettighofer erwähnt in Gespenster am Toten Mann ein 15 cm Langgeschütz, das die Landser den "Langen Emil" nannten. Das Geschütz stand bei Illuxt und laut Berichten von Überläufern, traf der "Lange Emil" einmal ein Offiziersbordell in Dünaburg und richtete beträchtlichen Schaden an.
 
Nikolas Loyd (alias Lindybeige auf Youtube) hat sich schon vor, Gott, zehn Jahren oder so des Themas der britischen Offiziere angenommen: "British Officers Don't Duck!" [Link wegen Forenregeln nicht.] Interessant anzuhören.
 
Nikolas Loyd (alias Lindybeige auf Youtube) hat sich schon vor, Gott, zehn Jahren oder so des Themas der britischen Offiziere angenommen: "British Officers Don't Duck!" [Link wegen Forenregeln nicht.] Interessant anzuhören.

Das war aber kein Charakteristikum der Briten, dass im Offizierskorps ein anachronistischer Ehrenkodex spürbar war. Bei den Franzosen gab es Stimmen, die monierten, dass die Poilus immer noch in roten Hosen herumliefen wie Anno 1870/71, während Briten und Deutsche bereits vollständig auf Khaki" und Feldgrau umgestellt hatten, die einheitliche Uniformierung in "bleu d` horizon" Horizontblau forderten.

Den Kritikern wurde von Generalen gesagt: "Die rote Hose ist Frankreich!

Die französische Gesellschaft war extrem polarisiert, die Dreyfus-Affäre hatte ganze Familien gespalten. In der französischen Armee, im Offizierskorps gaben vielfach extrem reaktionäre Typen den Ton an, die mit Hilfe der Militärjustiz ihre Linie rücksichtslos durchzusetzen versuchte.

Die oft unmäßig harten Urteile gegen Leute wie Bersot kann man durchaus auch im Zusammenhang mit der Spaltung der französischen Gesellschaft vor dem Krieg in Zusammenhang bringen. Die viel beschworene "Union sacreée konnte kaum darüber hinwegtäuschen, dass Frankreich sehr gespalten war. .Reaktionäre Offiziere fühlten sich durch den kleinsten Anflug von Widerspruch und Kritik extrem herausgefordert und vermuteten dahinter die Wühlarbeit von Sozialisten, Radikalen oder auch Juden und versuchten so etwas durch die Militärjustiz schon im Keim zu ersticken.

Nicht nur die Briten, auch bei den Franzosen, Deutschen, Österreicher und Russen stieß der Ehrenkodex der Offizierskorps aus dem 19. Jahrhundert mitunter heftig mit der Realität des Graben- und Stellungskriegs zusammen.

In praktisch allen Handbüchern des 19. Jahrhunderts galt das Paradigma des Angriffs. Die Offensive war stets der Defensive vorzuziehen. Der Angreifer bestimmte Ort, Zeit und Gelände, besaß die Initiative.

Der Stellungskrieg aber stellte alle Kriegsgesetze auf den Kopf. Der "bunte Rock" war zum Anachronismus geworden wie die Bajonettattacke und die "Linien-Regimenter".

Die Ari- war zur Königin des Schlachtfelds geworden. Das Flugzeug und die Zeppeline konnten den Krieg weit ins Hinterland tragen. Soldaten wurden von Granaten und Geschossen getroffen, von Gegnern, die sie nie zu Gesicht bekamen. Auf dem Schlachtfeld musste man nun die Köpfe einziehen, sich unsichtbar machen, in der Erde vergraben. MGs, Minen Stacheldraht machten plötzlich Kavallerie-Attacken, Infanterielinien und Bajonettattacken zu einem tödlichen Anachronismus.

Ein paar MG-Nester, die das Trommelfeuer übersah, konnten ganze Bataillone aufhalten. Im Stellungskrieg und Grabenkampf galten auf einmal Erfahrungswerte nicht mehr, die jahrhundertelang Gültigkeit hatten. Der Stellungs-und Grabenkrieg schuf ganz eigene Gesetzmäßigkeiten, es gab keine oder kaum Erfahrungswerte, auf die man sich verlassen konnte. Auf diesem Gebiet haben alle Kriegsteilnehmer blutiges Lehrgeld zahlen müssen- einige haben das bis zuletzt nicht kapiert.

Bei den Deutschen setzte sich erst im Herbst 1916 die Überzeugung durch, die Stellung stärker in die Tiefe zu gliedern und Reserven bereitzustellen.
In der Somme-Schlacht 1916 gingen am 1. Juli fast 20.000 Briten drauf und 40.000 wurden verwundet- die größten Verluste der britischen Armee!
Bei den Deutschen wiederum gingen viele drauf, weil Offiziere zu viele Soldaten in der 1. Linie stationierten und Wert darauf legten, Stellungen zu halten und sofort zurückzuerobern, statt stärkere Reserven als Eingreif-Einheiten bereit zu stellen.
 
In der Version von Karl Krauss stammt sie aus die Letzten Tage der Menschheit aus den Gesprächen des Nöthlers und des Abonnenten.

Ich weiß aber nicht mehr, an wen der Nörgler konkret gedacht hat.

Hier ist der Text:

Ich finde das Zitat nicht.
 
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