"Röhm-Putsch" im Schulbuch

floxx78

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Wie es der Zufall so will, beschäftige ich mich mal wieder mit Schulbuchanalyse. Diesmal geht´s um den so genannten "Röhm-Putsch" von 1934 und die in direktem Zusammenhang stehenden Ereignisse.

Ich stehe vor dieser Frage:

Welche Inhalte sollten in einem Schulbuchtext für den Geschichtsunterricht der 9./10. Klasse vorkommen? Beachtet werden sollte hierbei, dass der Thematik im Schnitt 250 Wörter eingeräumt werden. Ebenso sollte beachtet werden, dass i. d. R. nur "konsensfähige" Inhalte Eingang in Schulbuchdarstellungen finden.

Momentan gehe ich von folgenden "Grundforderungen" aus:

-Werden die Hintergründe des Konfliktes mit der SA genannt? (Stichworte: "zweite" und "soziale" Revolution, Führungsanspruch gegenüber Reichswehr)
-Wird deutlich, dass es sich keinesfalls um die Vereitelung eines geplanten Putsches gehandelt hat, sondern mit der Rede vom „Putsch“ vielmehr eine staatliche Mordaktion verschleiert werden sollte?
-Wird deutlich, dass sich die Mordaktion nicht nur gegen die SA richtete, sondern ihr zudem weitere missliebige Personen wie etwa der ehem. Reichskanzler von Schleicher zum Opfer fielen?
-Wird deutlich, dass nicht allein Hitler für die Morde verantwortlich zu machen ist, sondern z. B. auch der Reichswehr eine zentrale Mitverantwortung zukam?

Weitere Forderungen, die ich allerdings aufgrund fachwissenschaftlicher Kontroversen und/oder aufgrund der fachdidaktisch notwendigen Reduktion der Inhalte verworfen habe, wären:

-Wird die Bedeutung des "Röhm-Putsches" für die "Gleichschaltung der Justiz" herausgestellt? (Stichworte: "Der Führer schützt das Recht"/Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr) (Anmerkung: Wie hoch diese Bedeutung ist, ist strittig)
-Wird auf die Reaktionen der Bevölkerung eingegangen? (Anm.: Auch der Grad der Zustimmungen bzw. Ablehnung ist umstritten)

Vom Gefühl her denke ich, mit diesen Gedanken richtig zu liegen. Aber auf sein Gefühl sollte man sich als Historiker ja eher nicht verlassen. Daher wäre ich sehr dankbar um Kommentare, Kritik und Anregung.

Vielen Dank im Voraus!
 
Ich würde in der Zusammenstellung die wichtigsten Aspekte bereits sehen.



Daher nur zwei kleine Ergänzungen, die aber wahrscheinlich zu weit gehen:

- als Mitwirkung und Dank der Reichswehr über den Röhmputsch hinaus die dann eingeführte verfassungswidrige Eidesleistung auf Hitler (Stichwort: Widerstand)
- den Röhmputsch auch als Entscheidung der Machtfrage zugunsten der SS unter Himmler.
 
Ich würde in der Zusammenstellung die wichtigsten Aspekte bereits sehen.



Daher nur zwei kleine Ergänzungen, die aber wahrscheinlich zu weit gehen:

- als Mitwirkung und Dank der Reichswehr über den Röhmputsch hinaus die dann eingeführte verfassungswidrige Eidesleistung auf Hitler (Stichwort: Widerstand)
- den Röhmputsch auch als Entscheidung der Machtfrage zugunsten der SS unter Himmler.

Danke für die Antwort! Ich denke auch, dass die Ergänzungen zu weit gehen. Der Eid auf Hitler kommt in allen mir bekannten Schulbuchdarstellungen vor, wird aber zumeist nur in Zusammenhang mit dem Tod Hindenburgs thematisiert. Dass fortan die SS eine Vorrangstellung innehatte kommt auch vor - und ich denke, das ist ausreichend, zumal der Konflikt zwischen SA und SS nicht zu den Hauptursachen des "Röhm-Putsches" gehört hat (zumindest ist dies strittig).
 
Welche Inhalte sollten in einem Schulbuchtext für den Geschichtsunterricht der 9./10. Klasse vorkommen?
Keine Verbesserungsvorschläge, aber zwei Fragen:
- Vor ein paar Tagen bekam ich die Originalausgabe der Kölner Zeitung von Anfang Juli 1934 zu Gesicht und war überrascht zu sehen, wie ausführlich dort die Homosexualität der SA-Führer, d. h. ihre "innere Verderbtheit" (im Verein mit der angeblichen äußeren, also Hoch- und Landesverrat) thematisiert wurde. Spielt das in Schulbüchern, die Du kennst, eine Rolle?
- Die gleiche Frage bezüglich derer, welche die Mordaktion bejubelt bzw. (wie z. B. Carl Schmitt) rechtfertigt haben: Dieser Aspekt hat wahrscheinlich beim 250-Wörter-Limit keine Chance.
 
Keine Verbesserungsvorschläge, aber zwei Fragen:
- Vor ein paar Tagen bekam ich die Originalausgabe der Kölner Zeitung von Anfang Juli 1934 zu Gesicht und war überrascht zu sehen, wie ausführlich dort die Homosexualität der SA-Führer, d. h. ihre "innere Verderbtheit" (im Verein mit der angeblichen äußeren, also Hoch- und Landesverrat) thematisiert wurde. Spielt das in Schulbüchern, die Du kennst, eine Rolle?

In den beiden, die ich für meine (exemplarische) Analyse heranziehe, nicht. M. E. ist es auch fraglich, ob diese vorgeschobenen Gründe unbedingt Erwähnung finden müssen.

Die gleiche Frage bezüglich derer, welche die Mordaktion bejubelt bzw. (wie z. B. Carl Schmitt) rechtfertigt haben: Dieser Aspekt hat wahrscheinlich beim 250-Wörter-Limit keine Chance.

Zu den "Bejublern" der Aktion findet sich wenig. Teilweise ist von der Zustimmung und Unterstützung der Reichswehr die Rede. Zu sonstigen Reaktionen in der Bevölkerung gibt es kaum etwas.

Zur Rechtfertigung findet sich meist ein pauschaler Hinweis auf die nachträgliche Rechtfertigung als "Staatsnotwehr". Ich meine auch schon mal das Schlagwort "Der Führer schützt das Recht" gelesen zu haben. Da müsste ich jetzt aber genauer recherchieren - und dazu fehlt mir leider die Zeit (morgen Prüfung).
 
M. E. ist es auch fraglich, ob diese vorgeschobenen Gründe unbedingt Erwähnung finden müssen.

Müssen nicht, es sei denn, man wollte thematisieren, dass danach die Verfolgung Homosexueller im Reich weiter intensiviert wurde.
Die tiefenpsychologischen Aspekte hierbei, die z. B. Klaus Theweleit in seinen "Männerphantasien" herausgearbeitet hat, sind im 9./10. Schuljahr auch kaum zu vermitteln (wären aber hier gelegentlich mal eine eigene Diskussion wert).

Prüfst Du oder wirst Du geprüft? Jedenfalls toi toi toi:winke:
 
In der "Nacht der langen Messer" zeigte das NS- Regime im Grunde genommen zum ersten Mal sein wahres Gesicht, wobei allerdings die Kaltschnäuzigkeit mancher Generale den ´SS- Schergen nicht viel nachstand, denn immerhin hatte man stillschweigend den Mord an einem Mitglied des Offizierskorps, General von Schleicher und seiner Frau geduldet.

Ein Musiker und Journalist Willi Schmidt wurde "versehentlich" umgebracht, da man ihn mit einem SA- Führer verwechselte. Ein anderer SA- Mann, der angeblich einen Putsch plante, befand sich auf der Hochzeitsreise und hielt es für einen großartigen Scherz, als ihm Handschellen angelegt wurden.


Himmler zieht denn auch in seiner Posener Rede die Konsequenz, wenn er die "Nacht der langen Messer" im Zusammenhang mit dem Holocaust. Wie die SS auch am 30. Juni 1934 nicht gezögert habe, "Kameraden, die sich verfehlt hatten", an die Wand zu stellen, obwohl es sie innerlich geschaudert habe, so sei seine SS auch für die schwierigste Aufgabe bereit, die "Endlösung der Judenfrage" Das habe die SS hart gemacht und sei ein niemals genanntes oder zu nennendes "Ruhmesblatt".
 
In der "Nacht der langen Messer" zeigte das NS- Regime im Grunde genommen zum ersten Mal sein wahres Gesicht, wobei allerdings die Kaltschnäuzigkeit mancher Generale den ´SS- Schergen nicht viel nachstand, denn immerhin hatte man stillschweigend den Mord an einem Mitglied des Offizierskorps, General von Schleicher und seiner Frau geduldet.

Interessant ist auch, das der Oberbefehlshaber der Reichswehr Reichspäsident Paul von Hindenburg die Ermordung der Generale von Schleicher und seines ehemaligen Stellvertreters von Bredow einfach hinnahm.

Hindenburg schickte sogar den zum General der Infanterie, unterr Auslassung diverser Dienstgrade, befördeten Göring ein Telgramm und sprach ihm seine Anerkennung aus.(1)

Goebbels notierte hierzu am 06.07. 1934 in seinem Tagebuch:" Hindenburg war knorke. Der alte Herr hat Format."

Für Papen hat sich Hindenburg dann noch eingesetzt, denn auch dieser war verhaftet worden.


(1) Telegrammabdruck in Völkischer Beobachter vom 03.07.1934 hier zitert nach Pyta, Hindenburg, Siedler 2007
 
Interessant ist auch, das der Oberbefehlshaber der Reichswehr Reichspäsident Paul von Hindenburg die Ermordung der Generale von Schleicher und seines ehemaligen Stellvertreters von Bredow einfach hinnahm.

Hindenburg schickte sogar den zum General der Infanterie, unterr Auslassung diverser Dienstgrade, befördeten Göring ein Telgramm und sprach ihm seine Anerkennung aus.(1)

Goebbels notierte hierzu am 06.07. 1934 in seinem Tagebuch:" Hindenburg war knorke. Der alte Herr hat Format."

Für Papen hat sich Hindenburg dann noch eingesetzt, denn auch dieser war verhaftet worden.


(1) Telegrammabdruck in Völkischer Beobachter vom 03.07.1934 hier zitert nach Pyta, Hindenburg, Siedler 2007


Von Papen sollte, glaube ich, nicht zuletzt wegen seiner Marburger Rede, auch umgebracht werden, und er entging dem Mord nur knapp. Wenn ich mich recht erinnere, gehörte sein Ghostwriter tatsächlich zu den Opfern der "Nacht der langen Messer".
 
Von Papen sollte, glaube ich, nicht zuletzt wegen seiner Marburger Rede, auch umgebracht werden, und er entging dem Mord nur knapp. Wenn ich mich recht erinnere, gehörte sein Ghostwriter tatsächlich zu den Opfern der "Nacht der langen Messer".

Von Papens Pressefritze von Bose ist von den SS Schergen erschossen worden. Einer von Papens Mitarbeitern ist aber doch die Flucht aus der "Schutzhaft" gelungen und er schaffte es sogar dann bis nach Ostpreußen zum Gut Januschau. Von dort wurde dann Hindenburg über diese Vorgänge in Kenntnis gesetzt.
 
Brecht hat den "Röhm-Putsch" mit Gangster-Morden und Machtkämpfen in Chicago zu jener Zeit verglichen. Nicht zu Unrecht.

Typisch an allen diesen Mordaktionen, die bei so ziemlich allen solchen Systemen vorkommen, ist, dass sich nicht einmal die Zahl der Opfer, geschweige ihre Namen feststellen lässt.


Was am "Röhmputsch" wiederum besonders ist, die deutsche Bevölkerung hat anscheinend tatsächlich aufgeatmet. War tatsächlich froh, dass die SA ausgeschaltet wurde.
 
Ich denke, die Bevölkerung war deswegen froh, weil mit dem "Röhm-Putsch" auch die Straßenpräsenz der SA deutlich nachließ. Der offen zutageliegende Terror der SA wurde eben als Terror, als Willkürherrschaft wahrgenommen, und als der nicht mehr da war, war man erleichtert. Wie es dazu gekommen war, daß er nicht mehr da war, das war in dem Moment vermutlich weniger wichtig.
Das hemmungslose Alles-verändern-wollen der SA paßte eben nicht mehr mit der offensichtlichen Einigung zwischen Nationalkonservativen und der NS-Parteiführung zusammen. Man denke nur an den "Tag von Potsdam", die Verneigung Hitlers vor Hindenburg am Grab des Alten Fritz. Das war das gesellschaftsfähige Gesicht der Partei, auf das zweite, häßliche Gesicht (z.B SA) verzichtete man gerne.
 
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