Römische Lederrüstungen aus Ägypten

Maglor

Aktives Mitglied
Es gilt als Binsenweisheit, dass es Lederrüstungen nur in Sandalenfilmen gibt. Anscheinend gab es sich auch in der echten Antike.

Das trockene Klima in Ägypten begünstigt den Erhalt von organischem Material über Jahrtausende erhalten und so auch gleich zwei Lederrüstungen aus römischer Zeit.

Eine Lederrüstung einschießlich Lederhelm aus Krokodilleder aus Manfalut und befindet sich im Britischen Museum.

Reste eines Lamellenpanzers (lorica squamata) aus dem Karanis befindet sich in Michigan.
 
Ja, die Lederpanzer werden als Ausrüstung von Wagenlenkern angesprochen, wie sie auf Abbildungen, z.B. auf dem Quadrigastoff zu sehen sind. Keine Regel ohne Ausnahme: Der Illustrator Graham Sumner, der die lange einzige Monographie zur Römischen Militärkleidung geschrieben hat interpretiert sie als aus militärischem Zusammenhang stammend.

Lederlamellen gibt es auch aus Dura Europos, wahrscheinlich auch im Britischen Museum. Wieder geht man nicht von militärischem Zusammenhang aus. Allerdings gibt es hier auch das Thema Prunkrüstungen. Ich habe auch mal gelesen, das Lederlamellen auf einem Kettenhemd angebracht wurden und zu Byzanz gibt es Rekonstruktionen, die Lederlamellen auf einem Lamellenharnisch als Muster zeigen. Die Fundstellen dieser beiden Rekonstruktionen habe ich allerdings nicht mehr im Kopf.

Lederrüstungen kamen, als noch nicht bekannt war, das römische Statuen bemalt waren aufgrund von Grabsteinen mit 'glatten' Rüstungen in die Diskussion. Das ist anhand von Spuren auf diesen Denkmälern widerlegt, wird aber ab und an wieder aufgebracht. Mitunter wird auch nur ein Subarmalis, das ursprünglich nur unter der Rüstung getragen wurde, später aber quasi als 'Kleiner Diener' diente, mit einer Rüstung verwechselt.

Thomas Fischer, Die Armee der Caesaren - Archäologie und Geschichte, Regensburg 2012, S. 163 f. habe ich da mittlerweile als Beleg sogar im Kopf. Zum Subarmalis im gleichen Werk im entsprechenden Abschnitt schauen.
 
Lederlamellen gibt es auch aus Dura Europos, wahrscheinlich auch im Britischen Museum.
Verschiedene ähnliche Metallfunde aus Dura Europos werden als Pferderrüstungen angesprochen.
Von einem möglichen Lederlamellar aus Dura Europos sind allerdings so wenige Teile übrig, dass man kaum sagen kann, ob der für einen Mensch oder Pferd gedacht war.

Dura Europos liegt in Syrien. Ähnlich wie in Ägypten ist hier im Wüstenklima Leder über zwei Jahrtausende erhalten geblieben.

Aus Mitteleuropa gibt es auch viele Lederfunde aus römischer Zeit. Allerdings haben die Römer im heutigen Deutschland vor allem alte Schuhe in Brunnen geworfen und eben keine Lederrüstungen.

Lederrüstungen kamen, als noch nicht bekannt war, das römische Statuen bemalt waren aufgrund von Grabsteinen mit 'glatten' Rüstungen in die Diskussion. Das ist anhand von Spuren auf diesen Denkmälern widerlegt, wird aber ab und an wieder aufgebracht. Mitunter wird auch nur ein Subarmalis, das ursprünglich nur unter der Rüstung getragen wurde, später aber quasi als 'Kleiner Diener' diente, mit einer Rüstung verwechselt.
Eine interessante Fundlage genau hierzu ist das angelsächsische Prunkgrab von Sutton Hoo. Das ist allerdings schon finsteres Mittelalter (7. Jahrhundert). Der Tote trug an den Schultern zwei Schließen, die wahrscheinlich zum Verschluss von nicht erhaltener organischer Rüstung, Subarmalis, Militärkleidung etc. dienten. Diese prunkvollen Schulter-Schließen aus Gold und Edelsteinen sehen jedenfalls entfernt so ähnlich aus wie die Schulterschließen an den Muskelpanzern der antiker Kaiser, wie er nur von den Statuen bekannt.
 
Schauen wir uns einmal Kaiser Honorius an:
Consular_diptych_Probus_406.jpg


Eine steife Rüstung kann eigentlich nicht so ausgesehen haben. Zudem soll er krumm da stehen. Das gleiche gilt aber auch für eine Rüstung aus hartem (gekochtem) Leder. Wenn wir nicht von Unfähigkeit des Künstlers ausgehen wollen, verführt das zur Vermutung einer Art Schaurüstung, was aber für einen angelsächsischen König wieder risikoreich wäre. Oder saß im Leben unter dem Leder Metall, dass im Grab weggelassen wurde? Nun, gute Quellen werfen ja Fragen auf. Ich sehe nur nicht, wo die Lösung liegen soll. Eine Entwicklung aus dem Subarmalis? In Severischer Zeit hatte man ja schon Helme unter Mützen versteckt.
 
Wenn Leder mit Holzleim oder Tränkharzen versetzt wird, entsteht dann nicht eine Art Kunststoff, ähnlich wie in Brettchen aus Melamin? Ein solcher Panzer hätte sehr hohen Schutz gegeben, bei zugleich großer Leichtigkeit.
 
Nicht Leichtigkeit, Beweglichkeit ist hier das Problem. Ich wollte es hier zwar nicht unterschlagen, bin aber auch bei dieser Sache den Lederrüstungen gegenüber skeptisch.

Harz konserviert übrigens. Es hätten in Sutton Hoo Spuren gefunden werden müssen. Wir müssten schon annehmen, dass das gekochte Leder des Mittelalters schon einmal in der Spätantike bekannt war. Und auch im Mittelalter gab es jenseits von Experimenten keine Lederrüstungen.

Aus der Antike und dem Mittelalter sind jedoch verschiedene Rüstungen aus einer Kombination von Stoffen bekannt. Leder, Holz (um die Verzierungen zu hinterfangen wie bei Bucheinbänden) und Metall wären für mich, des Honorius Rüstung als Modell genommen, plausibel. Leichteres Eisen statt Bronze wäre möglich und Leder lässt sich vergolden. Ist das Leder nicht oder nur zum Teil versteift, bleibt eine gewisse Beweglichkeit erhalten und eine reine Prunkrüstung würde vermodern. Auch gäbe es einen glaubwürdigen Ursprung: Ein Kaiser oder Feldherr wollte sich eben nicht in einem einfachen Subarmalis zeigen wie ein einfacher Zenturio. Um so besser, wenn ähnlich wie bei einer mittelalterlichen Brigandine Metallstreifen Schutz boten.

Was stört mich an dem Ganzen? Zur Erklärung von ein Paar Ungereimtheiten türmen wir Folgerungen aufeinander. Das ist wie der Turmbau zu Babel. Dat hält seo nit, wie der Westfale sagt. Bis sich eine wirklich passende Lösung ergibt, bleibe ich lieber bei Fragen. (Versteiftes Leder in der Antike ist als Hilfshypothese sowieso problematisch.)

Und dann ist da noch die Sache, dass die Verfechter von Lederrüstungen oftmals ähnlich starke Argumente nutzen, wie Verschwörungstheoretiker. Etwa: Die Truppen Konstantins werden ohne Rüstung gezeigt. Erstens: Wie war das noch beim Triumphzug, als die Römer sie zu Gesicht bekamen? Zweitens hat das nichts mit Lederrüstungen zu tun.

Schließlich, wie gesagt, geht es nur um Rüstungen hoher Offiziere in der Spätantike.

(Im Netz werden verschiedene Experimente gezeigt. In einigen hält eine Lederrüstung weder Schnitt noch Stich ab. In anderen funktioniert sie beim Schnitt. Allerdings ist beim Schnitt meist nicht zu unterscheiden, ob er korrekt durchgeführt wurde oder nicht doch ein Hieb war. Vermutlich fällt es schwer, dass zu verstehen, wenn jemand noch nie ein Schwert in Händen hielt. Und ja, das speziell für Stich und Schnitt eingerichtete Gladius wurde für die eher zum Hieb geeignete Spatha aufgegeben. Aber in der Spätantike waren Speer und Bogen die Hauptbewaffnung.)
 
Nun, gute Quellen werfen ja Fragen auf. Ich sehe nur nicht, wo die Lösung liegen soll.
Ich sehe auch keine Lösung.

Hier gibt es Abbildungen, Beschreibungen und Interpretation einiger Kaiser-Statuen: https://www.linothorax.de/quellen-und-literatur/plastik/
Eine Lösung dazu gibt es nicht. Es ist eigentlich sogar unklar, ob es diese Rüstungen überhaupt gab. Klar scheint nur zu sein, dass es die Absicht gab, die Kaiser irgendwie nach hellenistischen Vorbildern abzubilden - eben in einem Muskelpanzer mit Schulterklappen, Pteryges und Feldherrenbinde. Die Tradition dieser stereotypen Kaiserrüstung beginnt bei Augustus. Im Grunde ist diese Rüstung genauso ikonisch und symbolträchtig wie der Lorbeerkranz oder das Diadem - vielleicht auch genauso unpraktisch.

Und der König von Sutton Hoo wird bei der Auswahl seiner Schulterschließen die gleiche Absicht gehabt haben. Es wäre jedenfalls für einen angelsächsischen König eine gute Wahl so einen ähnlichen Anzug wie Augustus oder Alexander zu tragen. Das für den König von Sutton Hoo der Prunk extrem wichtig, halte ich aus dem Kontext der Grabaustattung für offensichtlich.

Wenn die Kaiser tatsächlich derartige Rüstungen trugen, gehe ich von extrem teurem, exotischen Material aus. Schildplatt, Elfenbein, Flusspferdhaut, Muschelseide ... und natürlich ganz viel Gold. Lediglich bei der Verwendung von Gold wäre ich mir sicher. Nur das beste wäre meiner Meinung nach gut genug für den Kaiser der Welt.

Ich gehe nicht davon aus, dass die römischen Lederrüstungen aus Ägypten und Dura Europas besonders viel mit den Prunkrüstungen der Kaiser zu tun hatten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben