Also, nachdem meine erste Antwort relativ ungenau und schnell erfolgte, habe ich mich erneut schlau gemacht.
Als Einleitung möchte ich eine ganze Textstelle zitieren.
"Das heute geltende Strafrecht findet man in den staatlichen Gesetzen, die von Staatsorganen angewendet und von wissenschaftlich ausgebildeten Juristen interpretiert und kommentiert werden. Es verdankt seine Geltung der Macht des Staates, der unter den Vorgaben der Verfassung die Straftaten umschreibt, das Strafverfahren und den Strafvollzug regelt und diese Vorschriften durchsetzt.
Ihre Legitimation beziehen Staat und Recht aus der Zustimmung und dem Vertrauen der Bürger, die diese Regelungen im Wesentlichen als vernünftig anerkennen, denn sie sichern letztlich die Rechtsstellung und ermöglichen ein gerechtes Zusammenleben.
Im Gegensatz dazu war das frühere Recht mangels einer anerkannten staatlichen Macht auf eine die irdisch-weltliche Sphäre übersteigende Instanz bezogen und angewiesen, und zwar auf den (in weiten Teilen Europas) christlich trinitarischen (dreifaltigen) Gott, dem Recht und Gericht auch auf Erden zugeordnet wurden. Wie das gesamte Leben, so verwirklichte sich auch das Strafrecht in einem christlich-religiösen Weltbild. Genauso erhielten die Missetaten ihren eigentlichen Grund in dem von Gott zugelassenen Wirken des personal gedachten Bösen, des Teufels"
(Quelle: Folter, Pranger, Scheiterhaufen - Rechtsprechung im Mittelalter von Wolfgang Schild
ISBN:978-3-8094-8010-5)
Das allgemeine Rechtssystem wurde also nicht von der Macht eines großen Staates ausgeübt, und war auch nicht auf die Legitimation durch das gemeine Volk angewiesen, sondern bezog seine Legitimation aus einer göttliche Macht.
Im Gegensatz zu anderen Religionen wird der christliche Gott, dem Vorbild des jüdischen Gottes, entsprechend nur als Gut und gerecht gedacht. Dämonische Wesenszüge fehlen ihm gänzlich. Dies wird auch im "Sachsenspiegel" (1224 bis 1239/31 verfasst) von Eike von Repgow deutlich, in dem es heißt: " Gott ist selbst rechtlich, darum ist ihm das rechte lieb" desweiteren lässt von Repgow in seiner Reimvorrede keinen Zweifel: "Wer das Recht verdreht, bricht den Bund mit Gott. Gott selber hat uns gelehrt, dass wir alle Recht sind und das Unrecht uns missfalle"
Der christliche Gott gilt bereits im Alten Testament als Richter und als vergeltender Rächer für die sündhafte Missachtung des göttlichen Bundes. In apokalyptischen Schriften schließlich tritt er am Ende aller Tage als oberster Richter auf, der Ungerechtigkeit beendet, die ungerechten straft und die gerechten befreit. Das letzte Gericht war damals also nicht wie heute zwangsläufig ein Tag von vernichtenden Katastrophen und Tod, sondern wurde regelrecht erwartet.
Die irdische-christliche Gesetzgebung bezog sich allerdings nicht allein auf das biblische Rechtsverständnis - denn dazu waren diese noch viel zu allgemein gehalten.
Nun spezieller auf deine Frage hin, bezüglich Ritter:
Floxx78 hat hier ganz recht. Meine Ausführung war ziemlich allgemein gehalten. Weder habe ich verschiedene Epochen, Regionen, Glaubensrichtungen, kulturelle Besonderheiten noch deren Herrscher bei der Antwort bedacht. Andererseits ging es mir auch nicht direkt darum das Rechtsempfinden eines einzelnen Grafen irgendwo im Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen zu erläutern. (Hier mal die Karte dazu:
Datei:HRR 1400.png ? Wikipedia)
Denn andernfalls hätte ich vermutlich noch eine Persönlichkeitsanalyse der einzelnen Herrscher durchführen müssen. (Launenhaft, Gutmütig, reizbar, gewalttätig, milde etc.)
Allerdings muss ich Floxx78 hierbei widersprechen, dass sich das Rechtssystem nicht verallgemeinern ließe. Denn zumindest im Spätmittelalter (Mitte 13. Jhdt. bis Ende des 15. ggf. 16 Jhdt.) lief alle Gerichtsbarkeit beim obersten Richter, der Gottheit einer Kultur, zusammen. Vom niederen Knecht bis zu den Herrschenden konnte ein jeder ein Gottesurteil fordern.
(Schließlich ging man fest davon aus, dass Gott nur dem Unschuldigen beistehen würde)
Da es keinen Grund für eine Strafe gäbe, wenn nicht auch jemand eine Klage über einen Ritter vorgebracht hätte, ist anzunehmen, dass sowohl Kläger als auch Beschuldigter Ritter vor dem Lehnsherren des beschuldigten Ritters, die jeweilige Sachlage darlegten. Der Lehnsherr, in dessen Dienst ein Ritter steht, ist in der hierarchischen Struktur des mittelalterlichen Adels, als einziger unmittelbar für etwaige Bestrafungen zuständig. Der Dienstherr des Ritters wird sich beide Seiten angehört haben, meist im Beisein von seinen eigenen Beratern (z.B. Händler, Mönche, Veteranen und dergleichen), sich daraufhin ein Bild gemacht haben und nach eigenem Ermessen entsprechend seiner Vorstellung von Gerechtigkeit und seiner Interpretation von Recht, im Kontext mit dem kulturellen Hintergrund, verfahren haben.
Da Ritter als ein niederer Adelsstand, der vom höheren Adel oft als wenig mehr als Gemeine betrachtet wurden, nicht viele der Privilegien des Adels teilen durften, ist es wahrscheinlich, dass solche Anschuldigungen, bzw. Gerichte ebenfalls öffentlich waren. Da der Ritterstand jedoch von niederem Adel war, eigene Leute, eigene Ländereien und Güter besaß, und neben dem Kriegshandwerk eigentlich Verwalter ganzer Strukturen waren, ist es gut Vorstellbar, dass sie für "kleinere" Vergehen, wie Diebstahl, Sachbeschädigungen und der gleichen lediglich eine Geldstrafe zu entrichten hatten, oder ihnen gewisse Zusatzsteuern aufgedrückt wurden. Bei mittleren und schwereren Vergehen konnte dem Ritter sicherlich auch sein Lehen genommen werden. Verarmte Ritter waren ohne Erwerb schließlich dazu gezwungen als Raubritter über die Runden zu kommen.
Ebenfalls konnte dem Ritter, als Edelmann, auch Eide auferlegt werden. Bußgänge zu Pilgerstätten waren freiwillig oder unfreiwillig ebenso ein Mittel der Züchtigung, wie sicherlich auch zu Zeiten der Kreuzzüge die Entsendung ins Heilige Land um durch "gerechte Taten" gegen "Ungläubige" an Gott und der Christenheit Buße zu tun. Bei schwersten kriminellen Handlungen wie Hochverrat (Was Speedy11 Aufstand oder Rebellion gegen einen Herrscher/König gleichzusetzen ist. Siehe hier die deutsche Definition eines Hochverrats der Moderne:
Hochverrat ? Wikipedia) kam wohl der Schwere des Vergehens entsprechend allein der Tod und die Überstellung an die höhere Gerichtsbarkeit des Fegefeuers als Strafe in Frage. Obgleich von niederem Adel war es Rittern als Adelige bestimmt durch Enthauptung mit dem Richtschwert zu sterben, es ist demzufolge davon auszugehen, wenn auch nicht in allen erdenklichen Fällen auszuschließen, dass ihnen die Marter und Qual vieler Hinrichtungsinstrumente, die beim gemeinen Volk eingesetzt wurden, wie Rädern, Hängen etc., erspart blieben.
Sollte entweder der Beschuldigte oder der Kläger mit dem Urteil des Herrschers unzufrieden sein, konnte wie vorhin erwähnt ein jeder sein Schicksal unter die höchste Gerichtsbarkeit stellen, durch ein Gottesurteil. (
Gottesurteil ? Wikipedia)
Es gibt einmal die Einteilung in
einseitige und
zweiseitige Gottesurteile und andererseits die Einteilung in Ermittlungsordal (Versuch des Klägers, die Wahrheit seiner Anschuldigung zu beweisen) und Abwehrordal (Versuch des Angeklagten, seine Unschuld zu beweisen).
Je nach Ordal wurde das
Wunder entweder im Fall der Unschuld (beispielsweise bei der Feuerprobe) oder im Fall der Schuld (Bahrprobe, Wasserprobe mit kaltem Wasser, Hostienordal) erwartet.
[FONT="]Bei den
zweiseitigen Gottesurteilen steht dem Beklagten ein Kläger gegenüber oder ein Unfriedensstifter einem anerkannten Friedliebenden.[/FONT]
[FONT="]Hierzu gehörte auch der Zweikampf, in welchem sich der Kläger dem Beschuldigten im Kampf auf Leben und Tod stellen musste. Siegte der Kläger, war der beschuldigte seiner Tat überführt und von Gott bestraft worden. Siegte der Beschuldigte, war seine Unschuld bewiesen, er von Gott errettet und gleichzeitig der Verleumder seiner Lüge überführt und von Gott gerichtet worden.[/FONT]
[FONT="]Alles in allem lag wohl eine ganze Palette von Sanktionen und Strafen für den Ritterstand bereit, auf welche ein Herrscher zurückgreifen konnte, um die eventuell unrechten oder unliebsamen Ritter für etwaige Verfehlungen, und seinen diese auch nur erfunden, maßregeln konnten. Nur sehr wenige Straftaten und Strafen werden wohl zu einer Hinrichtung eines Ritters/Edelmanns geführt haben, denn Ritter waren ein kostbares Gut des höheren Adels, und es dauerte eine ganze Weile, bis aus einem Knappen ein Ritter wurde, ein Garant für den Sieg auf den Schlachtfeldern und ein geschulter Verwalter. Daher ist auszuschließen, dass man deren Leben einfach weg warf. Denn obwohl Ritter als niederer Adel von hohem Adel kaum wahrgenommen wurde, waren sie doch ein Garant für die Macht eines Adelshauses und wer würde schon seine Macht aufgeben wollen?[/FONT]
@floxx78
Du bist der Meinung, dass sich Strafen pauschal nicht sagen lassen. Darin stimme ich dir voll und ganz zu. Meine einzige, kleine Kritik wäre bei deinem Beitrag lediglich, dass du als Begründung für deine Anti-Pauschalisierungsthese Heinrich IV im Sachsenkrieg heranziehst, und im Satz darunter "Entgegen aller Sitten..." einleitest. Impliziert dieser Satz nicht alleine bereits, dass Heinrich IV hier ein Sonderfall seiner Zeit war? Schließlich handelt er in deisem Fall wider den allgemeinen Sitten. Quasi eine Eigenart von Heinrichs IV Charakter? Die einzelnen Taten werden sich nicht pauschalisieren lassen, aber man kann auch nicht pauchalisieren, wenn man dabei nur die Taten einzelner hervorhebt. Denn die Taten einzelner, in einzelnen Schlachten oder Feldzügen geben meiner Meinung nach nicht immer das Gedankengut zum Thema Gerechtigkeit und Recht der damaligen Zeit wieder. Die Ausnahme bestätigt auch weiterhin eine jede Regel.
[FONT="]Viele Grüße[/FONT]
[FONT="]WW[/FONT]
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Amnesty International - Netzwerk gegen die Todesstrafe